L 6 AS 31/14 B

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 29 AS 10/14 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 31/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ist die Versetzung eines hilfebedürftigen Schülers nur deshalb nicht gefährdet, weil in der Orientierungsstufe der automatische Aufstieg von der 5. in die 6. Klassenstufe vorgesehen ist, so steht dies einer Lernförderung durch den Grundsicherungsträger gemäß § 28 Abs.5 SGB II nicht entgegen.

Zur Behandlung von Teilleistungsstörungen wie Legasthenie oder Dyskalkulie kann Lernförderung auch dann gewährt werden, wenn voraussichtlich deren längerfristige Inanspruchnahme erforderlich ist.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 12. Februar 2014 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch für das Beschwerdeverfahren. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. &8195;

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen der Lernförderung zugunsten des Antragstellers.

Der im 2002 geborene Antragsteller bezieht laufend gemeinsam mit seinem Vater von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er besucht derzeit die 5. Klasse der R schule U , einer Regionalschule. In dem am 31. Januar 2014 erteilten Halbjahreszeugnis ist das Fach Mathematik mit mangelhaft bewertet worden. Die Fächer Deutsch, Geographie, Englisch, Biologie und Musik sind mit ausreichend und die Fächer Kunst, Philosophie und Sport mit gut bewertet worden.

Am 4. Oktober 2013 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Gewährung von ergänzenden Leistungen der Lernförderung. Beigefügt war eine Bestätigung der R schule U , die von der Zeugin K ausgefüllt worden war. Danach benötigte der Antragsteller in den Fächern Mathematik und Deutsch vorübergehend einen Lernförderbedarf im Umfang von zwei Zeitstunden wöchentlich für voraussichtlich sechs Monate. Die Zeugin K verneinte dabei ausreichende geeignete schulische Angebote zur Erreichung und bejahte eine positive Prognose zur Erreichung der Lernziele bei Erteilung der Nachhilfe. Die Versetzung sei wegen des automatischen Aufstiegs der Schüler (in der Orientierungsstufe) nicht gefährdet. Am 17. Oktober 2010 erstellte die diplomierte Legasthenietrainerin und Lerntherapeutin L ein pädagogisches Gutachten über den Antragsteller, in dem sie bei diesem eine mittelschwere Legasthenie sowie eine schwere Dyskalkulie feststellte. Diese Defizite entsprächen nicht seinen intellektuellen Möglichkeiten, sein Intelligenzquotient sei nämlich mit 101,5 durchschnittlich. Positiv zu bewerten sei, dass der Antragsteller trotz aller Schwierigkeiten versuche, alle ihm gestellten Aufgaben zu lösen und nicht aufgebe. Damit ihm die Lust am Lernen nicht vergehe, werde zu einer Lerntherapie für Legasthenie und Dyskalkulie geraten.

Mit Bescheid vom 22. November 2013 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Lernförderung ab. Zur Begründung führte er aus, die Versetzung in die nächste Klassenstufe sei nicht geeignet, zudem sei die Herstellung der Sprachfähigkeit in Deutsch Aufgabe der Schule und Fördermaßnahmen zu Lese- und Rechtschreibschwäche sowie zu Dyskalkulie könnten nicht über das Bildungs- und Teilhabepaket durchgeführt werden.

Dagegen richtet sich der Widerspruch des Antragstellers vom 10. Dezember 2013, zu dessen Begründung er eine weitere Bestätigung über den Lernförderbedarf der Zeugin K vorlegte, wobei diese nunmehr in Mathematik und Deutsch einen wöchentlichen Bedarf von jeweils zwei Unterrichtsstunden à 45 Minuten für sechs bis acht Monate bescheinigte.

Ein Antrag des Antragstellers vom 21. November 2013 auf Gewährung der Lernförderung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII war nicht erfolgreich, dieser wurde vom Kreis Pinneberg mit Bescheid vom 21. November 2013 im Hinblick auf das Nichtvorliegen einer seelischen Behinderung abgelehnt.

Am 23. Januar 2014 hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht Itzehoe einen Eilantrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Lernförderung im Wege einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Er hat beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Lernförderung nach Maßgabe der Bescheinigung der R schule U zu bewilligen und zu finanzieren.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das Sozialgericht Itzehoe hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen eines Erörterungstermins vom 10. Februar 2014 die Mathematiklehrerin des Antragstellers, Frau K , sowie dessen Deutschlehrerin, Frau V , zeugenschaftlich vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das in der Gerichtsakte abgeheftete und an die Beteiligten in Kopie übersandte Protokoll der Sitzung vom 10. Februar 2014 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12. Februar 2014 hat das Sozialgericht Itzehoe den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis 31. Dezember 2014, längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 22. November 2013, Lernförderung durch Übernahme der Kosten für außerschulische qualifizierte Einzelförderung bei der Sprachschule Liedtke & Greiff in U in den Unterrichtsfächern Mathematik im Umfang von zwei Unterrichtsstunden à 60 Minuten wöchentlich sowie im Unterrichtsfach Deutsch im Umfang von zwei Unterrichtsstunden à 60 Minuten wöchentlich als Gutschein oder Direktzahlung zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht, denn aufgrund der Basisdefizite des Antragstellers sei unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen nicht zu erwarten, dass er ohne Lernförderung die Lernziele der 5. Klasse erreichen würde und angesichts der mehrjährigen Wartezeiten für neu eingehende Hauptsachen beim Sozialgericht Itzehoe sei ihm ein Abwarten in der Hauptsache nicht zuzumuten. Ein Anordnungsanspruch sei ebenfalls glaubhaft gemacht worden, dieser habe in § 28 Abs. 5 SGB II seine gesetzliche Grundlage. Dessen Voraussetzungen lägen vor. Die Lernziele seien gefährdet, denn der Antragsteller könne aufgrund seiner Schwächen in den Fächern Deutsch und Mathematik nicht verständnisgeleitet lesen und schreiben und es gelinge ihm nicht die Grundrechenarten hinreichend sicher anzuwenden. Es sei insoweit nicht erheblich, dass keine Gefährdung der Versetzung drohe, denn die schulrechtlichen Bestimmungen sähen grundsätzlich eine Wiederholung einer Jahrgangsstufe in der Orientierungsstufe (Jahrgangsstufen 5 und 6) nicht vor. Allerdings sei das Lernziel für die Schlüsselqualifikation in Deutsch und Mathematik, die am Ende der Grundschule erreicht werden sollten, verfehlt worden. Bei fortbestehender elementarer Lese- und Rechtschreibschwäche sowie Dyskalkulie würden sich auch bei einer Weiterversetzung die übrigen schulischen Leistungen und damit der Abstand zum Klassendurchschnitt immer weiter vergrößern, so dass die mit einem Schulabschluss bezweckte Vermittlung grundlegender Kenntnisse bereits zu Beginn gefährdet sei. Eine andere Maßnahme, die das Ziel der Lernförderung ebenso gut erreiche, sei nicht ersichtlich, insbesondere scheide die insoweit freiwillig mögliche Wiederholung der 5. Klasse aus, denn die Zeugin K habe insoweit überzeugend begründet, dass dies die schulischen Probleme des Antragstellers nicht verändern würde. Auch sei eine Förderung nach § 28 Abs. 5 SGB II nicht ausgeschlossen, weil es sich nicht nur um eine kurzfristige Förderung handele. Lernschwächen von Kindern aus einkommensschwachen Haushalten beruhten häufig auf Defiziten, die nicht kurzfristig zu beseitigen seien. Es bedürfe einer nicht zu engen Auslegung des § 28 Abs. 5 SGB II, um die Lebenschancen der Kinder im Leistungsbezug zu erweitern und sie in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt langfristig aus eigenen Kräften zu bestreiten. Daher sei auch eine außerschulische Förderung, die voraussichtlich mehr als ein Jahr dauern würde, noch nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Es liege auch keine Konstellation vor, in der aufgrund struktureller Defizite eine Überforderung des Schülers beim Besuch einer höheren Schule im Raum stehe und anstatt einer Lernförderung ein Schulformwechsel anzustreben sei. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liege bei dem Antragsteller keine durchgehende Lernschwäche vor. Dies bestätige das pädagogische Gutachten vom 17. Oktober 2013. Die Defizite des Antragstellers konzentrierten sich vielmehr auf strukturelle Verständnisdefizite in den Bereichen Mathematik und Deutsch. Der Auffassung des Antragsgegners, Lese- und Rechtschreibschwächen und Dyskalkulie seien generell nicht förderungsfähig, könne sich das Gericht nicht anschließen. Es gehe nicht darum, diese Beeinträchtigungen vollständig zu beseitigen, sondern darum, dem Antragsteller innerhalb einer bestehenden Schwäche durch gezielte Förderung die Hebung struktureller Defizite, namentlich ein Zahlenverständnis und das Beherrschen der Grundrechenarten sowie die Aneignung des Leseverständnisses zu ermöglichen. Die vorrangige Zuständigkeit anderer Träger oder die Förderung durch die Schule stehe dem Anordnungsanspruch vorliegend nicht entgegen. Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Anordnung habe sich das Gericht an der Empfehlung der Schule orientiert. Bezüglich des wöchentlich bestehenden Förderbedarfs sei eine Orientierung an der Bescheinigung vom 2. Oktober 2013 erfolgt.

Gegen diesen dem Antragsgegner am 13. Februar 2014 zugestellten Beschluss richtet sich dessen Beschwerde vom 18. Februar 2014. Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, die Voraussetzungen für eine Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II lägen nicht vor. Das Sozialgericht habe bei Beschlussfassung nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Legasthenie bei der Notenbewertung in der Schule nicht einfließe, weil es sich um eine anerkannte Lernschwäche handele. Es sei ebenso sehr fraglich, ob die Lernförderung geeignet sei, die wesentlichen Lernziele zu erreichen. Insoweit sieht sich der Antragsgegner durch die Angaben der Zeuginnen zu den Ausprägungen der Dyskalkulie und der Legasthenie bestätigt. Es werde nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Antragsteller bereits in der Schule eine Legasthenieförderung in Form eines Gruppenunterrichts erhalte. Ein kurzfristiger Förderbedarf liege gerade nicht vor. Nach der Gesetzesbegründung sei eine außerschulische Lernförderung als Mehrbedarf aber nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich. Dieser sei in der Regel nur kurzfristig notwendig. Eine positive Prognose könne bezogen auf das Schuljahresende auch nicht gestellt werden, denn die Lehrerinnen gingen von einem dreijährigen bzw. zweijährigen Förderbedarf aus. Gerade deswegen könne noch nicht abgeschätzt werden, ob die in der Schule durchgeführte Förderung nicht doch zu einer Verbesserung führen würde. Es stelle sich auch die Frage, ob der Kläger, wenn er als Förderschüler eingestuft werden würde, nicht eine entsprechende Förderung in Mathematik und Deutsch bekommen würde. Denn laut Gesetzesbegründung sei Sinn und Zweck des § 28 Abs. 5 SGB II nicht, ein Herabstieg in eine andere Schulform zu verhindern. Unverhältnismäßig seien auch die Kosten für die Lernförderung im konkreten Fall, die bei 25,00 EUR pro Stunde lägen. In der Regel fielen aber für eine Lernförderung von 45 Minuten Kosten zwischen 9,00 und 11,00 EUR an. Die entstehenden Kosten seien daher unverhältnismäßig hoch.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 12. Februar 2014 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, richtig sei, dass eine Rechtschreibschwäche nicht zu einer Verschlechterung der Noten führen dürfe. Es sei aber nach den Ausführungen seiner Deutschlehrerin erforderlich, insbesondere sein Leseverständnis zu heben. Die Schwächen im Leseverständnis wirkten sich so auch auf andere Fächer aus. Die Lernförderung sei auch geeignet. Es sei zu betonen, dass der Antragsteller sehr motiviert sei und gerne in die Schule gehe. Alleine der Zeitfaktor könne nicht Maß aller Dinge sein. Auch sei es nach Bekunden der Mathematiklehrerin durchaus möglich, dass er die Grundrechenarten erlerne und diese denn auch ausüben könne. Es sei auch nicht so, dass er in der Schule eine spezielle Legasthenieförderung erhalte, er erhalte vielmehr Nachhilfe in Deutsch, die in Gruppen stattfinde. Für eine spezielle Legasthenieför¬derung habe die Schule keine Kapazitäten. Es wäre auch sinnwidrig, ihn als Förderschüler einzustufen, denn sein IQ lasse darauf schließen, dass er ein normal entwickelter Schüler sei.

Ergänzend wird wegen des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht Itzehoe den Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung von Leistungen der Lernförderung verpflichtet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Entscheidungserhebliche Angaben sind dabei von den Beteiligten glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Zusammengefasst müssen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss es im Ergebnis einer Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird (Anordnungsanspruch). Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Dabei hat das Gericht die Belange der Öffentlichkeit und des Antragstellers miteinander abzuwägen.

Vorliegend hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch mit einer für eine Verpflichtung im Eilverfahren hinreichenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Der Anordnungsgrund ergibt sich, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat, zwanglos aus der essentiellen Bedeutung der streitigen Leistungen für den Antragsteller. Für den Antragsteller ist es von hervorragend wichtiger Bedeutung, die schulrechtlichen Lernziele zu erreichen, sofern dies gegebenenfalls mit Mitteln der Lernförderung möglich erscheint. Dies gilt umso mehr, als sich der Antragsteller in einer sensiblen Phase der schulischen Ausbildung, nämlich der Orientierungsstufe nach Absolvierung der Grundschule, befindet. Die Orientierungsstufe umfasst das 5. und 6. Schuljahr und ist daher im Vergleich zu anderen Abschnitten der schulischen Ausbildung vergleichsweise kurz. In dieser Phase stehen Weichenstellungen für die weitere Schullaufbahn und damit mittelbar auch für das spätere Erwerbsleben an. Es erscheint unzumutbar, eine gerichtliche Entscheidung über eine Förderung in diesem Bereich der schulischen Ausbildung über mehrere Jahre abzuwarten. Damit wäre aber angesichts der Belastungssituation des Sozialgerichts Itzehoe, worauf dieses zutreffend hingewiesen hat, bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen.

Der Anordnungsanspruch resultiert aus § 28 Abs. 5 SGB II. Danach wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Lernförderung im Umfang der von dem Sozialgericht vorgenommenen Tenorierung hinreichend glaubhaft gemacht worden.

Insbesondere ergibt sich aus den Bescheinigungen der R schule sowie dem pädagogischen Gutachten der Sachverständigen L , vor allem aber aus den zeugenschaftlichen Aussagen der Lehrerinnen K und V , dass das Erreichen der schulrechtlichen Lernziele in den Fächern Deutsch und Mathematik durch den Antragsteller erheblich gefährdet ist. Dem kann, anders als der Antragsgegner meint, nicht entgegengehalten werden, dass die Versetzung in die nächsthöhere Klasse nicht gefährdet ist, denn nicht nur die Versetzung in die nächste Klassenstufe ist ein wesentliches Lernziel, sondern auch das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Februar 2012, L 7 AS 47/12; SG Marburg, Beschluss vom 1. November 2012, S 5 AS 213/12 ER, zitiert nach juris). Das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus erscheint schon deshalb gefährdet, weil dem Antragsteller nach den glaubhaften Angaben der Zeuginnen an einem ausreichenden Leseverständnis und an einem ausreichenden Verständnis für Zahlen, insbesondere im Zahlenraum über 1.000 fehlt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Versetzung vorliegend nur deshalb nicht gefährdet erscheint, weil in der Orientierungsstufe regelhaft ein Aufstieg in die nächste Klassenstufe erfolgt und gegen den Willen der Erziehungsbe-rechtigten keine Wiederholung einer Klassenstufe stattfindet. Ohne diese Regelung erschiene die Versetzung ausgehend von dem Halbjahreszeugnis gefährdet, wobei zu berücksichtigen ist, dass die ausreichende Benotung im Fach Deutsch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eher eine Tendenz zu mangelhaft hat. Bei Benotung zweier Hauptfächer, hier Deutsch und Mathematik, mit mangelhaft, erschiene eine Versetzung ungeachtet der Sonderregelungen für die Orientierungsstufe gefährdet. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Abstand zu dem durchschnittlichen Leistungsniveau des Klassenverbandes wahrscheinlich deutlich erhöhen würde, wenn die Teilleistungseinschränkungen des Antragstellers lediglich im Hinblick auf die fehlende Versetzungsgefährdung nicht durch Fördermaßnahmen angegangen würden.

Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners kann der grundsätzlichen Förderfähigkeit des Antragstellers auch nicht entgegengehalten werden, dass die Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II nicht für den Besuch einer höheren Schulform, die den Hilfebedürftigen an sich überfordert, eingesetzt werden soll (so für den Wechsel zu einer höheren Schulform LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. Juni 2011, L 5 AS 40/11 B ER). Zu berücksichtigen ist, dass der Antragsteller eine Regionalschule besucht und damit die "niedrigere" Schulform des aus Gymnasien einerseits sowie Gemeinschafts- und Regionalschulen andererseits bestehenden zweigliedrigen Schulsystems Schleswig-Holsteins. Einen "Aufstieg" in ein Gymnasium strebt der Antragsteller nicht an. Ein "Abstieg" in eine vom Leistungsniveau niedriger angesiedelte Regelschule ist nicht möglich. Gleichzeitig erscheint es nicht angebracht, den Antragsteller als Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf einzustufen, denn ausweislich des Gutachtens der Sachverständigen L liegt eine Intelligenzminderung oder eine allgemeine Lernschwäche bei ihm nicht vor. Dies deckt sich mit den Zeuginnenaussagen der Lehrerinnen K und V , die von Teilleistungsschwächen des Antragstellers ausgehen. Aus dem gleichen Grund scheidet die vorrangige Inanspruchnahme von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII bzw. § 53 SGB XII aus. Eine geistige Behinderung, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII wäre, liegt ausweislich des ermittelten Intelligenzquotienten des Antragstellers nicht vor. Für eine seelische Behinderung, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen nach § 35a SGB VIII wäre, bestehen keine Anzeichen, der Antragsteller ist gutachterlich vielmehr als motivierter Schüler mit Freude am Lernen beschrieben worden.

Nicht entgegengehalten werden kann dem Anspruch des Antragstellers ferner, dass prognostisch eine Förderung über das Schuljahresende hinaus nötig ist oder gar, dass die Förderung von Teilleistungsschwächen wie Legasthenie oder Dyskalkulie grundsätzlich nicht im Wege der Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II erfolgen könne. Zwar hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass der Bedarf im Regelfall nur kurzzeitig notwendig sei, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der Gesetzeswortlaut selbst keine zeitlichen Einschränkungen vornimmt und die Gesetzesbegründung auch nur auf einen Regelfall abstellt, also Ausnahmen davon bereits im Blick hat. So ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass § 28 Abs. 5 SGB II auch die längerfristigere Förderung zum Ausgleich von Teilleistungsschwächen wie Dyskalkulie und Legasthenie zulässt (vgl. SG Marburg, Beschluss vom 1. November 2012, S 5 AS 213/12 ER; SG Braunschweig, Urteil vom 8. August 2013, S 17 AS 4125/12; SG Oldenburg, Beschluss vom 11. April 2011, S 49 AS 611/11 ER). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Von entscheidender Bedeutung ist dabei nicht, ob, wie die Vertreterin des Antragsgegners vorträgt, recherchiert zu haben, eine Dyskalkulie oder eine Legasthenie sich nicht vollständig beheben lassen und grundsätzlich ein Leben lang bestehen, vielmehr ist entscheidend, dass ein Ausgleich dieser Schwächen durch spezifische Förderung möglich erscheint, der zu einer verbesserten Lese- und Rechenkompetenz führt. Es geht insoweit nicht darum, Dyskalkulie oder Legasthenie vollständig zu heilen, sondern ihre Auswirkung auf das schulische Leistungsniveau zu mindern.

Im Falle des Antragstellers erscheint eine Minderung der Auswirkungen der Legasthenie und der Dyskalkulie auf sein schulisches Leistungsniveau durch die angestrebte Lernförderung auch möglich, so dass die Maßnahme geeignet ist. Hinsichtlich der anzustellenden Prognose dürfen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. So kann insbesondere keine Erfolgsgarantie der Maßnahme gefordert werden. Zum einen bestünde andernfalls die Gefahr, dass das mit § 28 Abs. 5 SGB II verfolgte Ziel der Aktivierung der Lernpotentiale leistungsschwächerer, hilfebedürftiger Kinder bei zu strengen Anforderungen an die Prognose vereitelt wird. Zum anderen ist die Entwicklung des Lernverhaltens von Kindern im Alter des Antragstellers schon lebensaltersbedingt sehr schwer zu prognostizieren. Ausgehend von diesen Maßstäben kann eine positive Prognose gestellt werden. Die Sachverständige L hat überzeugend ausgeführt, dass zu erwarten sei, dass bei einem konsequenten Training über einen längeren Zeitraum sich die Rechenkompetenz des Antragstellers verbessern würde. Ferner hat die Zeugin K ausgeführt, es sei aus ihrer Sicht ohne Weiteres möglich, dass der Antragsteller die Grundrechenarten erlernen würde und eine Negativprognose, die eine grundlegende Verbesserungsmöglichkeit ausschlösse, nicht zu stellen sei. In die gleiche Richtung gingen die Ausführungen der Zeugin V , die die prognostischen Ausführungen ihrer Kollegin grundsätzlich bestätigt hat, allerdings etwas skeptischer hinsichtlich der zu erwartenden Kompetenzverbesserung im Fach Deutsch war. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie die Gefahr einer Verschlechterung des Leistungsniveaus in anderen Schulfächern bei fehlender Förderung betont hat. Danach kann eine positive Prognose, wenn auch nicht unbedingt im Sinne einer Verbesserung des Leistungsniveaus im Fach Deutsch dann doch immerhin im Sinne einer Verhinderung der Verschlechterung des Leistungskurses in anderen Fächern getroffen werden. Der Senat erachtet die Angaben der Zeuginnen als kompetent und tragfähig. Diese stellen eine hinreichend valide Grundlage für die Entscheidung im Eilverfahren dar. Die Bezeichnung der Zeuginnen als sachverständige Zeuginnen durch das Sozialgericht ist insoweit nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, dass sie keine ausgewiesenen Expertinnen für Legasthenie bzw. Dyskalkulie sind. Sie haben professionell über Beobachtungen aus ihrem beruflichen Alltag im Hinblick auf den Antragsteller berichtet und über die im beruflichen Kontext entwickelten Lösungsstrategien und Perspektiven. Hierzu sind sie als Fachlehrerinnen und Pädagoginnen auch berufen. Insoweit sind die Angaben der Zeuginnen zu den Förderperspektiven des Antragstellers jedenfalls deutlich valider als die eigenen Recherchen der Vertreterin des Antragsgegners.

Die Förderung in Form einer qualifizierten Einzelförderung erscheint auch erforderlich, ebenso geeignete, aber weniger intensive Maßnahmen sind nicht ersichtlich. So kann insbesondere nicht auf den Förderunterricht im Fach Deutsch verwiesen werden. Dieser wird in Form eines Gruppenunterrichts durchgeführt und hat keine spezifische Zielsetzung zur Behebung der Legasthenie. Es liegt auf der Hand, dass im Rahmen dieser begleitend sicherlich sinnvollen Nachhilfeförderung ein spezifisches Eingehen auf die ausgeprägten Defizite des Antragstellers nicht möglich ist.

Die für die Einzelförderung entstehenden Kosten erscheinen auch nicht unangemessen hoch. Soweit der Antragsgegner auf durchschnittliche Kosten von 9,00 bis 11,00 EUR für eine Lernfördereinheit verweist, so bezieht sich dies ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Unterlagen auf "normalen" Nachhilfeunterricht in kleinen Lerngruppen und nicht eine spezifische Einzelförderung zur Behebung von Teilleistungsschwächen.

Der zeitliche Umfang der vom Sozialgericht vorgenommenen Verpflichtung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ist in den schriftlichen Bescheinigungen der Schule zunächst ein Förderbedarf von sechs bis acht Monaten prognostiziert worden, allerdings hat die Zeugin K in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Itzehoe glaubhaft bekundet, dass ihres Erachtens eine kontinuierliche Förderung über zwei Jahre erfolgen müsste. Diese Ausführungen erscheinen dem erkennenden Senat überzeugend. Zur Wahrung des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung erscheint aber eine Befristung der Leistungsgewährung bis zum Ende des laufenden Kalenderjahres erforderlich und auch ausreichend. Auch die Ermittlung des wöchentlichen Förderbedarfes pro Fach durch das Sozialgericht ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Sachentscheidung.

Die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO. Die Prozesskostenhilfe war hier mangels wirtschaftlicher Prozesskostenhilfebedürftigkeit abzulehnen, denn der Antragsteller erwirbt durch diesen Beschluss einen unanfechtbaren Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsgegner.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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