L 31 AS 1774/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 928/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 1774/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 389/16 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei dem Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X handelt es sich um einen Freistellungsanspruch, nicht um einen Zahlungsanspruch.
2. Ein Jobcenter kann gegen einen Kostenerstattungsanspruch des Leistungsempfängers aus § 63 SGB X nicht mit eigenen Forderungen gegne den Leistungsempfänger aus Erstattungsbescheiden aufrechnen, da es sich nicht um gleichartige Forderungen handelt.
3. Gegen die Übernahme der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der Freistellungsansprüche gegen Zahlungsansprüche nicht aufgerechnet werden können, in das Sozialrecht, bestehen keine Bedenken.
Bemerkung
BSG: Beschwerde zurückgenommen
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Freistellung von den Kosten eines Widerspruchsverfahrens in Höhe von 380,80 Euro. Streitig ist die Frage, ob die Kostenrechnung des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers durch Aufrechnung mit Erstattungsforderungen des Beklagten in Höhe von insgesamt 443,79 Euro erloschen ist.

Der Kläger bezieht laufende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.

Mit Bescheid vom 6. August 2015 minderte der Beklagte den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2015, da der Kläger einem Beschäftigungsangebot vom 9. Juni 2015 nicht nachgekommen sei. Hiergegen legte sowohl der Kläger selbst (mit Eingang vom 12. August 2015 beim Beklagten) als auch der – mit dem jetzigen Prozessbevollmächtigten personenidentische – Bevollmächtigte des Klägers (mit Eingang vom 2. September 2015 beim Beklagten) Widerspruch ein (Aktenzeichen des Widerspruchsverfahrens: W 96 202-03769/15) ein. Nach Übersendung einer Vollmacht gab der Beklagte dem Widerspruch mit Abhilfebescheid vom 10. September 2015 in vollem Umfang statt, hob den Bescheid vom 6. August 2015 auf und erklärte, auf Antrag die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten, soweit notwendig und nachgewiesen, zu erstatten. Mit Kostennote vom 15. September 2015 berechnete der Bevollmächtigte des Klägers seine Kosten für das Widerspruchsverfahren mit 380,80 Euro und verlangte vom Beklagten die Überweisung dieses Betrages.

Nachdem er auf Nachfrage durch den Beklagten mitgeteilt hatte, dass der Kostenerstattungsanspruch des Klägers nicht an ihn abgetreten worden sei, teilte der Beklagte ihm mit Schreiben vom 18. September 2015 mit, dass die geltend gemachten Kosten in voller Höhe anerkannt würden. Den sich zugunsten seines Mandanten ergebenden Kostenerstattungsanspruch habe er mit Erklärung vom 18. September 2015 gegenüber diesem in voller Höhe aufgerechnet, so dass sich ein auszuzahlender Kostenerstattungsanspruch nicht ergebe. Wegen seiner Vergütung möge sich der Bevollmächtigte an seinen Mandanten wenden.

Mit dem an den Kläger selbst gerichteten Schreiben vom selben Tage erklärte der Beklagte, dass die vom Bevollmächtigten geltend gemachten Kosten in Höhe von 380,80 Euro erstattungsfähig seien. Gegen den Kläger bestünden momentan aber noch Forderungen aus den Bescheiden vom 6. Juni 2013 in Höhe von 135,28 Euro, vom 10. Juli 2014 in Höhe von 99,38 Euro und vom 5. Juni 2015 in Höhe von 209,03 Euro, mit denen er gegen den Anspruch auf Kostenerstattung nach § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aufrechne. Die Forderungen aus den genannten Bescheiden seien bestandskräftig. Damit hätten sich zum Zeitpunkt der Aufrechnung diese Forderungen einredefrei gegenüber gestanden. Die Aufrechnung sei zudem möglich gewesen, da der Kläger hierdurch von einer Verbindlichkeit des Beklagten befreit worden sei, auch wenn er sich dadurch dem Gebührenanspruch seines Bevollmächtigten in gleicher Höhe ausgesetzt gesehen habe. Denn bei den zu erbringenden Leistungen nach dem SGB II handele es sich um steuerfinanzierte Transferleistungen, die er im Interesse der Allgemeinheit gegenüber dem Interesse des Klägers am Ausgleich der Gebührenforderung seines Bevollmächtigten zu berücksichtigen habe. Dies insbesondere auch deshalb, weil keine schutzwürdigen Interessen ersichtlich seien, die gegen eine Aufrechnung sprächen. Ein an den Bevollmächtigten auszuzahlender Betrag habe sich somit nicht ergeben. Die aus den genannten Bescheiden zu erstattenden Leistungen seien entsprechend der Aufrechnung reduziert worden. Eine etwaige erfolgte Aufrechnung aus den laufenden Leistungen sei entsprechend angepasst worden. Durch die vorstehende Aufrechnung sei eine Auszahlung an den Bevollmächtigten nicht erfolgt, so dass der Kläger gegebenenfalls die Gebühr seines Bevollmächtigten selbst zahlen müsse.

Mit Schreiben vom 24. September 2015 nahm der Bevollmächtigte des Klägers Bezug auf die Schreiben des Beklagten vom 18. September 2015 und gab an, dass, wie der Beklagte selbst wisse, dessen Aufrechnungspraxis in B einmalig und überdies höchst umstritten sei. Er nahm Bezug auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 zum Aktenzeichen L 6 AS 288/13, wonach die vom Beklagten vorgenommene Aufrechnung unwirksam sei.

Nach weiterem Austausch ihrer unterschiedlichen Rechtsauffassungen, für die sich der Beklagte im Übrigen auf eine ständig geübte bzw. vorweggenommene Verwaltungspraxis nach dem Handbuch SGG der Bundesagentur für Arbeit bezog, mahnte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 – unter anderem auch – den Ausgleich seiner Kostennote vom 15. September 2015 an.

Am 19. Januar 2016 ist namens und mit Vollmacht des Klägers Leistungsklage beim Sozialgericht Berlin (SG) auf Verurteilung des Beklagten auf Freistellung von den für das Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von 380,80 Euro erhoben worden.

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrages vorgetragen, dass nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 15. Dezember 1994, 12 RK 69/93) an die zivilrechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung anzuknüpfen sei, es sei denn, dass sozialrechtliche Beschränkungen vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall, da weder die Sonderregelung des § 43 SGB II noch des § 51 SGB Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hier gegeben seien. Es handele sich allein um einen Annexanspruch aus § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), dessen Erfüllung nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen erfolgen könne. Damit seien die Forderungen gegenseitig gewesen. Im Übrigen handele es sich bei dem Aufwendungsersatzanspruch nach § 63 SGB X nicht um einen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch, sondern um einen verfahrensrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch, so dass eine Aufrechnung möglich sei; denn es liege kein Freistellungsanspruch des Klägers als Widerspruchsführer gegen die Behörde vor (unter Bezugnahme auf Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. März 2013, L 19 AS 85/13).

Durch Urteil des SG vom 16. Juni 2016, das in der rechtlichen Bewertung an das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 zum Aktenzeichen L 6 AS 288/13 anknüpft, ist der Beklagte verurteilt worden, den Kläger vom Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren W 96 202-03769/15 in Höhe von 380,80 Euro freizustellen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich bei der Aufrechnungserklärung vorliegend um ein schlicht-hoheitliches Handeln des Beklagten handele, welches selbst keinen Verwaltungsakt darstelle. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage bestehe, da das Begehren des Klägers auf Freistellung vom Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten vorprozessual abgelehnt worden sei. Weil der Kläger die Gebührenrechnung gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten bislang nicht beglichen habe, sei nicht von einem Zahlungs-, sondern von einem Freistellungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten in der geltend gemachten, unstreitigen Höhe auszugehen. Der Kläger sei auch aktivlegitimiert, weil er Inhaber des Freistellungsanspruchs sei. Denn grundsätzlich stehe der Anspruch auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für ein isoliertes Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 SGB X nur dem Widerspruchsführer gegenüber dem Beklagten zu. Der Kläger habe den geltend gemachten Anspruch weder an seinen Bevollmächtigten abgetreten noch sei ein Forderungsübergang nach § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz (BerGH) eingetreten, da weder ein Beratungshilfeschein erteilt noch eine Vergütungsfestsetzung durch einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgt sei. Die geltend gemachte Erstattungsforderung hinsichtlich der Aufwendungen im Vorverfahren – der Freistellungsanspruch gegenüber dem Beklagten aus § 63 SGB X i. V. m. § 257 BGB – sei nicht durch Aufrechnung entsprechend § 389 BGB erloschen. Zwar sei die Aufrechnung nach diesen Vorschriften als solche materiell-rechtlich unabhängig davon wirksam, ob sie als öffentliche-rechtliche Willenserklärung oder als Verwaltungsakt hätte ergehen müssen; die erklärte Aufrechnung des Beklagten führe gleichwohl nicht zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs, weil es an der erforderlichen Aufrechnungslage im Sinne der Gleichartigkeit der Forderungen gemäß § 387 BGB mangele. Der auch ohne tatsächlich geleistete Zahlungen des Klägers wirksame Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X sei ein Freistellungsanspruch, wie auch dem Urteil des BSG vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 60/13 R, zu entnehmen sei. Dieser Freistellungsanspruch wandele sich erst dann in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Befreiungsgläubiger seinerseits den Drittgläubiger befriedige. Hingegen entstehe durch die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid kein Zahlungsanspruch; ebenso wenig könne dadurch die Freistellung bewirkt werden. Offen könne insoweit bleiben, ob es sich bei einem Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X um einen Schadensersatzanspruch gegen die sich nicht rechtmäßig verhaltende Behörde nach einem erfolgreichen Widerspruch oder um einen Aufwendungsersatz handele, weil der Bürger – unabhängig vom Verschulden der Behörde – Kosten der Rechtsberatung aufwenden müsse, um sich gegen ein rechtswidriges Handeln der Behörde zu wehren. Im Falle eines Aufwendungsersatzanspruchs setze der Freistellungsanspruch die Eingehung einer Verbindlichkeit als Aufwendung voraus. Demgegenüber könne sich ein "unmittelbarer" bzw. "primärer" Freistellungsanspruch auch – wenn der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit bestehe – als Inhalt eines Schadensersatzanspruchs nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) ergeben. Sowohl bei dem Freistellungsanspruch gemäß § 257 BGB als auch bei der schadensersatzrechtlichen Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB stehe es dem Befreiungsschuldner frei, wie er die Freistellung konkret bewirke, etwa durch schuldbefreiende Leistungen an den Drittgläubiger (§ 267 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder durch die Aufrechnung (§ 387 BGB) oder andere Erfüllungssurrogate wie eine befreiende Schuldübernahme gemäß § 414 BGB. Entscheidend sei nur, dass das geschuldete Ergebnis, Befreiung von der Verbindlichkeit, eintrete. Daran fehle es jedoch bei der bloßen Erklärung, die Kosten zu übernehmen, weil der Prozessbevollmächtigte nach wie vor die Vergütung von seinem Mandanten fordern könne. Habe somit der Befreiungsanspruch noch im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des Beklagten bestanden, scheitere dessen Aufrechnung daran, dass der geltend gemachte Befreiungsanspruch und die Erstattungsforderung nicht gleichartig seien. Mit einem Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit könne wegen fehlender Gleichartigkeit nicht gegen einen Zahlungsanspruch aufgerechnet werden. Schließlich könne sich der Beklagte gegenüber dem Befreiungsanspruch nicht mit Erfolg auf ein Zurückbehaltungsrecht aus seinem fälligen Zahlungsanspruch gegen den Befreiungsgläubiger berufen, da die Erstattungsansprüche des Beklagten und der Befreiungsanspruch des Klägers nicht in einem Zusammenhang stünden, der eine isolierte Durchsetzung des einen Anspruchs ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch unbillig erschienen ließe. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gegen die dem Beklagten am 24. Juni 2016 zugestellte Entscheidung hat dieser am 20. Juli 2016 Berufung eingelegt.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Kostenerstattungsanspruch, der sich aus § 63 SGB X herleite, kein Schadensersatzanspruch im Sinne des § 249 BGB sei, sondern ein verschuldensunabhängiger Aufwendungsersatzanspruch. Insoweit handele es sich um einen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch und nicht um einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, etwa als Annex zu einem Schadensersatzanspruch. Dieser verfahrensrechtliche Aufwendungsersatzanspruch entstehe erst originär mit der Kostengrundentscheidung. Der gesetzliche Befreiungsanspruch nach § 257 Satz 1 BGB werde hingegen sofort mit dessen Eingehung fällig, unabhängig davon, ob die diesen zugrunde liegende Verbindlichkeit ihrerseits bereits fällig sei. Diese Rechtsfolge werde nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung aus § 257 Satz 2 BGB hergeleitet, wonach der Befreiungsschuldner dann, wenn die dem Befreiungsgläubiger auferlegte Verbindlichkeit noch nicht fällig sei, statt Befreiung vorzunehmen, Sicherheit leisten könne. Einer solchen Regelung bedürfe es aber nicht, wenn der Befreiungsanspruch erst mit der Verbindlichkeit der eingegangenen Aufwendung entstünde oder fällig würde. Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung sei für einen Freistellungsanspruch aus § 257 BGB unerheblich, ob eine Forderung gegenüber dem Gläubiger von einem Dritten eingefordert werde oder einforderbar sei. Es müsse aber der Aufwendungsersatzsanspruch des Klägers zum Zeitpunkt der Drittforderung schon bestehen. Die Vorschrift des § 257 BGB sei zwar auf materiell-rechtliche Kostenersatzansprüche, nicht jedoch auf den verfahrensrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch aus § 63 SGB X anwendbar. Denn im Gegensatz zu materiell-rechtlichen Kostenersatzansprüchen lägen zum Zeitpunkt der Begründung der Aufwendung – der Eingehung einer Verbindlichkeit durch den Abschluss eines Anwaltsvertrages als Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne von §§ 675, 670 BGB – die Voraussetzungen für einen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X noch nicht vor. Dieser werde erst durch den Erlass einer positiven Kostengrundentscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X begründet. Auf einen Befreiungsanspruch nach § 257 BGB könne sich daher der Kläger nicht berufen, da er auf einen verfahrensrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch des § 63 SGB X nicht anwendbar sei. Bestehe aber kein Befreiungsanspruch, stünden sich hier aber zwei Geldforderungen gegenüber, so dass die Aufrechnung möglich und zulässig sei und durch öffentlich-rechtliche Erklärungen haben erfolgen können.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juni 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass die rein zivilrechtliche Argumentation des Beklagten die Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen ihm und dem Kläger verkenne. Der Bezug von SGB II-Leistungen erfolge nicht aufgrund eines synallagmatischen Vertragsverhältnisses; Uraltforderungen längst vergangener Leistungsabrechnungen könnten sich daher mit frischen Verbindlichkeiten, die nur durch soeben begangene Rechtsfehler des Beklagten entstanden seien, nicht nach BGB gegenüber stehen: denn sonst gäbe es keinen Erstattungsanspruch von Rechtsanwaltsgebühren. Genau deshalb sei der § 63 SGB X auch als Freistellungsanspruch ausgestaltet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Beklagten (Aktenzeichen ) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung, der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin entscheiden können, da in der dem Beklagten ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§§ 110 Abs. 1 Satz 3, 153 Abs. 1 SGG).

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, da das SG sie in seinem Urteil vom 16. Juni 2016 ausdrücklich zugelassen hat, woran der erkennende Senat gebunden ist (§ 144 Abs. 3 SGG). Im Übrigen greift auch der Berufungsausschluss für die "Kosten des Verfahrens" gemäß § 144 Abs. 4 SGG nicht ein, weil er keine Rechtsstreitigkeiten erfasst, in denen – wie hier – in der Hauptsache über die Kosten eines "isolierten Vorverfahrens" gestritten wird (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 155/10 R , veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 11 m.w.N.).

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, den Kläger vom Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren (W 96 202-03769/15) in Höhe von 380,80 Euro freizustellen.

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Danach kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Zwar hat der Beklagte über den Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten des Vorverfahrens, allerdings ohne eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes zu treffen – bereits mit Verwaltungsakt (Abhilfebescheid vom 10. September 2015) dem Grunde nach entschieden. Vorliegend wendet sich der Kläger aber nicht gegen den Abhilfebescheid vom 10. September 2015, sondern begehrt die Freistellung von dem Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten (in Höhe von 380,80 Euro), den der Beklagte der Höhe nach als angemessen anerkannt hat und bezüglich dessen er die Zuziehung eines Bevollmächtigten konkludent auch für notwendig erklärt hat (vgl. § 63 Abs. 2 SGB X), indem er mit Schreiben vom 18. September die "Erstattungsfähigkeit der beantragten Kosten" "in voller Höhe anerkannt" und die Aufrechnung gegen den "sich zugunsten des Mandanten ergebenden Kostenerstattungsanspruch" erklärt hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 137/08 R, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 12). Da der Kläger den Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten bisher nicht erfüllt hat, geht das SG auch zutreffend von einem Freistellungsanspruch anstelle eines Leistungsanspruchs aus. In dem Klagebegehren kann nicht gleichzeitig die Erhebung einer Anfechtungsklage gesehen werden, da der Beklagte die Aufrechnung nicht durch Verwaltungsakt verfügt hat. Das diesbezügliche Schreiben des Beklagten vom 18. September 2015 enthält allein eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung und kann auch nicht als Formverwaltungsakt verstanden werden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 19, 20).

Wie das SG ebenfalls zu Recht festgestellt hat, ist vorliegend der Kläger, nicht dagegen sein Bevollmächtigter aktivlegitimiert. Nur der Kläger ist Inhaber des Anspruchs aus § 63 SGB X gegenüber dem Beklagten. Grundsätzlich steht der Anspruch auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für ein isoliertes Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 SGB X nur dem Widerspruchsführer gegen den Beklagten zu (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2010, B 11 VL 24/08 R, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 14). Bei diesem Aufwendungsersatzanspruch handelt es sich nicht um einen Anspruch, den ein Rechtsanwalt im eigenen Namen gegenüber der Widerspruchsbehörde geltend machen kann. Die Voraussetzungen des § 9 Satz 2 BerHG, wonach der Anspruch auf die Vergütung des Rechtsanwalts auf diesen übergeht, wenn der Gegner verpflichtet ist, die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, liegen nicht vor. Denn dem Kläger ist Beratungshilfe (jedenfalls bisher) nicht gewährt worden. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Vorverfahrens auch nicht an seinen Bevollmächtigten abgetreten.

Die Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X liegen hier vor, wie das SG zu Recht festgestellt hat. Der Widerspruch des Klägers war im Ergebnis in vollem Umfang erfolgreich; mit Abhilfebescheid vom 10. September 2015 wurde der Sanktionsbescheid vom 6. August 2015 aufgehoben und dem Kläger für den Monat September 2015 ein Betrag von 119,70 Euro zur Zahlung angewiesen. Der Beklagte hat auch eine Kostengrundentscheidung getroffen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen, zu denen hier allein die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts gehören, mit 380,80 Euro festgesetzt. Auch wenn der Kostenfestsetzung keine vollständige Kostengrundentscheidung vorausgegangen ist, weil es an der Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten fehlt, ist anerkannt, dass eine Kostenentscheidung - sogar insgesamt - ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn ein Kostenanerkenntnis im Gerichtsverfahren vorliegt; für das Widerspruchsverfahren gilt nichts anderes (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2000, B 6 KA 7/08 R, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 14). Ein solches Kostenanerkenntnis hat der Beklagte mit Schreiben vom 18. September 2015 an den Bevollmächtigten abgegeben, indem er die mit Kostennote vom 15. September 2015 beantragten Kosten in Höhe von 380,80 Euro in voller Höhe anerkannt hat. Durch dieses betragsmäßig bezifferte Kostenanerkenntnis ist der Erstattungsanspruch entstanden.

Der Kläger hat auch eine Abrechnung betreffend Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts erhalten, so dass auch den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach der Rechtsanwalt die Vergütung grundsätzlich nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern könne, Genüge getan ist (vgl. dazu, dass auch eine an die Behörde adressierte Gebührenrechnung ausreichend ist: BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 60/13 R, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 17).

Soweit dem Kläger bislang noch keine Kosten entstanden sind, die "erstattet" werden könnten, weil er (noch) keine Zahlungen an seinen Bevollmächtigten geleistet hat, hindert dies das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 63 SGB X nicht. Denn die Vorschrift setzt eine tatsächliche Leistung des einer Vergütungsforderung seines Bevollmächtigten ausgesetzten Mandanten nicht voraus. Es handelt sich bei dem Anspruch aus § 63 SGB X um einen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der allein aus einer behördlichen Kostengrundentscheidung folgt und in einem Kostenfestsetzungsverfahren beziffert wird. Dieser Kostenerstattungsanspruch wird erst dann zu einem Zahlungsanspruch des Kostengläubigers, wenn dieser die Vergütungsforderung aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit seinem Bevollmächtigten (§§ 670, 675 BGB) getilgt hat. Dies ist hier aber nicht der Fall gewesen. Ohne die Vorschrift des § 63 SGB X würde eine materielle Regelung über die Pflicht zur Erstattung der Kosten und deren Festsetzung in dieser Konstellation fehlen (vgl. Mutschler, in Kasseler Kommentar, § 63 SGB X, Rdnr. 2 f.). Insoweit muss es somit ausreichen, wenn der Erstattungsgläubiger – wie hier – einer Honorarforderung des Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt ist (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2009, L 1 AL 13/08, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 34).

Der Erstattungsanspruch ist hier auch nicht entsprechend § 389 BGB dadurch erloschen, dass der Beklagte mit Erstattungsforderungen in einer die Vergütungsforderung des Bevollmächtigten übersteigenden Höhe entsprechend § 387 BGB aufgerechnet hat.

Die entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387 ff. BGB, soweit die §§ 51, 52, 57 Abs. 2 SGB I nichts anderes vorgeben, ist in der Rechtsprechung geklärt. Auch dass die Aufrechnung gegen den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht durch Verwaltungsakt erfolgt ist, steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen. Soweit das BSG für Sozialleistungsansprüche davon ausgegangen war, dass die Aufrechnung nach § 51 SGB I bzw. die Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erfolgen hat (vgl. BSGE 45, 271; 78, 132), betrifft dies die hier streitgegenständliche Aufrechnung ebenso wenig wie Entscheidungen des Großen Senats des BSG (Beschluss vom 31. August 2011, GS 2/10, BSGE 109, 81) zur Verrechnung gemäß § 52 SGB I. Dass er mit seiner Entscheidung nicht von Entscheidungen des BGH, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs, die bei der einseitigen Ausübung der Aufrechnung die Rechtsnatur als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bestimmen, abweicht, hat der Große Senat des BSG ausdrücklich festgestellt (vgl. Beschluss vom 31. August 2011, GS 2/10, veröffentlicht auch in juris, dort Rdnr. 19). Insoweit ist die vom Beklagten erklärte Aufrechnung als solche unabhängig davon wirksam, ob sie als öffentlich-rechtliche Willenserklärung oder als Verwaltungsakt hätte ergehen müssen. Dass der Wirksamkeit der Aufrechnung hier auch sozialrechtliche Vorschriften (§ 43 Abs. 2 SGB II, §§ 51, 54 SGB I) nicht entgegenstehen hat das SG zu Recht festgestellt, weshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird.

Wie das SG unter Bezugnahme auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 (L 6 AS 288/13, veröffentlicht in juris) ebenfalls zu Recht festgestellt hat, hat die vom Beklagten gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 18. September 2015 erklärte Aufrechnung hier nicht zum Erlöschen des Kostenerstattungsanspruchs geführt, weil es an der erforderlichen Aufrechnungslage fehlt. Für die Wirksamkeit einer Aufrechnung ist gemäß § 387 BGB erforderlich, dass der Schuldner die ihm gebührende Leistungen fordern und die ihm obliegende gleichartige Leistung bewirken kann. Mit den jeweils auf Zahlung gerichteten Erstattungsforderungen des Beklagten aus den bestandskräftigen Erstattungsbescheiden vom 6. Juni 2013, 10. Juli 2014 und 5. Juni 2015 konnte nicht gegen den Kostenerstattungsanspruch des Klägers aufgerechnet werden. Zwar handelt es sich um gegenseitige Forderungen, nicht aber um nach § 387 BGB vorausgesetzte gleichartige Forderungen.

Während es sich bei den Erstattungsforderungen des Beklagten um Zahlungsansprüche handelt, stellt sich der Anspruch des Klägers aus § 63 SGB X als Freistellungsanspruch dar, gegen den – nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des BGH, gegen deren Übernahme keine Bedenken bestehen, – wegen fehlender Gleichartigkeit der Ansprüche eine Aufrechnung unzulässig ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009, IX ZR 135/08, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 3; Urteil vom 6. Juli 1977, IV ZR 17/76, veröffentlicht in juris dort Rdnr. 51; vgl. auch Palandt/Grüneberg, § 387 BGB, Rdnr. 10). Die Zulässigkeit der Aufrechnung kann auch nicht damit begründet werden, dass der Befreiungsschuldner – hier der Beklagte – wie in aller Regel zur Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers in der Regel auch eine Zahlung in Geld leisten muss, allerdings an einen Dritten. Voraussetzung für eine Aufrechnung ist gemäß § 387 BGB, dass zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind. Die Ungleichartigkeit gründet sich auch darauf, dass der Freistellungsanspruch auf ein Tun, auf eine ersetzbare Handlung gerichtet ist und deshalb nach § 887 ZPO zu vollstrecken ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1983, VI ZR 285/81, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 9). Der Schuldner eines Freistellungsanspruchs hat nämlich mehrere Möglichkeiten, sich von seiner Schuld zu entlasten: Hauptsächlich zwar durch Bezahlung der Forderung (§ 267 BGB), aber auch durch private Übernahme der Hauptschuld (hier Vergütungsforderung des Bevollmächtigten), durch Abschluss eines Erlassvertrages mit dem Gläubiger der Hauptforderung etc. Daraus folgt, dass der Befreiungsanspruch auf ein Tun gerichtet ist, weil man dem Befreiungsschuldner nicht vorschreiben kann, welche dieser Möglichkeiten er befolgen soll. Dass der Freistellungsanspruch im Übrigen hier auch wirtschaftlich nicht mit der Hauptforderung übereinstimmt, zeigt auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall bei einer Zahlung der Anwaltsvergütung durch den Kläger selbst dieser die Kosten, die durch seine Zahlung entstehen würden, tragen müsste; sie wären nicht von dem Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X umfasst.

Ob sich der Freistellungsanspruch des Klägers aus einer – analogen – Anwendung des § 257 BGB, wonach derjenige, der berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen kann, ergibt (so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015, a.a.O., Rdnr. 27; a. A. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. März 2013, L 19 AS 85/13, veröffentlicht in juris, dort Rdnr. 51 bis 53), kann dahinstehen. Denn jedenfalls umfasst die Pflicht des Beklagten zur Erstattung der Kosten und deren Festsetzung nach § 63 SGB X für den Fall, dass er nicht durch Zahlung der Vergütung durch den Gläubiger des Kostenerstattungsanspruchs erfüllt worden ist, einen Freistellungsanspruchs von den diesen Kosten. Denn ansonsten müsste der Widerspruchsführer erst die Vergütungsforderung aus §§ 670, 675 erfüllen, bevor er Aufwendungsersatz verlangen könnte. Dies ist aber gerade keine Voraussetzung des Anspruchs aus § 63 SGB X.

Auf die Frage, ob die Aufrechnung hier auch wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam sein könnte, kommt es hiernach nicht an. Dies ließe sich allerdings vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es für den hier infrage stehenden Personenkreis der Arbeitslosengeld II-Bezieher jedenfalls ohne Geltendmachung von Beratungshilfe nach dem BerHG schwieriger sein dürfte einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden, bevor nicht geklärt ist, ob einem eventuellen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X etwaige Erstattungsforderungen der Jobcenter gegenüberstehen, durchaus bedenken.

Auch die Unterscheidung zwischen einerseits materiell-rechtlichen Kostenerstattungsansprüchen und andererseits verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen führt nicht zur Wirksamkeit der Aufrechnung. Während der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch auf einer materiell-rechtlichen Grundlage (hier: unerlaubte Handlung der sich nicht rechtmäßig verhaltenden Behörde und daraus resultierender Schadensersatzanspruch, vgl. Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 63 Rdnr. 8) beruht und ohne vorherige Kostenentscheidung geltend gemacht werden kann, folgt ein verfahrensrechtlicher Kostenerstattungsanspruch, wie hier aus § 63 SGB X, dem Grunde nach aus einer behördlichen Kostenlastenentscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999, 13 RJ 23/99 R, veröffentlicht in juris; BGH, Urteil vom 24. April 1990, VI ZR 110/89, veröffentlicht in juris). Aber auch bei einem schadensersatzrechtlichen, auf Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB gerichteten "primären" Freistellungsanspruch (Belastung mit einer Verbindlichkeit, hier Vergütung des Bevollmächtigten des Klägers, als Schaden) ist eine Aufrechnung unwirksam. Denn auch im Rahmen der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB steht es dem Befreiungsschuldner – hier dem Beklagten – frei, wie er die Freistellung konkret bewirkt (so zutreffend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015, a.a.O., Rdnr. 30). Entscheidend ist nur, dass das geschuldete Ergebnis, die Befreiung von der Verbindlichkeit eintritt, woran es jedoch bei einem bloßen Kostenanerkenntnis fehlt, weil der Bevollmächtigte nach wie vor die Vergütung von seinem Mandanten fordern kann, wie das LSG Rheinland-Pfalz zu Recht ausgeführt hat (a.a.O., ebenfalls Rdnr. 30).

Auf ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Freistellungsanspruch aus § 63 SGB X aus den fälligen Erstattungsforderungen kann sich der Beklagte nicht berufen. Wie das LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 6. Mai 2015 ebenfalls zu Recht festgestellt hat, verlangt § 273 BGB als Voraussetzung für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, dass der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Gegenanspruch gegen den Gläubiger hat, das Erfordernis der Konnexität der Ansprüche ist nach der Zweckbestimmung des § 273 BGB weit auszulegen. Es genügt, dass zwischen den Ansprüchen ein natürlicher, wirtschaftlicher Zusammenhang aufgrund eines innerlich zusammenhängenden, einheitlichen Lebensverhältnisses besteht, so dass es dem Gebot von Treu und Glauben widerspräche, wenn der eine Anspruch ohne den anderen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte. Im Fall des Freistellungsanspruchs sind sowohl die Interessen des Klägers als auch des beauftragten Bevollmächtigten gegen das Interesse des Beklagten an einer Erfüllung der Erstattungsforderung abzuwägen. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass die gegenseitigen Forderungen aufgrund des Sozialleistungsverhältnisses zwischen den Beteiligten entstanden sind, stehen die Erstattungsansprüche und der Freistellungsanspruch nicht in einem Zusammenhang, der eine isolierte Durchsetzung des einen Anspruchs ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch unbillig erscheinen ließe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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