S 26 AS 1393/14 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Neuruppin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 AS 1393/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Auch im Rahmen von einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann die (vorläufige) Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten im Sinne des § 22 Abs 6 SGB II erstrebt werden.
2. Zwischen der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs 6 S 1 SGB II und der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs 6 S 2 SGB II ist strikt zu unterscheiden.
3. Für die Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten im Sinne des § 22 Abs 6 SGB II bedarf es eines konkreten Bezugspunktes im Sinne einer konkret bezeichneten und beziehbaren (angemessenen) Unterkunft.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 06. Juli 2014 wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern vorläufig die Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu erteilen.

Der bei dem Sozialgericht Neuruppin am 07. Juli 2014 eingegangene Antrag vom 06. Juli 2014, mit dem die Antragsteller (sinngemäß) beantragen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig die Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten (Unkosten für einen Wohnberechtigungsschein, Kosten für einen Postnachsendeauftrag, Telekommunikationsummeldekosten, An- und Abreisekosten für Wohnungsbesichtigungen, Kosten für eine SCHUFA-Auskunft sowie Portokosten für die Übersendung von Auskunftsbögen an mögliche Vermieter) sowie Umzugskosten zu erteilen,

hat keinen Erfolg.

Der gemäß § 86b Abs 2 S 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag ist zulässig (dazu unter 1.), jedoch nicht begründet (dazu unter 2. bis 4.).

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere geht die Kammer zugunsten der Antragsteller derzeit noch von deren Prozessfähigkeit im Sinne des § 71 Abs 1 SGG aus und wartet insoweit die im Hauptsacheverfahren der Antragsteller – S 26 AS 977/11 – von Amts wegen durch die Einholung von fachpsychiatrischen Sachverständigengutachten bereits eingeleiteten medizinischen Ermittlungen zu dieser Frage ab.

2. Der danach zulässige Antrag der Antragsteller ist jedoch unbegründet. Nach der genannten Vorschrift des § 86b Abs 2 S 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nach summarischer Prüfung des zur Verfügung stehenden Tatsachenmaterials treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile – insbesondere einer existenziellen Notlage – nötig erscheint. Anordnungsgrund, dh die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, und Anordnungsanspruch, dh die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren begehrt wird, sind geltend und die zur Begründung erforderlichen Tatsachen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 S 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).

Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Die Antragsteller haben bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht (dazu unter 3.), so dass es nicht darauf ankommt, ob auch ein Anordnungsgrund vorliegt (dazu unter 4.).

3. Die Antragsteller haben die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen ihnen einen Anspruch auf (vorläufige) Erteilung einer Zusicherung für die von ihnen begehrten Wohnungsbeschaffungskosten zustünde, nicht glaubhaft machen können. Anspruchsgrundlage für die begehrte (vorläufige) Erteilung einer Zusicherung ist § 22 Abs 6 SGB II. Nach dieser Vorschrift können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden (S 1). Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (S 2). Eine Mietkaution soll als Darlehen erbracht werden (S 3).

Den Antragstellern steht weder ein Anspruch auf (vorläufige) Erteilung einer Zusicherung im Sinne des § 22 Abs 6 S 2 SGB II (dazu sogleich unter a)), noch ein Anspruch auf (vorläufige) Erteilung einer Zusicherung gemäß § 22 Abs 6 S 1 SGB II (dazu unter b)) zu.

a) Ein Anspruch auf (vorläufige) Erteilung einer Zusicherung gemäß § 22 Abs 6 S 2 SGB II auf Übernahme der in § 22 Abs 6 S 1 SGB II genannten Wohnungsbeschaffungs- und Umzugkosten scheitert bereits daran, dass die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht haben, dass sie ohne die erstrebte Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht finden können werden; hierfür ist im Übrigen auch sonst nichts ersichtlich.

Darüber hinaus kommt die erstrebte (vorläufige) Erteilung der begehrten Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten auch schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einem hinreichend konkreten Bezugspunkt für eine entsprechende Zusicherung, die mit Blick auf §§ 31, 34 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nur die Entscheidung eines Einzelfalls darstellen darf, fehlt. Das Zusicherungserfordernis soll Leistungsberechtigte vor unüberlegten Aufwendungen schützen. Bevor sie sich rechtlich binden, zB gegenüber einem neuen Vermieter oder einem Umzugsunternehmen, haben sie die Zusicherung des zuständigen Leistungsträgers einzuholen, um sicher zu stellen, dass die mit dem anstehenden Wohnungswechsel zusammenhängenden, konkret bezeichneten Kosten – die im Übrigen regelmäßig eng mit der konkret in Aussicht genommenen Wohnung verknüpft und ohne eine konkret bezeichnete Wohnung auch nicht sinnvoll konkret bezifferbar sind – von dem Leistungsträger auch übernommen werden (können).

Da die Kammer allerdings mit ihren Beschlüssen vom 24. Juli 2014 – S 26 AS 1395/14 ER und S 26 AS 1430/14 ER – entschieden hat, dass die zukünftig fällig werdenden Kosten für die Beheizung der als ein solcher Bezugspunkt in Betracht gekommenen Wohnungen unangemessen hoch sind und dementsprechend auch die im Rahmen der einstweiligen Rechtsschutzgewährung durch die Antragsteller begehrte Verpflichtung des Antragsgegners auf Erteilung einer (vorläufigen) Erteilung einer Zusicherung für die Kosten der Unterkunft und Heizung der neuen - konkret bezeichneten - Wohnungen abgelehnt hat, kann auch eine Verpflichtung zur Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten mangels konkretem Bezugspunkt nicht in Betracht kommen. Auf eine "Blanko-Zusage" haben die Antragsteller nach den Bestimmungen des SGB II jedenfalls keinen Anspruch (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2008, L 7 AS 2809/08 ER B; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 22 RdNr 311; vgl ferner Bundessozialgericht, Urteil vom 06. April 2011, B 4 AS 5/10 R, RdNr 17).

b) Wenn danach die Antragsteller die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf (vorläufige) Erteilung einer Zusicherung nach Maßgabe des § 22 Abs 6 S 2 SGB II nicht glaubhaft machen konnten, folgt ein solcher auch nicht aus der Auffangvorschrift des § 22 Abs 6 S 1 SGB II, wonach – wie eingangs bereits ausgeführt – Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten aufgrund einer vorherigen Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden können. Diese Zusicherung steht dabei entsprechend des ausdrücklichen Wortlautes der Vorschrift im Ermessen des Leistungsträgers, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat. Das Ermessen betrifft sowohl das "ob" der Übernahme der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten als auch deren Höhe. Dies folgt aus der Verwendung des Wortes "können", das sich nach dem Wortlaut der Norm sowohl auf das "ob" als auch auf die Höhe der Bewilligung der entsprechenden Kosten bezieht.

Angesichts der voranstehenden Ausführungen zum fehlenden konkreten Bezugspunkt spricht indes (zum jetzigen Zeitpunkt) nichts (mehr) für eine Ermessensreduzierung auf Null. Dann aber kommt eine im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erstrebte (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners auf (vorläufige) Erteilung einer entsprechenden Zusicherung von vornherein nicht in Betracht (vgl auch Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b, RdNr 30a).

Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht mehr darauf an, dass der Antragsgegner bislang eine solche Ermessensentscheidung nicht getroffen hat, jedenfalls finden sich in den entsprechenden Bescheiden vom 17. Juni 2014 und vom 09. Juli 2014 keine Erwägungen, die geeignet wären, das dem Antragsgegner in § 22 Abs 6 S 1 SGB II eingeräumte Ermessen auszufüllen. Im Rahmen des (insoweit wohl auch durchzuführenden) Widerspruchsverfahrens wird der Antragsgegner daher gehalten sein, die erforderliche Ermessensausübung im Rahmen einer – ergänzenden – Verwaltungsentscheidung auf der Grundlage des § 22 Abs 6 S 1 SGB II nachzuholen, wenn die Antragsteller erneut ein konkretes Wohnungsangebot vorlegen und damit einen konkreten Bezugspunkt geben sollten (vgl dazu, welche Gesichtspunkte bei der zu treffenden Ermessensentscheidung im Einzelnen in Betracht zu ziehen sein können: BSG, Urteil vom 06. Mai 2010 – B 14 AS 7/09 R, RdNr 18ff).

c) Nach alledem kann im Übrigen die von dem Antragsgegner aufgeworfene Frage, ob es sich bei sämtlichen von den Antragstellern geltend gemachten Kosten überhaupt um Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten im Sinne des § 22 Abs 6 SGB II handelt, offen bleiben.

4. Da es die Antragsteller nicht vermocht haben, die Tatbestandsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen und damit das Vorliegen eines Anordnungsanspruches glaubhaft zu machen, kommt es nicht mehr darauf an, ob es ihnen gelungen ist, auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft zu machen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG; sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache, in der die Antragsteller vollumfänglich unterlagen. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.

Rechtsmittelbelehrung:
( ...)

B.
Richter am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
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