S 11 SO 22/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 SO 22/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Anspruch auf ergänzende Pflegekraftkosten nach § 65 Abs. 1 SGB XII besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Sachleistung der Pflegeversicherung nach § 36 SGB XI voll in Anspruch genommen wurde. Dabei ist bei ausschließlichem Bezug von Pflegegeld ein mangels Sachleistungsbezug fiktiver, Leistungen nach § 36 SGB XI überschreitender und Ansprüche nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auslösender Aufstockungsbedarf durch die Behörde nicht zu ermitteln .

2. Die Einordnung einer beanspruchten Leistung als Maßnahme der Eingliederungshilfe oder als Maßnahme der Hilfe zur Pflege vollzieht sich nach dem konkreten Ziel der Hilfe. Von einer Maßnahme der Hilfe zur Pflege ist dann auszugehen, wenn in erster Linie mit bewahrendem Charakter vornehmlich unter Ausweitung von Pflegeleistungen der Zweck der Sicherung der Existenz durch regelmäßig wiederkehrende notwendige Hilfen verfolgt wird. Ob daneben auch Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht werden, ist unerheblich.

3. Die einen allgemeinen Rechtssatz beinhaltende Regelung des § 366 BGB findet nach § 61 Satz 1 SGB X auch innerhalb der Sozialgesetzbücher Anwendung.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger, der Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung sowie Leistungen der Eingliederungshilfe erhält, noch darüber hinausgehende Ansprüche nach dem 7. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) geltend machen kann.

Der am 05. Januar 1994 geborene Kläger ist schwerbehindert (Grad der Behinderung von 100; Merkzeichen "B", "G", "aG", "H" und "RF"). Er bezieht eine Waisenrente in Höhe von derzeit 241,45 EUR monatlich (ab Juli 2015); daneben verfügt er über ein Sparvermögen in Höhe von etwa 1.400 EUR. Der Kläger lebt bei seiner ihn betreuenden und seit Dezember 2010 verwitweten Mutter in A-Stadt und erhält Pflegegeld in Höhe von 700 EUR monatlich (Pflegestufe III). Die Übernahme der Kosten einer mehrmals im Jahr in Anspruch genommenen Kurzzeitpflege gemäß § 42 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) lehnte die Pflegekasse (Kostenrahmen ab 2012: 1.550 EUR) nach Volljährigkeit des Klägers ab (Schreiben vom 24. November 2011), da mit der die Kurzzeitpflege leistenden Einrichtung der Lebenshilfe in S-Stadt kein Versorgungsvertrag bestand; jedoch könnten hierfür Mittel aus der Verhinderungspflege bereit gestellt werden. Dem widersprach die Mutter des Klägers (Schreiben vom 28. Februar 2012), weil sie den durch die Verhinderungspflege gemäß § 39 SGB XI zur Verfügung stehenden Kostenrahmen (ab 2012: 1.550.- EUR) für die Kosten der täglichen stundenweisen Entlastung durch den Familienentlastenden Dienst (FED) der Offenen Behindertenarbeit E-Stadt e.V. benötige; ebenso wandte sich die Mutter des Klägers gegen eine Übernahme zusätzlicher Kosten der Kurzzeitpflege im Rahmen zusätzlicher Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI (Kostenrahmen: 2.400 EUR), weil auch diese Mittel für die stundenweise Entlastung durch den FED benötigt werden. Der Beigeladene stellte dem Kläger in Aussicht, weitere Kosten - insbesondere zur Vermeidung der Kosten eines Heimaufenthalts - zu übernehmen, wenn die Leistungen der Pflegekasse aufgebraucht sind.

Mit Bescheid vom 23. März 2013 sagte der Beigeladene für die Betreuung des Klägers anfallende Kosten von bis zu monatlich 400 EUR zu mit der Maßgabe, dass die Leistungen der Pflegekasse für familienentlastende Dienste vorrangig ausgeschöpft werden. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 verweist der Beigeladene zusätzlich darauf, dass Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich nicht zum Aufgabengebiet der Eingliederungshilfe zählten, die Betreuungsleistungen in Höhe von 400,- EUR aber gewährt werden, um eine Heimunterbringung zu vermeiden; ebenso werde der Beigeladene nach Ausschöpfung der Leistungen der Pflegekasse Kosten der Unterbringung in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung übernehmen. Mit Bescheid vom 31. Juli 2012 erstattete der Beigeladene von der Pflegekasse nicht übernommene Leistungen der Kurzzeitpflege im Zeitraum März bis Mai 2012 auf der Grundlage des § 53 SGB XII. Ab Juli 2012 beglich der Beigeladene bis Ende des Jahres die für die Einzelbetreuung durch den FED angefallenen (und den Kostenrahmen der Verhinderungspflege und der Zusätzlichen Betreuungsleistungen überschreitenden) Kosten. Mit Schreiben vom 28. Juni 2013 forderte die Mutter des Klägers zur Verbesserung ihrer Lebenssituation vom Beigeladenen eine Erhöhung des "Entlastungsbudgets" auf 800 EUR monatlich, nachdem der Kostenrahmen der Pflegekasse für die Einzelbetreuung durch den FED schon im Juni 2013 aufgebraucht war. Bereits ab Oktober 2010 übernahm der Beigeladene die Kosten des Aufenthalts des Klägers in der Tagesstätte der Lebenshilfe E-Stadt e.V. (Pestalozzi-Tagesstätte/-Schule) durch Gewährung teilstationärer Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2012 beantragte der Kläger, der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhält, auch beim Beklagten Unterstützung zur Pflege und Betreuung. Nach dessen Feststellungen verfügt die Mutter über eine Witwenrente; ausweislich vorgelegter Unterlagen ist sie auch Inhaberin eines Bankguthabens von mehr als 20.000 EUR und Eigentümerin des gemeinsam bewohnten Hausgrundstücks. Mit Bescheid vom 16. Juli 2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Hilfe zur Pflege ab, weil die unterhaltspflichtige Mutter noch über ausreichend Vermögen verfüge. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wird damit begründet, dass das Einkommen und Vermögen von Eltern bei volljährigen Kindern nicht herangezogen werden könne.

Die Regierung von Niederbayern wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20. Februar 2013 zurück. Der Kläger unterfalle zwar dem leistungsberechtigten Personenkreis des § 61 SGB XII; sei neben der Pflege durch eine nahestehende Person auch die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich, seien nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII die angemessenen Kosten zu übernehmen. Eine Leistungspflicht des Beklagten scheide aber wegen des im Sozialhilferecht zu beachtenden Nachranggrundsatzes aus. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI gingen Leistungen nach dem SGB XI den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach dem SGB XII vor. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII könnten zwar Pflegebedürftige erhalten, bei denen die der Höhe nach begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung nicht ausreichten, um den bestehenden Pflegebedarf in vollen Umfang abzudecken. Ein durch Sozialhilfe zu sichernder Aufstockungsbedarf sei aber nicht ersichtlich. Das Pflegegeld von 700 EUR monatlich solle den Pflegebedürftigen in die Lage versetzen, die notwendige Hilfeleistung selbst zu organisieren; es könne nur an der Stelle von Pflegesachleistungen beansprucht werden. Gegenüber den Pflegesachleistungen sei das Pflegegeld aber in mehrfacher Hinsicht reduziert ausgestaltet. Pflegekräften der Pflegekasse bzw. von dieser beauftragten ambulanten Pflegeeinrichtungen oblägen nicht nur die Grundpflege, sondern auch die hauswirtschaftliche Versorgung, wobei der Gesamtwert der Pflegeeinsätze gemäß § 36 Abs. 3 SGB XII zwar auf den Betrag von 1.550 EUR beschränkt sei, dies überschreite aber die Höhe des Pflegegelds der Pflegestufe III um mehr als das Doppelte. Anhaltspunkte dafür, dass häusliche Pflegehilfe bis zu einem Gesamtwert von 1.550 EUR den Pflegebedarf des Klägers einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht abdecke, seien nicht ersichtlich.

Der Kläger ließ hiergegen Klage erheben. Zu deren Begründung wird vorgetragen: Nach Ausschöpfung von Leistungen nach dem SGB XI seien zusätzliche Betreuungsleistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII zuzuordnen. Denn über die reine Hilfe zur Pflege hinaus solle der Zustand des behinderten Klägers zum Besseren verändert werden. Um dauerhaft am gesellschaftlichen und familiären Leben mit seiner Mutter teilhaben zu können, scheide die Verweisung auf eine stationäre Versorgung aus. Um dem Kläger Unterhaltung und eine Tagesstruktur bieten zu können, seien Leistungen der Eingliederungshilfe nicht unüblich. Leistungen der Pflegeversicherung könnten nicht nur durch zusätzliche Leistungen der Hilfe zur Pflege, sondern auch durch Leistungen der Eingliederungshilfe aufgestockt werden. Vorliegend sei ein zusätzlicher Betreuungsaufwand von 20 Stunden je Woche angemessen. Der Beigeladene anerkenne auch einen derartigen Bedarf; denn andernfalls würde er nicht auf der Grundlage des § 53 SGB XII eine Entlastungshilfeleistung von 400 EUR monatlich gewähren. Für Teilhabemöglichkeiten wie den Besuch eines Kinos, eines Schwimmbads oder von Musikveranstaltungen und Vereinsfesten sowie für die Durchführung von Ausflügen bestehe weiterer Bedarf an Betreuungsleistungen. Auf Grund der Bestimmung des § 14 SGB IX bleibe der Beklagte auch für diese Leistungen zuständig.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 16. Juli 2012 und des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 20. Februar 2013 zu verurteilen, ihm Leistungen als Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das ausgezahlte Pflegegeld diene dazu, dass die Mutter dem Kläger die notwendige Unterstützung zukommen lasse. Das Pflegegeld diene nicht der Entlohnung der Mutter für ihre Tätigkeit. Diese habe zudem nach Maßgabe des SGB XI die Möglichkeit, einen Pflegedienst zur Entlastung heranzuziehen und entweder die Pflegesachleistung zu beanspruchen oder eine Kombileistung geltend zu machen, so dass nur das nach Bezahlung des Pflegedienstes verbleibende Pflegegeld zur Auszahlung komme. Eine Unterhaltsprüfung würde zudem dazu führen, dass die Mutter weiter anfallende Kosten selbst tragen müsse, da sie über ausreichend hohe Ersparnisse verfüge. Die Themenbereiche Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe - jeweils nach dem SGB XII - seien deutlich zu trennen. Letztere sei beim Beklagten zu keiner Zeit beantragt worden; im Übrigen sei hierfür der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig. Ebenso wenig seien Betreuungsleistungen nach Ausschöpfung von Leistungen nach dem SGB XI der Eingliederungshilfe zuzuordnen. Die Mutter fordere ausschließlich eine Erhöhung der Betreuungszeit durch den FED, Leistungen der Eingliederungshilfe könnten hierfür nicht beansprucht werden. Die Kostenübernahme durch den Bezirk in Höhe von monatlich 400,- EUR erfolge auf freiwilliger Basis und solle die höheren Kosten einer Heimunterbringung vermeiden; die darüber hinaus dem Kläger zufließenden Mittel aus dem Pflegegeld (§37 SGB XI), der Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI), der Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) und der Zusätzlichen Betreuungsleistungen (§ 45b SGB XI) seien ausreichend, seine Pflege sicherzustellen.

Der im Erörterungstermin vom 14. Juni 2013 beigeladene Bezirk verweist auf die von der Pflegekasse bereits erbrachten Leistungen. Die zusätzlich geleistete Unterstützung in Höhe von 400 EUR monatlich werde nur erbracht, um eine Heimunterbringung zu vermeiden. Die vom Kläger zusätzlich eingeforderten Pflege- und Betreuungsleistungen gehörten nicht zum Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe. Die nunmehr beantragte Kostenübernahme von 800 EUR monatlich im Wege der ambulanten Eingliederungshilfe dienten vorrangig der Entlastung der pflegenden Mutter. Die damit zu bestreitenden Kosten des FED stellten keine Teilhabeleistungen im Sinne der Eingliederungshilfe dar. Der Kläger müsse sich auf vorrangige Pflegesachleistungen verweisen lassen, die eine weitere Entlastung der Mutter zur Folge haben werden.

Die Kammer hat die Beteiligten mit Schreiben vom 30.06.2015 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu entscheiden; die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

Die Kammer konnte wegen des Verzichts der Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, § 124 Abs. 2 SGG.

1. Die mit der Antragstellung des Klägers verfolgte Verurteilung des beklagten Landkreises zu Leistungen zur Hilfe zur Pflege gemäß §§ 61 ff. SGB XII entspricht nicht der mit der weiteren Klagebegründung zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Forderung zusätzlicher Betreuungsleistungen nach Maßgabe der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII. Denn für letztere ist nicht der Beklagte, sondern der Beigeladene sachlich zuständig (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGSG). Eine insoweit gebotene Klageänderung war aber nicht vorrangig, weil in Folge der Beiladung auch eine Verurteilung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach 75 Abs. 5 SGG möglich ist, ggf. unter Abweisung der gegen den Beklagten gerichteten Klage im Übrigen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen vor, da Anspruchsgrund und Rechtsfolgen bei den vom Kläger verfolgten Ansprüchen auf zusätzliche Betreuungsleistungen im Kern übereinstimmen (BSG, Urteil vom 08. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R, Rz. 26). Sowohl gegenüber dem Beklagten wie auch gegenüber dem Beigeladenen verfolgt der Kläger die Verurteilung eines Trägers der Sozialhilfe wegen zusätzlichem Betreuungsbedarf.

Entgegen der Ansicht des Klägers scheidet eine Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 14 SGB IX als erstangegangener Rehabilitationsträger für die nunmehr gegenüber dem Beigeladenen weiter verfolgte Ansprüche aus. Beim Beklagten ist zu keiner Zeit Eingliederungshilfe beantragt worden, so dass eine Leistungszuständigkeit insoweit nicht begründet werden konnte.

2. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger zum Kreis der nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Berechtigten zählt. Der von ihm geltend gemachte Anspruch nach dem Siebten Kapitel des SGB XII, der in die sachliche Zuständigkeit des Beklagten fällt, ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil er bereits auf der Grundlage des § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI an Stelle der häuslichen Pflegehilfe Pflegegeld bezogen hat. Dass Leistungen der Pflegeversicherung weitergehende Ansprüche auf Gewährung zusätzlicher Hilfen nach dem Sozialrecht nicht entfallen lassen, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits zur alten, nach Einfügung der Bestimmungen der Sozialhilfe in das SGB XII im Wesentlichen unverändert gebliebenen Rechtslage entschieden (Urteil vom 15. Juni 2000 - 5 C 34.99). Auf der Grundlage des § 65 SGB XII hat der Träger der Sozialhilfe nicht nur einen qualitativen, sondern auch einen quantitativen Mehrbedarf an Pflege abzudecken, d. h. bei entsprechendem Bedarf gewährt er über die Grenzen des SGB XI hinausgehende Leistungen.

§ 64 SGB XII begründet - in sozialhilferechtlicher Entsprechung zu § 37 SGB XI - einen Anspruch auf Pflegegeld, soweit gemäß Abs. 5 Satz 1 häusliche Pflege in ausreichendem Maße gewährt werden kann. Dabei ist das Pflegegeld nach § 64 SGB XII weder ein Entgelt für die Pflegeperson noch dient es dazu, den Pflegeaufwand in sonstiger Weise abzugelten. Eine Pflegegeldgewährung geht nach ihren gesetzlichen Zielen daher auch nicht ins Leere, wenn der Pflegebedürftige eine "Rund-um-die-Uhr-Versorgung" durch von ihm vertraglich zur Pflegeleistung verpflichtete professionelle Pflegekräfte, hier durch Personal des FED erhält (BVerwG, Urteil vom 03. Juli 2003 - 5 C 7/02, Rz. 13). Wiederum besteht im Rahmen des § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auch die Möglichkeit den Pflegebedürftigen über Leistungen der Pflegeversicherung hinaus außerhalb seines Haushaltes etwa in der Kurzzeitpflege aufnehmen zu lassen (Klie, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: November 2012, § 65 Rz. 9) oder eine zeitweilige Entlastung der Pflegeperson im Wege einer angemessenen Verhinderungspflege herbeizuführen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. November 2014 - L 9 SO 33/11, Rz. 23 ff.).

Sozialhilfe erhält jedoch nach § 2 Abs. 1 SGB XII nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Trägern anderer Sozialleistungen erhält; deren Verpflichtungen bleiben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XII unberührt. Dieser Nachranggrundsatz ist ein den Leistungsberechtigten bindendes Gebot der Sozialhilfe, so dass es insbesondere nicht in seinem Belieben steht, zwischen Selbsthilfe und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu wählen. Dabei gehört zur Selbsthilfeverpflichtung des Leistungsberechtigten auch die Geltendmachung realisierbarer Ansprüche gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger (so schon BVerwG, Urteil vom 29. September 1971 - V C 2.7, Leitsatz). Mit dem Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII korrespondiert der Subsidiaritätsgrundsatz des § 13 Abs. 3 SGB XI. Nach Satz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift gehen die Leistungen der Pflegeversicherung den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach dem SGB XII vor. Sozialhilferechtliche Leistungen zur Pflege sind daher nur zu gewähren, wenn und soweit Leistungen zur Pflegeversicherung nicht erbracht werden oder das SGB XII dem Grunde oder der Höhe nach weitergehende Leistungen als die Pflegever-sicherung vorsieht. Das Verhältnis der verschiedenen Leistungen der Hilfe zur Pflege untereinander ist dabei abschließend in der Konkurrenznorm des § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII geregelt. Dort wird der in § 2 SGB XII normierte Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe nicht nur konkretisiert, sondern auch erweitert. § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII stellt einen echten Ausschlusstatbestand im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R, Rz. 20; Meßling, in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB XII, Stand: Januar 2015, § 66 Rz. 40). Danach werden Leistungen gemäß § 65 Abs. 1 SGB XII insoweit nicht erbracht, als Pflegebedürftige in der Lage sind, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. Aus dieser (normativ geregelten) Vorrangigkeit von Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI ergibt sich, dass der leistungsberechtigte Pflegebedürftige Leistungen der Pflegeversicherung erst umfassend ausschöpfen muss, bevor er Ansprüche nach § 65 Abs. 1 SGB XII geltend machen kann. Ergänzende Pflegekraftkosten nach § 65 Abs. 1 SGB XII können grundsätzlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Sachleistung der Pflegeversicherung nach § 36 SGB XI voll in Anspruch genommen wurde (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 1. Oktober 2014 - L 4 SO 41/10, Rz. 30; OVG Bremen, Beschluss vom 28. Februar 2008 - S3 B 536/07, Rz. 23). Es soll vermieden werden, dass Pflegebedürftige durch eine zu niedrige Inanspruchnahme der Sachleistung nach § 36 SGB XI, etwa durch Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI, anstatt der Pflegekasse den Sozialhilfeträger mit Pflegekraftkosten belasten. Dies gilt umso mehr, wenn der Pflegebedürftige - auch zur flexibleren Gestaltung der Pflege, insbesondere bei deren Bestreitung zum Großteil aus der eigenen Familie - lediglich Pflegegeld nach § 37 SGB XI in Anspruch nimmt. Auch in diesem Kontext soll vermieden werden, dass der Pflegebedürftige durch einen Verzicht auf Sachleistung nach § 36 SGB XI anstatt der Pflegekasse vorzeitig bereits den Träger der Sozialhilfe mit Pflegekraft(mehr)kosten (bei einem durch das bloße Pflegegeld nicht mehr abgedeckten Pflegebedarf) belastet (LSG Darmstadt, Beschluss vom 04. Juni 2008 - L 7 SO 131/07 ER, Rz. 37; Meßling, a.a.O., § 66 Rz. 41). Dabei ist - wie insbesondere auch im vorliegenden Fall - bei ausschließlichem Bezug von Pflegegeld ein mangels Sachleistungsbezug fiktiver, Leistungen nach § 36 SGB XI überschreitender und Ansprüche nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auslösender Aufstockungsbedarf durch die Behörde nicht zu ermitteln (vgl. LSG Hamburg, a.a.O., Rz. 36). Der Anspruch nach § 37 SGB XI steht in ausschließender Konkurrenz zum Anspruch auf Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI; letztere zu beantragen ist unverzichtbar, da andernfalls ein durch Sozialhilfe abzudeckender Mehrbedarf nicht gesichert festgestellt werden kann (a.A. SG Detmold, Urteil vom 24. Oktober 2012 - S 16 SO 289/10, Rz. 28). Der Kläger erhielt als Pflegebedürftiger der Pflegestufe III im Zeitpunkt der Klageerhebung ein monatliches Pflegegeld von 700 EUR. Dies sollte ihn in die Lage versetzen die notwendigen Hilfeleistungen durch selbstbeschaffte Pflegepersonen auch zur Unterstützung der ihn betreuenden Mutter zu organisieren. Dass mit dem Pflegegeld die Sachleistung ersetzt werden soll, bedeutet indes nicht, dass dem Pflegebedürftigen mit dem Pflegegeld die gleichen Leistungen beschafft werden könnten, die ihm sonst im Rahmen der häuslichen Pflege zustehen. Im Vergleich zur Pflegesachleistung ist das Pflegegeld vielmehr in mehrfacher Hinsicht reduziert ausgestaltet (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. April 2008 - L1 SO 23/07, Rz. 20); diese auszuschöpfen lehnte der Kläger wegen seines Interesses an einer Bargeldleistung jedoch ab. Anhaltspunkte dafür, dass die häusliche Pflegehilfe bis zu einem Gesamtwert von 1.550 EUR, der das dem Kläger bewilligte Pflegegeld um mehr als das Doppelte übersteigt, nicht ausreicht, um den Pflegebedarf einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung zu decken, sind vorliegend nicht erkennbar und zu keiner Zeit Gegenstand des Verfahrens geworden. Dieses durch entsprechende Antragstellung vorrangig auszuschöpfen gebietet aber - wie schon erläutert - der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe. 3. Die vom Kläger zusätzlich eingeforderten Betreuungsleistungen, die zur Entlastung seiner Mutter und zu deren Regeneration erforderlich sind und sich auf ein Entlastungsbudget von mindestens 800 EUR monatlich belaufen sollen (so das Schreiben vom 28. Juni 2013), beschreiben Leistungen der Hilfe zur Pflege, nicht aber Leistungen der Eingliederungshilfe. Denn diese Leistungen sind untrennbar (nur) mit der Sicherstellung der häuslichen Pflege des Klägers verbunden; sie sollen der Finanzierung zusätzlichen Pflege-bedarfs zur Entlastung der Mutter dienen. Mit diesen zusätzlichen Leistungen zur Ab-deckung eines Pflegemehrbedarfs soll aber nicht die Integration des Klägers in die Gesellschaft gefördert werden (dies kann zwar ein Nebeneffekt einer erfolgreichen Pflege sein, ist aber nicht ihr eigentliches Ziel, vgl. § 53 Abs. 3 Satz 2 SGB XII), worauf Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 3 SGB XII jedoch vorrangig hinzuwirken haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - B 8 SO 1/12 R, Rz. 14 m.w.N.). Dass dem Kläger als einem pflegebedürftigen behinderten Menschen Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren sind, solange ein Eingliederungserfolg auch nur noch in begrenztem Umfang zu erreichen ist, steht außer Frage (vgl. ausführlich Klie, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: November 2012, § 65 Rz. 12). Dem entsprechend leistet der Beigeladene dem Kläger auch Eingliederungshilfe zum täglichen Besuch der Pestalozzi-Tagesstätte/-Schule in E-Stadt. Wenn der Kläger im Klageverfahren nunmehr zusätzlichen Bedarf an Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch den Besuch diverser Veranstaltungen geltend macht, so hat er Entsprechendes dem Beigeladenen gegenüber bereits im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, von einem derartigen Bedarf hatte dieser angesichts der schweren Behinderung des Klägers, die größerer Fortbewegung hinderlich ist, auch keine Kenntnis. Selbst wenn man aber von nicht klar voneinander abgrenzbaren Leistungskomplexen ausgehen wollte, vollzieht sich die Einordnung einer beanspruchten Leistung als Maßnahme der Eingliederungshilfe oder als Maßnahme der Hilfe zur Pflege nach dem konkreten Ziel der Hilfe, wobei vorliegend in erster Linie die Entlastung der pflegenden und betreuenden Mutter in mitten steht. Den Akten kann unmissverständlich entnommen werden, dass mit den nunmehr auf 800 EUR aufzustockenden Leistungen Kosten der Pflege für das restliche Jahr abdeckt werden sollen, nachdem bereits im Juni des Jahres 2012 die verschiedenen Leistungsrahmen der Verhinderungspflege (1.550 EUR) und der Zusätzlichen Betreuungsleistungen (2.400 EUR) ausgeschöpft waren und entsprechendes für das Jahr 2013 im Raum stand. Auch mit der nunmehr begehrten Verdoppelung der vom Beigeladenen bisher geleisteten Hilfe auf dann 800 EUR monatlich wird in erster Linie mit bewahrendem Charakter vornehmlich unter Ausweitung von Pflegeleistungen der Zweck der Sicherung der Existenz durch regelmäßig wiederkehrende notwendige Hilfen verfolgt, so dass von einer Maßnahme der Hilfe zur Pflege auszugehen ist (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. März 2012 - L 2 SO 72/12 ER-B, Rz. 8; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Januar 1996 - 6 S 494/93, Rz. 34; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: Juni 2015, § 53 SGB XII Rz. 32; vgl. aber auch BayLSG, Urteil vom 21.02.2013 - L 18 SO 85/10, zweifelhaft). Der Beigeladene hat bisher die Erstattung von Betreuungskosten in Höhe von 400,- EUR monatlich zugesagt; eine Forderung nach weiteren 400 EUR unter dem Blickwinkel der Teilnahme und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft steht nicht nur der ausdrückliche Inhalt des Schreibens vom 28. Juni 2013 entgegen, das zwar mit dem Betreff "ambulante Eingliederungshilfe" überschrieben ist, mit dem aber ausschließlich weiterreichende Unterstützung und Entlastung für die Betreuung und Pflege des Klägers eingefordert wird. Auch die Höhe dieses zusätzlich geforderten Betrags von weiteren 400 EUR steht dessen Verständnis als einer Leistung der Eingliederungshilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft entgegen, da der geforderte Zusatzbetrag von monatlich 400 EUR anfallende Kosten für den Besuchs eines Kinos, eines Schwimmbades oder ähnlichem weit übersteigen würde. Der Beigeladene hat zudem wiederholt darauf hingewiesen, dass mit den von ihm übernommenen Betreuungs- und Pflegekosten ausschließlich das Ziel verfolgt wird, die - in seine sachliche Zuständigkeit fallenden - weit höheren Kosten einer stationären Unterbringung des Klägers zu vermeiden. Ohne Nennung einer Rechtsgrundlage sagte der Beigeladene mit Bescheid vom 23. März 2012 die Erstattung von Betreuungskosten bis höchstens 400 EUR pro Monat zu und zwar ausschließlich als eine über die Leistungen der Pflegekasse hinausgehende Unterstützung. Wenn der Kläger nunmehr eine über diese Zusage hinausgehend Eingliederungshilfe einfordert, wäre er - deren (tatsächlich nicht gegebene, s.o.) materielle Begründetheit unterstellt - zunächst vorrangig auf die vom Beigeladenen ohne einen im SGB XII und in Art. 82 AGSG sich findenden Rechtsgrund erbrachten Leistungen von 400 EUR zu verweisen, ein Betrag, mit dem die vom Kläger reklamierten Teilhabemöglichkeiten ohne weiteres zu finanzieren wären. Dies ergibt sich aus der einen allgemeinen Rechtssatz beinhaltenden Regelung des § 366 BGB, die nach § 61 Satz 2 SGB X auch innerhalb der Sozialgesetzbücher Anwendung findet. Danach werden bei einer Verpflichtung aus mehreren Schuldverhältnissen durch Leistungen des Schuldners, hier des Trägers der Sozialhilfe, zuerst aus dem Gesetz sich ergebende fällige Schulden getilgt werden, welche nach dem Vorbringen des Klägers solche der Eingliederungshilfe nach Maßgabe der §§ 53 ff. SGB XII wären, für die Art. 82 Abs. 1 Nr. 1 AGSG eine sachliche Zuständigkeit des Beigeladenen begründet. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder ab 1. Juni 2014 beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, E-Stadt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" in das elektronische Gerichtspostfach des Bayer. Landessozialgerichts zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) lizenzfrei heruntergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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