L 32 AS 1945/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 147 AS 25469/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1945/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2014 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,73 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 31. Juli 2012.

Die 1961 geborene Klägerin bewohnt seit 16. November 1997 eine 61,3 m2 große Wohnung A in B. Die Wohnung gehört zu einem Gebäude, dessen beheizbare Grundfläche 4348,28 m2 beträgt. Sie wird mittels Fernwärme beheizt. Das Warmwasser wird mit Strom aufbereitet. Nach dem Mietvertrag vom 3. November 1997 beträgt die Kündigungsfrist zwölf Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen sind.

Mit Bescheiden vom 28. Juli 2008 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 15. Juli 2008 bis 31. August 2008 bzw. vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 bewilligt, wobei die Kosten für Unterkunft und Heizung von seinerzeit 512,14 Euro monatlich in vollem Umfang übernommen worden waren.

Mit Schreiben vom 18. August 2008 hatte der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass als angemessene Unterkunftskosten (Bruttowarmmiete) für einen Einpersonenhaushalt 360,00 Euro gelten. Die Kosten der Klägerin überschritten diesen Wert, so dass sie nicht auf Dauer übernommen werden könnten. Die Klägerin müsse daher ihre Aufwendungen durch Untervermietung, Eigenbeteiligung oder Wohnungswechsel senken. Die tatsächlichen Aufwendungen könnten damit für einen Zeitraum von längstens sechs Monaten bis zum 28. Februar 2009 übernommen werden.

Nach Aufnahme einer Beschäftigung als Lehrerin beim zum 5. September 2008, die die Klägerin bis 28. Februar 2009 ausübte, und der sich vom 1. März 2009 bis 30. August 2009 der Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III anschloss, hatte der Beklagte mit Bescheiden vom 12. Januar 2009 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung vom 1. September 2008 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit aufgehoben.

Auf den im August 2009 gestellten Antrag hatte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 9. September 2009 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 bewilligt, wobei als Kosten für Unterkunft und Heizung 378,00 Euro statt der tatsächlichen damaligen Kosten von 530,86 Euro gewährt worden waren. Der dagegen eingelegte Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2009 zurückgewiesen und die dagegen eingelegte Klage war mit Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 – S 201 AS 42151/09 – abgewiesen worden. Im sich anschließenden Berufungsverfahren (L 14 AS 505/11) hatten die Beteiligten nach Hinweis des Gerichts, dass § 573 c Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorsehe und nach § 573 c Abs. 4 BGB weitergehende Kündigungsregelungen unwirksam seien, am 18. März 2014 einen Vergleich u. a. dahingehend geschlossen, dass der Beklagte für die Zeit vom 1. September 2009 bis 30. November 2009 die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 530,86 Euro monatlich gewährt und die Klägerin weitere Rechte nicht geltend macht.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2010 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 bewilligt, wobei als Kosten für Unterkunft und Heizung 378,00 Euro monatlich gewährt worden waren. Der dagegen eingelegte Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2010 zurückgewiesen worden. Dagegen hatte die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage (S 197 AS 11169/10) erhoben. Nachdem mit Bescheiden vom 29. Juli 2010 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 30. Juni 2010 bzw. ab 1. Juli 2010 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit aufgehoben worden war, weil die Klägerin vom 12. April 2010 bis 11. April 2011 eine Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uausübte, hatte die Klägerin am 14. Januar 2011 die Klage zurückgenommen.

Die Klägerin war danach vom 16. August 2010 bis 24. Juni 2011 als Lehrerin beim Land Hessen und vom 1. April 2011 bis 30. September 2011 als Dozentin bei der S(E) beschäftigt und bezog anschließend vom 1. Oktober 2011 bis 30. Mai 2012 Arbeitslosengeld nach dem SGB III.

Im Mai 2012 beantragte die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB II. Sie gab an, ihren Lebensunterhalt bisher aus Arbeitslosengeld I und Einnahmen aus geringfügiger Selbständigkeit bestritten zu haben. Sie fügte die Anlage EKS für die Zeit von Juni bis November 2012 zu ihrer selbständigen Tätigkeit als Dozentin bei.

Die monatliche Gesamtmiete beträgt ab 1. April 2012 599,73 Euro, bestehend aus 399,73 Euro Nettokaltmiete, 156,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 44,00 Euro Heizkostenvorauszahlung.

Mit Bescheid vom 6. Juni 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 30. November 2012 vorläufig in Höhe von 778,60 Euro monatlich (382,60 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich eines Mehrbedarfs Warmwasser/Energie und 396,00 Euro für Unterkunft und Heizung).

Mit Änderungsbescheid vom 7. Juni 2012 setzte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II unverändert erneut fest.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der festgelegte Satz für Unterkunft und Heizung in Höhe von 396,00 Euro sei zu niedrig. Es seien die tatsächlichen Kosten zunächst für sechs Monate zu übernehmen. Es sei äußerst fraglich, ob sie eine günstigere Mietwohnung finde.

Am 25. Juli 2012 teilte die Klägerin mit, sie habe am 23. Juli 2012 eine Tätigkeit als Lehrerin/Dozentin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2 000,00 Euro befristet auf ein Jahr aufgenommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Mit Schreiben vom 18. August 2008 sei die Klägerin darüber informiert worden, dass die Unterkunftskosten nicht den Richtwerten der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung (AV Wohnen) entsprächen und lediglich bis einschließlich 28. Februar 2009 durch den Beklagten in der bisherigen Höhe weiter berücksichtigt würden. Vorliegend sei als Richtwert gemäß Anlage 2 Tabelle A zu § 4 Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II – Wohnungsaufwendungsverordnung (WAV) – für einen Einpersonenhaushalt eine angemessene Bruttowarmmiete unter Berücksichtigung von Heizart (Fernwärme) und Gebäudefläche () 1000 m2) eine Bruttowarmmiete in Höhe von 396,00 Euro angemessen. Es sei auch nicht etwa ein erneutes Absenkungsverfahren einzuleiten gewesen, nur weil die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2010 bis 30. September 2010 nicht hilfebedürftig gewesen sei und in der Zeit ab 1. Oktober 2010 Arbeitslosengeld nach dem SGB III bezogen habe.

Dagegen hat die Klägerin am 2. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.

Mit Aufhebungsbescheid vom 28. März 2013 hob der Beklagte die Entscheidungen vom 6. Juni 2012 und 7. Juni 2012 für die Zeit vom 1. August 2012 bis 30. November 2012 ganz auf: Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei die Klägerin nicht hilfebedürftig.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, es sei keine wirksame Absenkungsaufforderung erfolgt, da die Hilfebedürftigkeit seit der Aufforderung vom 28. Juli 2008 zwischenzeitlich mehrfach unterbrochen gewesen sei. Würde die Absenkungsaufforderung vom 28. Juli 2008 weiterhin Wirkung entfalten, müsste sie nur auf die bloße Möglichkeit hin, wieder in den Bezug von Arbeitslosengeld II zu geraten, ihre Kosten der Unterkunft sozusagen im vorauseilenden Gehorsam absenken, was im Ergebnis bedeuten würde, dass sie ihre Wohnung aufgeben müsste.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin lediglich in der Zeit vom 1. Mai 2010 bis 30. September 2011, mithin für ein Jahr und vier Monate, nicht hilfebedürftig gewesen sei. Lediglich wenn Tatsachen dafür sprächen, dass der Antragsteller objektiv habe davon ausgehen können, dass sein vorheriger Leistungswegfall nicht nur von vorübergehender Dauer sein würde, sei eine Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der üblichen Fristen vertretbar. Die Klägerin sei nach dem Arbeitsvertrag mit der Universität P vom 12. April 2010 lediglich befristet vom 12. April 2010 bis 31. März 2011 angestellt gewesen. Die Warnfunktion aus dem Informationsschreiben vom 18. August 2008 habe somit über den 1. Mai 2010 dauerhaft fortbestanden. Zudem habe die Klägerin die "Schonfrist" von längstens sechs Monaten bereits vollständig ausgeschöpft gehabt.

Mit Urteil vom 13. Juni 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen: Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung seien nicht angemessen. Der vom Beklagten zugrunde gelegte Angemessenheitswert von 396,00 Euro basiere auf der WAV, die das Bundessozialgericht (BSG) insgesamt für rechtswidrig und unwirksam erklärt habe. Nach dem eigenen schlüssigen Konzept, wonach die in Berlin angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung durch Auswertung der Mietspiegeldaten zu bestimmen seien, wären Kosten der Unterkunft und Heizung sogar nur in Höhe von lediglich 366,50 Euro angemessen gewesen. Für einen Einpersonenhaushalt sei eine Bruttokaltmiete von 322,50 Euro abstrakt angemessen. Dies berechne sich aus dem Produkt der für die hier zu beurteilende Haushaltsgröße, der höchstens angemessenen Wohnungsgröße und der angemessenen Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete zzgl. Betriebskosten), nämlich: 50 (m2) x 4,91 (Euro/m2) + 50 (m2) x 1,54 (Euro/m2) = 322,50 Euro. Die Kosten der Unterkunft und Heizung müssten auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in tatsächlicher Höhe übernommen werden. Es sei der Klägerin möglich und zumutbar gewesen, die Kosten der Unterkunft z. B. durch einen Umzug zu senken. Es bestünden auch keine Zweifel an der subjektiven Möglichkeit der Klägerin zur Kostenreduzierung, denn sie habe bei der erneuten Antragstellung nicht darauf vertrauen können, dass ihr eine erneute "Schonzeit" zustehe. Mit Schreiben vom 18. August 2008 habe der Beklagte auf die Kostensenkung hingewiesen. Die Tatsache, dass der Beklagte in der Kostensenkungsaufforderung lediglich eine Bruttowarmmiete nach der damals vom Beklagten angewandten AV Wohnen als einheitlichen Betrag nenne, führe nicht zu ihrer Unwirksamkeit. Die Warnfunktion dieser Kostensenkungsaufforderung habe nach den Umständen des zur Entscheidung stehenden Einzelfalles dauerhaft fortbestanden. An die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit seien strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung müsse entsprechend der Ausnahmefall bleiben. Einerseits werde in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass nach einem zwischenzeitlich länger als ein Jahr dauernden Ausscheiden eines Leistungsempfängers aus dem Leistungsbezug davon ausgegangen werden könne, dass die Warnfunktion einer weit zurückliegenden Kostensenkungsaufforderung erloschen sei. Andererseits werde angenommen, dass auch bei einer Unterbrechung des Leistungsbezuges von mehr als einem Jahr es zu einer Fortwirkung einer früheren Kostensenkungsaufforderung komme. Vorliegend sei eine Fortwirkung der Kostensenkungsaufforderung ohne Gewährung einer weiteren "Schonfrist" anzunehmen. Die Klägerin habe zwischenzeitlich kein unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgenommen gehabt. Bei den im Zeitraum vom 12. April 2010 bis 30. September 2011 ausgeübten Tätigkeiten habe es sich um jeweils auf weniger als ein Jahr befristete Tätigkeiten gehandelt. Die Klägerin habe daher zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen können, die Hilfebedürftigkeit dauerhaft überwunden zu haben. Es werde dabei nicht verkannt, dass eine besonders lange, zweijährige Unterbrechung des Leistungsbezuges vorliege. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im zweiten Jahr der Unterbrechung allein acht Monate Arbeitslosengeld I erhalten habe und in dieser Zeit (jedenfalls auch) damit habe rechnen müssen, nach Beendigung dieses Leistungsbezuges wieder Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu müssen. Zudem sei die Klägerin vom 1. September 2009 bis 30. April 2010 wieder im Leistungsbezug gewesen und habe in diesem Zeitraum hinreichend Möglichkeit gehabt, ihre Kosten zu senken. Spätestens bei Erlass des Bescheides vom 9. September 2009 dürfte der Klägerin klar gewesen sein, dass sie ihre Kosten der Unterkunft und Heizung innerhalb der nächsten sechs Monate hätte senken müssen. Da die Klägerin somit bereits im Zeitraum vom 1. September 2009 bis 30. April 2010 die Möglichkeit gehabt habe, ihre Kosten auf ein angemessenes Maß zu senken, habe sie die "Schonfrist" bereits ausgeschöpft gehabt. Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Diese Vorschrift enthalte lediglich eine Zumutbarkeitsregelung, die verhindern soll, dass der Leistungsberechtigte nicht sofort (bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen werden solle, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Wenn der Leistungsbezieher bereits während des Bezuges von Sozialleistungen früher auf die unangemessenen Kosten aufmerksam gemacht worden sei, sei dem genannten Schutzzweck Genüge getan. Eine erneute "Schonfrist" von sechs Monaten entspreche mithin nicht der Ratio des Gesetzes. Der Klägerin sei es auch rechtlich möglich gewesen, einen Wohnungswechsel vorzunehmen. Ihr sei es möglich gewesen, ihre Wohnung so zu kündigen, dass sie zum 1. Juni 2012 in eine günstigere Wohnung habe ziehen können. Die im Mietvertrag vorgesehene zwölfmonatige Kündigungsfrist dürfte wegen § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam sein, so dass nach § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB das Recht bestehe, die Wohnung mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen. Der Klägerin sei es daher in den letzten drei Monaten des Arbeitslosengeld I-Bezuges (März 2012 bis Mai 2012) zumutbar gewesen, ihre Wohnung mit Blick auf den nahenden Leistungsbezug nach dem SGB II zu kündigen. Sie habe zu diesem Zeitpunkt auch keine neue Tätigkeit in Aussicht gestanden. Sie habe in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass sich die Beschäftigung ab 23. Juli 2012 recht kurzfristig Anfang Juni 2012 ergeben habe.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 1. Juli 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Juli 2014 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie meint, nicht verpflichtet zu sein, quasi drei Monate vor dem Ende des Arbeitslosengeldanspruches vorsorglich den Mietvertrag zu kündigen und in eine kostengünstigere Wohnung umzuziehen. Die Annahme des Sozialgerichts, sie habe im mehrmonatigen Arbeitslosengeldbezug mit einem erneuten Arbeitslosengeld II-Bezug rechnen müssen, sei nicht haltbar und nicht durch entsprechende Erfahrungssätze zu belegen. Zudem müsse das Grundrecht der Klägerin, ihren Aufenthaltsort frei bestimmen zu dürfen (Art. 11 Grundgesetz – GG ), berücksichtigt werden. Zwischenzeitlich habe das BSG auch die WAV "gekippt".

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Änderung der Bescheide vom 6. Juni 2012 und vom 7. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2012 der Klägerin weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,73 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 31. Juli 2012 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Regelfall des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei für den erstmaligen Eintritt in den Leistungsbezug konzipiert. Bei befristeter Erwerbstätigkeit müsse sich ein Betroffener zwar nicht während der eigenständigen Deckung des Existenzminimums um eine Kostensenkung bemühen. Er könne jedoch auch nicht davon ausgehen, nochmals steuerfinanziert für die volle Schonfrist von sechs Monaten die nicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu erhalten. Die Aufklärungs- und Warnfunktion der früheren Kostensenkungsaufforderung sei nicht verloren gegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (Behelfsakten Band I und II; , der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 6. Juni 2012 und vom 7. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2012 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,73 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 31. Juli 2012. Insoweit handelt es sich um nicht angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung, die auch nicht vorübergehend anzuerkennen sind.

Die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II lagen vor.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Dabei erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Die Klägerin erfüllte diese Voraussetzungen. Die Altersgrenze nach § 7a SGB II hatte die 1961 geborene Klägerin noch nicht erreicht. Sie war erwerbsfähig, da keine Anhaltspunkte ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen sind, dass sie in ihrer Erwerbsfähigkeit beschränkt gewesen sein könnte. Vielmehr belegen ihre in der Vergangenheit ausgeübten Beschäftigungen und insbesondere die zum 23. Juli 2012 aufgenommene Beschäftigung das Vorhandensein ihrer Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin war hilfebedürftig, denn nach ihren Angaben in der Anlage EKS erzielte sie lediglich für Juni 2012 voraussichtlich 100,00 Euro monatlich. Einnahmen aus ihrer zum 23. Juli 2012 aufgenommenen Beschäftigung waren im Juli 2012 noch nicht zugeflossen. Ihre Zinseinkünfte im letzten Jahr (2011) betrugen insgesamt 19,27 Euro. Ihr Vermögen beschränkte sich auf Guthaben auf Giro- und Sparkonten im Gesamtumfang von 7 586,99 Euro und erreichte damit die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 SGB II nicht. Danach sind vom Vermögen abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 Euro je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner, mindestens aber jeweils 3 100,00 Euro, wobei bei Personen, die nach dem 31. Dezember 1957 und vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, der Grundfreibetrag jeweils 9 900,00 Euro nicht übersteigen darf (§ 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II), und ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Leistungsberechtigten. Daraus resultiert für die 1961 geborene Klägerin, die im streitigen Zeitraum 51 Jahr alt war, ein Grundfreibetrag von 7 650,00 Euro (51 Jahre x 150,00 Euro). Hinzu kommt ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen von 750,00 Euro, woraus ein Gesamtfreibetrag von 8 400,00 Euro resultiert. Die Klägerin hatte außerdem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin hatte auch Anspruch auf die Kosten für Unterkunft und Heizung, denn die Leistungen des Arbeitslosengeldes II umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Der Senat hat dabei vorliegend allein über die Kosten für Unterkunft und Heizung zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten der Unterkunft und Heizung stellt (auch weiterhin) eine von der übrigen Regelung im Bescheid über die Gewährung von Arbeitslosengeld II abtrennbare Verfügung im Sinne eines eigenständigen Verwaltungsaktes dar, so dass eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf den einen oder anderen Teil zulässig ist (BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R, Rn. 10, zitiert nach juris; abgedruckt in SozR 4 4200 § 22 Nr. 78).

Da die Klägerin ihr Begehren auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung auf diesen Teil der Verfügung in den angefochtenen Bescheiden beschränkt hat, hat der Senat ausschließlich darüber zu befinden.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt: Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Die Ermittlung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung erfordert eine Einzelfallprüfung. Diese hat für die Unterkunftskosten und die Heizkosten getrennt zu erfolgen (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R, Rdnr. 18, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 23).

Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie festzustellen (grundlegend: BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 20, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3). Diese stellt auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard (als Summe von angemessener Kaltmiete je Quadratmeter und angemessenen kalten Betriebskosten) ab, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis für die Unterkunft (Bruttokaltmiete) setzt sich damit aus der Nettokaltmiete und den kalten Betriebskosten zusammen (BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 R, Rdnr. 33, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22 Nr. 81).

Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist dabei in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: 1. ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. 2. ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. 3. ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. 4. sind zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 15, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 20, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22 Nr. 42). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 20).

Anschließend ist - falls insofern Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann. Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft, also die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten, die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Hilfebedürftigen übersteigen, sind erstere nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 13, m. w. N.).

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) i. V. m. § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG (als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs. 2 WoBindG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 22, m. w. N.; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 17).

Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 SGB II anzuknüpfen. Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs. 1 SGB II unbeachtlich (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 22; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 18).

Soweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem Haushalt anknüpfen, ist Ausgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Insgesamt können Kosten der Unterkunft nur in einer Höhe beansprucht werden, wie sie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen (so und wegen der Besonderheiten trotz Fortbestehens der Bedarfsgemeinschaft in Fällen eines nicht im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkten dauerhaften auswärtigen Aufenthalts: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 23).

Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Bei dem Vergleichsraum muss es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Maßgebender Gesichtspunkt kann damit die Ausrichtung des öffentliche Nahverkehrs auf ein bestimmtes Kerngebiet sein, das auch von den Randlagen aus in Fahrzeiten erreichbar ist, wie sie erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl. § 121 Abs. 4 Satz 2 SGB III), sofern innerhalb dieses Raumes auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren, vorhanden sind, sodass die Bildung eines engeren Vergleichsraums, die das Risiko der Gettoisierung in sich birgt, nicht erforderlich erscheint (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 24).

Für Hilfebedürftige innerhalb Berlins ist damit maßgeblicher Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 24; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 19).

Ausgehend von diesem räumlichen Vergleichsmaßstab bestimmt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) wie folgt: Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 25, m. w. N.; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 21).

Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Wohnung ist nicht anhand der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung – WAV – vom 3. April 2012; GVBl 2012, 99) zu messen. Die WAV ist unwirksam. Die Unwirksamkeitserklärung erstreckt sich auf den Geltungszeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Juli 2013 (BSG, Urteil vom 04. Juni 2014 – B 14 AS 53/13 R, Rdnrn 15, 16, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22a Nr. 2 = BSGE 116, 94-112).

Die angemessene Referenzmiete kann allerdings auf der Grundlage eines Mietspiegels ermittelt werden. Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben. Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist bei der Prüfung nach § 22 Abs. 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung für den Fall anzumieten wäre, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 27, m. w. N.).

Damit kann der Berliner Mietspiegel 2011 (Amtsblatt für Berlin 2011, Nr. 22 vom 30. Mai 2011) als qualifizierter Mietspiegel Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs. 1 SGB II sein.

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn es liegt statistisch valides Material vor, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich den gesamten Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile hiervon - prägen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 28; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 24).

Solche Daten zu Bauklassen liegen für den Berliner Mietspiegel 2011 nicht vor. Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne (Dusch)-Bad sowie andererseits oder kumulativ Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC)) gesondert aus. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte sowie die in den Fußnoten zur Mietspiegeltabelle ausgewiesenen Abschläge auf die Spalten 1, 3, 5 und 6 für weit unterdurchschnittliche Ausstattungen nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 29).

Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 30). Soweit sich insoweit weitergehende Schlüsse insbesondere aus den Grundlagendaten eines qualifizierten Mietspiegels ziehen lassen, können diese Daten zugrunde gelegt werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 31). Ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf. um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden. Ein solcher Mittelwert bietet die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei ist zulässigerweise dieser Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 32, unter Hinweis auf Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 26).

Die angemessene Nettokaltmiete ist also ausgehend davon unter Heranziehung der Grundlagendaten zum Berliner Mietspiegel 2011 (www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/downloads.shtml) aus den genannten verbliebenen Wohnungen (mit den jeweiligen Wohnflächen, Wohnlage einfach) ausgehend von den Mittelwerten zu ermitteln und ihrem Verhältnis zur Gesamtzahl der herangezogenen Wohnungen zu gewichten.

Die angemessene Nettokaltmiete beträgt mithin bei einer Wohnfläche von 40 qm bis unter 60 qm (Ein- und Zwei-Personen-Haushalt) 4,91 Euro/qm.

Neben der Nettokaltmiete sind auch die angemessenen Betriebskosten i. S. des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 33). Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs. 1 und 2 BGB i. V. m. der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen (BetrKV; vom 25. November 2003, BGBl I 2346) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten i. S. des § 22 Abs. 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw. die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 34; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 28).

Zur Prüfung, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass beim Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels mit entsprechend wissenschaftlich gesicherten Feststellungen zum Wohnungsbestand davon ausgegangen werden kann, dass es eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis gibt. Diese Tatsachenvermutung kann aber erschüttert werden (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 29). Eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu einem solchen angemessenen Quadratmeterpreis zu finden, hat das BSG grundsätzlich verneint, weil es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R, Rdnr. 30, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22 Nr. 46 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R, abgedruckt in BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Dies gilt zumindest dann an, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R, Rdnr. 30).

Die angemessenen kalten Betriebskosten sind daher ausgehend davon ebenfalls unter Heranziehung der Grundlagendaten zum Berliner Mietspiegel 2011(www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/downloads.shtml, Tabelle 5) aber mit allen Wohnflächen und allen Wohnlagen mit Ausnahme der bereits oben genannten Wohnungen, auf die Hilfebedürftige nicht verwiesen werden dürfen, zu ermitteln, denn für die kalten Betriebskosten weist die Tabelle 5 insoweit keine Differenzierung nach Wohnflächen und Wohnlage aus, und ihrem Verhältnis zur Gesamtzahl der herangezogenen Wohnungen zu gewichten.

Die angemessenen kalten Betriebskosten betragen mithin 1,54 Euro/qm.

Dies ergibt zusammen als angemessene Bruttokaltmiete 6,45 Euro/qm.

Daraus folgt für einen 1-Personen-Haushalt bei einer angemessenen Wohnfläche von 50 qm eine angemessene Bruttokaltmiete von 322,50 Euro (50 qm x 6,45 Euro/qm).

Demgegenüber betrug die Bruttokaltmiete für die Klägerin 555,73 Euro/qm.

Die Heizkosten waren im Unterschied dazu allerdings nicht unangemessen.

Der Anspruch auf Leistungen für die Heizung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind.

Von unangemessen hohen Heizkosten ist auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw. dem "Bundesweiten Heizspiegel" zu entnehmen sind. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulassen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der hohe Grenzwert der energiepolitischen Zielsetzung eines Heizspiegels zuwiderläuft. Solche Zielsetzungen sind im Anwendungsbereich des SGB II aber nach den gesetzgeberischen Vorgaben unbeachtlich (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R, Rdnr. 22, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 69).

Dem Grenzwert aus einem (bundesweiten oder kommunalen) Heizkostenspiegel kommt nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze zu mit der Folge, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur diese übernommen werden müssten. Auch diesem Wert liegt nämlich keine Auswertung von Daten zugrunde, die den Schluss zuließe, es handele sich insoweit um angemessene Kosten. Der Grenzwert markiert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden ("im Regelfall"). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass es dem Leistungsberechtigten obliegt vorzutragen, warum seine Aufwendungen gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Insofern führt das Überschreiten des Grenzwertes zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des Leistungsberechtigten dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne der materiellen Beweislast (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R, Rdnr. 23, m. w. N.).

Der Grenzwert errechnet sich aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (und nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten Wohnung) und, wenn ein kommunaler Heizspiegel - wie vorliegend für Berlin - nicht existiert, den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Heizöl, Erdgas bzw. Fernwärme des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war. Bei Wohnungen, die mit einer Etagenheizung beheizt werden, erscheint es sachgerecht, zugunsten der Leistungsberechtigten den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen, weil diese den Verbrauchswerten einer Einzelheizanlage am nächsten kommen. Schließlich liegt nahe, für Energieträger, die im Heizspiegel nicht gesondert aufgeführt sind (Strom, Holz, Solarenergie o. ä.), den jeweils kostenaufwändigsten Energieträger des Heizspiegels vergleichend zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R, Rdnr. 25).

Maßgebend ist vorliegend der Bundesweite Heizspiegel 2012 vom 22. Mai 2012.

Der Grenzwert bei der Beheizung einer Wohnung mit Fernwärme bei einer Gebäudefläche von über 1.000 qm liegt bei 16,60 Euro/qm/Jahr.

Daraus errechnen sich bei einer abstrakt angemessenen Wohnfläche von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt 830 Euro/Jahr und mithin 69,17 Euro monatlich.

Demgegenüber betrug die Heizkostenvorauszahlung für die Klägerin 44,00 Euro monatlich und war somit nicht unangemessen.

Ungeachtet dessen waren jedoch die Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt unangemessen, so dass ein Anspruch der Klägerin lediglich in Höhe von 366,50 Euro (322,50 Euro angemessene Bruttokaltmiete und 44,00 Euro nicht unangemessene Heizkosten) bestand. Diesen Anspruch erfüllte der Beklagte mit den mit Bescheiden vom 6. Juni 2012 und vom 7. Juni 2012 bewilligten 396,00 Euro monatlich über das gebotene Maß hinaus.

Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 599,73 Euro monatlich waren auch nicht vorübergehend anzuerkennen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt: Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Diese Vorschrift begründet eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten zur Kostensenkung, wenn die tatsächlichen Kosten höher als die angemessenen Kosten sind (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr. 30, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Kostensenkungsmaßnahmen sind dem Leistungsberechtigten aber nur dann subjektiv möglich, wenn er Kenntnis von dieser Obliegenheit hat. Bevor er nicht von dem zuständigen Leistungsträger darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass nach dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist es ihm subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Dem steht nicht entgegen, dass § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II kein Erfordernis einer Kostensenkungsaufforderung enthält, denn der Hinweis auf die Rechtslage hat allein Aufklärungs- und Warnfunktion. Bezweckt werden soll damit, dass der Leistungsberechtigte Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft erhält. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II normiert damit keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft. Die Vorschrift stellt auch keine sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese Erklärung. Allerdings erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion, dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist. Diese Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden Schutzfunktion. Mit der Zumutbarkeitsregelung soll verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine Übergangszeit verbleiben, in der er sich um Kostensenkungsmaßnahmen bemühen kann. Ist ein Umzug erforderlich, etwa um eine Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis anzumieten, besteht eine "Schonzeit" nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R, Rdnrn. 15 und 16, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 28). Die Sechs-Monatsfrist ist jedoch kein starrer Zeitraum; vielmehr sind Abweichungen nach oben und nach unten zulässig, wie schon dem Wortlaut der Norm zu entnehmen ist (BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 20, zitiert nach juris; abgedruckt in SozR 4 4200 § 22 Nr. 67).

Dabei ist ohne Belang, dass die Kostensenkungsaufforderung lediglich auf eine nach Ansicht des Leistungsträgers als angemessen erachtete Bruttowarmmiete hinweist, ohne zwischen Grundmiete, "kalten" Nebenkosten und Heizkosten zu differenzieren, und ob die genannte Mietobergrenze sachlich-inhaltlich richtig ist, denn der Streit darüber, ob die vom Leistungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage auszutragen, welche Aufwendungen i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen sind (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R, Rdnrn 33 und 34, m. w. N.,zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr 40). Allein die objektive fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung mit einem Ausnahmefall, wenn dadurch bewirkt wird, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige seine Suche auf Grund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr 40).

Ein Erfordernis zur nochmaligen Information über die Unangemessenheit der Aufwendungen und die Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung besteht ausnahmsweise nur dann, wenn ein objektiver Beobachter auf Empfängerseite bei verständiger Würdigung des Sachverhalts aus einem Verhalten des Leistungsträger hätte schließen dürfen, dass sich der Leistungsträger an eine zuvor erteilte Information nicht mehr festhalten lassen will (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R, Rdnr 35). Sind dem Leistungsberechtigten die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es nicht einmal der Aufklärung (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06 R, Rdnr 29, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2).

Zwar kann bei der Suche von Alternativwohnungen "nichts Unmögliches oder Unzumutbares" verlangt werden. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sieht jedoch selbst bei Vorliegen von "Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit" vor, dass "in der Regel" spätestens nach sechs Monaten nur noch die Aufwendungen in Höhe der angemessenen Kosten erstattet werden sollen (Regelfall). Damit soll die Übernahme abstrakt überhöhter Kosten der Unterkunft die Ausnahme bleiben, so dass strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit zu stellen sind. Zu den besonderen Gründen, die es ausnahmsweise unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen (sog subjektiver Unzumutbarkeit) rechnen insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle. Dazu gehört etwa die Rücksichtnahme auf das soziale und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder, die möglichst nicht durch einen Wohnungswechsel zu einem Schulwechsel gezwungen werden sollten; ebenso kann auf Alleinerziehende Rücksicht genommen werden, die zur Betreuung ihrer Kinder auf eine besondere Infrastruktur angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile möglicherweise verloren ginge und im neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte. Ähnliches kann für behinderte oder pflegebedürftige Menschen bzw. für die sie betreuenden Familienangehörigen gelten, die zur Sicherstellung der Teilhabe behinderter Menschen ebenfalls auf eine besondere wohnungsnahe Infrastruktur angewiesen sind. Auch Krankheit kann dazu zählen, soweit ein Verbleiben in der bisherigen Wohnung aus medizinischen Gründen erforderlich und ein Umzug schlechthin ausgeschlossen ist. Demgegenüber können insbesondere alleinstehende erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die solche oder ähnliche Gründe nicht haben, den Tatbestand der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen kaum erfüllen (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R, Rdnrn 36 und 37; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnrn 32 und 35).

Eine objektive Unmöglichkeit, eine andere angemessene Unterkunft zu erlangen, liegt in der Regel (abgesehen in seltenen Ausnahmefällen) nicht vor, denn in Deutschland gibt es derzeit keine allgemeine Wohnungsnot (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr 36).

Ausgehend davon genügt die Mitteilung des Beklagten vom 18. August 2008, mit der die Klägerin darüber informiert wurde, dass ihre Kosten für Unterkunft und Heizung die angemessenen Kosten übersteigen, so dass sie diese Kosten senken muss, den Anforderungen an eine Kostensenkungsaufforderung mit der erforderlichen Aufklärungs- und Warnfunktion. Der Beklagte hatte zudem in dieser Mitteilung angekündigt, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft der Klägerin längstens bis zum 28. Februar 2009 anerkannt und übernommen werden. Dementsprechend hatte er mit Bescheid vom 9. September 2009 lediglich die nach seiner Ansicht angemessenen Kosten (378 Euro) übernommen. Auch im sich anschließenden Berufungsverfahren verblieb es zumindest für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 28. Februar 2010 dabei. Dasselbe (ebenfalls 378 Euro) trifft nach dem Bescheid vom 18. Februar 2010 unter Berücksichtigung der Bescheide vom 29. Juli 2010 für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 zu. Mit der nach diesen Bescheiden erfolgten Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung lediglich in der von dem Beklagten als angemessen erachteten Höhe verwirklichte sich die Aufklärungs- und Warnfunktion im Schreiben des Beklagten vom 18. August 2008 für die Klägerin bereits konkret für Leistungszeiträume in der Vergangenheit. Der Beklagte hat nachfolgend durch kein entsprechendes Verhalten deutlich gemacht, dass er inzwischen bezüglich der Beurteilung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung anderer Ansicht geworden sei. In den tatsächlichen Verhältnissen der Klägerin traten seit der Mitteilung des Beklagten vom 18. August 2008 auch keine wesentlichen Änderungen bezüglich der Unterkunft, wie eine Änderung der Bewohnerzahl (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 19) oder wie eine Änderung der Wohnungsgröße, den maßgeblichen unterkunftsbezogenen Kriterien für die Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete, ein, die objektiv oder auch aus Sicht der Klägerin eine grundsätzliche Neubewertung der Angemessenheit hätte rechtfertigen können. Aus dem bloßen Zeitablauf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung kann jedenfalls dann nichts hergeleitet werden, wenn der Leistungsträger nicht erkennbar gemacht hat, dass er an der Kostensenkungsaufforderung nicht mehr festhält (BSG, Urteil vom 16. April 2016 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 41).

Für die vom Sozialgericht angeführte Ansicht (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. Mai 2009 – L 9 AS 529/09 B ER, Rdnr. 15, zitiert nach juris), wonach die Warnfunktion eines früheren Hinweises nicht mehr genügen soll, wenn ein beträchtlicher Zeitraum, nämlich mehr als ein Jahr zwischen dem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug und dem erneuten Eintritt in den Leistungsbezug, verstrichen ist, der das Sozialgericht zutreffend nicht gefolgt ist, findet sich weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des BSG ein Anhalt. So hat das BSG, wie oben bereits ausgeführt, eine "Schonzeit" nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R, Rdnrn. 15 und 16, m. w. N.) abhängig gemacht. Die vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 18. Mai 2009 – L 9 AS 529/09 B ER, Rdnr. 15; so wohl auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Juni 2010 – L 19 AS 377/10 B ER, Rdnr. 23, zitiert nach juris) als maßgeblich angesehene Frage, ob der Leistungsberechtigte nach dem Ende des Leistungsbezuges mit dem erneuten Eintritt in den Leistungsbezug hat rechnen müssen oder nicht, hat mit der Warn- und Aufklärungsfunktion der Kostensenkungsaufforderung nichts zu tun. Die mit einer Kostensenkungsaufforderung beim Leistungsberechtigten bewirkte Erkenntnis, dass seine Kosten der Unterkunft und Heizung nicht angemessen sind, hängt nicht davon ab, ob er erwarten konnte oder nicht, erneut Bezieher von Leistungen nach dem SGB II zu werden. Durch eine solche Erwartung wird der Leistungsberechtigte nicht in den Zustand der Unkenntnis über die Angemessenheit der Kosten zurückversetzt. Die Erkenntnis, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung unangemessen sind, steht dementsprechend nicht in Abhängigkeit zu der Erwartung, ob ein wiederholter Leistungsbezug nach dem SGB II eintritt oder nicht. Ungeachtet dessen ist auch nicht ersichtlich, weswegen eine Zeitdauer von jedenfalls mehr als einem Jahr ohne Leistungsbezug eine rechtlich erhebliche Zäsur darstellen soll. Angesichts dessen vermag der Senat nicht zu erkennen, dass ohne eine wesentliche Änderung bei den unterkunftsbezogenen Kriterien, die für die Beurteilung der Angemessenheit der Bruttokaltmiete maßgebend sind, eine wirksame Kostensenkungsaufforderung allein durch Zeitablauf seine Bedeutung im Sinne einer Aufklärungs- und Warnfunktion verloren haben könnte.

Allerdings besteht eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten zur Kostensenkung nicht für die Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB II bezieht. Diese Obliegenheit hat vielmehr ihre Anknüpfung allein im Leistungsbezug. Solange damit ein (künftiger) Leistungsberechtigter nicht auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen ist, ist er nicht gehalten, nur auf die bloße Möglichkeit hin, wieder in den Bezug von Arbeitslosengeld II zu geraten, seine Wohnung aufzugeben, worauf die Klägerin zu Recht hinweist. Die Obliegenheit ist auf denjenigen beschränkt, der die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt und den nach § 37 Abs. 1 SGB II erforderlichen Antrag stellt, denn nur durch den Antrag begibt sich ein Leistungsberechtigter in das System des SGB II und auch nur nach der Antragstellung bzw. mit Leistungsbeginn unterliegt er dessen Regeln, und zwar auch derjenige, der zum Zeitpunkt der Erstantragstellung bzw. zu Leistungsbeginn bereits eine Wohnung gemietet hatte, hinsichtlich der Kosten dieser Wohnung. Mit der Übernahme der nur angemessenen Mietkosten muss dieser Leistungsberechtigte zwar nicht sogleich rechnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn er bereits eine wirksame Kostensenkungsaufforderung erhalten hat und daher "bösgläubig" bezüglich der unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R, Rdnr. 19). Mithin darf also der (künftige) Leistungsberechtigte, der bereits eine wirksame Kostensenkungsaufforderung erhalten hat, mit Kostensenkungsmaßnahmen nicht zuwarten, wenn ein erneuter Leistungsbezug absehbar ist. Ist ein erneuter Leistungsbezug abzusehen, so hat der (künftige) Leistungsberechtigte seine mit Antragstellung bzw. mit Leistungsbeginn eintretende Obliegenheit nur dann erfüllt, wenn er das ihm Mögliche und Zumutbare zur Kostensenkung so rechtzeitig unternommen hat, dass bei Beginn des Leistungsbezuges die Kosten der Unterkunft und Heizung angemessen sind. Ein Recht, die "Schonzeit" von in der Regel längstens sechs Monaten auszuschöpfen, besteht nicht, da, wie oben bereits dargelegt (BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 20), da die Sechs-Monatsfrist Abweichungen nach oben und nach unten zulässt. Die Sechs-Monatsfrist ist nach der Rechtsprechung ohnehin nicht an den Beginn (und die Dauer) des Bezuges von Arbeitslosengeld II, sondern an den Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen geknüpft. Es ist daher nicht wesentlich, dass der Klägerin lediglich vom 15. Juli 2008 bis 31. August 2008 und vom 1. September 2009 bis 30. November 2009 die tatsächlichen, nicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung gewährt wurden, also eine Dauer von sechs Monaten eines Leistungsbezuges bei Beginn des erneuten Leistungsbezuges am 1. Juni 2012 noch nicht erreicht war.

Soweit als Kostensenkungsmaßnahme ein Wohnungswechsel als geboten in Betracht kommt, hat der (zukünftige) Leistungsberechtigte dabei die Kündigungsfristen zu beachten.

§ 573 c Abs. 1 BGB bestimmt: Die Kündigung ist spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate. Eine zum Nachteil des Mieters von § 573 c Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung ist nach § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam.

Die im Mietvertrag vom 3. November 1997 getroffene Vereinbarung, wonach die Kündigungsfrist zwölf Monate beträgt, wenn seit der Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen sind, ist damit zu Lasten der Klägerin wegen letztgenannter Regelung unwirksam, so dass das Mietverhältnis mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden kann.

Eine Kündigung, die zum 1. Juni 2012 wirksam wäre, hätte damit seitens der Klägerin spätestens am 3. März 2012, einem Samstag, gegenüber dem Vermieter wirksam erklärt sein müssen. Zu diesem Zeitpunkt musste die Klägerin mit einem erneuten Bezug von Arbeitslosengeld II rechnen, denn zum 30. Mai 2012 endete das ihr gewährte Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Sie übte zu diesem Zeitpunkt lediglich eine geringfügige selbständige Erwerbstätigkeit aus, mit der sie ihren Bedarf nicht decken konnte. Die zum 23. Juli 2012 aufgenommene Beschäftigung ergab sich nach Mitteilung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht erst kurzfristig Anfang Juni 2012, so dass diese Beschäftigung bei der hier maßgebenden Frage außer Betracht bleiben muss.

Die Ansicht der Klägerin, die Annahme des Sozialgerichts, sie habe mit einem erneuten Arbeitslosengeld II-Bezug rechnen müssen, sei nicht haltbar und auch nicht durch entsprechende Erfahrungssätze zu belegen, erweist sich als unzutreffend. Entsprechende (allgemeine) Erfahrungssätze sind schon nicht rechtserheblich, denn es ist im konkreten Einzelfall der Klägerin zu entscheiden, ob sie mit einem erneuten Arbeitslosengeld II-Bezug hat rechnen müssen. Wie dies allgemein, insbesondere bei anderen potentiellen Leistungsberechtigten, zu beurteilen ist, ist insoweit ohne Belang. Die vom Sozialgericht aufgezeigte Annahme hat sich im Fall der Klägerin tatsächlich zum 1. Juni 2012 verwirklicht. Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, dass trotz der aufgezeigten Sachverhalte gleichwohl der erneute Bezug von Arbeitslosengeld II zum 1. Juni 2012 nicht zu erwarten war. Entscheidend ist, dass die Klägerin nach Aktenlage keine Aussicht auf Einkommen oder Vermögen hatte, mit dem sie ihre Miete bestritten haben können. Bei einer solchen Sachlage stellt sich die Auffassung des Sozialgerichts als folgerichtig dar.

Eine Verletzung von Art. 11 Abs. 1 GG, wonach alle Deutschen Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet genießen, liegt nicht vor. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach nur die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung anerkannt werden, die angemessen sind, berührt zwar den sachlichen Schutzbereich dieses Grundrechts. Das GG bindet den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs oder gibt diesen inhaltlich vor. Auch wenn staatliche Maßnahmen nur faktische Wirkung entfalten, müssen Grundrechtsbeeinträchtigungen hinreichend zu rechtfertigen sein (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 60/09 R, Rn. 26, zitiert nach juris; abgedruckt in BSGE 106, 147 = SozR 4 4200 § 22 Nr. 35). Ein solcher rechtfertigender Grund liegt jedoch darin, dass staatliche Leistungen nicht zur Finanzierung unangemessener Kosten für Unterkunft und Heizung gewährt werden müssen.

Einen besonderen Grund, der es ausnahmsweise hat unzumutbar erscheinen lassen, die Wohnung zu verlassen, hat die Klägerin nicht geltend gemacht; ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Eine objektive Unmöglichkeit, eine andere angemessene Unterkunft zu erlangen, ist gleichfalls nicht dargetan. Die Klägerin trägt nicht einmal vor, eine solche Unterkunft überhaupt gesucht zu haben.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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