Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
92
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 92 SO 359/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Erwerbsfähige Unionsbürger, die gemäß § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (entgegen BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015, Az: B 4 AS 59/13 R; B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R, vom 16. Dezember 2015, B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R, vom 20. Januar 2016, B 14 As 15/15 R, B 14 AS 35/15 R).
Dem Grundgesetz lässt sich ein Gebot der Gewährung von laufenden Existenzsicherungsleistungen für Unionsbürger nicht entnehmen, wenn diesen eine Rückkehr in den Herkunftsmitgliedstaat zur Inanspruchnahme der dortigen Sozialleistungssysteme weder unmöglich noch unzumutbar ist.
Dem Grundgesetz lässt sich ein Gebot der Gewährung von laufenden Existenzsicherungsleistungen für Unionsbürger nicht entnehmen, wenn diesen eine Rückkehr in den Herkunftsmitgliedstaat zur Inanspruchnahme der dortigen Sozialleistungssysteme weder unmöglich noch unzumutbar ist.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Der am 7. März 2016 beim Sozialgericht Berlin eingegangene sinngemäße Antrag,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin umgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII einschließlich Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten zu gewähren,
ist zulässig, aber nicht begründet.
Mangels ausdrücklicher zeitlicher Beschränkung des Antrages geht die Kammer davon aus, dass die Antragstellerin Leistungen für 1 Jahr begehrt (vgl. § 44 Abs. 3 S. 1 SGB XII).
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Voraussetzung ist mithin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes, wobei der Anordnungsanspruch den materiellen Anspruch auf die Regelung an sich beinhaltet und der Anordnungsgrund ein besonderes Eilbedürfnis, also die Dringlichkeit der begehrten Regelung für den Antragsteller voraussetzt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch eine einstweilige Anordnung grundsätzlich keine endgültige Entscheidung vorweggenommen werden darf. Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermag die Kammer hier keinen Anordnungsanspruch zu erkennen.
Die Antragstellerin hat weder einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) gegen den Beigeladenen (hierzu sogleich unter 1.) noch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gegen den Antragsgegner (hierzu unter 2.) glaubhaft gemacht. Im Einzelnen:
1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gegenüber dem nach § 75 SGG beigeladenen Jobcenter glaubhaft gemacht, denn sie ist als lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufenthaltsberechtigte Unionsbürgerin von solchen Leistungen ausgeschlossen.
Die 1976 geborene Antragstellerin, die slowenische Staatsangehörige ist, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II, und ist auch im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB II erwerbsfähig, denn sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, zugleich die für sie nach § 7a SGB II maßgebliche Altersgrenze noch nicht erreicht, und ist mangels hinreichender entgegenstehender Anhaltspunkte in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, was ihr als Unionsbürgerin in Deutschland auch erlaubt ist (vgl. § 8 SGB II).
Die Antragstellerin ist jedoch nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da sie sich allenfalls zur Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhält. Alternative Aufenthaltsgründe nach dem FreizügG/EU oder dem Aufenthaltsgesetz, welche die Antragstellerin zum legalen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigen und zugleich dazu führen würden, dass ihr ein Aufenthalt nicht allein zur Arbeitssuche erlaubt wäre und damit der Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 S. 2 SGB II im Ergebnis nicht durchgreifen würde (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, Rn. 27; juris), sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Selbst wenn die Antragstellerin aktuell gar keine Arbeit mehr suchen sollte, so wäre sie gleichwohl, im Wege des Erst-recht-Schlusses (LSG NRW, 2. Senat, Beschl. v. 04.02.2015, L 2 AS 2224/14 B ER; LSG NRW, 12. Senat, Beschl. v. 09.01.2015, L 12 AS 2209/14 B ER; insoweit auch zutreffend BSG, Urt. v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 19 ff.), nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II ebenfalls von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist auch unionsrechtskonform; dies ist spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Alimanovic (Urt. v. 15.09.2015, C 67/14) geklärt (statt vieler LSG Berlin-Brandenburg, 20. Senat, Beschl. v. 28.09.2015, L 20 AS 2161/15 B ER; insoweit auch zutreffend BSG, Urt. v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 35 ff.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564). Slowenien hat dieses Abkommen nicht ratifiziert.
2. Auch ein Anspruch der Antragstellerin auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ist nicht glaubhaft gemacht. Entgegen der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts in seinen Urteilen vom 03.12.2015 (B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R, B 4 AS 43/15 R) sowie des 14. Senats des Bundessozialgerichts vom 16.12.2015 (B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R) ist nach Überzeugung der Kammer für nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene erwerbsfähige hilfebedürftige Ausländer ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ebenfalls gesetzlich ausgeschlossen.
a) Einem Leistungsanspruch steht hier zunächst § 21 S. 1 SGB XII entgegen. Die Antragstellerin ist grundsätzlich erwerbsfähig und damit (eigentlich) dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. § 21 S. 1 SGB XII versperrt jedoch erwerbsfähigen und deshalb eigentlich dem SGB II zuzuordnenden Hilfebedürftigen den Zugang zu Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (statt vieler Thie, LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 21 Rn. 3), und zwar auch dann, wenn die Betreffenden aus anderen (rechtlichen) Gründen im Ergebnis keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II haben können. Denn § 21 SGB XII stellt eine Norm zur Abgrenzung der Hilfesysteme nach dem SGB II und dem SGB XII anhand der Erwerbsfähigkeit dar (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.09.2015, L 20 AS 2161/15 B ER, Rn. 20 m.w.N.).
Die Auffassung, den Wortlaut des § 21 S. 1 SGB XII ("Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt") müsse man so verstehen, dass ein grundsätzlich Erwerbsfähiger, der nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen und deswegen dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt sei, von § 21 S. 1 SGB XII bereits per se nicht erfasst werde (BSG, Urt. v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn. 40 ff. juris; sich dem anschließend SG Berlin, Beschl. v. 04.01.2016, S 128 AS 25271/15 ER, Rn. 25 ff., juris) vermag die Kammer nicht zu überzeugen.
Auch der 12. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –) stellt sich dieser Gesetzesanwendung entgegen und argumentiert zutreffend wie folgt:
"aa) Nach dem Wortlaut des § 21 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber auf eine Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" abstellt, zeigt, dass bereits die positive Feststellung der Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II ("erwerbsfähig sind") dazu führt, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII ausscheidet. Denn sowohl das Tatbestandsmerkmal "als Erwerbsfähige" als auch das Tatbestandsmerkmal "dem Grunde nach" wären überflüssig, wenn nicht das Vorliegen der Erwerbsfähigkeit das zentrale Ausschlusskriterium wäre. Ansonsten Dann hätte ein bloßer Verweis auf das Vorliegen einer Leistungsberechtigung oder eines Anspruches ausgereicht. Zu demselben Ergebnis kommt der Senat durch eine systematische Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Das Vorliegen eines Leistungsausschlusses (wie gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II) lässt die Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" nach der Systematik der Norm gerade nicht entfallen. Während § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II die (positiv formulierten) Tatbestandsvoraussetzungen ("dem Grunde nach") für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II benennt, schließen die Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ["ausgenommen sind ( ...)"] nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II leistungsberechtigte Personengruppen wieder vom Leistungsbezug nach dem SGB II aus. Die Voraussetzung eines weiteren Aufenthaltsrechts als "positive Tatbestandsvoraussetzung" hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Dem entspricht, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, nicht wie § 7 Abs. 4 SGB II, eine negative Tatbestandsvoraussetzung, sondern lediglich eine anspruchsvernichtende Einwendung darstellt, die die Leistungsberechtigung für den Erwerbsfähigen dem Grunde nach unberührt lässt (hierzu Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1180/15 B ER -; so auch LSG NRW, Beschl. v. 15.05.3013 - L 9 AS 466/13 B ER -).
bb) Für diese Auslegung spricht die weitere Systematik des § 21 SGB XII: Gemäß § 21 S. 2 SGB XII können Personen, die nicht hilfebedürftig nach § 9 des Zweiten Buches sind, abweichend von S. 1 Leistungen nach § 36 SGB XII erhalten. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn allein die fehlende Leistungsberechtigung nach dem SGB II (unabhängig vom Kriterium der Erwerbsfähigkeit) den Weg in einen Leistungsbezug nach dem SGB XII eröffnen könnte. Schon das Fehlen der in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II als positive Tatbestandsvoraussetzung benannten (und in § 9 SGB II näher definierten) Hilfebedürftigkeit ließe nämlich die Leistungsberechtigung nach dem SGB II entfallen. In § 21 S. 2 SGB XII ließe sich entgegen dem Gesetzeswortlaut dann keine Abweichung zu § 21 S. 1 SGB XII erkennen. Weiter bestimmt § 21 S. 3 SGB XII ein zwischen den Trägern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII anzuwendendes Verfahren, falls unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit bestehen. Diesbezüglich ist der Träger von Leistungen nach dem SGB XII an die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens an die Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit gemäß § 44 a Abs. 1 SGB II gebunden. Dieses Instrumentarium verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers, dass allein die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit das entscheidende Abgrenzungskriterium ist und infolgedessen über Zuständigkeit des jeweiligen Träger entscheidet. Einen Mechanismus für die Bewältigung weiterer möglicher Abgrenzungsfragen (so z. B. für die nach der neuen Rechtsprechung des BSG erforderliche Klärung, ob neben dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche noch ein weiteres Aufenthaltsrecht vorliegt) sieht § 21 SGB XII nicht vor (hierzu ausführlich SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER -).
cc) Zu demselben Ergebnis kommt der Senat durch eine genetische Auslegung des § 21 SGB XII. In der Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII (BT Drs. 15/1514, S. 57) heißt es: "Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an". Dass das Tatbestandsmerkmal der Erwerbsfähigkeit entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen den Leistungssystemen von SGB II und SGB XII sein soll (so auch Coseriu in juris-PK zu § 21 SGB XII, Rn. 10, der § 21 SGB XII eine systemabgrenzende Funktion beimisst) führt das BSG in seiner Entscheidung vom 03.12.2015 (a. a. O. Rn. 41, juris) aus. Hier heißt es: "Im Grundsatz gilt für die Systemzuweisung aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird."
dd) Die Bedeutung der Erwerbsfähigkeit und der Arbeitsmarktnähe des Hilfebedürftigen für seine Zuweisung zu dem seiner ursprünglichen Konzeption nach erwerbszentrierten und arbeitsmarktnahen System des SGB II und dem "arbeitsmarktfernen" System des SGB XII hat das BSG in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, auf die es in seinem Urteil vom 03.12.2015 nunmehr zur Begründung seiner Prämisse verweist, dass im Falle des Ausschlusses eines erwerbsfähigen Ausländers von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nach dem SGB II ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII grundsätzlich möglich bleibe: "Auf dieser Grundlage hat das BSG bereits für andere in § 7 SGB II geregelte Leistungsausschlüsse ausdrücklich entschieden, dass die "Anwendungssperre" des § 21 S. 1 SGB XII nicht greift" (BSG, a. a. O. Rn. 42, juris). Im Einzelnen nennt das BSG in diesem Zusammenhang folgende Urteile, die alle einen Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II zum Gegenstand haben: BSG vom 16.05.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 30 Rn. 20 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II wegen Bezugs einer litauischen Altersrente); BSG vom 02.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 42 Rn. 10, 24 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 wegen Unterbringung in einer Klinik); BSG vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Rn. 47 (vorzeitige Altersrente nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger).
In dem erstgenannten Urteil vom 16.05.2012 (- B 4 AS 105/11 R - Rn. 23, - juris) führt das BSG zum Hintergrund des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II und im Hinblick auf die Zuordnung der Empfängerin einer ausländischen Rente zum Leistungssystem nach dem SGB XII exemplarisch aus: "Anspruch auf Leistungen haben allerdings grundsätzlich nur erwerbsfähige Hilfebedürftige. Nicht leistungsberechtigt ist, wer nicht erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II ist. Letzteres ist bei Personen in einer stationären Einrichtung (BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, Rn. 13 f; SozR 4-4200 § 7 Nr 24, Rn. 20) und beim Bezug einer Altersrente (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 Rn. 71) nicht unbedingt der Fall. Bei Beziehern von Altersrenten vor Erreichen des Regelrentenalters - danach sind sie bereits aus Gründen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt - wird jedoch nach der Begründung zur Regelung des § 7 Abs 4 S. 1 SGB II typisierend angenommen, sie seien endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und müssten daher nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden (vgl BT-Drucks 15/1749, S 31). Sie benötigen aus diesem Grunde keine Leistungen aus dem System des SGB II mehr." Weiter heißt es: "( ...) denn Erwerbsfähigkeit schließt Leistungen nach dem System des SGB XII gemäß § 21 S 1 SGB XII grundsätzlich aus. Nach § 21 S 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Wenn jedoch vor dem Hintergrund des systematischen "Wechselspiels" zwischen SGB II und SGB XII Altersrentner vor Vollendung des Regelrentenalters nach deutschem Recht nicht als Erwerbsfähige leistungsberechtigt iS des SGB II sind, kann unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten für Bezieher ausländischer Altersrenten nichts Anderes gelten." Aus welchem Grund keine Differenzierung zwischen dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und den Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II (so BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 44 AS 15 R - Rn. 43, juris) vorgenommen wird, ist nicht zu erkennen: Sämtliche der in den früheren Urteilen des BSG behandelten Fallkonstellationen sind nämlich solche, in denen der Leistungsausschluss des BSG auf einer "fingierten Erwerbsunfähigkeit" beruht. So führt Coseriu in juris-PK zu § 21 SGB XII zu den Fallkonstellationen des § 7 Abs. 4 SGB II aus: "Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei dieser Norm, soweit es die Unterbringung in Einrichtungen betrifft, um eine "verkappte" Regelung der Erwerbsunfähigkeit. Auch bei den übrigen Varianten ist von einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben auszugehen." Dass die "fingierte Erwerbsunfähigkeit" maßgeblicher Hintergrund der Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II ist, ergibt sich plastisch aus der "Unterausnahme" des § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II: Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die einen wöchentlichen Umfang von mindestens 15 Stunden erreicht, hebt die "typisierende Annahme" der Erwerbsunfähigkeit auch für in einer stationären Einrichtung untergebrachte Hilfebedürftige wieder auf. Die typisierende Annahme einer Erwerbsunfähigkeit kann aber für den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in seiner analogen, eine planwidrige Regelungslücke schließenden Auslegung, nicht angenommen werden. Eine Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ist aus einem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche nicht herauszulesen (vgl. auch SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER -).
Vielmehr sollte der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine leistungsrechtliche Hürde für den Zugang zu Sozialleistungen schaffen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm von der Option des Art. 24 der RL 2004/38 EG Gebrauch machen, die vorgenannten Personengruppen vom Anspruch auf Sozialhilfe - mithin Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - auszuschließen (vgl. hierzu überzeugend BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - Rn. 21-24 und Rn. 48-50, juris). Der Leistungsausschluss sollte in beiden Systemen gleichermaßen greifen (so wohl auch BSG, Urteil vom 03.12.2015, a. a. O., Rn. 49f, juris). Vor dem Hintergrund dieser sozialpolitischen Zielsetzung hat der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II keine systemabgrenzende, sondern eine "systemausschließende" Funktion. Anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II erscheint es insoweit sach- und sinnwidrig, von diesem Leistungsausschluss Betroffenen, Leistungen nach dem SGB XII, ohne die nach dem SGB II bestehenden Sanktionsmöglichkeiten, aber auch ohne die nach dem SGB II bestehenden Möglichkeiten zur Förderung der Integration in den Arbeitsmarkt, zuzuweisen.
ee) Die Eröffnung des Zugangs zum SGB XII aufgrund/trotz der Vorschrift des § 21 S. 1 SGB XII kann auch nicht damit begründet werden, dass die Leistungsausschlüsse der §§ 22 Abs.1, 23 Abs.3 S. 2 SGB XII ansonsten "leerliefen": Im Hinblick auf § 22 Abs.1 SGB XII, der Auszubildende unter weiteren Voraussetzungen vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausschließt, ergibt sich dies daraus, dass die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums nicht zwangsläufig eine Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs.1 S. 1 Nr. 2 SGB II voraussetzt, so dass für diese - der Norm des § 7 Abs. 5 SGB II entsprechende und aus dem BSHG übernommene - Vorschrift auch bei einer Einordnung des § 21 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ein eigenständiger Regelungsgehalt verbleibt. Dass § 22 Abs. 1 SGB XII sich auf nicht erwerbsfähige Auszubildende beziehen soll, hat das BSG in seinem Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - juris) ausdrücklich dargestellt: "Soweit der Kläger meint, Auszubildende würden nach dem SGB II schlechter gestellt als nach dem SGB XII, weil die Leistungen im besonderen Härtefall nach dem SGB II nur als Darlehen, nach § 22 Abs.1 S. 2 SGB XII jedoch auch als Beihilfe gewährt werden können, führt dieses ebenfalls nicht zur Erforderlichkeit einer vom SGB XII abweichenden Anwendung des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II. Grund für die unterschiedlichen Leistungsarten ist die Zuordnung zu dem einen oder anderen System, differenziert nach der Erwerbsfähigkeit. Bei dem Erwerbsfähigen kann erwartet werden, dass er die Leistung nach Beendigung der Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zurückzahlen kann. Diese Aussicht besteht bei dem SGB XII-Leistungsempfänger nicht ohne weiteres, so dass die Leistungsgewährung in Form der Beihilfe berechtigt erscheint."
Auch aus der der Norm des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II entsprechenden 2. Alternative des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII (Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt) lässt sich kein Argument gegen eine solche Auslegung der Vorschrift des § 21 S. 1 SGB XII ableiten. So führt Coseriu im juris-PK zu § 23 SGB II zur Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII (Rn. 64) aus: "Der zunächst im SGB XII noch nicht vorgesehene Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ist mit Wirkung vom 07.12.2006 durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 02.12.2006 eingeführt worden und sollte im Hinblick auf die entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II sicherstellen, dass der von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Ausländer keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII herleiten kann. Dies hatte etwa das LSG NRW ( ...) mit der Begründung angenommen, der Ausländer habe dem Grunde nach keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II; deshalb greife der Leistungsausschluss des § 21 Abs. 1 SGB XII nicht." Folglich stellt § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII nachvollziehbar lediglich eine weitere "Absicherung" des Gesetzgebers dar, einen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII für solche EU-Ausländer, die schon von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betroffen sind, normativ sicherzustellen. Die Einführung der Norm ist lediglich eine Reaktion des Gesetzgebers auf die von ihm nicht gewollte Anwendung bzw. Nichtanwendung von § 21 S. 1 SGB XII der Rechtsprechung und Eröffnung des Weges in das SGB XII für die betroffenen EU-Ausländer. Dementsprechend lässt sich die Norm auch nicht im Rahmen eines Umkehrschlusses argumentativ gegen die Auslegung des § 21 S. 1 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige anführen. In der Gesetzesbegründung des aufgrund des Gesetzes zur 2. Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuchs vom 24.03.2006 eingeführten § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (BT Drs. 16/688, S. 13) heißt es zudem: "Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten S. 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 S. 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist." Der Gesetzgeber ist demnach davon ausgegangen, dass Erwerbsfähige aufgrund der Vorschrift des § 21 S. 1 SGB XII keine Leistungen nach dem SGB XII beziehen können." (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, Rn. 21, juris)
Diesen überzeugenden Erwägungen schließt sich die erkennende Kammer nach eigener rechtlicher Prüfung an.
Bei der Auslegung des § 21 S. 1 SGB XII gilt es insbesondere, den Willen des Gesetzesgebers, wie er aus der Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII wie auch zu § 7 SGB II deutlich hervorgeht, sowie das generelle Verhältnis der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII zueinander zu beachten.
Die auch vom LSG NRW (s.o.) zitierten Auszüge aus der Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII ("Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an" (BT-Drs. 15/1514, S. 57) sowie zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, BT-Drs. 16/688, S. 13, ("Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten Satz 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist.)" deuten nach Auffassung der Kammer unzweideutig darauf hin, dass nach dem Willen des Gesetzgebers erwerbsfähige Ausländer von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sind (so auch LSG NRW Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER; SG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, S 149 AS 7191/13, Rn. 27 ff, 32, juris; SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris; Sozialgericht Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER, Umdruck nach Sozialgerichtsbarkeit.de, S. 3 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.01.2016, L 29 AS 20/16 B ER, 21/16 B ER PKH, i.E. ebenso bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.06.2012, L 20 AS 1322/12 B ER, Rn. 43, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.06.2015, L 31 AS 100/14, Rn. 51) und dass für die Anwendung des § 21 S. 1 SGB XII allein die Frage der Erwerbsfähigkeit (ggf. i.V.m. der Angehörigeneigenschaft) maßgeblich sein soll.
Soweit das BSG in seiner Entscheidung vom 03.12.2015 (a.a.O., Rn. 41 f.) nun indes argumentiert, die "Systemabgrenzung" erfordere eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Leistungsausschlüsse und der Erwerbsfähigkeit allein komme daher keine entscheidende Bedeutung bei der Abgrenzung zwischen den Leistungssystemen von SGB II und SGB XII zu, vermag dies, gerade im Hinblick auf die sodann zur Begründung angeführten Urteile zu § 7 Abs. 4 SGB II, nicht zu überzeugen. Wie oben bereits ausgeführt, beziehen sich die vom 4. Senat des BSG genannten Urteile ausschließlich auf solche Personen, die gemäß § 7 Abs. 4 SGB II von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II ausgeschlossen sind, weil ihr Ausscheiden aus dem Erwerbsleben fingiert bzw. gesetzlich vermutet wird, wenn beispielsweise der Bezug einer ausländischen Altersrente ebenso wie eine stationäre Unterbringung bzw. Inhaftierung eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt nicht erforderlich bzw. sogar ausgeschlossen erscheinen lassen. Demgemäß erscheint es folgerichtig und systemimmanent, diese Personengruppe nicht als solche Hilfebedürftige im Sinne des § 21 S. 1 SGB XII zu beurteilen, "die als Erwerbsfähige dem Grunde nach" einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben.
Anderes muss jedoch für diejenigen Leistungsausschlüsse des § 7 SGB II gelten, welche in keinem Bezug zur Erwerbsfähigkeit stehen. Dies gilt zum einen für den hier in Rede stehenden Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, zum anderen aber beispielsweise auch hinsichtlich des Leistungsausschlusses für unerlaubt ortsabwesende Hilfebedürftige nach § 7 Abs. 4a SGB II (SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris). Anderenfalls hätten sonst auch unerlaubt ortsabwesende Hilfebedürftige, die zwar erwerbsfähig sind, aber dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II unterliegen, einen Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII und müssten in der Regel keinerlei Einbußen fürchten, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhielten und deshalb für eine Eingliederung nicht zur Verfügung stünden.
Entsprechendes gilt für den Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II während der ersten drei Monate des Aufenthalts eines Ausländers in Deutschland. Wollte man diesen Leistungsausschluss trotz der Erwerbsfähigkeit des hilfebedürftigen Ausländers dazu führen lassen, dass § 21 SGB XII keine Anwendung findet, hätten erwerbsfähige Ausländer aus EFA-Staaten bereits während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts in Deutschland einen gebundenen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Ausländerrechtliche Maßnahmen wären in diesem Zeitraum nicht zulässig, da Unionsbürgern der Aufenthalt für drei Monate ohne weiteres erlaubt ist.
Die genannten Beispiele zeigen aus Sicht der Kammer deutlich, dass die vom 4. und 14. Senat des BSG vorgenommene Auslegung des § 21 SGB XII zu Ergebnissen führt, welche die vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigte Abgrenzung zwischen den in der Regel erwerbsfähigen Leistungsempfängern nach dem SGB II und solchen nach dem SGB XII konterkariert, ohne dass hierfür eine zwingende verfassungsrechtliche Notwendigkeit ersichtlich ist.
Nach Überzeugung der Kammer gebieten vielmehr Wortlaut, Zweck und die Gesetzessystematik eine Auslegung des § 21 S. 1 SGB XII dahingehend, dass erwerbsfähige Personen, wenn sie einem nicht an die Erwerbsfähigkeit anknüpfenden Leistungsausschluss nach dem SGB II unterliegen, keinen Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII haben.
Es ist hier weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Antragstellerin nicht unter den normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes zumindest drei Stunden arbeiten können sollte, mithin nicht erwerbsfähig sein könnte.
Folglich greift § 21 S. 1 SGB XII ein mit der Folge, dass bereits aus diesem Grund ein Anspruch der Antragstellerin auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausscheidet.
b) Soweit – ungeachtet des nach hiesiger Auffassung bereits entgegenstehenden § 21 SGB XII – gleichwohl durch das BSG in den o.g. Entscheidungen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 befürwortet wird, Leistungen für den Lebensunterhalt, entweder auf Grundlage des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II als Hilfe zum Lebensunterhalt im Ermessenswege oder aber regelmäßig nach einem sechsmonatigen Aufenthalt wegen einer "Ermessensreduktion auf Null" nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII zu gewähren, vermögen die bislang vorliegenden Urteilsgründe die Kammer auch insofern nicht zu überzeugen.
Gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Zum einen ist die Kammer der Auffassung, dass § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII bereits aufgrund seiner systematischen Stellung und seines Wortlauts ("Im Übrigen ") nicht als Anspruchsgrundlage für Leistungen geeignet sein dürfte, die bereits von § 23 Abs.1 S. 1 SGB XII umfasst sind, d.h. insbesondere nicht für Leistungen wie "Hilfe zum Lebensunterhalt", sondern allenfalls für sonstige Leistungen der Sozialhilfe, wie z.B. für Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 SGB XII o.ä. (so auch SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris).
Zum anderen erscheinen die bislang vorliegenden Entscheidungsgründe der genannten Urteile des BSG nicht ausreichend, um die vom BSG herangezogenen systematischen Argumente des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 120 BSHG zur Begründung eines trotz des in § 23 Abs. 3 SGB XII enthaltenen Leistungsausschlusses verbleibenden Anspruchs auf Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auf § 23 SGB XII übertragen zu können. Denn die Systematik des Leistungsausschlusses in § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII unterscheidet sich entgegen der Auffassung des 4. Senats des BSG entscheidend von der Fassung des § 120 BSHG, zu welcher seinerzeit die Rechtsprechung des BVerwG erging.
Das LSG NRW (Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –) führt zur Historie und Systematik des § 23 SGB XII zutreffend folgendes aus:
"Bereits nach dem systematischen Aufbau der Vorschrift bezieht sich der in § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII geregelte Leistungsausschluss, der bezogen auf die betroffene Personengruppe dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gleichzusetzen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1180/15 -; insoweit überzeugend BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - Rn. 48 ff, juris) auf die vorherigen Absätze 1 und 2. Infolgedessen bezieht er sich auf die komplette Vorschrift des § 23 Abs. 1 SGB XII und somit denklogisch auch auf den Satz 3 der Norm.
bb) Soweit das BSG auf den "unveränderten Wortlaut" des § 23 SGB XII im Verhältnis zum früheren § 120 BSHG und in diesem Zusammenhang maßgeblich auf eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 10.02.1987 - 5 C 32/85 -; BVerwGE 78, 314-321) verweist (siehe BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 44 AS 15 R - Rn. 51/52, juris), ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 120 BSHG zwar unmittelbar vor der Einführung des SGB XII im Wesentlichen dem Wortlaut des § 23 SGB XII entsprach. Die der Entscheidung des BVerwG vom 10.12.1987 zugrundeliegende Fassung des § 120 BSHG war in ihren wesentlichen Grundzügen jedoch anders gefasst. § 120 Abs.1 BSHG in der Fassung vom 22.12.1983 lautete: "Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind und die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Tuberkulosehilfe und Hilfe zur Pflege nach diesem Gesetz zu gewähren; wer sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, hat keinen Anspruch. Im übrigen kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist." Im Gegensatz zu späteren Fassungen des BSHG (ab dem Jahr 1993) ist hier die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen im Wege des Ermessens nach - und nicht wie im Regelungskomplex des § 23 SGB XII vor - dem Leistungsausschluss aufgeführt. Diese Systematik konnte zu der Annahme berechtigen, dass die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auch im Falle eines Leistungsausschlusses möglich bleiben sollte (SG Dortmund, a. a. O.). Vor diesem Hintergrund bezog sich das BVerwG in dem vom BSG zitierten Urteil auch gerade auf den Wortlaut der Norm des § 120 BSHG. Es führt aus: "Auch aus der Systematik des § 120 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BSHG folgt dieses Verständnis. Der mit "Im übrigen ..." eingeleitete S. 2 des § 120 Abs. 1 BSHG schließt an den S. 1 mit seinen b e i d e n Halbsätzen an. Daß sich der Ausschluß vom Rechtsanspruch auf bestimmte Hilfen (zum Beispiel die Eingliederungshilfe), der nach Halbsatz 1 des § 120 Abs. 1 S. 1 BSHG von vornherein besteht, aus einem Umkehrschluß ergibt, während er im Halbsatz 2 unmittelbar bestimmt ist, ändert nichts an der "Gleichwertigkeit" des Ausschlusses vom Rechtsanspruch als des Tatbestandsmerkmals, an das im anschließenden S. 2 die Möglichkeit der Hilfegewährung im Einzelfall (in Ausübung von Ermessen) geknüpft ist" (BVerwG, Urteil vom 10.12.1987 - 5 C 32/85 -, BVerwGE 78, 314-321, Rn. 14). Unter Berücksichtigung des geänderten Aufbaus der Norm können die Ausführungen des BVerwG für die Beurteilung der Systematik des § 23 SGB XII nicht herangezogen werden.
cc) Die weitere Argumentation des BSG in der Entscheidung v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, dass die Begrifflichkeit des "Anspruchs" in § 23 Abs.3 S. 1 2. Alt. SGB XII nur den "gebundenen Anspruch" bzw. den "Rechtsanspruch" und nicht auch die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege gemäß § 23 Abs.1 S. 3 SGB XII meint, ist vor dem Hintergrund von § 17 SGB XII unverständlich, der die gesetzliche Überschrift "Anspruch" trägt und diesen Rechtsbegriff damit definiert. Die Norm lautet wie folgt: "(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. (2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern." Mit dem Rechtsbegriff "Anspruch" meint das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck nicht nur die Forderung gegen den Sozialhilfeträger auf eine Muss-Leistung, sondern auch Forderungen auf eine eine Ermessensleistung bewilligende Entscheidung." (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, Rn. 28, juris)
Dieser Argumentation schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an. Die in den Entscheidungsgründen des Urteils des 4. Senats vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) enthaltenen Verweise auf das systematische Argument des BVerwG zu § 120 BSHG a.F. greifen nicht, weil sich gerade die Systematik der Vorschrift entscheidend geändert hat. Die systematische Stellung des Leistungsausschlusses in der jetzigen Fassung des § 23 SGB XII (hinter Abs. 1 und Abs. 2) führt ebenso wie der Wortlaut ohne weiteres zu der Auslegung, dass der Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 SGB XII sämtliche in Abs. 1 derselben Norm genannten Ansprüche, mithin nicht nur den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern auch den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung "im Übrigen" erfasst.
Über diese Gesetzessystematik kann, wie es die 12. Kammer des SG Mainz (Beschl. v. 12.11.2015, S 12 AS 946/15 ER, Rn. 76, juris) insoweit zutreffend ausgedrückt hat, auch eine "verfassungskonforme Auslegung" nicht hinweghelfen, weil eine verfassungskonforme Auslegung nur unter Beachtung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlautes und unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik zulässig ist. Andernfalls würde die Verfassungskonformität der "ausgelegten" Vorschrift durch einen Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG und zugleich gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz erkauft. Nach Auffassung der Kammer wäre bei Zweifeln an der Vereinbarkeit der in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 SGB XII gesetzlich geregelten Leistungsausschlüsse mit dem Grundgesetz eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG der alleinige rechtsstaatlich vorgegebene Weg.
Die Kammer sieht sich – anders als das Bundessozialgericht in den Entscheidungen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 – daher nicht in der Lage, zugunsten erwerbsfähiger EU-Ausländer, welche kein anderes Aufenthaltsrecht als die Arbeitssuche haben, gesetzlich geregelte Leistungsausschlüsse im Wege einer Auslegung gleichsam auszuhebeln. Insbesondere ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der vom BSG nunmehr beschrittene Weg – an zwei gesetzlichen Leistungsausschlüssen vorbei und über eine Ermessensreduzierung auf "Null" – die einzig verfassungskonforme Möglichkeit der Gesetzesanwendung darstellt und diese "Auslegung" eine Vorlage nach Art. 100 GG entbehrlich oder gar unzulässig machen könnte.
Die Kammer selbst hat keine Zweifel an der Verfassungskonformität einer Anwendung der in § 21 S. 1 SGB XII und § 23 SGB XII geregelten Leistungsausschlüsse ohne die vom BSG vorgenommene einschränkende Auslegung.
Insoweit erscheint das durch Art. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) gesicherte Existenzminimum nämlich in der Regel dadurch gewährleistet, dass die Rückkehr in das zur Europäischen Union gehörende und solchermaßen ebenfalls eine Existenzsicherung garantierende Herkunftsland im Rahmen der Eigenverantwortung des Einzelnen (welche auch nach der jüngsten Rechtsprechung des 14. Senats des BSG – Urteil vom 9. März 2016 - B 14 AS 20/15 R – durchaus Teil des in Art. 1 GG verankerten Menschenbildes ist) dem Betroffenen zuzumuten ist.
Solange eine Rückkehr in den Herkunftsmitgliedsstaat möglich und zumutbar ist, kann die Situation von EU-Ausländern auch nicht mit derjenigen von Asylbewerbern gleichgesetzt werden. Der Verweis des Bundessozialgerichts auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG (BVerfG v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris) verfängt daher nicht.
Zutreffend hat der 20. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 28.09.2015, L 20 AS 2161/15 B ER, Rn. 22 f.) insoweit ausgeführt: "Dieses Grundrecht verpflichtet alle staatliche Gewalt, bei Menschen, denen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen Mittel fehlen, weil diese weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür zur Verfügung stehen. Dieses Grundrecht steht ausländischen und deutschen Staatsangehörigen gleichermaßen zu (BVerfG v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris, Rn. 63). Die Gewährleistung einen menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 62). Dies schließt es jedenfalls nicht aus, die Leistungen nur insoweit vorzuhalten, wie es erforderlich ist, um einen Betroffenen in die Lage zu versetzen, dass er existenzsichernde Leistungen seines Herkunftslandes in Anspruch nehmen kann. Ist ein Unionsbürger - wie der Antragsteller - in der Lage, ohne weiteres in sein Herkunftsland zu reisen, um dort existenzsichernde Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist der Staat im Rahmen seiner Gewährleistungsverpflichtung allenfalls gehalten, Reise- und Verpflegungskosten zur Existenzsicherung (vgl. zur Einschränkung des Anspruchs auf Sozialhilfe für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltsbefugnis besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem die Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist: BVerfG v. 09.02.2001, 1 BvR 781/98, juris zu § 120 Abs. 5 BSHG:), vorzuhalten (wie hier i.E.: LSG Baden-Württemberg v. 29.06.2015, L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B - a.a.O., Rn. 39; a.A. SG Mainz v. 02.09.2015, S 3 AS 599/15 ER, Urteilsabdruck S. 17, nicht veröffentlicht). ( ) Anders als der Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG - einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen vermittelt, sind Personen aus Mitgliedstaaten der EU in der Regel in der Lage, kurzfristig in ihren Herkunftsstaat zu reisen. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1, 20 GG für den Personenkreis der Anspruchsberechtigten nach dem AsylbLG, die gerade nicht in jedem Fall kurzfristig in ein anderes Land ausreisen können, um dort ihre Existenz zu sichern, auch höhere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung umfassen, als für ausländische Staatsbürger, die ihrer Notlage kurzfristig selbst begegnen können. Bei diesem Personenkreis kann sich die Gewährleistungsverpflichtung darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch reine Nothilfemaßnahmen zu unterstützen."
Dem schließt sich die erkennende Kammer nach eigener rechtlicher Prüfung an.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen im AsylbLG gerade typisierend Situationen von bestimmten Ausländergruppen erfasst hat, deren Rückreise in der Regel ein Ausreisehindernis entgegensteht, und er dabei in Kauf genommen hat, dass von den Regelungen ggf. auch solche Personen profitieren, die im Ausnahmefall rein tatsächlich keinem Ausreisehindernis unterliegen, gleichwohl aber nicht ausreisen.
Ein solcher gesetzlich geregelter genereller Leistungsanspruch findet sich für Unionsbürger, die über gar kein oder allenfalls über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche verfügen, gerade nicht – im Gegenteil: Diese Personengruppe fällt nach dem oben skizzierten Willen des Gesetzgebers unter diverse Leistungsausschlüsse im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII. Der Umstand, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - dem Gesetzgeber untersagt, bei der Höhe der Leistungen für Asylbewerber an migrationspolitische Erwägungen (im Sinne einer Abschreckung) anzuknüpfen oder ohne nähere Anhaltspunkte pauschal davon auszugehen, dass Asylbewerber sich nur kurzfristig bzw. vorübergehend in Deutschland aufhalten und daher einen geringeren Existenzsicherungsbedarf haben als deutsche Staatsbürger, bedeutet nach Auffassung der Kammer keineswegs, dass das BVerfG jedem Ausländer bedingungslose Grundsicherung zusprechen würde, unabhängig von seinem Aufenthaltsgrund und unabhängig davon, ob er einen in seinem Heimatland bestehenden Anspruch auf mit einer Grundsicherung vergleichbare Sozialleistungen unproblematisch realisieren kann.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung das aus Art. 20 Abs. 1 GG folgende Sozialstaatsprinzip durch die Verbindung zum Schutz der Würde des Menschen in Art. 1 Abs. 1 GG subjektivrechtlich ausgestaltet. Insoweit hat es entschieden:
Tenor:
"Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützt und sie in solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden kann" (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10; 1 BvL 2/11, Rn 63).
Bereits in dieser grundsätzlichen Definition des sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Anspruches auf die Sicherung des Existenzminimums hat jedoch das Bundesverfassungsgericht selbst die Hilfe Dritter als vorrangig angesehen. Zwar darf diese Hilfe Dritter nicht rein freiwillig, sondern muss durch einen Anspruch des Hilfebedürftigen gesichert sein (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10; 1 BvL 2/11, Rn 65). Dies ist jedoch bei den durch andere Staaten der Europäischen Union für ihre Staatsbürger gewährleisteten Hilfen unproblematisch der Fall. Insoweit entspricht der in §§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und § 21 S. 1 SGB XII geregelte Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (so auch SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016, S 35 AS 5396/15 ER, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Februar 2016, L 3 AS 668/15 B ER, Beschluss vom 5. November 2015, L 3 AS 479/15 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016, L 9 AS 1335/15 B ER m.w.N.).
Auch das LSG NRW (Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER) vertritt mit überzeugenden Argumenten diese Auffassung und führt hierzu folgendes aus:
"Der Ausschluss von EU-Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder die gar kein materielles Aufenthaltsrecht haben, wie wohl die Antragsteller, verstößt auch nicht gegen die Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat mit dem Leistungsausschluss für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so im Ergebnis auch: LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 05.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER -; v. 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER -; SG Dortmund, Beschluss v. 23.11.2015 - S 30 AS 3827/15 ER - juris; Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1188/15 B ER -). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BVerfGs vom 18.07.2012 (- 1 BvL 10/10, 1BvL 2/11 -, juris). Gegenstand dieser Entscheidung ist die Frage, inwiefern der Gesetzgeber bei der Ermittlung der Höhe von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums (dort: Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II und SGB XII) unterschiedliche Bedarfe festsetzen und sich bei dieser Differenzierung am Aufenthaltsstatus der Hilfebedürftigen orientieren darf. Das BVerfG führt in diesem Zusammenhang in Rn. 74 (juris) aus: "Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann". In Rn.75 (juris) heißt es: "Ob und in welchem Umfang der Bedarf existenznotwendiger Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht in Deutschland ( ...) bestimmt werden kann, hängt allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können". Das Urteil enthält dagegen keine Aussage darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht, Sozialleistungen zu verwehren (in Rn.74 knüpft es vielmehr an ein bestehendes Aufenthaltsrecht an) oder Personen mit einem bestimmten, näher definierten Aufenthaltsrecht (hier: dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche) vom Bezug von Sozialleistungen auszuschließen.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Situation eines Asylbewerbers grundsätzlich nicht mit der eines EU-Ausländers vergleichbar ist, der von seinem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche Gebrauch gemacht hat und in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist: Während ein Asylbewerber, der sich auf eine politische Verfolgung in seinem Heimatland beruft, regelmäßig nicht in sein Herkunftsland zurückkehren kann, ist dies der hier betroffenen Personengruppe in der Regel ohne Weiteres möglich. Diese Rückkehr in das Heimatland stellt ein zumutbares Mittel zur Selbsthilfe dar, dessen Einforderung das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht verletzt. Das BVerfG hat in einer gegen den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II (Leistungsausschluss für Auszubildende) gerichteten Verfassungsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (Beschluss vom 08.10.2014 - 1 BvR 886/11 -, juris). Es hat in diesem Zusammenhang in Rn. 13 ausgeführt: "Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ( ...) ist nicht verletzt. Nach § 2 Abs.2 S. 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tut der Beschwerdeführer nicht, wenn er studiert. Daher schließt § 7 Abs. 5 S. 1 SGB a. F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus." In Rn. 14 heißt es weiter: "Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG ( ...). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern soll." Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass das BVerfG keinen von dem Hilfebedürftigen möglichen Mitwirkungshandlungen losgelösten, allein aus der Hilfebedürftigkeit und dem tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet resultierenden Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums annimmt. Der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, führt danach nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, sondern berührt vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen gewählte Lebensgestaltung schützt. Nach diesen Maßgaben besteht keine Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Heimatland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat." (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, Rn. 35, juris)
Diese Ausführungen macht sich die erkennende Kammer ergänzend zu Eigen. Es bestehen daher grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einen "grundsicherungslosen Zustand" eines hilfebedürftigen Unionsbürgers, solange diesem die Rückkehr in den jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat möglich und zumutbar ist bzw. ermöglich wird (so i.E. auch SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER; Bayerisches Landessozialgericht, 16. Senat, Beschl. v. 13.10.2015, L 16 AS 612/15 ER; 7. Senat, Beschl. v. 01.10.2015, L 7 AS 627/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, 3. Senat, Beschl. v. 05.11.2015, L 3 AS 479/15 B ER; LSG Hamburg, 4. Senat, Beschl. v. 15.10.2015, L 4 AS 403/15 B ER).
Solchermaßen gebietet das Grundgesetz aus Sicht der Kammer gerade keine zwingende Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt an Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht oder solche, die nur zur Arbeitssuche aufenthaltsberechtigt sind.
c) Schließlich vermag auch die Begründung des 4. Senats des BSG in seiner Entscheidung vom 03.12.2015 zu der von ihm angenommenen Ermessensreduzierung auf "Null" nicht zu überzeugen.
Ohne jede weitere Voraussetzung eine Ermessensreduktion "auf Null" generell schon nach sechs Monaten Aufenthalts anzunehmen, weil dann ein "verfestigter Aufenthalt" vorliege, und volle Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, wie dies das Bundessozialgericht in den o.g. Entscheidungen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 befürwortet, steht zum einen im Widerspruch zu den Wertungen und dem Regelungskonzept des FreizügG/EU, das seinerseits die Vorgaben der nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 11.11.2014, C 333/13, "Dano" und Urt. v. 15.09.2015, C 67/14, "Alimanovic") ihrerseits primärrechtskonformen Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) umsetzt.
Ein sechsmonatiger Aufenthalt, der offenkundig nicht zu einer (nachhaltigen) Integration in den bundesdeutschen Arbeitsmarkt geführt hat, indiziert nicht etwa einen "verfestigten Aufenthalt", sondern führt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a a.E. FreizügG/EU vielmehr zu einer Einschränkung des Freizügigkeitsrechts dergestalt, dass die Freizügigkeitsberechtigung von einem Nachweis des Betroffenen abhängt, weiterhin ernsthaft Arbeit zu suchen mit der begründeten Aussicht, eingestellt zu werden (so auch SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.02.2016, L 3 668/15 B ER, Umdruck nach Sozialgerichtsbarkeit.de, S. 3).
Der Ausschluss eines ausländischen Antragstellers von Sozialleistungen war im Falle einer zumutbaren Rückkehr in das Herkunftsland zum Sozialleistungsbezug zum anderen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 BSHG, auf die das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 03.12.2015 ausdrücklich Bezug genommen hatte, nicht ermessensfehlerhaft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.07.1988, 5 B 136/87, 5 ER 279/87, 5 B 136/87, 5 ER 279/87, Rn. 3, juris; zum Fall eines polnischen Staatsbürgers, der ohne weiteres in sein Heimatland zurückkehren konnte).
Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht in einem grundlegenden Urteil vom 10.12.1987 (5 C 32/85, Rn. 13, juris,) ausdrücklich zu § 120 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BSHG die Möglichkeit einer Hilfegewährung im Ermessenswege nur deshalb bejaht, weil "es Lebenssachverhalte geben kann, bei denen nach dem auch bei der Anwendung des § 120 BSHG zu berücksichtigenden Gesamtverständnis des Sozialhilferechts die Leistung von (unter Umständen eingeschränkter) Hilfe selbst dann möglich bleiben muss, wenn der Ausländer den Tatbestand des Halbsatzes 2 des § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG erfüllt, mit dem im Interesse der Leistungsfähigkeit der Träger der Sozialhilfe missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen der Sozialhilfe entgegengewirkt werden soll".
Die der o.g. Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 03.12.2015 zugrunde liegende Annahme einer pauschalen Ermessensreduktion "auf Null" nach einem sechsmonatigen Aufenthalt unter Gewährung voller Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII steht daher nicht in einer Linie mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 BSHG; sie steht eher im Widerspruch hierzu. Denn nach der oben dargestellten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sollte im Ermessenswege lediglich Raum für eine ausnahmsweise Berücksichtigung besonderer Einzelfälle bleiben, und zwar sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch des "Wie". Zweifel an der Verfassungsgemäßheit dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurden – soweit hier ersichtlich – in der Vergangenheit nicht geäußert.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Bundesverwaltungsgericht in der o.g. Entscheidung vom 10.12.1987 eine Ermessensreduktion "auf Null" ausdrücklich sogar für den Fall verneint hat, dass die Ausländerbehörde inzwischen einen Aufenthaltstitel erteilt hatte. Wörtlich führt das Bundesverwaltungsgericht hierzu aus:
"Das dem Beklagten hiernach eröffnete Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob dem Kläger trotz der Feststellung, dass er sich in den Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden kann, ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht schon aus dem Grund "auf Null geschrumpft" (mit der Folge, dass nur die Gewährung der begehrten Hilfe zum Lebensunterhalt - in voller Höhe - rechtmäßig wäre), dass das Ausländeramt der Beklagten auf der Grundlage des Erlasses des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. September 1980 dem Kläger aus in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG genannten Gründen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AuslG eine bis zum 3. Juni 1985 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt hatte. Mit den diese Ansicht tragenden Erwägungen, dass zwischen dem Ausländer- und dem Sozialhilferecht Verbindungen und Wechselwirkungen bestünden, dass die grundgesetzlich geschützte Würde des Menschen im Ausländer- und im Sozialhilferecht zu beachten sei und dass sich aus der Einheitlichkeit der Verwaltung in ihren Funktionen das Gebot ergebe, gegenläufige Verwaltungsentscheidungen zu vermeiden, bindet das Verwaltungsgericht den Träger der Sozialhilfe der Sache nach an die Entscheidung der Ausländerbehörde, ohne dass sich eine solche Bindung aus dem Gesetz herleiten lässt. Diese Begründung, die ein abstraktes, außerhalb der sozialhilferechtlichen Regelung liegendes Merkmal genügen lässt und damit eine unbestimmte Anzahl von Personen erfasst, bewirkt im Ergebnis, dass der Halbsatz 2 des § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG in allen Fällen, in denen in Anwendung des Ausländerrechts eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, eine Abschiebung förmlich ausgesetzt wird (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG) oder aus in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG erwähnten Gründen tatsächlich unterbleibt, nicht mehr anzuwenden wäre. Das ist zum einen mit der gesetzlichen Regelung als solcher und ihrer Systematik nicht zu vereinbaren. Zum anderen wird hierbei außer Acht gelassen, dass die Hilfegewährung, besteht auf sie gerade aus dem Grund des Missbrauchs kein Rechtsanspruch, im E i n z e l f a l l (gleichwohl) g e r e c h t f e r t i g t sein muss. Besonders von da her verbietet es sich, den erwähnten ausländerrechtlichen Regelungen, aufgrund deren dem Ausländer ohnehin nur der weitere Verbleib in der Bundesrepublik freigestellt ist, in der Weise ausschließlichen Charakter beizulegen, dass ihnen - was die zu treffende sozialhilferechtliche Regelung angeht - eine auf Personengruppen abstellende Automatik zukäme" (BVerwG, Urteil vom 10.12.1987 - 5 C 32/85, Rn. 18, juris, Hervorhebungen im Original).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur damaligen Regelung in § 120 BSHG, kann daher nach Auffassung der Kammer gerade nicht zur Rechtfertigung der vom BSG in seiner o.g. Entscheidung vom 03.12.2015 angenommenen Ermessensreduktion "auf Null" herangezogen werden (so auch SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris).
Die Kammer sieht mithin auch keine Veranlassung, die Annahme einer Ermessensreduktion auf "Null" in irgendeiner Weise davon abhängig zu machen, ob die Ausländerbehörde bereits Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts des EU-Bürgers eingeleitet hat oder nicht (so aber BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R). Auch dem Urteil des BVerfG zur Höhe der Asylbewerberleistungen lässt sich ein solcher Zusammenhang in keiner Weise entnehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem zu § 120 BSHG ausdrücklich entschieden, dass nach dem der Änderung des § 120 Abs. 2 BSHG zugrundeliegenden Gesetzeszweck, nämlich die Dynamik der öffentlichen Ausgaben zu begrenzen, es sozialhilferechtlich unbedenklich sei, mit einer Kürzung von Sozialhilfemitteln eine weitere Einsparung von Sozialhilfemitteln anzustreben, die einträte, wenn der Hilfeempfänger seiner Ausreisepflicht nachkäme. Dass der geduldete Ausländer ausländerrechtlich nicht zur Ausreise gezwungen werde, hindere den Sozialhilfeträger nicht, mit der Einschränkung der Sozialhilfe auf seine Ausreise und damit auf den Wegfall der Sozialhilfe hinzuwirken (BVerwG, Urt. v. 26.09.1991, 5 C 61/88, Rn. 15, juris).
Auch im Lichte dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint es nicht gerechtfertigt und erst recht nicht geboten, in Fällen der möglichen und ausländerrechtlich durchsetzbaren Ausreise eines Unionsbürgers gleichwohl ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, bis eine zwangsweise Abschiebung erfolgen kann. Hinzu kommt, dass bei arbeitssuchenden Unionsbürgern die Ausländerbehörde naturgemäß auch keinerlei Maßnahmen ergreifen könnte, weil diese Personen in der Regel ja gerade über ein Aufenthaltsrecht verfügen.
Selbst wenn man also – trotz des Leistungsausschlusses in § 23 Abs. 3 SGB XII – mit dem BSG die Eröffnung eines Ermessensspielraums in Bezug auf eine gerechtfertigte Hilfegewährung annehmen wollte, so wäre diese nicht etwa generell aufgrund eines Aufenthalts von sechs Monaten begründet, sondern es könnte allenfalls im Einzelfall zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang eine solche Gewährung von Leistungen gerechtfertigt ist. Hierbei spielt die reine Dauer des bisherigen Aufenthalts allenfalls neben weiteren Faktoren eine Rolle.
Aus Sicht der Kammer sind kaum Fälle denkbar, in welchen Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG die Gewährung ungekürzter Hilfe zum Lebensunterhalt an EU-Ausländer gebieten könnte, obwohl der Aufenthalt in Deutschland illegal und eine Rückkehr in das Herkunftsland zumutbar ist. Dementsprechend sieht auch das geltende Gemeinschaftsrecht weder in der Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) noch in der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Ausübung von Freizügigkeit Sozialleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu erhalten, einen "bedingungslosen" Anspruch auf vollständige Gleichbehandlung mit Inländern vor; dies hat der EuGH explizit in den Rechtssachen "Dano" und "Alimanovic" bestätigt und für unionsrechtskonform erklärt.
Wollte man gleichwohl Leistungen für den Lebensunterhalt – anders als dies der deutsche Gesetzgeber bislang vorgesehen hat und auch über das hinausgehend, was der europäische Gesetzgeber und der EuGH fordern – grundsätzlich allen wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgern ohne Aufenthaltsperspektive gleichsam eine "voraussetzungslose Existenzsicherung", zugänglich machen, so bedürfte gerade dies einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, insbesondere – aber nicht nur – im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung und das Primat des Bundesverfassungsgerichts:
Denn wenn entgegen § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II bzw. § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII sowie § 21 SGB XII die nach der Anordnung des Gesetzgebers ausgeschlossenen Personen nun qua verfassungsrechtlicher Notwendigkeit letztlich mit denselben Existenzsicherungsleistungen versorgt werden sollen wie SGB II- Grundsicherungsbezieher, dann muss im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG die Frage beantwortet werden, mit welcher Rechtfertigung diese Personen gegenüber SGB II-Grundsicherungsbeziehern besser gestellt werden sollen ("Fördern ohne Fordern"?; SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris; kritisch bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.01.2015, L 29 AS 3339/14 B ER). Denn erwerbsfähige deutsche Staatsangehörige im SGB II-Leistungsbezug wie im Übrigen auch ausländische Staatsangehörige, die für (ergänzende) SGB II-Leistungen in einem hinreichenden Umfang selbständig oder abhängig beschäftigt arbeiten oder lange genug gearbeitet haben, sehen sich – anders als Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII – für den Bezug solcher Grundsicherungsleistungen einem komplexen System des "Förderns und Forderns" mit einer Vielzahl von Mitwirkungs- und Selbsthilfepflichten gegenüber, welche beispielsweise durch Eingliederungsvereinbarungen durchgesetzt werden, deren Nichteinhaltung durch empfindliche Leistungsabsenkungen zu sanktionieren sind.
Die durch das BSG befürwortete Gesetzesanwendung würde zu weiteren erheblichen Wertungswidersprüchen führen: Während beispielsweise ein deutscher erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, der das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und (ohne dass es zwingend erforderlich wäre) aus der elterlichen Wohnung auszieht, gemäß § 22 Abs. 5 SGB II grundsätzlich keine Kosten der Unterkunft und Heizung für eine angemietete eigene Wohnung erhält, könnte ein gleichaltriger erwerbsfähiger hilfebedürftiger Unionsbürger, würde man der Auffassung des BSG aus den Entscheidungen vom 03.12.2015 folgen, Kosten der Unterkunft und Heizung für eine eigene Wohnung im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII beanspruchen. Mit anderen Worten: Dem Inländer wären Leistungen für seine Unterkunft zu versagen, da ihm eine Rückkehr zu seinen Eltern – ggf. auch ohne weiteres in eine andere Stadt – zugemutet wird, während der Unionsbürger Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung sowie Mietkaution, Erstausstattung etc. auch dann erhalten könnte, wenn er jünger als 25 Jahre ist und ohne weiteres zu seinen Eltern zurückkehren könnte.
Eine tragfähige Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung insoweit gleicher Sachverhalte ist für die Kammer nicht ersichtlich und findet sich auch in den Entscheidungsgründen der bisher vorliegenden BSG-Urteile nicht.
Auch vor diesem Hintergrund der beispielhaft genannten Verletzungen von Art. 3 GG gegen vermag sich die erkennende Kammer nicht der Rechtsauffassung des BSG aus den Urteilen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 (a.a.O.) anzuschließen.
3.) Die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII an die Antragstellerin ist auch im hiesigen Einzelfall nicht nach Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG verfassungsrechtlich geboten. Denn dass der Antragstellerin eine Rückkehr nach Slowenien zur Sicherung ihrer Existenz, insbesondere durch Bezug dortiger Sozialleistungen, tatsächlich unmöglich oder unzumutbar sein könnte, ist hier nicht im Ansatz erkennbar. Auch Slowenien verfügt über ein Leistungssystem für beitragsunabhängige Sozialleistungen (sog. "Mindestsicherung"), http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1128&langId=de&intPageId=3033. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum die Antragstellerin in ihrem Heimatland nicht – ggf. mit Hilfe dieser Sozialleistungen – ihren Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Die Antragstellerin hat auf die Frage des Gerichts, warum sie nicht nach Slowenien zurückkehren könne, lediglich mitgeteilt, dass sie dies nicht wolle.
Tragfähige Gründe, die gegen eine Rückkehr in ihr Herkunftsland und die Inanspruchnahme dort gewährter Sozialleistungen sprechen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich. Die Kammer kann nicht erkennen, dass eine Rückkehr der Antragstellerin nach Slowenien und die Geltendmachung ihrer Ansprüche auf die dort gewährten Existenzsicherungsleistungen gegen die Menschenwürde verstoßen könnte.
Nach Überzeugung der Kammer besteht daher kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Deutschland.
Allenfalls könnte hier ein Anspruch auf Hilfeleistungen, die der Antragstellerin eine Rückkehr in den Herkunftsmitgliedstaat (d.h. insbesondere Fahrt- sowie ggf. Umzugskosten, Verpflegung) ermöglichen, in Betracht kommen. Solche Leistungen begehrte die Antragstellerin aber nicht, so dass diese auch nicht zuzusprechen waren.
Nach alledem hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen war. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der Hauptsache die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden müsste und der 4. und 14. Senat des Bundessozialgerichts einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt für möglich halten. Zum einen hat der für die hier beantragten Leistungen nach dem SGB XII zuständige 8. Senat des Bundessozialgerichts noch keine Entscheidung über einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt für Unionsbürger getroffen, zum anderen hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) ausdrücklich eingeräumt, dass eine Ermessensreduktion auf "Null" nicht in jedem Fall angenommen werden müsse. Dies liegt im Übrigen in der Natur einer Ermessensentscheidung und hat zur Folge, dass ein Erfolg in der Hauptsache auch in Anbetracht des möglichen Instanzenzuges zum Bundessozialgericht zum jetzigen Zeitpunkt nicht ohne weiteres angenommen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Gründe:
Der am 7. März 2016 beim Sozialgericht Berlin eingegangene sinngemäße Antrag,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin umgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII einschließlich Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten zu gewähren,
ist zulässig, aber nicht begründet.
Mangels ausdrücklicher zeitlicher Beschränkung des Antrages geht die Kammer davon aus, dass die Antragstellerin Leistungen für 1 Jahr begehrt (vgl. § 44 Abs. 3 S. 1 SGB XII).
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Voraussetzung ist mithin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes, wobei der Anordnungsanspruch den materiellen Anspruch auf die Regelung an sich beinhaltet und der Anordnungsgrund ein besonderes Eilbedürfnis, also die Dringlichkeit der begehrten Regelung für den Antragsteller voraussetzt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch eine einstweilige Anordnung grundsätzlich keine endgültige Entscheidung vorweggenommen werden darf. Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermag die Kammer hier keinen Anordnungsanspruch zu erkennen.
Die Antragstellerin hat weder einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) gegen den Beigeladenen (hierzu sogleich unter 1.) noch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gegen den Antragsgegner (hierzu unter 2.) glaubhaft gemacht. Im Einzelnen:
1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gegenüber dem nach § 75 SGG beigeladenen Jobcenter glaubhaft gemacht, denn sie ist als lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufenthaltsberechtigte Unionsbürgerin von solchen Leistungen ausgeschlossen.
Die 1976 geborene Antragstellerin, die slowenische Staatsangehörige ist, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II, und ist auch im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB II erwerbsfähig, denn sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, zugleich die für sie nach § 7a SGB II maßgebliche Altersgrenze noch nicht erreicht, und ist mangels hinreichender entgegenstehender Anhaltspunkte in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, was ihr als Unionsbürgerin in Deutschland auch erlaubt ist (vgl. § 8 SGB II).
Die Antragstellerin ist jedoch nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da sie sich allenfalls zur Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhält. Alternative Aufenthaltsgründe nach dem FreizügG/EU oder dem Aufenthaltsgesetz, welche die Antragstellerin zum legalen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigen und zugleich dazu führen würden, dass ihr ein Aufenthalt nicht allein zur Arbeitssuche erlaubt wäre und damit der Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 S. 2 SGB II im Ergebnis nicht durchgreifen würde (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, Rn. 27; juris), sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Selbst wenn die Antragstellerin aktuell gar keine Arbeit mehr suchen sollte, so wäre sie gleichwohl, im Wege des Erst-recht-Schlusses (LSG NRW, 2. Senat, Beschl. v. 04.02.2015, L 2 AS 2224/14 B ER; LSG NRW, 12. Senat, Beschl. v. 09.01.2015, L 12 AS 2209/14 B ER; insoweit auch zutreffend BSG, Urt. v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 19 ff.), nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II ebenfalls von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist auch unionsrechtskonform; dies ist spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Alimanovic (Urt. v. 15.09.2015, C 67/14) geklärt (statt vieler LSG Berlin-Brandenburg, 20. Senat, Beschl. v. 28.09.2015, L 20 AS 2161/15 B ER; insoweit auch zutreffend BSG, Urt. v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 35 ff.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564). Slowenien hat dieses Abkommen nicht ratifiziert.
2. Auch ein Anspruch der Antragstellerin auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ist nicht glaubhaft gemacht. Entgegen der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts in seinen Urteilen vom 03.12.2015 (B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R, B 4 AS 43/15 R) sowie des 14. Senats des Bundessozialgerichts vom 16.12.2015 (B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R) ist nach Überzeugung der Kammer für nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene erwerbsfähige hilfebedürftige Ausländer ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ebenfalls gesetzlich ausgeschlossen.
a) Einem Leistungsanspruch steht hier zunächst § 21 S. 1 SGB XII entgegen. Die Antragstellerin ist grundsätzlich erwerbsfähig und damit (eigentlich) dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. § 21 S. 1 SGB XII versperrt jedoch erwerbsfähigen und deshalb eigentlich dem SGB II zuzuordnenden Hilfebedürftigen den Zugang zu Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (statt vieler Thie, LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 21 Rn. 3), und zwar auch dann, wenn die Betreffenden aus anderen (rechtlichen) Gründen im Ergebnis keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II haben können. Denn § 21 SGB XII stellt eine Norm zur Abgrenzung der Hilfesysteme nach dem SGB II und dem SGB XII anhand der Erwerbsfähigkeit dar (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.09.2015, L 20 AS 2161/15 B ER, Rn. 20 m.w.N.).
Die Auffassung, den Wortlaut des § 21 S. 1 SGB XII ("Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt") müsse man so verstehen, dass ein grundsätzlich Erwerbsfähiger, der nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen und deswegen dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt sei, von § 21 S. 1 SGB XII bereits per se nicht erfasst werde (BSG, Urt. v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn. 40 ff. juris; sich dem anschließend SG Berlin, Beschl. v. 04.01.2016, S 128 AS 25271/15 ER, Rn. 25 ff., juris) vermag die Kammer nicht zu überzeugen.
Auch der 12. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –) stellt sich dieser Gesetzesanwendung entgegen und argumentiert zutreffend wie folgt:
"aa) Nach dem Wortlaut des § 21 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber auf eine Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" abstellt, zeigt, dass bereits die positive Feststellung der Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II ("erwerbsfähig sind") dazu führt, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII ausscheidet. Denn sowohl das Tatbestandsmerkmal "als Erwerbsfähige" als auch das Tatbestandsmerkmal "dem Grunde nach" wären überflüssig, wenn nicht das Vorliegen der Erwerbsfähigkeit das zentrale Ausschlusskriterium wäre. Ansonsten Dann hätte ein bloßer Verweis auf das Vorliegen einer Leistungsberechtigung oder eines Anspruches ausgereicht. Zu demselben Ergebnis kommt der Senat durch eine systematische Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Das Vorliegen eines Leistungsausschlusses (wie gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II) lässt die Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" nach der Systematik der Norm gerade nicht entfallen. Während § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II die (positiv formulierten) Tatbestandsvoraussetzungen ("dem Grunde nach") für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II benennt, schließen die Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ["ausgenommen sind ( ...)"] nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II leistungsberechtigte Personengruppen wieder vom Leistungsbezug nach dem SGB II aus. Die Voraussetzung eines weiteren Aufenthaltsrechts als "positive Tatbestandsvoraussetzung" hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Dem entspricht, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, nicht wie § 7 Abs. 4 SGB II, eine negative Tatbestandsvoraussetzung, sondern lediglich eine anspruchsvernichtende Einwendung darstellt, die die Leistungsberechtigung für den Erwerbsfähigen dem Grunde nach unberührt lässt (hierzu Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1180/15 B ER -; so auch LSG NRW, Beschl. v. 15.05.3013 - L 9 AS 466/13 B ER -).
bb) Für diese Auslegung spricht die weitere Systematik des § 21 SGB XII: Gemäß § 21 S. 2 SGB XII können Personen, die nicht hilfebedürftig nach § 9 des Zweiten Buches sind, abweichend von S. 1 Leistungen nach § 36 SGB XII erhalten. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn allein die fehlende Leistungsberechtigung nach dem SGB II (unabhängig vom Kriterium der Erwerbsfähigkeit) den Weg in einen Leistungsbezug nach dem SGB XII eröffnen könnte. Schon das Fehlen der in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II als positive Tatbestandsvoraussetzung benannten (und in § 9 SGB II näher definierten) Hilfebedürftigkeit ließe nämlich die Leistungsberechtigung nach dem SGB II entfallen. In § 21 S. 2 SGB XII ließe sich entgegen dem Gesetzeswortlaut dann keine Abweichung zu § 21 S. 1 SGB XII erkennen. Weiter bestimmt § 21 S. 3 SGB XII ein zwischen den Trägern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII anzuwendendes Verfahren, falls unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit bestehen. Diesbezüglich ist der Träger von Leistungen nach dem SGB XII an die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens an die Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit gemäß § 44 a Abs. 1 SGB II gebunden. Dieses Instrumentarium verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers, dass allein die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit das entscheidende Abgrenzungskriterium ist und infolgedessen über Zuständigkeit des jeweiligen Träger entscheidet. Einen Mechanismus für die Bewältigung weiterer möglicher Abgrenzungsfragen (so z. B. für die nach der neuen Rechtsprechung des BSG erforderliche Klärung, ob neben dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche noch ein weiteres Aufenthaltsrecht vorliegt) sieht § 21 SGB XII nicht vor (hierzu ausführlich SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER -).
cc) Zu demselben Ergebnis kommt der Senat durch eine genetische Auslegung des § 21 SGB XII. In der Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII (BT Drs. 15/1514, S. 57) heißt es: "Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an". Dass das Tatbestandsmerkmal der Erwerbsfähigkeit entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen den Leistungssystemen von SGB II und SGB XII sein soll (so auch Coseriu in juris-PK zu § 21 SGB XII, Rn. 10, der § 21 SGB XII eine systemabgrenzende Funktion beimisst) führt das BSG in seiner Entscheidung vom 03.12.2015 (a. a. O. Rn. 41, juris) aus. Hier heißt es: "Im Grundsatz gilt für die Systemzuweisung aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird."
dd) Die Bedeutung der Erwerbsfähigkeit und der Arbeitsmarktnähe des Hilfebedürftigen für seine Zuweisung zu dem seiner ursprünglichen Konzeption nach erwerbszentrierten und arbeitsmarktnahen System des SGB II und dem "arbeitsmarktfernen" System des SGB XII hat das BSG in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, auf die es in seinem Urteil vom 03.12.2015 nunmehr zur Begründung seiner Prämisse verweist, dass im Falle des Ausschlusses eines erwerbsfähigen Ausländers von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nach dem SGB II ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII grundsätzlich möglich bleibe: "Auf dieser Grundlage hat das BSG bereits für andere in § 7 SGB II geregelte Leistungsausschlüsse ausdrücklich entschieden, dass die "Anwendungssperre" des § 21 S. 1 SGB XII nicht greift" (BSG, a. a. O. Rn. 42, juris). Im Einzelnen nennt das BSG in diesem Zusammenhang folgende Urteile, die alle einen Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II zum Gegenstand haben: BSG vom 16.05.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 30 Rn. 20 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II wegen Bezugs einer litauischen Altersrente); BSG vom 02.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 42 Rn. 10, 24 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 wegen Unterbringung in einer Klinik); BSG vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Rn. 47 (vorzeitige Altersrente nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger).
In dem erstgenannten Urteil vom 16.05.2012 (- B 4 AS 105/11 R - Rn. 23, - juris) führt das BSG zum Hintergrund des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II und im Hinblick auf die Zuordnung der Empfängerin einer ausländischen Rente zum Leistungssystem nach dem SGB XII exemplarisch aus: "Anspruch auf Leistungen haben allerdings grundsätzlich nur erwerbsfähige Hilfebedürftige. Nicht leistungsberechtigt ist, wer nicht erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II ist. Letzteres ist bei Personen in einer stationären Einrichtung (BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, Rn. 13 f; SozR 4-4200 § 7 Nr 24, Rn. 20) und beim Bezug einer Altersrente (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 Rn. 71) nicht unbedingt der Fall. Bei Beziehern von Altersrenten vor Erreichen des Regelrentenalters - danach sind sie bereits aus Gründen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt - wird jedoch nach der Begründung zur Regelung des § 7 Abs 4 S. 1 SGB II typisierend angenommen, sie seien endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und müssten daher nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden (vgl BT-Drucks 15/1749, S 31). Sie benötigen aus diesem Grunde keine Leistungen aus dem System des SGB II mehr." Weiter heißt es: "( ...) denn Erwerbsfähigkeit schließt Leistungen nach dem System des SGB XII gemäß § 21 S 1 SGB XII grundsätzlich aus. Nach § 21 S 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Wenn jedoch vor dem Hintergrund des systematischen "Wechselspiels" zwischen SGB II und SGB XII Altersrentner vor Vollendung des Regelrentenalters nach deutschem Recht nicht als Erwerbsfähige leistungsberechtigt iS des SGB II sind, kann unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten für Bezieher ausländischer Altersrenten nichts Anderes gelten." Aus welchem Grund keine Differenzierung zwischen dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und den Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II (so BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 44 AS 15 R - Rn. 43, juris) vorgenommen wird, ist nicht zu erkennen: Sämtliche der in den früheren Urteilen des BSG behandelten Fallkonstellationen sind nämlich solche, in denen der Leistungsausschluss des BSG auf einer "fingierten Erwerbsunfähigkeit" beruht. So führt Coseriu in juris-PK zu § 21 SGB XII zu den Fallkonstellationen des § 7 Abs. 4 SGB II aus: "Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei dieser Norm, soweit es die Unterbringung in Einrichtungen betrifft, um eine "verkappte" Regelung der Erwerbsunfähigkeit. Auch bei den übrigen Varianten ist von einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben auszugehen." Dass die "fingierte Erwerbsunfähigkeit" maßgeblicher Hintergrund der Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II ist, ergibt sich plastisch aus der "Unterausnahme" des § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II: Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die einen wöchentlichen Umfang von mindestens 15 Stunden erreicht, hebt die "typisierende Annahme" der Erwerbsunfähigkeit auch für in einer stationären Einrichtung untergebrachte Hilfebedürftige wieder auf. Die typisierende Annahme einer Erwerbsunfähigkeit kann aber für den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in seiner analogen, eine planwidrige Regelungslücke schließenden Auslegung, nicht angenommen werden. Eine Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ist aus einem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche nicht herauszulesen (vgl. auch SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER -).
Vielmehr sollte der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine leistungsrechtliche Hürde für den Zugang zu Sozialleistungen schaffen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm von der Option des Art. 24 der RL 2004/38 EG Gebrauch machen, die vorgenannten Personengruppen vom Anspruch auf Sozialhilfe - mithin Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - auszuschließen (vgl. hierzu überzeugend BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - Rn. 21-24 und Rn. 48-50, juris). Der Leistungsausschluss sollte in beiden Systemen gleichermaßen greifen (so wohl auch BSG, Urteil vom 03.12.2015, a. a. O., Rn. 49f, juris). Vor dem Hintergrund dieser sozialpolitischen Zielsetzung hat der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II keine systemabgrenzende, sondern eine "systemausschließende" Funktion. Anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II erscheint es insoweit sach- und sinnwidrig, von diesem Leistungsausschluss Betroffenen, Leistungen nach dem SGB XII, ohne die nach dem SGB II bestehenden Sanktionsmöglichkeiten, aber auch ohne die nach dem SGB II bestehenden Möglichkeiten zur Förderung der Integration in den Arbeitsmarkt, zuzuweisen.
ee) Die Eröffnung des Zugangs zum SGB XII aufgrund/trotz der Vorschrift des § 21 S. 1 SGB XII kann auch nicht damit begründet werden, dass die Leistungsausschlüsse der §§ 22 Abs.1, 23 Abs.3 S. 2 SGB XII ansonsten "leerliefen": Im Hinblick auf § 22 Abs.1 SGB XII, der Auszubildende unter weiteren Voraussetzungen vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausschließt, ergibt sich dies daraus, dass die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums nicht zwangsläufig eine Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs.1 S. 1 Nr. 2 SGB II voraussetzt, so dass für diese - der Norm des § 7 Abs. 5 SGB II entsprechende und aus dem BSHG übernommene - Vorschrift auch bei einer Einordnung des § 21 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ein eigenständiger Regelungsgehalt verbleibt. Dass § 22 Abs. 1 SGB XII sich auf nicht erwerbsfähige Auszubildende beziehen soll, hat das BSG in seinem Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - juris) ausdrücklich dargestellt: "Soweit der Kläger meint, Auszubildende würden nach dem SGB II schlechter gestellt als nach dem SGB XII, weil die Leistungen im besonderen Härtefall nach dem SGB II nur als Darlehen, nach § 22 Abs.1 S. 2 SGB XII jedoch auch als Beihilfe gewährt werden können, führt dieses ebenfalls nicht zur Erforderlichkeit einer vom SGB XII abweichenden Anwendung des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II. Grund für die unterschiedlichen Leistungsarten ist die Zuordnung zu dem einen oder anderen System, differenziert nach der Erwerbsfähigkeit. Bei dem Erwerbsfähigen kann erwartet werden, dass er die Leistung nach Beendigung der Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zurückzahlen kann. Diese Aussicht besteht bei dem SGB XII-Leistungsempfänger nicht ohne weiteres, so dass die Leistungsgewährung in Form der Beihilfe berechtigt erscheint."
Auch aus der der Norm des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II entsprechenden 2. Alternative des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII (Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt) lässt sich kein Argument gegen eine solche Auslegung der Vorschrift des § 21 S. 1 SGB XII ableiten. So führt Coseriu im juris-PK zu § 23 SGB II zur Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII (Rn. 64) aus: "Der zunächst im SGB XII noch nicht vorgesehene Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ist mit Wirkung vom 07.12.2006 durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 02.12.2006 eingeführt worden und sollte im Hinblick auf die entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II sicherstellen, dass der von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Ausländer keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII herleiten kann. Dies hatte etwa das LSG NRW ( ...) mit der Begründung angenommen, der Ausländer habe dem Grunde nach keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II; deshalb greife der Leistungsausschluss des § 21 Abs. 1 SGB XII nicht." Folglich stellt § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII nachvollziehbar lediglich eine weitere "Absicherung" des Gesetzgebers dar, einen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII für solche EU-Ausländer, die schon von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betroffen sind, normativ sicherzustellen. Die Einführung der Norm ist lediglich eine Reaktion des Gesetzgebers auf die von ihm nicht gewollte Anwendung bzw. Nichtanwendung von § 21 S. 1 SGB XII der Rechtsprechung und Eröffnung des Weges in das SGB XII für die betroffenen EU-Ausländer. Dementsprechend lässt sich die Norm auch nicht im Rahmen eines Umkehrschlusses argumentativ gegen die Auslegung des § 21 S. 1 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige anführen. In der Gesetzesbegründung des aufgrund des Gesetzes zur 2. Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuchs vom 24.03.2006 eingeführten § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (BT Drs. 16/688, S. 13) heißt es zudem: "Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten S. 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 S. 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist." Der Gesetzgeber ist demnach davon ausgegangen, dass Erwerbsfähige aufgrund der Vorschrift des § 21 S. 1 SGB XII keine Leistungen nach dem SGB XII beziehen können." (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, Rn. 21, juris)
Diesen überzeugenden Erwägungen schließt sich die erkennende Kammer nach eigener rechtlicher Prüfung an.
Bei der Auslegung des § 21 S. 1 SGB XII gilt es insbesondere, den Willen des Gesetzesgebers, wie er aus der Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII wie auch zu § 7 SGB II deutlich hervorgeht, sowie das generelle Verhältnis der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII zueinander zu beachten.
Die auch vom LSG NRW (s.o.) zitierten Auszüge aus der Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII ("Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an" (BT-Drs. 15/1514, S. 57) sowie zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, BT-Drs. 16/688, S. 13, ("Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten Satz 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist.)" deuten nach Auffassung der Kammer unzweideutig darauf hin, dass nach dem Willen des Gesetzgebers erwerbsfähige Ausländer von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sind (so auch LSG NRW Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER; SG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, S 149 AS 7191/13, Rn. 27 ff, 32, juris; SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris; Sozialgericht Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER, Umdruck nach Sozialgerichtsbarkeit.de, S. 3 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.01.2016, L 29 AS 20/16 B ER, 21/16 B ER PKH, i.E. ebenso bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.06.2012, L 20 AS 1322/12 B ER, Rn. 43, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.06.2015, L 31 AS 100/14, Rn. 51) und dass für die Anwendung des § 21 S. 1 SGB XII allein die Frage der Erwerbsfähigkeit (ggf. i.V.m. der Angehörigeneigenschaft) maßgeblich sein soll.
Soweit das BSG in seiner Entscheidung vom 03.12.2015 (a.a.O., Rn. 41 f.) nun indes argumentiert, die "Systemabgrenzung" erfordere eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Leistungsausschlüsse und der Erwerbsfähigkeit allein komme daher keine entscheidende Bedeutung bei der Abgrenzung zwischen den Leistungssystemen von SGB II und SGB XII zu, vermag dies, gerade im Hinblick auf die sodann zur Begründung angeführten Urteile zu § 7 Abs. 4 SGB II, nicht zu überzeugen. Wie oben bereits ausgeführt, beziehen sich die vom 4. Senat des BSG genannten Urteile ausschließlich auf solche Personen, die gemäß § 7 Abs. 4 SGB II von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II ausgeschlossen sind, weil ihr Ausscheiden aus dem Erwerbsleben fingiert bzw. gesetzlich vermutet wird, wenn beispielsweise der Bezug einer ausländischen Altersrente ebenso wie eine stationäre Unterbringung bzw. Inhaftierung eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt nicht erforderlich bzw. sogar ausgeschlossen erscheinen lassen. Demgemäß erscheint es folgerichtig und systemimmanent, diese Personengruppe nicht als solche Hilfebedürftige im Sinne des § 21 S. 1 SGB XII zu beurteilen, "die als Erwerbsfähige dem Grunde nach" einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben.
Anderes muss jedoch für diejenigen Leistungsausschlüsse des § 7 SGB II gelten, welche in keinem Bezug zur Erwerbsfähigkeit stehen. Dies gilt zum einen für den hier in Rede stehenden Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, zum anderen aber beispielsweise auch hinsichtlich des Leistungsausschlusses für unerlaubt ortsabwesende Hilfebedürftige nach § 7 Abs. 4a SGB II (SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris). Anderenfalls hätten sonst auch unerlaubt ortsabwesende Hilfebedürftige, die zwar erwerbsfähig sind, aber dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II unterliegen, einen Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII und müssten in der Regel keinerlei Einbußen fürchten, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhielten und deshalb für eine Eingliederung nicht zur Verfügung stünden.
Entsprechendes gilt für den Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II während der ersten drei Monate des Aufenthalts eines Ausländers in Deutschland. Wollte man diesen Leistungsausschluss trotz der Erwerbsfähigkeit des hilfebedürftigen Ausländers dazu führen lassen, dass § 21 SGB XII keine Anwendung findet, hätten erwerbsfähige Ausländer aus EFA-Staaten bereits während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts in Deutschland einen gebundenen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Ausländerrechtliche Maßnahmen wären in diesem Zeitraum nicht zulässig, da Unionsbürgern der Aufenthalt für drei Monate ohne weiteres erlaubt ist.
Die genannten Beispiele zeigen aus Sicht der Kammer deutlich, dass die vom 4. und 14. Senat des BSG vorgenommene Auslegung des § 21 SGB XII zu Ergebnissen führt, welche die vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigte Abgrenzung zwischen den in der Regel erwerbsfähigen Leistungsempfängern nach dem SGB II und solchen nach dem SGB XII konterkariert, ohne dass hierfür eine zwingende verfassungsrechtliche Notwendigkeit ersichtlich ist.
Nach Überzeugung der Kammer gebieten vielmehr Wortlaut, Zweck und die Gesetzessystematik eine Auslegung des § 21 S. 1 SGB XII dahingehend, dass erwerbsfähige Personen, wenn sie einem nicht an die Erwerbsfähigkeit anknüpfenden Leistungsausschluss nach dem SGB II unterliegen, keinen Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII haben.
Es ist hier weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Antragstellerin nicht unter den normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes zumindest drei Stunden arbeiten können sollte, mithin nicht erwerbsfähig sein könnte.
Folglich greift § 21 S. 1 SGB XII ein mit der Folge, dass bereits aus diesem Grund ein Anspruch der Antragstellerin auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausscheidet.
b) Soweit – ungeachtet des nach hiesiger Auffassung bereits entgegenstehenden § 21 SGB XII – gleichwohl durch das BSG in den o.g. Entscheidungen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 befürwortet wird, Leistungen für den Lebensunterhalt, entweder auf Grundlage des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II als Hilfe zum Lebensunterhalt im Ermessenswege oder aber regelmäßig nach einem sechsmonatigen Aufenthalt wegen einer "Ermessensreduktion auf Null" nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII zu gewähren, vermögen die bislang vorliegenden Urteilsgründe die Kammer auch insofern nicht zu überzeugen.
Gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Zum einen ist die Kammer der Auffassung, dass § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII bereits aufgrund seiner systematischen Stellung und seines Wortlauts ("Im Übrigen ") nicht als Anspruchsgrundlage für Leistungen geeignet sein dürfte, die bereits von § 23 Abs.1 S. 1 SGB XII umfasst sind, d.h. insbesondere nicht für Leistungen wie "Hilfe zum Lebensunterhalt", sondern allenfalls für sonstige Leistungen der Sozialhilfe, wie z.B. für Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 SGB XII o.ä. (so auch SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris).
Zum anderen erscheinen die bislang vorliegenden Entscheidungsgründe der genannten Urteile des BSG nicht ausreichend, um die vom BSG herangezogenen systematischen Argumente des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 120 BSHG zur Begründung eines trotz des in § 23 Abs. 3 SGB XII enthaltenen Leistungsausschlusses verbleibenden Anspruchs auf Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auf § 23 SGB XII übertragen zu können. Denn die Systematik des Leistungsausschlusses in § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII unterscheidet sich entgegen der Auffassung des 4. Senats des BSG entscheidend von der Fassung des § 120 BSHG, zu welcher seinerzeit die Rechtsprechung des BVerwG erging.
Das LSG NRW (Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –) führt zur Historie und Systematik des § 23 SGB XII zutreffend folgendes aus:
"Bereits nach dem systematischen Aufbau der Vorschrift bezieht sich der in § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII geregelte Leistungsausschluss, der bezogen auf die betroffene Personengruppe dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gleichzusetzen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1180/15 -; insoweit überzeugend BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - Rn. 48 ff, juris) auf die vorherigen Absätze 1 und 2. Infolgedessen bezieht er sich auf die komplette Vorschrift des § 23 Abs. 1 SGB XII und somit denklogisch auch auf den Satz 3 der Norm.
bb) Soweit das BSG auf den "unveränderten Wortlaut" des § 23 SGB XII im Verhältnis zum früheren § 120 BSHG und in diesem Zusammenhang maßgeblich auf eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 10.02.1987 - 5 C 32/85 -; BVerwGE 78, 314-321) verweist (siehe BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 44 AS 15 R - Rn. 51/52, juris), ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 120 BSHG zwar unmittelbar vor der Einführung des SGB XII im Wesentlichen dem Wortlaut des § 23 SGB XII entsprach. Die der Entscheidung des BVerwG vom 10.12.1987 zugrundeliegende Fassung des § 120 BSHG war in ihren wesentlichen Grundzügen jedoch anders gefasst. § 120 Abs.1 BSHG in der Fassung vom 22.12.1983 lautete: "Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind und die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Tuberkulosehilfe und Hilfe zur Pflege nach diesem Gesetz zu gewähren; wer sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, hat keinen Anspruch. Im übrigen kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist." Im Gegensatz zu späteren Fassungen des BSHG (ab dem Jahr 1993) ist hier die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen im Wege des Ermessens nach - und nicht wie im Regelungskomplex des § 23 SGB XII vor - dem Leistungsausschluss aufgeführt. Diese Systematik konnte zu der Annahme berechtigen, dass die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auch im Falle eines Leistungsausschlusses möglich bleiben sollte (SG Dortmund, a. a. O.). Vor diesem Hintergrund bezog sich das BVerwG in dem vom BSG zitierten Urteil auch gerade auf den Wortlaut der Norm des § 120 BSHG. Es führt aus: "Auch aus der Systematik des § 120 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BSHG folgt dieses Verständnis. Der mit "Im übrigen ..." eingeleitete S. 2 des § 120 Abs. 1 BSHG schließt an den S. 1 mit seinen b e i d e n Halbsätzen an. Daß sich der Ausschluß vom Rechtsanspruch auf bestimmte Hilfen (zum Beispiel die Eingliederungshilfe), der nach Halbsatz 1 des § 120 Abs. 1 S. 1 BSHG von vornherein besteht, aus einem Umkehrschluß ergibt, während er im Halbsatz 2 unmittelbar bestimmt ist, ändert nichts an der "Gleichwertigkeit" des Ausschlusses vom Rechtsanspruch als des Tatbestandsmerkmals, an das im anschließenden S. 2 die Möglichkeit der Hilfegewährung im Einzelfall (in Ausübung von Ermessen) geknüpft ist" (BVerwG, Urteil vom 10.12.1987 - 5 C 32/85 -, BVerwGE 78, 314-321, Rn. 14). Unter Berücksichtigung des geänderten Aufbaus der Norm können die Ausführungen des BVerwG für die Beurteilung der Systematik des § 23 SGB XII nicht herangezogen werden.
cc) Die weitere Argumentation des BSG in der Entscheidung v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, dass die Begrifflichkeit des "Anspruchs" in § 23 Abs.3 S. 1 2. Alt. SGB XII nur den "gebundenen Anspruch" bzw. den "Rechtsanspruch" und nicht auch die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege gemäß § 23 Abs.1 S. 3 SGB XII meint, ist vor dem Hintergrund von § 17 SGB XII unverständlich, der die gesetzliche Überschrift "Anspruch" trägt und diesen Rechtsbegriff damit definiert. Die Norm lautet wie folgt: "(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. (2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern." Mit dem Rechtsbegriff "Anspruch" meint das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck nicht nur die Forderung gegen den Sozialhilfeträger auf eine Muss-Leistung, sondern auch Forderungen auf eine eine Ermessensleistung bewilligende Entscheidung." (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, Rn. 28, juris)
Dieser Argumentation schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an. Die in den Entscheidungsgründen des Urteils des 4. Senats vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) enthaltenen Verweise auf das systematische Argument des BVerwG zu § 120 BSHG a.F. greifen nicht, weil sich gerade die Systematik der Vorschrift entscheidend geändert hat. Die systematische Stellung des Leistungsausschlusses in der jetzigen Fassung des § 23 SGB XII (hinter Abs. 1 und Abs. 2) führt ebenso wie der Wortlaut ohne weiteres zu der Auslegung, dass der Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 SGB XII sämtliche in Abs. 1 derselben Norm genannten Ansprüche, mithin nicht nur den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern auch den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung "im Übrigen" erfasst.
Über diese Gesetzessystematik kann, wie es die 12. Kammer des SG Mainz (Beschl. v. 12.11.2015, S 12 AS 946/15 ER, Rn. 76, juris) insoweit zutreffend ausgedrückt hat, auch eine "verfassungskonforme Auslegung" nicht hinweghelfen, weil eine verfassungskonforme Auslegung nur unter Beachtung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlautes und unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik zulässig ist. Andernfalls würde die Verfassungskonformität der "ausgelegten" Vorschrift durch einen Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG und zugleich gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz erkauft. Nach Auffassung der Kammer wäre bei Zweifeln an der Vereinbarkeit der in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 SGB XII gesetzlich geregelten Leistungsausschlüsse mit dem Grundgesetz eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG der alleinige rechtsstaatlich vorgegebene Weg.
Die Kammer sieht sich – anders als das Bundessozialgericht in den Entscheidungen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 – daher nicht in der Lage, zugunsten erwerbsfähiger EU-Ausländer, welche kein anderes Aufenthaltsrecht als die Arbeitssuche haben, gesetzlich geregelte Leistungsausschlüsse im Wege einer Auslegung gleichsam auszuhebeln. Insbesondere ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der vom BSG nunmehr beschrittene Weg – an zwei gesetzlichen Leistungsausschlüssen vorbei und über eine Ermessensreduzierung auf "Null" – die einzig verfassungskonforme Möglichkeit der Gesetzesanwendung darstellt und diese "Auslegung" eine Vorlage nach Art. 100 GG entbehrlich oder gar unzulässig machen könnte.
Die Kammer selbst hat keine Zweifel an der Verfassungskonformität einer Anwendung der in § 21 S. 1 SGB XII und § 23 SGB XII geregelten Leistungsausschlüsse ohne die vom BSG vorgenommene einschränkende Auslegung.
Insoweit erscheint das durch Art. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) gesicherte Existenzminimum nämlich in der Regel dadurch gewährleistet, dass die Rückkehr in das zur Europäischen Union gehörende und solchermaßen ebenfalls eine Existenzsicherung garantierende Herkunftsland im Rahmen der Eigenverantwortung des Einzelnen (welche auch nach der jüngsten Rechtsprechung des 14. Senats des BSG – Urteil vom 9. März 2016 - B 14 AS 20/15 R – durchaus Teil des in Art. 1 GG verankerten Menschenbildes ist) dem Betroffenen zuzumuten ist.
Solange eine Rückkehr in den Herkunftsmitgliedsstaat möglich und zumutbar ist, kann die Situation von EU-Ausländern auch nicht mit derjenigen von Asylbewerbern gleichgesetzt werden. Der Verweis des Bundessozialgerichts auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG (BVerfG v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris) verfängt daher nicht.
Zutreffend hat der 20. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 28.09.2015, L 20 AS 2161/15 B ER, Rn. 22 f.) insoweit ausgeführt: "Dieses Grundrecht verpflichtet alle staatliche Gewalt, bei Menschen, denen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen Mittel fehlen, weil diese weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür zur Verfügung stehen. Dieses Grundrecht steht ausländischen und deutschen Staatsangehörigen gleichermaßen zu (BVerfG v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris, Rn. 63). Die Gewährleistung einen menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 62). Dies schließt es jedenfalls nicht aus, die Leistungen nur insoweit vorzuhalten, wie es erforderlich ist, um einen Betroffenen in die Lage zu versetzen, dass er existenzsichernde Leistungen seines Herkunftslandes in Anspruch nehmen kann. Ist ein Unionsbürger - wie der Antragsteller - in der Lage, ohne weiteres in sein Herkunftsland zu reisen, um dort existenzsichernde Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist der Staat im Rahmen seiner Gewährleistungsverpflichtung allenfalls gehalten, Reise- und Verpflegungskosten zur Existenzsicherung (vgl. zur Einschränkung des Anspruchs auf Sozialhilfe für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltsbefugnis besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem die Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist: BVerfG v. 09.02.2001, 1 BvR 781/98, juris zu § 120 Abs. 5 BSHG:), vorzuhalten (wie hier i.E.: LSG Baden-Württemberg v. 29.06.2015, L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B - a.a.O., Rn. 39; a.A. SG Mainz v. 02.09.2015, S 3 AS 599/15 ER, Urteilsabdruck S. 17, nicht veröffentlicht). ( ) Anders als der Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG - einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen vermittelt, sind Personen aus Mitgliedstaaten der EU in der Regel in der Lage, kurzfristig in ihren Herkunftsstaat zu reisen. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1, 20 GG für den Personenkreis der Anspruchsberechtigten nach dem AsylbLG, die gerade nicht in jedem Fall kurzfristig in ein anderes Land ausreisen können, um dort ihre Existenz zu sichern, auch höhere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung umfassen, als für ausländische Staatsbürger, die ihrer Notlage kurzfristig selbst begegnen können. Bei diesem Personenkreis kann sich die Gewährleistungsverpflichtung darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch reine Nothilfemaßnahmen zu unterstützen."
Dem schließt sich die erkennende Kammer nach eigener rechtlicher Prüfung an.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen im AsylbLG gerade typisierend Situationen von bestimmten Ausländergruppen erfasst hat, deren Rückreise in der Regel ein Ausreisehindernis entgegensteht, und er dabei in Kauf genommen hat, dass von den Regelungen ggf. auch solche Personen profitieren, die im Ausnahmefall rein tatsächlich keinem Ausreisehindernis unterliegen, gleichwohl aber nicht ausreisen.
Ein solcher gesetzlich geregelter genereller Leistungsanspruch findet sich für Unionsbürger, die über gar kein oder allenfalls über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche verfügen, gerade nicht – im Gegenteil: Diese Personengruppe fällt nach dem oben skizzierten Willen des Gesetzgebers unter diverse Leistungsausschlüsse im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII. Der Umstand, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - dem Gesetzgeber untersagt, bei der Höhe der Leistungen für Asylbewerber an migrationspolitische Erwägungen (im Sinne einer Abschreckung) anzuknüpfen oder ohne nähere Anhaltspunkte pauschal davon auszugehen, dass Asylbewerber sich nur kurzfristig bzw. vorübergehend in Deutschland aufhalten und daher einen geringeren Existenzsicherungsbedarf haben als deutsche Staatsbürger, bedeutet nach Auffassung der Kammer keineswegs, dass das BVerfG jedem Ausländer bedingungslose Grundsicherung zusprechen würde, unabhängig von seinem Aufenthaltsgrund und unabhängig davon, ob er einen in seinem Heimatland bestehenden Anspruch auf mit einer Grundsicherung vergleichbare Sozialleistungen unproblematisch realisieren kann.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung das aus Art. 20 Abs. 1 GG folgende Sozialstaatsprinzip durch die Verbindung zum Schutz der Würde des Menschen in Art. 1 Abs. 1 GG subjektivrechtlich ausgestaltet. Insoweit hat es entschieden:
Tenor:
"Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützt und sie in solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden kann" (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10; 1 BvL 2/11, Rn 63).
Bereits in dieser grundsätzlichen Definition des sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Anspruches auf die Sicherung des Existenzminimums hat jedoch das Bundesverfassungsgericht selbst die Hilfe Dritter als vorrangig angesehen. Zwar darf diese Hilfe Dritter nicht rein freiwillig, sondern muss durch einen Anspruch des Hilfebedürftigen gesichert sein (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10; 1 BvL 2/11, Rn 65). Dies ist jedoch bei den durch andere Staaten der Europäischen Union für ihre Staatsbürger gewährleisteten Hilfen unproblematisch der Fall. Insoweit entspricht der in §§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und § 21 S. 1 SGB XII geregelte Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (so auch SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016, S 35 AS 5396/15 ER, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Februar 2016, L 3 AS 668/15 B ER, Beschluss vom 5. November 2015, L 3 AS 479/15 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016, L 9 AS 1335/15 B ER m.w.N.).
Auch das LSG NRW (Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER) vertritt mit überzeugenden Argumenten diese Auffassung und führt hierzu folgendes aus:
"Der Ausschluss von EU-Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder die gar kein materielles Aufenthaltsrecht haben, wie wohl die Antragsteller, verstößt auch nicht gegen die Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat mit dem Leistungsausschluss für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so im Ergebnis auch: LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 05.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER -; v. 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER -; SG Dortmund, Beschluss v. 23.11.2015 - S 30 AS 3827/15 ER - juris; Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1188/15 B ER -). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BVerfGs vom 18.07.2012 (- 1 BvL 10/10, 1BvL 2/11 -, juris). Gegenstand dieser Entscheidung ist die Frage, inwiefern der Gesetzgeber bei der Ermittlung der Höhe von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums (dort: Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II und SGB XII) unterschiedliche Bedarfe festsetzen und sich bei dieser Differenzierung am Aufenthaltsstatus der Hilfebedürftigen orientieren darf. Das BVerfG führt in diesem Zusammenhang in Rn. 74 (juris) aus: "Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann". In Rn.75 (juris) heißt es: "Ob und in welchem Umfang der Bedarf existenznotwendiger Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht in Deutschland ( ...) bestimmt werden kann, hängt allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können". Das Urteil enthält dagegen keine Aussage darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht, Sozialleistungen zu verwehren (in Rn.74 knüpft es vielmehr an ein bestehendes Aufenthaltsrecht an) oder Personen mit einem bestimmten, näher definierten Aufenthaltsrecht (hier: dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche) vom Bezug von Sozialleistungen auszuschließen.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Situation eines Asylbewerbers grundsätzlich nicht mit der eines EU-Ausländers vergleichbar ist, der von seinem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche Gebrauch gemacht hat und in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist: Während ein Asylbewerber, der sich auf eine politische Verfolgung in seinem Heimatland beruft, regelmäßig nicht in sein Herkunftsland zurückkehren kann, ist dies der hier betroffenen Personengruppe in der Regel ohne Weiteres möglich. Diese Rückkehr in das Heimatland stellt ein zumutbares Mittel zur Selbsthilfe dar, dessen Einforderung das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht verletzt. Das BVerfG hat in einer gegen den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II (Leistungsausschluss für Auszubildende) gerichteten Verfassungsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (Beschluss vom 08.10.2014 - 1 BvR 886/11 -, juris). Es hat in diesem Zusammenhang in Rn. 13 ausgeführt: "Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ( ...) ist nicht verletzt. Nach § 2 Abs.2 S. 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tut der Beschwerdeführer nicht, wenn er studiert. Daher schließt § 7 Abs. 5 S. 1 SGB a. F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus." In Rn. 14 heißt es weiter: "Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG ( ...). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern soll." Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass das BVerfG keinen von dem Hilfebedürftigen möglichen Mitwirkungshandlungen losgelösten, allein aus der Hilfebedürftigkeit und dem tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet resultierenden Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums annimmt. Der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, führt danach nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, sondern berührt vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen gewählte Lebensgestaltung schützt. Nach diesen Maßgaben besteht keine Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Heimatland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat." (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, Rn. 35, juris)
Diese Ausführungen macht sich die erkennende Kammer ergänzend zu Eigen. Es bestehen daher grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einen "grundsicherungslosen Zustand" eines hilfebedürftigen Unionsbürgers, solange diesem die Rückkehr in den jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat möglich und zumutbar ist bzw. ermöglich wird (so i.E. auch SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER; Bayerisches Landessozialgericht, 16. Senat, Beschl. v. 13.10.2015, L 16 AS 612/15 ER; 7. Senat, Beschl. v. 01.10.2015, L 7 AS 627/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, 3. Senat, Beschl. v. 05.11.2015, L 3 AS 479/15 B ER; LSG Hamburg, 4. Senat, Beschl. v. 15.10.2015, L 4 AS 403/15 B ER).
Solchermaßen gebietet das Grundgesetz aus Sicht der Kammer gerade keine zwingende Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt an Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht oder solche, die nur zur Arbeitssuche aufenthaltsberechtigt sind.
c) Schließlich vermag auch die Begründung des 4. Senats des BSG in seiner Entscheidung vom 03.12.2015 zu der von ihm angenommenen Ermessensreduzierung auf "Null" nicht zu überzeugen.
Ohne jede weitere Voraussetzung eine Ermessensreduktion "auf Null" generell schon nach sechs Monaten Aufenthalts anzunehmen, weil dann ein "verfestigter Aufenthalt" vorliege, und volle Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, wie dies das Bundessozialgericht in den o.g. Entscheidungen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 befürwortet, steht zum einen im Widerspruch zu den Wertungen und dem Regelungskonzept des FreizügG/EU, das seinerseits die Vorgaben der nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 11.11.2014, C 333/13, "Dano" und Urt. v. 15.09.2015, C 67/14, "Alimanovic") ihrerseits primärrechtskonformen Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) umsetzt.
Ein sechsmonatiger Aufenthalt, der offenkundig nicht zu einer (nachhaltigen) Integration in den bundesdeutschen Arbeitsmarkt geführt hat, indiziert nicht etwa einen "verfestigten Aufenthalt", sondern führt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a a.E. FreizügG/EU vielmehr zu einer Einschränkung des Freizügigkeitsrechts dergestalt, dass die Freizügigkeitsberechtigung von einem Nachweis des Betroffenen abhängt, weiterhin ernsthaft Arbeit zu suchen mit der begründeten Aussicht, eingestellt zu werden (so auch SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.02.2016, L 3 668/15 B ER, Umdruck nach Sozialgerichtsbarkeit.de, S. 3).
Der Ausschluss eines ausländischen Antragstellers von Sozialleistungen war im Falle einer zumutbaren Rückkehr in das Herkunftsland zum Sozialleistungsbezug zum anderen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 BSHG, auf die das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 03.12.2015 ausdrücklich Bezug genommen hatte, nicht ermessensfehlerhaft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.07.1988, 5 B 136/87, 5 ER 279/87, 5 B 136/87, 5 ER 279/87, Rn. 3, juris; zum Fall eines polnischen Staatsbürgers, der ohne weiteres in sein Heimatland zurückkehren konnte).
Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht in einem grundlegenden Urteil vom 10.12.1987 (5 C 32/85, Rn. 13, juris,) ausdrücklich zu § 120 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BSHG die Möglichkeit einer Hilfegewährung im Ermessenswege nur deshalb bejaht, weil "es Lebenssachverhalte geben kann, bei denen nach dem auch bei der Anwendung des § 120 BSHG zu berücksichtigenden Gesamtverständnis des Sozialhilferechts die Leistung von (unter Umständen eingeschränkter) Hilfe selbst dann möglich bleiben muss, wenn der Ausländer den Tatbestand des Halbsatzes 2 des § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG erfüllt, mit dem im Interesse der Leistungsfähigkeit der Träger der Sozialhilfe missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen der Sozialhilfe entgegengewirkt werden soll".
Die der o.g. Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 03.12.2015 zugrunde liegende Annahme einer pauschalen Ermessensreduktion "auf Null" nach einem sechsmonatigen Aufenthalt unter Gewährung voller Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII steht daher nicht in einer Linie mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 BSHG; sie steht eher im Widerspruch hierzu. Denn nach der oben dargestellten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sollte im Ermessenswege lediglich Raum für eine ausnahmsweise Berücksichtigung besonderer Einzelfälle bleiben, und zwar sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch des "Wie". Zweifel an der Verfassungsgemäßheit dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurden – soweit hier ersichtlich – in der Vergangenheit nicht geäußert.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Bundesverwaltungsgericht in der o.g. Entscheidung vom 10.12.1987 eine Ermessensreduktion "auf Null" ausdrücklich sogar für den Fall verneint hat, dass die Ausländerbehörde inzwischen einen Aufenthaltstitel erteilt hatte. Wörtlich führt das Bundesverwaltungsgericht hierzu aus:
"Das dem Beklagten hiernach eröffnete Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob dem Kläger trotz der Feststellung, dass er sich in den Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden kann, ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht schon aus dem Grund "auf Null geschrumpft" (mit der Folge, dass nur die Gewährung der begehrten Hilfe zum Lebensunterhalt - in voller Höhe - rechtmäßig wäre), dass das Ausländeramt der Beklagten auf der Grundlage des Erlasses des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. September 1980 dem Kläger aus in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG genannten Gründen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AuslG eine bis zum 3. Juni 1985 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt hatte. Mit den diese Ansicht tragenden Erwägungen, dass zwischen dem Ausländer- und dem Sozialhilferecht Verbindungen und Wechselwirkungen bestünden, dass die grundgesetzlich geschützte Würde des Menschen im Ausländer- und im Sozialhilferecht zu beachten sei und dass sich aus der Einheitlichkeit der Verwaltung in ihren Funktionen das Gebot ergebe, gegenläufige Verwaltungsentscheidungen zu vermeiden, bindet das Verwaltungsgericht den Träger der Sozialhilfe der Sache nach an die Entscheidung der Ausländerbehörde, ohne dass sich eine solche Bindung aus dem Gesetz herleiten lässt. Diese Begründung, die ein abstraktes, außerhalb der sozialhilferechtlichen Regelung liegendes Merkmal genügen lässt und damit eine unbestimmte Anzahl von Personen erfasst, bewirkt im Ergebnis, dass der Halbsatz 2 des § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG in allen Fällen, in denen in Anwendung des Ausländerrechts eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, eine Abschiebung förmlich ausgesetzt wird (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG) oder aus in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG erwähnten Gründen tatsächlich unterbleibt, nicht mehr anzuwenden wäre. Das ist zum einen mit der gesetzlichen Regelung als solcher und ihrer Systematik nicht zu vereinbaren. Zum anderen wird hierbei außer Acht gelassen, dass die Hilfegewährung, besteht auf sie gerade aus dem Grund des Missbrauchs kein Rechtsanspruch, im E i n z e l f a l l (gleichwohl) g e r e c h t f e r t i g t sein muss. Besonders von da her verbietet es sich, den erwähnten ausländerrechtlichen Regelungen, aufgrund deren dem Ausländer ohnehin nur der weitere Verbleib in der Bundesrepublik freigestellt ist, in der Weise ausschließlichen Charakter beizulegen, dass ihnen - was die zu treffende sozialhilferechtliche Regelung angeht - eine auf Personengruppen abstellende Automatik zukäme" (BVerwG, Urteil vom 10.12.1987 - 5 C 32/85, Rn. 18, juris, Hervorhebungen im Original).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur damaligen Regelung in § 120 BSHG, kann daher nach Auffassung der Kammer gerade nicht zur Rechtfertigung der vom BSG in seiner o.g. Entscheidung vom 03.12.2015 angenommenen Ermessensreduktion "auf Null" herangezogen werden (so auch SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris).
Die Kammer sieht mithin auch keine Veranlassung, die Annahme einer Ermessensreduktion auf "Null" in irgendeiner Weise davon abhängig zu machen, ob die Ausländerbehörde bereits Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts des EU-Bürgers eingeleitet hat oder nicht (so aber BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R). Auch dem Urteil des BVerfG zur Höhe der Asylbewerberleistungen lässt sich ein solcher Zusammenhang in keiner Weise entnehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem zu § 120 BSHG ausdrücklich entschieden, dass nach dem der Änderung des § 120 Abs. 2 BSHG zugrundeliegenden Gesetzeszweck, nämlich die Dynamik der öffentlichen Ausgaben zu begrenzen, es sozialhilferechtlich unbedenklich sei, mit einer Kürzung von Sozialhilfemitteln eine weitere Einsparung von Sozialhilfemitteln anzustreben, die einträte, wenn der Hilfeempfänger seiner Ausreisepflicht nachkäme. Dass der geduldete Ausländer ausländerrechtlich nicht zur Ausreise gezwungen werde, hindere den Sozialhilfeträger nicht, mit der Einschränkung der Sozialhilfe auf seine Ausreise und damit auf den Wegfall der Sozialhilfe hinzuwirken (BVerwG, Urt. v. 26.09.1991, 5 C 61/88, Rn. 15, juris).
Auch im Lichte dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint es nicht gerechtfertigt und erst recht nicht geboten, in Fällen der möglichen und ausländerrechtlich durchsetzbaren Ausreise eines Unionsbürgers gleichwohl ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, bis eine zwangsweise Abschiebung erfolgen kann. Hinzu kommt, dass bei arbeitssuchenden Unionsbürgern die Ausländerbehörde naturgemäß auch keinerlei Maßnahmen ergreifen könnte, weil diese Personen in der Regel ja gerade über ein Aufenthaltsrecht verfügen.
Selbst wenn man also – trotz des Leistungsausschlusses in § 23 Abs. 3 SGB XII – mit dem BSG die Eröffnung eines Ermessensspielraums in Bezug auf eine gerechtfertigte Hilfegewährung annehmen wollte, so wäre diese nicht etwa generell aufgrund eines Aufenthalts von sechs Monaten begründet, sondern es könnte allenfalls im Einzelfall zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang eine solche Gewährung von Leistungen gerechtfertigt ist. Hierbei spielt die reine Dauer des bisherigen Aufenthalts allenfalls neben weiteren Faktoren eine Rolle.
Aus Sicht der Kammer sind kaum Fälle denkbar, in welchen Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG die Gewährung ungekürzter Hilfe zum Lebensunterhalt an EU-Ausländer gebieten könnte, obwohl der Aufenthalt in Deutschland illegal und eine Rückkehr in das Herkunftsland zumutbar ist. Dementsprechend sieht auch das geltende Gemeinschaftsrecht weder in der Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) noch in der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Ausübung von Freizügigkeit Sozialleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu erhalten, einen "bedingungslosen" Anspruch auf vollständige Gleichbehandlung mit Inländern vor; dies hat der EuGH explizit in den Rechtssachen "Dano" und "Alimanovic" bestätigt und für unionsrechtskonform erklärt.
Wollte man gleichwohl Leistungen für den Lebensunterhalt – anders als dies der deutsche Gesetzgeber bislang vorgesehen hat und auch über das hinausgehend, was der europäische Gesetzgeber und der EuGH fordern – grundsätzlich allen wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgern ohne Aufenthaltsperspektive gleichsam eine "voraussetzungslose Existenzsicherung", zugänglich machen, so bedürfte gerade dies einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, insbesondere – aber nicht nur – im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung und das Primat des Bundesverfassungsgerichts:
Denn wenn entgegen § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II bzw. § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII sowie § 21 SGB XII die nach der Anordnung des Gesetzgebers ausgeschlossenen Personen nun qua verfassungsrechtlicher Notwendigkeit letztlich mit denselben Existenzsicherungsleistungen versorgt werden sollen wie SGB II- Grundsicherungsbezieher, dann muss im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG die Frage beantwortet werden, mit welcher Rechtfertigung diese Personen gegenüber SGB II-Grundsicherungsbeziehern besser gestellt werden sollen ("Fördern ohne Fordern"?; SG Berlin, Beschluss vom 22. Februar 2016 – S 95 SO 3345/15 ER –, juris; kritisch bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.01.2015, L 29 AS 3339/14 B ER). Denn erwerbsfähige deutsche Staatsangehörige im SGB II-Leistungsbezug wie im Übrigen auch ausländische Staatsangehörige, die für (ergänzende) SGB II-Leistungen in einem hinreichenden Umfang selbständig oder abhängig beschäftigt arbeiten oder lange genug gearbeitet haben, sehen sich – anders als Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII – für den Bezug solcher Grundsicherungsleistungen einem komplexen System des "Förderns und Forderns" mit einer Vielzahl von Mitwirkungs- und Selbsthilfepflichten gegenüber, welche beispielsweise durch Eingliederungsvereinbarungen durchgesetzt werden, deren Nichteinhaltung durch empfindliche Leistungsabsenkungen zu sanktionieren sind.
Die durch das BSG befürwortete Gesetzesanwendung würde zu weiteren erheblichen Wertungswidersprüchen führen: Während beispielsweise ein deutscher erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, der das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und (ohne dass es zwingend erforderlich wäre) aus der elterlichen Wohnung auszieht, gemäß § 22 Abs. 5 SGB II grundsätzlich keine Kosten der Unterkunft und Heizung für eine angemietete eigene Wohnung erhält, könnte ein gleichaltriger erwerbsfähiger hilfebedürftiger Unionsbürger, würde man der Auffassung des BSG aus den Entscheidungen vom 03.12.2015 folgen, Kosten der Unterkunft und Heizung für eine eigene Wohnung im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII beanspruchen. Mit anderen Worten: Dem Inländer wären Leistungen für seine Unterkunft zu versagen, da ihm eine Rückkehr zu seinen Eltern – ggf. auch ohne weiteres in eine andere Stadt – zugemutet wird, während der Unionsbürger Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung sowie Mietkaution, Erstausstattung etc. auch dann erhalten könnte, wenn er jünger als 25 Jahre ist und ohne weiteres zu seinen Eltern zurückkehren könnte.
Eine tragfähige Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung insoweit gleicher Sachverhalte ist für die Kammer nicht ersichtlich und findet sich auch in den Entscheidungsgründen der bisher vorliegenden BSG-Urteile nicht.
Auch vor diesem Hintergrund der beispielhaft genannten Verletzungen von Art. 3 GG gegen vermag sich die erkennende Kammer nicht der Rechtsauffassung des BSG aus den Urteilen vom 03.12.2015 und 16.12.2015 (a.a.O.) anzuschließen.
3.) Die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII an die Antragstellerin ist auch im hiesigen Einzelfall nicht nach Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG verfassungsrechtlich geboten. Denn dass der Antragstellerin eine Rückkehr nach Slowenien zur Sicherung ihrer Existenz, insbesondere durch Bezug dortiger Sozialleistungen, tatsächlich unmöglich oder unzumutbar sein könnte, ist hier nicht im Ansatz erkennbar. Auch Slowenien verfügt über ein Leistungssystem für beitragsunabhängige Sozialleistungen (sog. "Mindestsicherung"), http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1128&langId=de&intPageId=3033. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum die Antragstellerin in ihrem Heimatland nicht – ggf. mit Hilfe dieser Sozialleistungen – ihren Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Die Antragstellerin hat auf die Frage des Gerichts, warum sie nicht nach Slowenien zurückkehren könne, lediglich mitgeteilt, dass sie dies nicht wolle.
Tragfähige Gründe, die gegen eine Rückkehr in ihr Herkunftsland und die Inanspruchnahme dort gewährter Sozialleistungen sprechen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich. Die Kammer kann nicht erkennen, dass eine Rückkehr der Antragstellerin nach Slowenien und die Geltendmachung ihrer Ansprüche auf die dort gewährten Existenzsicherungsleistungen gegen die Menschenwürde verstoßen könnte.
Nach Überzeugung der Kammer besteht daher kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Deutschland.
Allenfalls könnte hier ein Anspruch auf Hilfeleistungen, die der Antragstellerin eine Rückkehr in den Herkunftsmitgliedstaat (d.h. insbesondere Fahrt- sowie ggf. Umzugskosten, Verpflegung) ermöglichen, in Betracht kommen. Solche Leistungen begehrte die Antragstellerin aber nicht, so dass diese auch nicht zuzusprechen waren.
Nach alledem hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen war. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der Hauptsache die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden müsste und der 4. und 14. Senat des Bundessozialgerichts einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt für möglich halten. Zum einen hat der für die hier beantragten Leistungen nach dem SGB XII zuständige 8. Senat des Bundessozialgerichts noch keine Entscheidung über einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt für Unionsbürger getroffen, zum anderen hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) ausdrücklich eingeräumt, dass eine Ermessensreduktion auf "Null" nicht in jedem Fall angenommen werden müsse. Dies liegt im Übrigen in der Natur einer Ermessensentscheidung und hat zur Folge, dass ein Erfolg in der Hauptsache auch in Anbetracht des möglichen Instanzenzuges zum Bundessozialgericht zum jetzigen Zeitpunkt nicht ohne weiteres angenommen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
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