S 17 AS 2154/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 2154/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kostensenkungsmaßnahmen sind dann unzumutbar, wenn der Grundsicherungsträger dem Hilfeempfänger unrichtige Richtgrößen in der Kostensenkungsaufforderung mitteilt und der Hilfeempfänger deshalb keine angemessene Wohnung findet.
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2014 verurteilt, den Bescheid vom 09.12.2013 abzuän-dern und unter Abänderung der Bescheide vom 11.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2014 und vom 11.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2014 verurteilt, den Klägern für den Zeitraum 01.03.2014 bis 30.09.2014 monatlich 171,93 EUR zu gewähren. 2. Der Beklagte hat den Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Hei-zung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2014 bis 30.09.2014.

Die Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft bestehend aus Vater, Mutter und minderjäh-rigem Kind, bewohnen eine Mietwohnung in F. Die Wohnfläche beträgt 114 m². Die Grundmiete beläuft sich auf 650,- EUR. Die Kläger erhalten seit 01.07.2013 Leistun-gen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten.

Mit Schreiben vom 05.08.2013 teilte der Beklagte den Klägern mit, die Wohnung sei unangemessen groß bzw. zu teuer. Der tatsächliche Bedarf könne daher in der Regel längstens bis 28.02.2014 übernommen werden. Es obliege den Klägern, wie sie ihre Mietkosten reduzieren würden. Angemessen für einen Drei-Personen-Haushalt in F sei eine Kaltmiete bis maximal 374,- EUR und eine Wohngröße bis max. 75 m².

In der Folge bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhal-tes für den Zeitraum 01.12.2013 bis 31.03.2014 (Änderungsbescheid vom 09.12.2013). Dabei berücksichtigte er ab 01.03.2014 als angemessene Kaltmiete 453,25 EUR und einen Nebenkostenanteil in Höhe von 140,- EUR. Der Nebenkos-tenanteil beinhalte die kalten Nebenkosten. Die angemessene Kaltmiete berechne sich aus der Miete nach der Wohngeldtabelle Wohngeldtabelle i.H.v. 479,- EUR zuzüglich eines Sicherungszuschlags von 10 Prozent (47,90 EUR), abzüglich der kalten Nebenkosten i.H.v. 73,65 EUR.

Am 17.01.2014 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 09.12.2013 im Hinblick auf die Übernahme der angemessenen Kosten der Unter-kunft ab 01.03.2014 (gem. § 44 SGB X). Es sei zum einen nicht möglich gewesen, innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten eine andere, bedarfsgerechte kos-tengünstigere Unterkunft zu finden. Zum anderen sei ein Umzug unzumutbar.

Mit Bescheid vom 27.2.2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Überprüfung ab.

In der Folge setzte der Beklagte die angemessene Kaltmiete ab 01.03.2014 mit monatlich 478,07 Euro neu fest (Änderungsbescheid vom 11.03.2014).

Mit Bewilligungsbescheid vom 11.03.2014 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.04.2014 bis 30.09.2014. Da-bei berücksichtigte er für die Kosten der Unterkunft eine angemessene Kaltmiete in Höhe von 478,07 Euro.

Sodann legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.02.2014, so-wie die Bescheide vom 11.03.2014 ein (Schreiben vom 04.07.2014).

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2014 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 11.03.2014 für den Zeitraum 01.04.2014 bis 30.09.2014 zurück, mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2014 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 11.03.2014 für den Monat März 2014 als unbegründet zurück. Den Widerspruch gegen den Ableh-nungsbescheid vom 27.02.2014 auf Überprüfung des Bescheids vom 09.12.2013 wie der Beklagte ebenfalls als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.06.2014). In den Gründen der Widerspruchsbescheide führt der Beklagte je-weils aus, nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen seien. Die von den Klägern bewohnte Wohnung sei für einen Drei-Personen-Haushalt in F unangemessen. Unangemessene Kosten für die Unterkunft sei in der Regel nur über einen Zeitraum von sechs Monaten anzuerkennen. Bereits mit Schreiben vom 05.08.2013 sei den Klägern mitgeteilt worden, ab 01.03.2014 könne nur noch der angemessene Bedarf für die Kaltmiete übernommen werden. Dieser betrage 478,07 Euro.

Mit der zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung tragen sie vor, die angemessene Quadratmeterzahl sei zu gering angesetzt. Es sei die Mietstufe III für einen Vier-Personen-Haushalt zugrunde zu legen, weil die Klägerin zu 2. bis März 2014 ein Home-Office benötigt habe, um ihre Arbeit zu verrichten. Daneben sei eine Wohnung nicht verfügbar. Überdies sei ein Umzug unzumutbar. So müsse die Klägerin zu 3. den Kindergartenplatz für ein halbes Jahr wechseln, da sie ab September 2014 die Grundschule besuche. Auch sei bei den angefragten Ganztageskindergärten im fraglichem Zeitraum kein Platz freigewesen. Auch aus ärztlicher Sicht sowie vom Jugendamt sei von einem Kindergartenwechsel für so kurze Zeit abgeraten worden. Die Klägerin zu 2. sei seit 01.07.2014 wieder in Arbeit. Die Klägerin zu 3. besuche seit 01.09.2014 die Schule in F und habe einen schwer erkämpften Ganztageshortplatz. Bei einem Umzug würde die Betreuung der Klägerin zu 3. nicht gesichert sein. Auch könne sich der Kläger zu 1. aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht um die Betreuung der Klägerin zu 3. kümmern. Daneben sei ein Umzug allein wegen des Gesundheitszustandes des Klägers zu 1. unzumutbar.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2014, des Änderungsbescheids vom 11.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2014, den Änderungsbescheid vom 11.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2014 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.03.2014 bis 30.09.2014 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (Kaltmiete) in Höhe von 650,00 Euro monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei einem Drei-Personen-Haushalt ergebe sich eine angemessene Wohngröße vom maximal 75 m². Die persönlichen Lebensumstände innerhalb einer Bedarfs-gemeinschaft wie z.B. ein notwendiges Arbeitszimmer (Home-Office) rechtfertigten eine Vergrößerung der maximalen Quadratmeterzahl und damit den Ansatz in der Mietstufe III für einen Vier-Personen-Haushalt nicht. Aus den vorliegenden Unter-lagen ergäben sich eine Vielzahl von geeigneten angemessenen Wohnungen. Überdies sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen ein Umzug oder Wegzug aus F für die Kläger zu 1. bzw. für das minderjährige Kind subjektiv unzumutbar sein solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gerichts sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für den Zeitraum 01.03.2014 bis 30.09.2014.

a. Soweit die Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 05.08.2013 nach § 44 SGB X begehren, handelt es sich um eine Verpflichtungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Verpflichtungsklage ist begründet, wenn die Kläger Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakt oder auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung haben (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 54 Rn. 24). Die Kläger haben einen Anspruch nach § 44 SGB X, da die Kosten der Unterkunft nicht richtig festgesetzt worden sind und somit bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 09.12.2013 das Recht nicht unrichtig angewandt worden ist (vgl. 2.).

b. Soweit sie die Aufhebung der beiden Bescheide vom 11.03.2014 und die Gewäh-rung weiterer Leistungen für die Kosten der Unterkunft begehren, handelt es sich um kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG. Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn die Kläger durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt beschwert sind und ein Anspruch auf die Leistung besteht. Der Beklagte hat die Kosten der Unterkunft unzutreffend in seinen Bescheiden vom 11.03.2014 festgesetzt. Es besteht ein Anspruch auf höhere Leistungen (vgl. 2.).

2. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

a. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG, U.v. 12.12.2013 – B 4 AS 87/12 R – juris, m.w.N.). Die Prüfung der Angemessenheit der tatsächlichen Auf-wendungen für eine Wohnung erfolgt nach der Rechtsprechung des BSG in mehreren Schritten (BSG, Ue.v. 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 und - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254): Im ersten Schritt ist die Größe der Wohnung des oder der Hilfebedürftigen festzustellen und zu überprüfen, ob diese angemessen ist. Dabei ergibt sich für Baden-Württemberg für eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft eine angemessene Größe von 75 m².

Angemessen ist eine Wohnung darüber hinaus nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (zweiter Schritt). Nach der Rechtspre-chung des BSG genügt es jedoch insoweit, wenn das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, U.v. 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231), also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemes-sene Mietobergrenze nicht überschreitet (LSG Baden-Württemberg, U.v. 22.6.2010 – L 13 AS 4212/08 – juris).

Auf Grundlage der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße für einen Drei-Personen-Haushalt von 75 m² und des örtlichen Vergleichsmaßstabes ist festzu-stellen, wie hoch die angemessene Miete für Wohnungen einfachen Standards - die Referenzmiete - in diesem Raum ist. Nur auf dieser Grundlage kann beurteilt werden, ob die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger diese Angemessenheits-obergrenze überschreiten. Dabei ist die Mietobergrenze bzw. die Referenzmiete im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines dieses beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (BSG, U.v. 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - juris; BSG, U.v. 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris). Der Grundsicherungsträger muss mithin nicht nur ein Konzept haben, nach dem er die Referenzmiete bestimmt, sondern dieses Konzept muss zudem einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten, also schlüssig sein (BSG, U.v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - juris).

Ein Konzept liegt nach der Rechtsprechung des BSG dann vor, wenn der Ersteller planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Ver-gleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Ein-zelfall (BSG, U.v. 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - juris). Zusammengefasst ergeben sich folgende Voraussetzungen an die Schlüssigkeitsanforderungen des Konzepts (BSG, a.a.O.): - Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Daten-auswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kap-pungsgrenze).

Ein solches schlüssiges Konzept hatte die Beklagte in den vorliegend streitigen Zeiträumen - auch nach eigenem Bekunden - nicht. Für die hier streitigen Zeiträu-me kann die Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder durch ein bisheriges Konzept durch eine Verfeinerung bzw. Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das Gericht kann unter Ein-satz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und Erkenntnismittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch unter Einholung eines Sachver-ständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw. fünf Jahre zurückliegenden Zeit-räume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln (LSG Baden-Württemberg, U.v. 22.6.2010 – L 13 AS 4212/08 – juris).

b. Fehlt ein schlüssiges Konzept der Beklagten und lässt es sich - wie hier - auch nicht mehr nachholen, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers zu übernehmen (BSG, U.v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - juris). Die Über-nahme der tatsächlichen Kosten kann jedoch nicht unbegrenzt erfolgen (BSG, a.a.O.). Auch insoweit besteht eine "Angemessenheitsgrenze" nach "oben". Durch sie soll verhindert werden, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se unangemessene Mieten durch den Steuerzahler zu finanzieren sind (BSG, a.a.O.). Die Grenze findet sich insoweit in den Tabellenwerten zu § 12 WoGG. Da mit der Heranziehung der Wohngeldtabelle eine abstrakte, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum unabhängige Begrenzung vorgenommen wird, ist der jeweilige Höchstbetrag der Tabelle (rechte Spalte) anzusetzen. Eine Differenzierung nach Wohnaltersklassen ist dabei nicht vorzunehmen. Das BSG (a.a.O.) erhöht im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnrau-mes diesen sich aus § 12 WoGG ergebenden Betrag ferner um einen "Sicherheits-zuschlag".

Danach ergibt sich für die Kläger (drei Personen) unter Zugrundelegung des Wohnortes F (Mietstufe III, Landkreis E), ein Betrag von 479,00 Euro. Eine Zugrundelegung eines Vier-Personen-Haushaltes ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht angezeigt. Der Betrag in Höhe von 479,- EUR ist um einen vom BSG als "Sicher-heitszuschlag" bezeichneten Betrag zu erhöhen.

Zur Überzeugung der erkennenden Kammer ist vorliegend ein zehnprozentiger Zuschlag (47,90 EUR) angemessen. Damit beträgt die so ermittelte Referenzmiete monatlich insgesamt 526,90 Euro.

Es ist vorliegend im Übrigen nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte von diesem Betrag im Rahmen ihrer Bewilligungsbescheide die kalten Nebenkosten abzieht. Die kalten Nebenkosten sind bereits in der Position "Nebenkostenanteil" berücksichtigt.

c. Zu diesem Mietpreis sind hinreichend mietbare Wohnungen verfügbar. Dabei stützt sich die Überzeugung der erkennenden Kammer auf die von den Klägern vorgelegten Unterlagen ihrer Kostensenkungsbemühungen. Aus den dem Gericht vorliegenden Zeitungsannoncen sind eine Vielzahl von angemessenen Wohnungen ersichtlich.

3. Ein weitergehender Anspruch der Kläger auf Erstattung ihrer vollen Mietkosten in Höhe von 650,00 Euro ergibt sich allerdings aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II.

Da die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 526,90 Euro für drei Personen überschreiten, handelt es sich mithin um unangemessene Kosten, die von dem Grundsicherungsträger nach Ablauf von sechs Monaten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, grundsätzlich nicht mehr übernommen werden müssen. Aufwendungen sind nur dann ausnahmsweise so lange als Bedarf anzuerkennen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Auf-wendungen zu senken.

Allerdings liegen Gründe vor, die es ausnahmsweise rechtfertigen, den Klägern über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II hinaus einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die nach den obigen Ausführungen abstrakt angemessenen Beträge, zu gewähren.

a. Objektiv ist den Klägern eine Kostensenkung, einschließlich eines Umzugs, zumutbar. Denn die objektive Unmöglichkeit einer Unterkunftsalternative ist nur in selte-nen Ausnahmefällen zu begründen, zumal es in Deutschland derzeit keine allge-meine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausrei-chendem Wohnraum herrscht (BSG, U.v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - juris). Dies gilt umso mehr, als sich die erkennende Kammer von dem in ausreichendem Maß verfügbarer Wohnraums zu dem oben genannten Betrag überzeugen konnte. Auch sonstige Gründe, die objektiv einer Kostensenkung entgegenstehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - juris), liegen nach der Überzeugung des Gerichts hier nicht vor.

b. Die Kostensenkung war den Klägern jedoch subjektiv unzumutbar.

aa. Die subjektive Unzumutbarkeit ergibt sich dabei jedoch nicht aus den von den Klä-gern beschriebenen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 1 ... Die Kläger haben eingeräumt, die derzeit bewohnte Wohnung in F erfülle keine beson-deren Anforderungen. Auch stand die Home-Office-Erwerbstätigkeit bis 31.03.2014 einer Kostensenkung nicht entgegen. Letztlich bedarf es keiner Entscheidung, ob ein Kindergartenwechsel sechs Monate vor Eintritt in die Grundschule der Zumut-barkeit entgegensteht.

bb. Die subjektive Unzumutbarkeit ergibt sich aus Folgendem: Einem Hilfebedürftigen sind Kostensenkungsmaßnahmen subjektiv nur dann zu-mutbar und möglich, wenn er Kenntnis von seiner Obliegenheit hat, Kostensen-kungsmaßnahmen zu ergreifen (BSG, U.v. 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - juris). Insoweit kann die Unmöglichkeit einer Kostensenkung vorliegen, wenn der Grund-sicherungsträger dem Hilfeempfänger zur Angemessenheit der Unterkunftskosten über die als angemessen angesehene Referenzmiete hinaus unrichtige Richtgrö-ßen (Parameter) mitteilt und der Hilfeempfänger gerade deshalb keine angemes-sene Wohnung findet (BSG, U.v. 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - juris). Führen die unzutreffenden Angaben des Grundsicherungsträgers dazu, dass der Hilfeempfän-ger mit den "falschen" Parametern oder auf dem "falschen" Wohnungsmarkt sucht und er auf Grund dessen keine Wohnung zur angegebenen Referenzmiete finden kann, bleibt der Grundsicherungsträger auf Grund des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zur Übernahme auch zu hoher Unterkunftskosten verpflichtet, bis der Irrtum des Hilfeempfängers oder die Unmöglichkeit von Kostensenkungsmaßnahmen auf sonstige Weise beseitigt ist (BSG, a.a.O.)

Vorliegend hat der Beklagte unter Zugrundelegung des oben genannten Mietpreises einen unzutreffenden Hinweis zu den angemessenen Kosten der Kaltmiete mit der Kostensenkungsaufforderung vom 05.08.2013 erteilt. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer war dieser fehlerhafte Hinweis ursächlich dafür, dass die Kläger keine angemessene Wohnung gefunden haben. Die Kläger haben trotz mehrfacher Nachfrage glaubhaft erklärt, keine Wohnung mit 75 m² für 374,- EUR gefunden zu haben. Die Kläger gingen davon aus, beide Parameter, Quadratme-terobergrenze und Mietpreisobergrenze, erfüllen zu müssen. Den Klägern kann auch nicht vorgeworfen werden, sie hätten keinen Versuch unternommen, die Kos-ten zu senken. Dann wäre der fehlerhafte Hinwies des Beklagten in der Kosten-senkungsaufforderung nicht ursächlich dafür gewesen wäre, die Kostensenkungs-maßnahmen nicht durchzuführen (so LSG Baden-Württemberg, U.v. 22.6.2010 – L 13 AS 4212/08 – juris). Nach den glaubhaften Schilderungen der Kläger haben sie sich redlich bemüht, eine Wohnung zu den vom Beklagten vorgegebenen beiden Parametern zu finden.

In der Folge sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft im streitigen Zeitraum vom Beklagten zu leisten.

4. Nach alledem haben die Kläger einen Anspruch auf höherer Kosten der Unterkunft für den Zeitraum 01.03.2014 bis 30.09.2014. Die tatsächlichen Kosten der Unter-kunft betragen monatlich 650,- EUR. Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Zeitraum bereits 478,07 EUR pro Monat geleistet. Foglich ist noch der Differenzbe-trag in Höhe von monatlich weiteren 171,93 EUR zu gewähren.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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