Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Stade (NSB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
33
1. Instanz
SG Stade (NSB)
Aktenzeichen
S 33 AY 33/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung ver-pflichtet, dem Antragsteller - vorläufig und unter Vorbehalt der Rück-forderung - Leistungen nach dem AsylbLG unter Ansatz der Regelbe-darfsstufe 1 rückwirkend ab November 2014 und fortlaufend bis zum Abschluss des anhängigen Widerspruchsverfahrens und eines sich ggf anschließenden Klageverfahrens zu gewähren. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstel-lers zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Leistungen gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 anstelle der Regelbedarfsstufe 3.
Der im Juli 1993 geborene Antragsteller reiste am 30. September 2014 (wieder) in das Bun-desgebiet ein und ist im Besitz einer bis 31. Januar 2015 befristeten Duldung gemäß § 60a Abs 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Er lebte zunächst vorübergehend bei einem Onkel und dessen Familie in D ... Seit dem 01. November 2014 lebt er mit seinen Eltern und Geschwistern in einer eigenen Wohnung. Auf den Antrag vom 09. Oktober 2014 hin bewilligte der Antragsgegner als örtlich zuständiger Leistungsträger dem Antragsteller mit Bescheid vom 10. Oktober 2014 Leistungen nach § 3 Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 2 AsylbLG iHv 233,87 EUR für Oktober 2014 und iHv 290,00 EUR ab November 2014. Dies entspricht den Leistungen der Regelbedarfsstufe 3 gemäß der län-derübergreifenden bundeseinheitlichen Übergangslösung nach der Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts vom Juli 2012. Gegen den Ansatz der Regelbedarfsstufe 3 anstelle der Regelbedarfsstufe 1 legte der An-tragsteller am 23. Oktober 2014 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - der Antrags-gegner noch nicht entschieden hat. Am 12. November 2014 hat sich der Antragsteller an das erkennende Gericht gewandt.
Er trägt vor, das Bundessozialgericht habe am 23. Juli 2014 entschieden, dass erwachsenen Leistungsberechtigten, die keinen eigenen Haushalt führen, jedoch nicht als Ehegatte, Le-benspartner oder in eheähnlicher Gemeinschaft den Haushalt gemeinsam führen, Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 zustünden. Lediglich wenn keinerlei Haushaltsführung beim Zusam-menleben mit einer anderen Person festgestellt werden könne, sei ein Anwendungsfall der Regelbedarfsstufe 3 denkbar. Diese Sache sei angesichts der Differenz von 72,00 EUR mo-natlich auch eilig.
Der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem An-tragsteller Leistungen gemäß § 3 AsylbLG in der Höhe der Regelbedarfsstufe 1 zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Er trägt vor, für Leistungsberechtigte, die weder einen eigenen, noch einen gemeinsamen Haushalt mit einem Partner führen, sei die Einordnung in die Regelbedarfsstufe 3 gesetzlich vorgegeben. Der Antragsteller führe keinen eigenen Haushalt, und es sei auch nicht erkenn-bar, dass er Kosten des Haushalts trüge. Auch sei keine Benachteiligung gegenüber Leis-tungsbeziehern nach dem SGB II gegeben, denn auch diese erhielten erst ab einem Alter von 25 Jahren Leistungen der Regelbedarfsstufe 1.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den vorliegenden Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.
II. Der zulässige und als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag hat Erfolg.
Nach § 86b Abs 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges. Voraussetzung für den Erlass der hier begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) das Bestehen eines Anspruchs auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungs-grund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 920 Abs 2 ZPO).
Nach diesen Maßgaben konnte der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft ma-chen. Er hat nach der hier gebotenen summarischen Prüfung Anspruch aus Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 entsprechend der Über-gangslösung. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleis-tungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014 (BGBl I 2014, 2187) wird die Leistungshöhe neu zu bewerten sein. Der Antragsteller ist leistungsberechtigt gemäß § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG, denn er verfügt über eine Duldung gemäß § 60a AufenthG. Die Höhe der Leistungen gemäß § 3 Abs 1 und Abs 2 AsylbLG ergibt sich bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung nach der bundesein-heitlichen Übergangslösung infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012. Die Leistungssätze 2014 sehen für die Regelbedarfsstufe 1 Leistungen iHv zusammen 362,00 EUR (Ersatz- und Geldleistung) vor, für die Regelbedarfsstufe 3 iHv 290,00 EUR. Die Regelbedarfsstufe 1 gilt dabei für "Alleinstehende oder alleinerziehende Erwachsene", die Regelbedarfsstufe 3 für "haushaltsangehörige Erwachsene". Der Sachverhalt stellt sich nach dem Kenntnisstand des Gerichts so dar, dass der Antragsteller seit November 2014 in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie wohnt. Auf Nach-frage, inwieweit sich der Antragsteller an der Haushaltsführung beteiligt, versicherte der Vater des Antragstellers am 18. Dezember 2014 schriftlich an Eides statt, sie würden meistens zu-sammen frühstücken und meistens auch abends zusammen essen, einen Kühlschrank benut-zen und für alle gemeinsam einkaufen.
Dem Antragsteller sind Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 23. Juli 2014 in Sachen - B 8 SO 14/13 R -, - B 8 SO 31/12 R - und - B 8 SO 12/13 R -. Diese Urteile betreffen zwar unmittelbar die Höhe von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für behinderte Men-schen, die in einem Haushalt mit Familienangehörigen wohnen. Dortige Grundsätze zur Ab-grenzung der Regelbedarfsstufen 1 und 3 sind jedoch, solange die Leistungen nach dem AsylbLG entsprechend der Übergangslösung der Höhe nach an den Regelbedarfssätzen des § 28 SGB XII orientiert sind, auf das AsylbLG übertragbar, da die in den Urteilen relevante Behinderteneigenschaft für die Zuordnung der Regelbedarfsstufe 1 nicht ausschlaggebend ist. Im Gegenteil, gerade obwohl die in den Urteilen betroffenen Leistungsbezieher aufgrund ihrer Behinderungen nur geringe bis keine Beträge zur gemeinsamen Haushaltsführung leisten können, haben sie aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise des BSG dennoch Anspruch auf Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1. Nach Lesart des erkennenden Gerichts geht das BSG davon aus, dass einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB XII bei familienhaftem Zusammenleben typisierend Leistungen unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren sind. Wörtlich führt das BSG aus (BSG, Urteil v 23.07.2014 - B 8 SO 14/13 R -, Rn 16): "Im Grundsatz richtet sich der Bedarf einer erwachsenen leistungsberechtigten Person nach der Regelbedarfsstufe 1 vielmehr auch dann, wenn sie mit einer anderen Person in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, ohne dass eine Partnerschaft im Sinne der Regelbedarfsstufe 2 - also eine Ehe, eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder eine eheähnliche bzw lebenspart-nerschaftsähnliche Gemeinschaft - besteht. Dem gesetzlichen Leitbild liegt dabei die Vorstel-lung zugrunde, dass bei Zusammenleben mit anderen Personen in einer Wohnung in der Regel gemeinsam gewirtschaftet wird und also eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt. Dement-sprechend wird in § 39 Satz 1 1. Halbsatz SGB XII nF (ab 1.1.2011) vermutet, dass Personen bei Zusammenleben in einer Wohnung gemeinsam einen Haushalt führen. Diese Vermutung, die nicht durch § 43 Abs 1 2. Halbsatz bzw § 39 Satz 3 Nr 2 SGB XII ausgeschlossen wird, ist nicht schon dann widerlegt, wenn eine Person gegenüber anderen einen geringeren Beitrag an der Haushaltsführung leistet, selbst wenn für eine umfassende Haushaltsführung notwendige Fähigkeiten fehlen. Die Regelbedarfsstufe 3 kommt also im Falle des Zusammenlebens mit anderen (außerhalb von stationären Einrichtungen) erst zur Anwendung, wenn keinerlei eigenständige oder eine nur gänzlich unwesentliche Beteiligung an der Haushaltsführung vor-liegt. Ausschließlich in diesem Fall ist der Haushalt, in dem die leistungsberechtigte Person lebt, ein "fremder Haushalt"." Übertragen auf den Fall des Antragstellers geht das Gericht nach der hier gebotenen summa-rischen Prüfung davon aus, dass ein gemeinsamer Haushalt mit Eltern und Geschwistern be-steht. Dies muss aufgrund des gesetzlichen Leitbildes vermutet werden und liegt zugleich auch nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung bei Zusammenleben nahestehender Familienangehöriger wie Eltern und Kindern. Üblicherweise lebt ein Kind in einem gemeinsa-men Haushalt mit Eltern und Geschwistern und nicht in einem "fremden" Haushalt, auch wenn die Haushaltsführung in der überwiegenden Zahl der Haushalte mit Kindern schwerpunktmäßig in der Hand der Eltern liegen wird. Dies steht aber der typisierenden Annahme, dass ein Kind im Haushalt hilft und, je nach Alterskonstellation, sich auch an den Kosten beteiligt, nicht entgegen. Die eidesstattliche Versicherung des Vaters des Antragstellers, wonach die Familie gemeinsam esse und für alle gemeinsam eingekauft werde, spricht ebenfalls für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der tatsächlich bestehenden Ungleichbe-handlung unterfünfundzwanzigjähriger Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem SGB XII/AsylbLG. Die Rechtsprechung des BSG ist ausdrücklich zu den Regelbedarfssätzen nach § 28 SGB XII ergangen und lässt sich aufgrund der andersartigen gesetzlichen Ausgestaltung des SGB II nicht übertragen. Denn im SGB II ist in § 20 Abs 2 Nr 2 ausdrücklich geregelt, dass bei sonstigen erwerbsfähigen Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft ab Vollendung des 18. Lebensjahres monatlich 291,00 EUR (bzw 313,00 EUR im Jahr 2014 = 80 vH des vollen Regelbedarfs) anerkannt werden. Gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II gehören zur Bedarfs-gemeinschaft eines Leistungsberechtigten die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Auch existiert im SGB II keine dem § 39 SGB XII entsprechende Vermu-tungsregelung zugunsten einer Haushaltsgemeinschaft mit gemeinsamem Wirtschaften bei Zusammenleben mit anderen Personen. Vielmehr ist das Vorliegen einer Haushaltsgemein-schaft Tatbestandsmerkmal für andere Vermutung, zB die Unterstützungsvermutung in § 9 Abs 5 SGB II oder die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft in § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II. Unverheiratete Volljährige bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die in einem gemeinsamen Haushalt mit anderen Erwachsenen leben, ohne Ehegatten oder Partner zu sein, erhalten damit im Rahmen des SGB II Leistungen nur in einer Höhe, die der Regelbedarfsstufe 3 gemäß § 8 Abs 1 Nr 3 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (RBEG) entspricht, während sie im Rahmen des SGB XII aufgrund der Rechtsprechung des BSG im Regelfall Anspruch auf Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 haben, sofern sie nicht ausnahmsweise in einem "fremden" Haushalt leben. Diese Ungleichbehandlung, deren Ver-fassungsmäßigkeit hinterfragt werden kann (ausdrücklich offen gelassen vom BSG, Urteil vom 23.07.2014 - B 8 SO 14/13 R -, Rn 28, juris.de) trifft nachteilig aber die Leistungsbezieher nach dem SGB II und nicht nach dem SGB XII oder AsylbLG, wie im vorliegenden Fall. Der Antragsgegner kann daraus nicht ableiten, dass aus Gründen der Gleichheit ein Leistungsbe-zieher nach dem AsylbLG "gleich schlecht" behandelt werden müsste wie ein Leistungsbezie-her nach dem SGB II.
Der Antragsteller konnte auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Die erforderliche Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der dauerhaften Unterschreitung des als existentiell notwendig Angesehenen um einen nicht völlig unerheblichen Betrag. Im Rahmen existenzsichernder Leistungen sind an die Frage der Eilbedürftigkeit keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Leistungen gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 anstelle der Regelbedarfsstufe 3.
Der im Juli 1993 geborene Antragsteller reiste am 30. September 2014 (wieder) in das Bun-desgebiet ein und ist im Besitz einer bis 31. Januar 2015 befristeten Duldung gemäß § 60a Abs 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Er lebte zunächst vorübergehend bei einem Onkel und dessen Familie in D ... Seit dem 01. November 2014 lebt er mit seinen Eltern und Geschwistern in einer eigenen Wohnung. Auf den Antrag vom 09. Oktober 2014 hin bewilligte der Antragsgegner als örtlich zuständiger Leistungsträger dem Antragsteller mit Bescheid vom 10. Oktober 2014 Leistungen nach § 3 Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 2 AsylbLG iHv 233,87 EUR für Oktober 2014 und iHv 290,00 EUR ab November 2014. Dies entspricht den Leistungen der Regelbedarfsstufe 3 gemäß der län-derübergreifenden bundeseinheitlichen Übergangslösung nach der Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts vom Juli 2012. Gegen den Ansatz der Regelbedarfsstufe 3 anstelle der Regelbedarfsstufe 1 legte der An-tragsteller am 23. Oktober 2014 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - der Antrags-gegner noch nicht entschieden hat. Am 12. November 2014 hat sich der Antragsteller an das erkennende Gericht gewandt.
Er trägt vor, das Bundessozialgericht habe am 23. Juli 2014 entschieden, dass erwachsenen Leistungsberechtigten, die keinen eigenen Haushalt führen, jedoch nicht als Ehegatte, Le-benspartner oder in eheähnlicher Gemeinschaft den Haushalt gemeinsam führen, Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 zustünden. Lediglich wenn keinerlei Haushaltsführung beim Zusam-menleben mit einer anderen Person festgestellt werden könne, sei ein Anwendungsfall der Regelbedarfsstufe 3 denkbar. Diese Sache sei angesichts der Differenz von 72,00 EUR mo-natlich auch eilig.
Der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem An-tragsteller Leistungen gemäß § 3 AsylbLG in der Höhe der Regelbedarfsstufe 1 zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Er trägt vor, für Leistungsberechtigte, die weder einen eigenen, noch einen gemeinsamen Haushalt mit einem Partner führen, sei die Einordnung in die Regelbedarfsstufe 3 gesetzlich vorgegeben. Der Antragsteller führe keinen eigenen Haushalt, und es sei auch nicht erkenn-bar, dass er Kosten des Haushalts trüge. Auch sei keine Benachteiligung gegenüber Leis-tungsbeziehern nach dem SGB II gegeben, denn auch diese erhielten erst ab einem Alter von 25 Jahren Leistungen der Regelbedarfsstufe 1.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den vorliegenden Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.
II. Der zulässige und als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag hat Erfolg.
Nach § 86b Abs 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges. Voraussetzung für den Erlass der hier begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) das Bestehen eines Anspruchs auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungs-grund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 920 Abs 2 ZPO).
Nach diesen Maßgaben konnte der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft ma-chen. Er hat nach der hier gebotenen summarischen Prüfung Anspruch aus Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 entsprechend der Über-gangslösung. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleis-tungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014 (BGBl I 2014, 2187) wird die Leistungshöhe neu zu bewerten sein. Der Antragsteller ist leistungsberechtigt gemäß § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG, denn er verfügt über eine Duldung gemäß § 60a AufenthG. Die Höhe der Leistungen gemäß § 3 Abs 1 und Abs 2 AsylbLG ergibt sich bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung nach der bundesein-heitlichen Übergangslösung infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012. Die Leistungssätze 2014 sehen für die Regelbedarfsstufe 1 Leistungen iHv zusammen 362,00 EUR (Ersatz- und Geldleistung) vor, für die Regelbedarfsstufe 3 iHv 290,00 EUR. Die Regelbedarfsstufe 1 gilt dabei für "Alleinstehende oder alleinerziehende Erwachsene", die Regelbedarfsstufe 3 für "haushaltsangehörige Erwachsene". Der Sachverhalt stellt sich nach dem Kenntnisstand des Gerichts so dar, dass der Antragsteller seit November 2014 in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie wohnt. Auf Nach-frage, inwieweit sich der Antragsteller an der Haushaltsführung beteiligt, versicherte der Vater des Antragstellers am 18. Dezember 2014 schriftlich an Eides statt, sie würden meistens zu-sammen frühstücken und meistens auch abends zusammen essen, einen Kühlschrank benut-zen und für alle gemeinsam einkaufen.
Dem Antragsteller sind Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 23. Juli 2014 in Sachen - B 8 SO 14/13 R -, - B 8 SO 31/12 R - und - B 8 SO 12/13 R -. Diese Urteile betreffen zwar unmittelbar die Höhe von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für behinderte Men-schen, die in einem Haushalt mit Familienangehörigen wohnen. Dortige Grundsätze zur Ab-grenzung der Regelbedarfsstufen 1 und 3 sind jedoch, solange die Leistungen nach dem AsylbLG entsprechend der Übergangslösung der Höhe nach an den Regelbedarfssätzen des § 28 SGB XII orientiert sind, auf das AsylbLG übertragbar, da die in den Urteilen relevante Behinderteneigenschaft für die Zuordnung der Regelbedarfsstufe 1 nicht ausschlaggebend ist. Im Gegenteil, gerade obwohl die in den Urteilen betroffenen Leistungsbezieher aufgrund ihrer Behinderungen nur geringe bis keine Beträge zur gemeinsamen Haushaltsführung leisten können, haben sie aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise des BSG dennoch Anspruch auf Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1. Nach Lesart des erkennenden Gerichts geht das BSG davon aus, dass einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB XII bei familienhaftem Zusammenleben typisierend Leistungen unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren sind. Wörtlich führt das BSG aus (BSG, Urteil v 23.07.2014 - B 8 SO 14/13 R -, Rn 16): "Im Grundsatz richtet sich der Bedarf einer erwachsenen leistungsberechtigten Person nach der Regelbedarfsstufe 1 vielmehr auch dann, wenn sie mit einer anderen Person in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, ohne dass eine Partnerschaft im Sinne der Regelbedarfsstufe 2 - also eine Ehe, eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder eine eheähnliche bzw lebenspart-nerschaftsähnliche Gemeinschaft - besteht. Dem gesetzlichen Leitbild liegt dabei die Vorstel-lung zugrunde, dass bei Zusammenleben mit anderen Personen in einer Wohnung in der Regel gemeinsam gewirtschaftet wird und also eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt. Dement-sprechend wird in § 39 Satz 1 1. Halbsatz SGB XII nF (ab 1.1.2011) vermutet, dass Personen bei Zusammenleben in einer Wohnung gemeinsam einen Haushalt führen. Diese Vermutung, die nicht durch § 43 Abs 1 2. Halbsatz bzw § 39 Satz 3 Nr 2 SGB XII ausgeschlossen wird, ist nicht schon dann widerlegt, wenn eine Person gegenüber anderen einen geringeren Beitrag an der Haushaltsführung leistet, selbst wenn für eine umfassende Haushaltsführung notwendige Fähigkeiten fehlen. Die Regelbedarfsstufe 3 kommt also im Falle des Zusammenlebens mit anderen (außerhalb von stationären Einrichtungen) erst zur Anwendung, wenn keinerlei eigenständige oder eine nur gänzlich unwesentliche Beteiligung an der Haushaltsführung vor-liegt. Ausschließlich in diesem Fall ist der Haushalt, in dem die leistungsberechtigte Person lebt, ein "fremder Haushalt"." Übertragen auf den Fall des Antragstellers geht das Gericht nach der hier gebotenen summa-rischen Prüfung davon aus, dass ein gemeinsamer Haushalt mit Eltern und Geschwistern be-steht. Dies muss aufgrund des gesetzlichen Leitbildes vermutet werden und liegt zugleich auch nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung bei Zusammenleben nahestehender Familienangehöriger wie Eltern und Kindern. Üblicherweise lebt ein Kind in einem gemeinsa-men Haushalt mit Eltern und Geschwistern und nicht in einem "fremden" Haushalt, auch wenn die Haushaltsführung in der überwiegenden Zahl der Haushalte mit Kindern schwerpunktmäßig in der Hand der Eltern liegen wird. Dies steht aber der typisierenden Annahme, dass ein Kind im Haushalt hilft und, je nach Alterskonstellation, sich auch an den Kosten beteiligt, nicht entgegen. Die eidesstattliche Versicherung des Vaters des Antragstellers, wonach die Familie gemeinsam esse und für alle gemeinsam eingekauft werde, spricht ebenfalls für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der tatsächlich bestehenden Ungleichbe-handlung unterfünfundzwanzigjähriger Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem SGB XII/AsylbLG. Die Rechtsprechung des BSG ist ausdrücklich zu den Regelbedarfssätzen nach § 28 SGB XII ergangen und lässt sich aufgrund der andersartigen gesetzlichen Ausgestaltung des SGB II nicht übertragen. Denn im SGB II ist in § 20 Abs 2 Nr 2 ausdrücklich geregelt, dass bei sonstigen erwerbsfähigen Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft ab Vollendung des 18. Lebensjahres monatlich 291,00 EUR (bzw 313,00 EUR im Jahr 2014 = 80 vH des vollen Regelbedarfs) anerkannt werden. Gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II gehören zur Bedarfs-gemeinschaft eines Leistungsberechtigten die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Auch existiert im SGB II keine dem § 39 SGB XII entsprechende Vermu-tungsregelung zugunsten einer Haushaltsgemeinschaft mit gemeinsamem Wirtschaften bei Zusammenleben mit anderen Personen. Vielmehr ist das Vorliegen einer Haushaltsgemein-schaft Tatbestandsmerkmal für andere Vermutung, zB die Unterstützungsvermutung in § 9 Abs 5 SGB II oder die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft in § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II. Unverheiratete Volljährige bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die in einem gemeinsamen Haushalt mit anderen Erwachsenen leben, ohne Ehegatten oder Partner zu sein, erhalten damit im Rahmen des SGB II Leistungen nur in einer Höhe, die der Regelbedarfsstufe 3 gemäß § 8 Abs 1 Nr 3 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (RBEG) entspricht, während sie im Rahmen des SGB XII aufgrund der Rechtsprechung des BSG im Regelfall Anspruch auf Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 haben, sofern sie nicht ausnahmsweise in einem "fremden" Haushalt leben. Diese Ungleichbehandlung, deren Ver-fassungsmäßigkeit hinterfragt werden kann (ausdrücklich offen gelassen vom BSG, Urteil vom 23.07.2014 - B 8 SO 14/13 R -, Rn 28, juris.de) trifft nachteilig aber die Leistungsbezieher nach dem SGB II und nicht nach dem SGB XII oder AsylbLG, wie im vorliegenden Fall. Der Antragsgegner kann daraus nicht ableiten, dass aus Gründen der Gleichheit ein Leistungsbe-zieher nach dem AsylbLG "gleich schlecht" behandelt werden müsste wie ein Leistungsbezie-her nach dem SGB II.
Der Antragsteller konnte auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Die erforderliche Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der dauerhaften Unterschreitung des als existentiell notwendig Angesehenen um einen nicht völlig unerheblichen Betrag. Im Rahmen existenzsichernder Leistungen sind an die Frage der Eilbedürftigkeit keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
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