S 8 SF 11/14 E

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SF 11/14 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen die gerichtliche Kostenfestsetzung für eine anwaltliche Tätigkeit in einem Widerspruchsverfahren.

Mit Bescheid vom 11.07.2011 nahm das Jobcenter der StädteRegion Aachen die Leis-tungsbewilligung für den Erinnerungsgegner für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 zurück und forderte einen Betrag in Höhe von 3.876 EUR zurück. Zugleich erklärte das Jobcenter ab dem 01.09.2011 die Aufrechnung in Höhe von monatlich 30% der Regelleistung. Ab dem 01.09.2011 wurden 109,20 EUR monatlich einbehalten.

Mit Datum vom 10.10.2011 versandte die Erinnerungsführerin einen als "Mahnung" bezeichneten Bescheid an den Erinnerungsgegner. Die Erinnerungsführerin führte hier aus, die am 01.09.2011 fällige Forderung in Höhe von 3.876 EUR sei bislang nicht vollständig eingegangen. Hierdurch seien Mahngebühren von 19,65 EUR entstanden. Sie forderte den Erinnerungsgegner auf, den Betrag in Höhe von 3.895,65 EUR innerhalb von einer Woche zu überweisen. Für den Fall der Nichtzahlung kündigte die Erinnerungsführerin die zwangsweise Einziehung der Forderung an und wies darauf hin, dass für den Erinnerungsgegner hierdurch weitere Kosten entstehen würden.

Gegen den Bescheid erhob der Erinnerungsgegner über seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, das Jobcenter realisiere seine Rückforderung bereits im Wege der Aufrechnung. Für darüber hinausgehende Leistungen sei kein Raum. Er dürfe daher nicht gemahnt werden.

Mit Bescheid vom 29.11.2011 hob die Erinnerungsführerin den Bescheid vom 10.10.2011 auf und entsprach dem Widerspruch in vollem Umfang. Sie wies zugleich darauf hin, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen auf Antrag erstattet werden. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erkannte sie nicht als notwendig an.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Erinnerungsgegner Widerspruch. Er verwies auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein bemittelter Bürger auch in Bagatellsachen, bei denen er von einer hohen Obsiegenswahrscheinlichkeit ausgehe, einen Rechtsanwalt beauftragen dürfe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2012 wies die Erinnerungsführerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei dem Erinnerungsgegner zuzumuten gewesen, das Verfahren selbst zu führen. Schon allein wegen der geringen Mahnkosten habe es sich aufdrängen müssen, dass im Falle der Beauftragung eines Rechtsanwaltes ein Vielfaches an Kosten entstehen würde.

Am 28.01.2012 erhob der Erinnerungsgegner Klage. Mit Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.10.2012 wurde die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren unter Aufhebung des Bescheides vom 29.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2012 für notwendig erklärt.

Mit Schreiben vom 08.11.2012 machte der Bevollmächtigte des Erinnerungsgegners die Kosten des Widerspruchsverfahrens wegen der Ablehnung der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gegenüber der Erinnerungsführerin geltend. Hierbei brachte er 260 EUR (240 EUR Geschäftsgebühr, 20 EUR Post- und Telekommunikationspauschale) zuzüglich Umsatzsteuer in Ansatz.

Mit Schreiben vom 21.11.2012 bat die Erinnerungsführerin das Gericht um Kostenfestsetzung mit der Begründung, die Höhe der geltend gemachten Kosten sei zum Teil nicht angemessen.

Mit Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 09.10.2013 wurden die zu erstattenden Kosten auf 309,40 EUR festgesetzt (Geschäftsgebühr = 240 EUR, Post- und Telekommunikationspauschale = 20 EUR sowie Umsatzsteuer = 49,40 EUR).

Gegen diesen Beschluss hat die Erinnerungsführerin am 21.11.2013 Erinnerung einge-legt.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die nach § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Maßgebend für die Bemessung der gesetzlichen Gebühren sind die Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei dem Kläger des Hauptsacheverfahrens (hier: Erinnerungsgegner) handelt es sich um einen kostenprivilegierten Beteiligten im Sinne des § 183 Satz 1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Höhe der Vergütung und auch der Betragsrahmengebühren bestimmt sich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergü-tungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV RVG). Der sich aus Nr. 2400 VV RVG in der Fassung bis zum 31.07.2013 ergebende Betragsrahmen für die Geschäftsgebühr im Widerspruchsverfahren beträgt 40 EUR bis 520 EUR. Die Höhe der Gebühr bestimmt der Rechtsanwalt innerhalb dieses Rahmens im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Um-stände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sowie seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal-/Durchschnittsfall als billige Gebühr zu Grunde zu legen ist. Unter einem "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt. Die Mittelgebühr beträgt 280 EUR, die Schwellengebühr beläuft sich auf 240 EUR. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bzw. das Gericht sind verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr ist der Kostenansatz zu übernehmen. Bei Unbilligkeit hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Höhe der Betragsrahmengebühr festzusetzen. Unbilligkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn die durch den Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die nach Ansicht des Gerichts angemessene Gebühr um mehr als 20% übersteigt (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Be-schluss vom 09.08.2007, L 20 B 91/07 AS).

Die Bedeutung der Angelegenheit – konkret die zu klärende Rechtsfrage, ob sich der Erinnerungsgegner im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wegen der von der Erinne-rungsführerin angekündigten zwangsweisen Forderungseinziehung bei gleichzeitiger Androhung weiterer Kosten für den Fall nicht fristgemäßer Zahlung der Hilfe eines Rechtsanwalts bedienen durfte – war für den Erinnerungsgegner überdurchschnittlich. Zwar trifft es zu, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erinnerungs-gegners als Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwei – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) unterdurchschnittlich sind. Dies allein rechtfertigt allerdings keine Ermäßigung der Gebühr. Vielmehr werden die geringeren Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit gerade kompensiert. In Verfahren nach dem SGB II wird die Bedeutung der Angelegenheit umso wichtiger, je geringer die jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind. Dies gilt erst recht, wenn die zwangsweise Geltendmachung eines erheblichen Geldbetrages im Raum steht. Die Kriterien Einkommens- und Vermögensverhältnisse einerseits und Bedeutung der Angelegenheit andererseits heben sich daher grundsätzlich gegeneinander auf (vgl. Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2007, S 35 AS 148/06). Insgesamt ist der Ansatz einer Ge-schäftsgebühr in Höhe von 240 EUR noch gerechtfertigt, so dass sich zusammen mit den übrigen Kosten ein Erstattungsanspruch in Höhe von 309,40 EUR ergibt. Die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten ist daher nicht zu beanstanden.

Diese Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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