S 48 SO 399/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
48
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 48 SO 399/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 16/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für Eingliederungshilfeleistungen für ambulant betreutes Wohnen in dem Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 31.10.2010.

Die im Jahre 1954 geborene Klägerin bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland. Weiterhin bezieht sie ergänzend Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch -Sozialhilfe– (SGB XII).

Am 16.02.2008 verstarb die Mutter der Klägerin. Ausweislich eines gemeinschaftlichen Erbscheins vom 26.03.2009 (AG Essen, Az. 151 VI 400/08) wurde die Mutter der Klägerin zu je einhalb von der Klägerin sowie der im Jahre 1962 geborenen Schwester der Klägerin, Frau I. H., beerbt. Am 02.10.2008 wurde Herr Rechtsanwalt Th.F. von dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr zum Betreuer der Klägerin bestellt. Mit Beschluss vom 03.12.2009 bestellte das Amtsgericht Essen Herrn Rechtsanwalt Ch. K. zum Betreuer der Schwester der Klägerin.

Am 16.07.2009 stellte der Beigeladene einen Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe für die Klägerin bei dem Beklagten. Beigefügt war ein individueller Hilfeplan für den Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 30.06.2010. Ausweislich dieses Hilfeplans wurde ein Bedarf der Klägerin i.H.v. vier Fachleistungsstunden pro Woche ermittelt. In dem ebenfalls beigefügten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII wurde angegeben, dass die Klägerin über Vermögen in Gestalt von Grundstücken verfüge bzw., dass sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -Grundsicherung für Arbeitsuchende- (SGB II) beziehe, "obwohl sie Miteigentümerin von zwei Mehrfamilienhäusern" sei. Mit Schreiben vom 11.11.2009 bat der Beklagte den Betreuer der Klägerin um Erläuterung des vorhandenen Vermögens. Mit Schreiben vom 17.11.2009 teilte der Betreuer der Klägerin dem Beklagten mit, dass die Klägerin und ihre Schwester eine Erbengemeinschaft bildeten, die Eigentümer zweier Liegenschaften, und zwar S.-Weg 32 in Essen und T.-Straße 1 in Mülheim, sei. Wertgutachten zu den Häusern lägen nicht vor. Aufgrund eines erheblichen Renovierungsbedarfs dürften die Häuser auf dem Immobilienmarkt allerdings unverkäuflich sein. Ein Verkauf oder eine dingliche Belastung der Häuser könne nur durch die Erbengemeinschaft erfolgen, wobei vonseiten der Schwester der Klägerin kein Einverständnis mit einem Verkauf bestehe.

Am 10.05.2010 ging ein Folgeantrag für Leistungen des ambulant betreuten Wohnens betreffend den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 30.06.2011 bei dem Beklagten ein. Hiernach wurde ein Bedarf von 1,5 Fachleistungsstunden pro Woche ermittelt.

Mit Schreiben vom 21.05.2010 bat der Beklagte den Betreuer der Klägerin um Nachweise bezüglich der Belastungen des Grundvermögens sowie bezüglich von Mieteinnahmen. Weiterhin forderte der Beklagte bei dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr Grundbuchauszüge bezüglich des Grundstücks T.-Straße 1 in Mülheim sowie bei dem Amtsgericht Essen bezüglich des Grundstücks S.-Weg 32 in Essen an. Ausweislich der eingeholten Grundbuchauszüge waren die Klägerin und ihre Schwester bei beiden Grundstücken als Eigentümer in Erbengemeinschaft eingetragen.

Mit Schreiben vom 29.09.2010 teilte der Beklagte dem Betreuer der Klägerin mit, dass er beabsichtige, darlehensweise gemäß § 91 SGB XII zu leisten. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass die Klägerin in Erbengemeinschaft mit ihrer Schwester über Vermögen in Form von zwei Mehrfamilienhäusern verfüge. Die Klägerin bewohne eine Wohnung in dem Mehrfamilienhaus T.-Straße 1 in Mülheim, welches aus insgesamt vier Wohneinheiten bestünde. Da die Klägerin lediglich eine der Wohneinheiten bewohne, seien die übrigen Wohnungen des Mehrfamilienhauses nicht gemäß § 90 Abs. 2 SGB XII geschützt. Die Voraussetzungen des § 91 SGB XII seien erfüllt, so dass der Beklagte beabsichtige, die Leistungen der Eingliederungshilfe für den Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 31.12.2010 Monat für Monat als darlehensweise Hilfe zu bewilligen.

Mit Schreiben vom 30.09.2010 teilte der Betreuer der Klägerin dem Beklagten mit, dass das Haus T.Straße 1 in Mülheim aus drei Wohneinheiten bestehe, von denen die Klägerin eine Einheit selbst bewohne. Ein Appartement und eine weitere Wohnung seien vermietet. In dem Haus S.-Weg 32 in Essen wohne die Schwester der Klägerin. Das Haus S.-Weg 32 in Essen sei von der Klägerin und ihrer Schwester gemeinsam zwischenzeitig veräußert worden. Der notarielle Kaufvertrag läge den beteiligten Betreuungsgerichten mit dem Antrag auf Genehmigung des Kaufvertrages vor. Einer darlehensweisen Gewährung von Leistungen könne der Betreuer nicht zustimmen, da die Aufnahme eines Darlehens ebenso wie die Verfügung über die Erbschaft gemäß § 1822 Nr. 1 und 8 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) genehmigungspflichtig seien. Ferner führte der Betreuer der Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.01.2009 (B 14 AS 42/07 R) an, dass der Anteil an der Erbengemeinschaft, dessen Wert sich überhaupt nicht abschätzen lasse, kein verfügbares Vermögen der Klägerin darstelle, weshalb die Leistungen als Zuschuss zu gewähren seien.

Mit Schreiben vom 18.10.2010 fragte der Beklagte bei dem Betreuer der Klägerin unter anderem nach, in welcher Höhe die Klägerin einen Anteil des Verkaufserlöses des Grundstückes S.-Weg in Essen erhalte. Hierauf teilte der Betreuer mit Schreiben vom 22.10.2010 mit, dass die Frage, welcher Anteil der Klägerin am Verkaufserlös der Liegenschaft S.-Weg zustehe, höchst streitig sei, weshalb es bei der Aussage, dass der Wert des Erbteils nicht beziffert werden könne, bleibe.

Mit Bescheid vom 16.06.2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe für das ambulant betreute Wohnen im Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 31.10.2010 in Form eines Zuschusses ab. Zur Begründung führte er an, dass bei der Klägerin verwertbares Vermögen in Gestalt des Eigentums an zwei Hausgrundstücken vorhanden sei, welches noch der Erbengemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrer Schwester, als Gesamthandgemeinschaft zustehe. Der Wert der Hausgrundstücke sei bereits durch Wertgutachten im Rahmen einer SGB II–Angelegenheit ermittelt worden. Das Haus in Essen sei auf 260.000,00 EUR bzw. auf 299.000,00 EUR geschätzt worden, wobei das Grundstück mit einer Grundschuld in Höhe von etwa 31.600 EUR zur Sicherung eines bereits fälligen, jedoch noch nichtzurückgezahlten Darlehens der Aachener Bausparkasse in Höhe von 52.618,04 EUR belastet wäre. Der Verkehrswert der Wohnung in Mülheim belaufe sich ausweislich eines Gutachtens auf 166.000,00 EUR. Die Erbengemeinschaft habe den Verkauf des Grundstücks in Essen mit einem notariellen Kaufvertrag vom 05.08.2010 eingeleitet, wobei der Kaufpreis mit 381.000 EUR festgelegt worden sei. Es fehle noch an der betreuungsgerichtlichen Genehmigung. Bei der Klägerin würde unabhängig davon, wie sich die Erbengemeinschaft letztlich auseinandersetze, vorrangig einzusetzendes Vermögen vorliegen. Denn entweder würde die Klägerin Alleineigentümerin eines lastenfreien Grundstücks im Wert von 166.000 EUR oder sie sei an dem Erlös aus dem Hausverkauf in Essen zu beteiligen. Eine Verwertbarkeit des vorhandenen Vermögens sei gegeben. So bestehe die Möglichkeit der Verwertung auch des Mülheimer Hauses durch Veräußerung. Zudem bestehe die Möglichkeit der Verpfändung oder des Verkaufs des Erbanteils der Antragstellerin.

Mit Schreiben vom 20.06.2011 legte der Betreuer der Klägerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 16.06.2011 ein. Zur Begründung führte er an, dass eine Verwertung des Vermögens aus der Erbengemeinschaft praktisch nur durch eine Erbauseinandersetzung erfolgen könne, welche nicht kurzfristig durchgeführt werden könne. Die von dem Beklagten im Ablehnungsbescheid angeführten Zahlen seien rein hypothetisch. So seien im Laufe des Verkaufs des Hauses in Essen weitere Kosten entstanden. Makler und Notar seien bereits bezahlt worden. Eine erhebliche Geldsumme (rund 20.000,00 EUR) würden gegen die Erbengemeinschaft für die Entrümpelung geltend gemacht. Über die Höhe des Betrages würde gestritten. Zudem seien noch Nachzahlungen auf Grundbesitzabgaben in nicht unerheblicher Höhe zu leisten gewesen. Die Eingliederungshilfe sei demnach als Zuschuss zu bewilligen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2011 wies der Beklagte den Widerspruch vom 20.06.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er an, dass verwertbares Vermögen bei der Klägerin vorhanden sei. So sei das Haus in Essen zum Preis von 381.000 EUR verkauft worden. Aus dem Kaufpreis seien die mit dem Kauf verbundenen Kosten (Makler und Notar) sowie ein Darlehen der Aachener Bausparkasse i.H.v. 52.618,04 zuzüglich Zinsen zu begleichen. Der verbleibende Betrag, ca. 300.000,00 EUR, stehe der Klägerin zur Verfügung. Der Verkehrswert des Hauses T.-Straße 1 in Mülheim belaufe sich laut einem Wertgutachten vom 19.02.2010 auf 190.000 EUR und sei lastenfrei. Eine generelle Unverwertbarkeit des Vermögens liege demnach nicht vor. § 91 SGB XII eröffne die Möglichkeit, Sozialhilfe als Darlehen zu bewilligen. Eine darlehnsweise Bewilligung sei von dem Betreuer der Klägerin abgelehnt worden. Einer Bewilligung von Leistungen als Zuschuss stehe das vorhandene Vermögen entgegen.

Am 26.10.2011 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Betreuer und Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. In der Folgezeit hat der Beigeladene bei dem Amtsgericht Hagen bezüglich seiner Forderung gegen die Klägerin einen Vollstreckungsbescheid vom 10.01.2013 erwirkt, ausweislich dessen eine Gesamtsumme i.H.v. 4.146,08 EUR tituliert worden ist. Am 24.04.2013 haben die Klägerin und ihre Schwester, jeweils vertreten durch ihre Betreuer, einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag geschlossen. Mit Beschluss vom 24.02.2014 hat das Amtsgericht Essen, als das für die Schwester der Klägerin zuständige Betreuungsgericht, diesen Erbauseinandersetzungsvertrag genehmigt. Mit Schreiben vom 14.05.2014 hat das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr, als das für die Klägerin zuständige Betreuungsgericht, auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass eine Genehmigung des Erbauseinandersetzungsvertrages noch nicht absehbar sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die beantragte Leistung als Zuschuss zu bewilligen sei, da kein verwertbares Vermögen bestehe. Sie verweist auf die Entscheidung des BSG vom 27.01.2009 (B 14 AS 42/07 R) und führt an, dass bezüglich der Verwertbarkeit des Vermögens auf den Bewilligungszeitraum abzustellen sei, der am 31.10.2010 geendet habe. Das Vermögen sei für die Klägerin so lange nicht verwertbar, wie die Erbengemeinschaft mit ihrer Schwester nicht auseinandergesetzt sei. Von einer Unverwertbarkeit des Vermögens sei auszugehen, wenn völlig ungewiss sei, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung, wie im vorliegenden Fall die Erbauseinandersetzung, eintrete. Die Klägerin könne einer darlehensweisen Gewährung der Hilfe nicht zustimmen, da sie dadurch letztlich die Schulden beim Anbieter des ambulant betreuten Wohnens gegen Schulden bei dem Beklagten austauschen würde.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2011 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe zum ambulant betreuten Wohnen in Höhe der mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 10.01.2013 zum Az. 12-0369425–0–7 gegen die Klägerin titulierten Forderung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung über Grundvermögen verfügt habe, welches vorrangig zur Deckung ihres Bedarfs zu verwenden sei. Da eine sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich sei, komme alleine eine darlehensweise Bewilligung in Betracht. Der Klägerin habe es jederzeit freigestanden, die Leistung als Darlehen in Anspruch zu nehmen. Eine darlehensweise Leistung sei jedoch von der Klägerin kompromisslos abgelehnt worden.

Das Gericht hat am 15.04.2014 einen Erörterungstermin durchgeführt. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Leistungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

II. Gegenstand der auf die zuschussweise Übernahme der Kosten für Leistungen der Eingliederungshilfe für ambulant betreutes Wohnen in dem Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 31.10.2010 gerichteten Klage im Sinne des § 95 SGG ist der Bescheid vom 16.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2011.

III. Das nach § 123 SGG auszulegende klägerische Begehren ist nicht lediglich auf die Aufhebung der Bescheide vom 16.06.2011 und vom 19.10.2011 sowie die Zahlung der offenen Kosten an die Beigeladene gerichtet, sondern zudem auf eine Übernahme dieser Kosten durch den Beklagten mittels Verwaltungsakt, durch den eine Mitschuld des Beklagten gegenüber dem Beigeladenen begründet werden soll. Statthafte Klageart ist damit die kombinierte Anfechtungs–, Verpflichtungs– und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4, 56 SGG (vgl. zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage zusätzlich zur Anfechtungs– und Leistungsklage in Fällen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses: BSG, Urteil vom 28.10.2008, B 8 SO 22/07 R, Rn. 10 ff.). Dabei wird mit der Klage ausdrücklich allein eine Bewilligung der Leistung als Zuschuss verfolgt.

IV. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide beschweren die Klägerin nicht, da sie nicht rechtswidrig sind (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).

1. Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen des ambulant betreuten Wohnens gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2a) des Ausführungsgesetzes zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen (AG SGB XII NRW) sowie § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Ausführungsverordnung zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – des Landes Nordrhein-Westfalen (AV SGB XII NRW) sachlich zuständig.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Leistungen der Eingliederungshilfe für ambulant betreutes Wohnen in dem Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 31.10.2010 gem. §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen- (SGB IX) als Zuschuss. Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach den §§ 53 ff. SGB XII ist. Der begehrten Leistungsbewilligung in Gestalt eines Zuschusses steht aber verwertbares Vermögen der Klägerin im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII entgegen, weshalb lediglich eine darlehensweise Bewilligung gemäß § 91 SGB XII in Betracht kommt, die jedoch von der Klägerin durchgängig, zuletzt im Erörterungstermin vom 15.04.2014 sowie mit Schriftsatz vom 20.04.2014 ausdrücklich abgelehnt worden ist.

a) Einzusetzen ist gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen. Dem Vermögensbegriff unterfallen grundsätzlich auch Anteile an einem Nachlass, über den Betroffene gemäß § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB verfügen können (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 43/07 R, Rn. 19; vgl. auch OVG Koblenz, NJW 1993, 152 (153)). Nach § 91 Abs. 1 S. 1 SGB XII soll die Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden, soweit von der nachfragenden Person gemäß § 90 SGB XII für den Bedarf Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist. Hinsichtlich der Entscheidung, ob eine Bewilligung als Zuschuss oder als Darlehen gemäß § 91 SGB XII zu erfolgen hat, ist eine Prognose über den für die Verwertung voraussichtlich notwendigen Zeitraum zu treffen (vgl. Mecke, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. (2014), § 91 SGB XII, Rn.12). Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtlich voll überprüfbare Prognoseentscheidung ist dabei der Zeitpunkt, zu dem die Sozialhilfe einsetzen soll (vgl. Mecke, a.a.O., m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Bewilligung der Leistung als Zuschuss. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung ist der Zeitpunkt der Antragstellung. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Klägerin über verwertbares Vermögen als Miterbin.

b) Die Prognoseentscheidung des Beklagten ist dabei insbesondere nicht im Hinblick auf das von der Klägerin gerügte, bei der Prognose zu Grunde gelegte Zeitmoment zu beanstanden. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des 14. Senats des BSG vom 27.01.2009 (a.a.O.) anführt, hinsichtlich der zeitlichen Beurteilung der Verwertbarkeit in Gestalt einer Erbauseinandersetzung sei lediglich auf den Bewilligungszeitraum, mithin auf die Zeitspanne vom 18.06.2009 bis zum 31.10.2010 abzustellen, folgt die Kammer dem nicht.

aa) Denn nach dem für das Recht der Sozialhilfe zuständigen 8. Senat des BSG beurteilt sich die Frage, ob Vermögenspositionen verwertbar sind unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten. Der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können, wobei beide Aspekte darüber hinaus eine Berücksichtigung der zeitlichen Dimension verlangen, innerhalb der das Vermögen (voraussichtlich) verwertet werden kann. Kann der Vermögensinhaber das Vermögen nicht in angemessener Zeit verwerten, verfügt er nicht über bereite Mittel (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2001, B 8 SO 19/10 R, Rn. 14, m.w.N.). Der 8. Senat hat dabei auf die Rechtsprechung des 14. Senats des BSG im Bereich des SGB II zurückgegriffen, wonach von einer generellen Unverwertbarkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II auszugehen sei, wenn völlig ungewiss sei, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintrete, wobei maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfalle, im Regelfall der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 S. 4 SGB II sei. Auf das Recht der Sozialhilfe sei diese Rechtsprechung mit der Maßgabe zu übertragen, dass wegen der gesteigerten Verwertungsobliegenheit für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf den gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten (§ 44 Abs. 1 S. 1 SGB XII) abzustellen sei (vgl. ebenda, Rn. 15). Weiter hat der 8. Senat in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt, dass das Zeitmoment nicht nur in den Fällen greife, in denen völlig ungewiss sei, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintrete, sondern auch dann, wenn zwar konkret feststehe, wann über den Vermögenswert verfügt werden könne, der Zeitpunkt aber außerhalb eines angemessenen Zeitrahmens liege, in welchem noch der Einsatz bereiter Mittel angenommen werden könne. Ob in diesen Fällen ebenfalls ein Zeitraum von zwölf Monaten oder - wofür einiges spreche - abhängig vom Einzelfall ein in der Regel deutlich längerer Zeitabschnitt zugrunde zu legen sei, bedürfe, in dem von dem BSG entschiedenen Fall, erst nach Feststellung entsprechender Umstände einer Entscheidung (vgl. ebenda).

bb) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist der Beklagte bei seiner Prognose zutreffend von einer Verwertungsmöglichkeit des Vermögens der Klägerin ausgegangen. Eine Verwertungsmöglichkeit des Erbanteils bestand dabei bereits in Gestalt einer Auflösung der Erbengemeinschaft, ohne dass es auf andere Verwertungsmöglichkeiten des Erbanteils, etwa eine Beleihung oder einen freihändigen Verkauf des Erbanteils, ankommt, da zwischen der Klägerin und ihrer Schwester grundsätzlich Einverständnis mit einer Auflösung der Erbengemeinschaft bestanden hat (vgl. zu der Verwertung im Rahmen der einvernehmlichen Auseinandersetzung als "Regelfall der Verwertung": BSG, Urteil vom 27.01.2009, a.a.O., Rn. 35). Dabei ist sowohl von einer rechtlichen als auch von einer tatsächlichen Möglichkeit einer Verwertung des Vermögens der Klägerin durch eine Auflösung der Erbengemeinschaft auszugehen. Denn eine solche Verwertung war zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht völlig ungewiss. Bezüglich des Zeitmoments kann auf einen deutlich längeren Zeitraum als zwölf Monate abgestellt werden. Dieser, von der am sechsmonatigen Bewilligungszeitraum des § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II orientierten Betrachtungsweise im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende abweichende Zeitraum rechtfertigt sich aufgrund des Umstandes, dass Hilfesuchende im Bereich des SGB XII regelmäßig längerfristig auf Hilfe angewiesen sind, als Hilfesuchende, die dem Regelungssystem des SGB II unterfallen. Dafür, dass eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung völlig unabsehbar gewesen wäre, bestehen keine Anhaltspunkte.

c) Unbeschadet einer solchen Verwertungsmöglichkeit im Wege einer Auflösung der Erbengemeinschaft bestand für die Klägerin nach Auffassung der Kammer auch die Möglichkeit, ihren Erbanteil durch freihändigen Verkauf zu verwerten. Die rechtliche Möglichkeit einer solchen Verwertung des Erbanteils folgt aus § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der einzelne Miterbe zwar nicht über einzelne Nachlassgegenstände verfügen kann, jedoch über seinen Anteil an dem Nachlass als solchen (vgl. zu den Verwertungsmöglichkeiten: BSG, Urteil vom Simon 20.01.2009, a.a.O., Rn. 27 ff.). Insoweit bestand für die Klägerin rechtlich die Möglichkeit, ihren Erbanteil zu verpfänden. Bedenken an einer solchen Verpfändung bestehen jedoch in tatsächlicher Hinsicht insoweit, als die Ermittlungen des Gerichts ergeben haben, dass jedenfalls die Sparkasse Duisburg mit Schreiben vom 23.05.2014 mitgeteilt hat, dass eine Beleihung eines Erbanteils dort regelmäßig nicht in Betracht komme (vgl. Bl. 128 der Gerichtsakte). Allerdings hat eine Nachfrage bei der Vermögensgemeinschaft GmbH, welche das Internetportal "erbanteile.de" betreibt, ergeben, dass ein Markt für Erbanteilskäufe besteht (vgl. Bl. 123 der Gerichtsakte). Nach den Angaben des Geschäftsführers der Vermögensgemeinschaft GmbH sei ein solcher Markt Ende des Jahres 2012 ins Leben gerufen worden und habe seither starkes Interesse sowohl auf Erben– als auch auf Investorenseite geweckt.

Zwar ist die Prognoseentscheidung des Beklagten bereits aufgrund der Möglichkeit der Verwertung im Wege einer Erbauseinandersetzung nicht zu beanstanden (sh. oben unter IV., 2., b)). Gleichwohl bestand für die Klägerin nach Auffassung der Kammer die Möglichkeit einer freihändigen Verwertung, wobei nach den Ermittlungen des Gerichts jedenfalls seit Ende 2012 ein überregionaler Markt für Erbanteile besteht. Dass die Klägerin sich um eine solche Verwertung, in Gestalt eines freihändigen Verkaufs oder einer Beleihung, bemüht hätte, hat sie nicht vorgetragen. Vielmehr hat sie die Verwertung des Erbanteils ausschließlich im Wege der Erbauseinandersetzung betrieben. Betreibt die Klägerin aber ausschließlich die Auseinandersetzung, kann sie nach Auffassung des Gerichts nicht eine Leistung als Zuschuss unter Hinweis auf die Dauer der mit der Erbauseinandersetzung und der Betreuungen der Klägerin und ihrer Schwester verbundenen Verfahren verlangen und eine darlehensweise Leistung nachdrücklich ablehnen.

V. Der Leistungserbringer war gemäß § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG notwendig beizuladen, da dieser am Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl. bereits oben unter III. sowie BSG, Urteil vom 23.08.2013, B 8 SO 10/12 R, Rn. 10, m.w.N.). Eine Beiladung konnte dabei mit Beschluss vom 23.12.2014, mithin nach der Entscheidung der Kammer, erfolgen, da anerkanntermaßen eine Beiladung bis zur Rechtskraft bzw. Erledigung des Rechtsstreits zulässig ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. (2014), § 75 SGG, Rn. 5b, m.w.N.).

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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