L 2 AL 83/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AL 173/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 83/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg). Er möchte erreichen, dass der Bemessung das vor seinem Übertritt in eine Transfergesellschaft erzielte Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wird.

Der am xxxxx 1974 geborene Kläger war ab dem Jahr 1992 bei der Firma N. GmbH & Co KG (bzw. deren Rechtsvorgängern; i.F.: früherer bzw. damaliger Arbeitgeber) beschäftigt. In der Zeit vom 1. Februar 2012 bis zum 30. September 2012 erzielte er folgende Bruttoarbeitsentgelte: Februar 2012 3.656,99 Euro, März 2012 5.600,00 Euro, April 2012 3.656,99 Euro, Mai 2012 3.809,65 Euro, Juni 2012 3.809,65 Euro, Juli 2012 3.907,49 Euro, August 2012 3.907,49 Euro und September 2012 3.809,65 Euro.

Am 30. August 2012 schlossen der Kläger, sein damaliger Arbeitgeber und die N. Transfergesellschaft mbH (i.F: Transfergesellschaft) einen dreiseitigen Vertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem damaligen Arbeitgeber zum 30. September 2012 enden und in der Kläger in die Transfergesellschaft "übertreten" sollte (Abschnitt A Nr. 1 des Vertrages). Die Transfergesellschaft sollte für den Kläger Transferkurzarbeitergeld (Transfer-Kug) beantragen. Eine von der Transfergesellschaft gebildete betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit sollte die Vermittlungschancen des Klägers durch Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung erhöhen. Der Kläger und die Transfergesellschaft vereinbarten den Abschluss eines befristeten Vermittlungs- und Qualifizierungsvertrages ab dem 1. Oktober 2012, der spätestens mit dem 31. Januar 2014 enden sollte. Es wurde Kurzarbeit Null angeordnet und der Beschäftigungsanspruch sollte entfallen (Abschnitt B Nr. 1 des Vertrages), zugleich verpflichtete sich der Kläger in Abschnitt B Nr. 3 des Vertrages dazu, an allen angebotenen Bewerbungs- und Vermittlungsmaßnahmen und -veranstaltungen teilzunehmen und den Anweisungen der Mitarbeiter der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit sowie der von ihr beauftragten Personen Folge zu leisten. Beispielhaft genannt wurden die Teilnahme an Workshops, Seminaren und Qualifizierungsmaßnahmen, die aktive Arbeit an einer persönlichen Bewerbungsstrategie und die kontinuierliche Bewerbung auf dem Arbeitsmarkt. Weiter hieß es in dem Vertrag, der Kläger solle ab Eintritt in die Transfergesellschaft unter Anrechnung von Zahlungen der Beklagten bis zu seinem Ausscheiden monatlich 75 Prozent seines "Bruttomonatseinkommens" erhalten (welches sich aus dem 13,5-fachen des bisherigen Bruttomonatsentgelts dividiert durch zwölf errechnete). Während des Bezugs von Transfer-Kug bestehe das Entgelt aus zwei Komponenten, nämlich dem Kug und einem Zuschuss (Abschnitt B Nr. 4).

Der Kläger bezog von der Beklagten – Agentur für Arbeit München – in der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 Transfer-Kug in wechselnder Höhe unter Berücksichtigung eines Soll-Entgelts (im Sinne von § 111 Abs. 9 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] i.V.m. § 106 SGB III) von gleichbleibend 3.809,65 Euro monatlich.

Nachdem sich der Kläger (am 3. Februar 2014) mit Wirkung ab dem 1. Februar 2014 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt und die Transfergesellschaft für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Januar 2014 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von monatlich 3.214,40 Euro mitgeteilt hatte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2014 Alg ab dem 1. Februar 2014 unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts von 105,68 Euro. Der Kläger legte hiergegen am 18. Februar 2014 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der Alg-Bemessung sei angesichts der seit Oktober 2012 bestehenden Kurzarbeit Null das vor Eintritt in die Transfergesellschaft erzielte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 3. März 2014 zurück: Es sei das zwischen dem Kläger und der Transfergesellschaft vereinbarte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Auch die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre wegen einer unbilligen Härte lägen nicht vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10 Prozent erhöhte Bemessungsentgelt aus dem einjährigen Rahmen übersteigen würde. Hieran fehle es jedoch.

Am 21. März 2014 hat der Kläger Klage erhoben und die Auffassung vertreten, § 151 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sei auf Transfer-Kug nicht anzuwenden, da sich bei einer Beschäftigung in einer Transfergesellschaft kein hypothetisches Arbeitsentgelt ermitteln lasse. Die Transfergesellschaft sei nur zur Zahlung von Entgeltersatzleistungen, nicht aber von Arbeitsentgelt verpflichtet gewesen. Daher sei der Bemessungsrahmen im vorliegenden Fall auf zwei Jahre zu erweitern, denn der Bemessungszeitraum innerhalb eines Regelbemessungsrahmens habe weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten. Im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen (hier: 1. Februar 2012 bis 31. Januar 2014) sei ein Bemessungszeitraum festzustellen, in dem der Kläger beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 45.015,51 Euro erhalten habe. Hieraus sei das Leistungsentgelt zu ermitteln. Jedenfalls stehe dem Kläger höheres Alg auch in Anwendung von § 150 Abs. 3 Nr. 2 SGB III zu. Der Bemessungsrahmen sei auch deswegen auf zwei Jahre zu erweitern, weil es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen. Entscheidend sei allein der Unterschied zwischen dem Bemessungsentgelt unter Berücksichtigung des Regelbemessungsrahmens und dem Bemessungsentgelt unter Berücksichtigung des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens. Im vorliegenden Fall ergebe sich hier eine Abweichung um 9,3 Prozent. Wenn das Bundessozialgericht entschieden habe, dass ab einer Abweichung um 10 Prozent unabhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalles von einer unbilligen Härte auszugehen sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 6. März 2013 – B 11 AL 1/12 R, juris, Rn. 25), bedeute dies im Umkehrschluss, dass auch bei Nichterreichen dieser Grenze eine Einzelfallprüfung vorzunehmen sei. In diesem Zusammenhang sei beachtlich, dass der Kläger die Grenze nur um 0,7 Prozentpunkte verfehlt habe. Außerdem sei die Transfergesellschaft auch gerade zu dem Zweck gegründet worden, um Nachteile beim späteren Alg-Bezug zu vermeiden. Schließlich stelle sich die Frage, wieso die Beklagte die Beschäftigten nicht seinerzeit über die ihnen drohenden Nachteile informiert habe.

Die Beklagte hat auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 6. März 2013 (Az. B 11 AL 1/12 R) und vom 4. Juli 2012 (Az. B 11 AL 9/11 R) hingewiesen.

Durch Urteil vom 30. August 2016 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 24. Oktober 2016) hat das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgewiesen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die von der Beklagten zitierten Urteile des Bundessozialgerichts vom 4. Juli 2012 (Az. B 11 AL 9/11 R) und vom 6. März 2013 (Az. B 11 AL 1/12 R) bereits in ihren Leitsätzen widergäben, dass die Beschäftigung in einer Transfergesellschaft bei Bezug von Transfer-Kug ein Versicherungspflichtverhältnis nach § 24 SGB III darstelle. Der Bemessung des Arbeitslosengeldes sei, wenn im Bemessungsrahmen eine Beschäftigung in einer Transfergesellschaft erfolgt sei, das mit der Transfergesellschaft vereinbarte und für die Höhe des Transfer-Kug maßgebende Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. In den Entscheidungsgründen führe insbesondere das Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. Juli 2012 aus, dass dem auch nicht entgegen stehe, wenn zwischen dem Kläger, dem ehemaligen Arbeitgeber und der Transfergesellschaft Kurzarbeit Null vereinbart und der Kläger dementsprechend im Arbeitsverhältnis zur Transfergesellschaft von einer tatsächlichen Beschäftigung freigestellt worden sei. Denn nach § 24 Abs. 3 SGB III bestehe das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte während des Bezugs eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kug fort.

Auch sei der Bemessungsrahmen nicht zu erweitern. Die Tatsache, dass ein bestimmter Grenzwert nicht erreicht werde, stelle auch noch keine unbillige Härte dar. Soweit der Kläger sich darauf berufe, er sei fehlerhaft über die Auswirkungen des Verbleibens in der Transfergesellschaft informiert worden, vermöge dies die Erweiterung des Bemessungsrahmens nicht auszulösen. Zum einen habe die Kammer bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger tatsächlich eine fehlerhafte Information gegeben worden sei. Zum anderen dürfte eine fehlerhafte Beratung aber im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu berücksichtigen sein und nicht den Anwendungsbereich des § 150 Abs. 3 Nr. 2 SGB III eröffnen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch vermöge überdies die Beklagte nicht zu einer rechtswidrigen Leistung zu verpflichten.

Der Kläger hat am 11. November 2016 Berufung eingelegt. Er hält eine unbillige Härte für gegeben. Das Bundessozialgericht habe die Auffassung der Beklagten, wonach eine unbillige Härte vorliege, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10 Prozent erhöhte Bemessungsentgelt aus dem Regelbemessungsrahmen übersteige, nur solange für verfassungskonform gehalten, wie eine Abfederung der mit dieser Verwaltungspraxis einhergehenden Härten möglich sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 30/09 R). Zwar habe das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung offen gelassen, was unter einer solchen Abfederung konkret zu verstehen sei. Der Begriff könne allerdings nur so verstanden werden, dass eine unbillige Härte auch bei einer geringeren Differenz der maßgeblichen Bemessungsentgelte anzuerkennen sei. Je näher die tatsächliche Differenz der Grenze von 10 Prozent komme (im vorliegenden Fall werde sie lediglich um 0,7 Prozentpunkte verfehlt), desto mehr gebiete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Annahme einer unbilligen Härte. Für die Annahme einer unbilligen Härte spreche auch, dass die Beklagte den Kläger nicht auf die mit dem Übertritt in die Transfergesellschaft verbundenen sozialrechtlichen Nachteile hingewiesen habe. Möglicherweise komme angesichts dessen auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Betracht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. August 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 13. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2014 zu verurteilen, dem Kläger höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Auffassung.

Der Senat hat am 14. Juni 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG). Insbesondere ergibt eine überschlägige Berechnung des Alg-Anspruchs unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 114,50 Euro täglich für 360 Tage eine Beschwer von mehr als 750 Euro.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg unter Zugrundelegung eines höheren Bemessungsentgelts. Bemessungsentgelt ist gemäß § 149 letzter Halbsatz SGB III das Bruttoentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Einschlägiger Bemessungszeitraum war im vorliegenden Fall die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Januar 2014. Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen.

Im vorliegenden Fall reichte der Bemessungsrahmen ebenfalls vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Januar 2014. Der Bemessungsrahmen umfasst gemäß § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Letzter Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Alg-Anspruchs war der 31. Januar 2014. Insbesondere begründete der Eintritt in die Transfergesellschaft ein Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter im Sinne der §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Ein solches Pflichtversicherungsverhältnis setzt voraus, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger, dem Arbeitgeber und der Transfergesellschaft deswegen begründet wurde, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, gemäß § 111 SGB III Transfer-Kug zu beziehen, es sich bei der Transfergesellschaft um eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit im Sinne von § 111 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III handelt und auch die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses den Vorgaben des § 111 SGB III entspricht (BSG, Urteil vom 4. Juli 2012 – B 11 AL 9/11 R, BSGE 111, 177, juris, Rn. 16). Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall angesichts des Vertrages zwischen Kläger, Arbeitgeber und Transfergesellschaft erfüllt waren, ist nicht streitig und auch nicht bezweifeln. Insbesondere war auch die Eingliederung in den Betrieb der Transfergesellschaft gegeben, die in derlei Fällen in der Verpflichtung besteht, an angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen und anderen Aktivitäten teilzunehmen, und der Kläger hatte sich darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht dem Direktionsrecht der Transfergesellschaft unterzuordnen (dazu BSG, Urteil vom 4. Juli 2012 – B 11 AL 9/11 R, BSGE 111, 177 = juris, Rn. 17). Sie wäre im Übrigen auch nur zu verneinen, wenn unmissverständlich festzustellen wäre, dass eine Durchführung von Vermittlungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen im Gegensatz zur gesetzlichen Konzeption nicht beabsichtigt gewesen war, solche Maßnahmen auch nicht durchgeführt worden wären und der Kläger sich auch im Übrigen im Widerspruch zu den getroffenen Vereinbarungen in keiner Weise einem Weisungsrecht der Transfergesellschaft unterstellt hätte (zu diesen Kriterien BSG, Urteil vom 4. Juli 2012 – B 11 AL 20/10 R, juris, Rn. 22). Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Der Bemessungsrahmen begann somit ein Jahr vor dem 31. Januar 2014, das heißt am 1. Februar 2013. Gründe für eine Verlängerung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre liegen nicht vor. Gemäß § 150 Abs. 3 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn 1. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, 2. in den Fällen des § 142 Absatz 2 SGB III der Bemessungszeitraum weniger als 90 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält oder 3. es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen. Diese Vorschrift ist gemäß § 150 Abs. 3 Satz 2 SGB III nur anzuwenden, wenn die oder der Arbeitslose dies verlangt und die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt. Keine dieser Alternativen ist hier verwirklicht. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III berufen, denn nach § 151 Abs. 3 Nr. 1 SGB III ist für Zeiten, in denen Arbeitslose Kug bezogen haben, das Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde zu legen, das Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall erzielt hätten. Diese Regelung gilt auch bei Bezug von Transfer-Kug (BSG, Urteil vom 6. März 2013 – B 11 AL 1/12 R, juris, Rn. 22; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 09/15, § 151 SGB III, Rn. 70). Sie führt dazu, dass bei der Anwendung des § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III das fiktive Arbeitsentgelt zu berücksichtigen ist, das der Arbeitslose nach Maßgabe des § 151 Abs. 3 Nr. 1 SGB III erzielt hätte (BSG, Urteil vom 6. März 2013 – B 11 AL 1/12 R, juris, Rn. 22 zur insoweit identischen Gesetzesfassung vor dem 31. März 2012). Dies ist – wie das Bundessozialgericht betont – insbesondere deshalb geboten, weil Arbeitslose während des Bezugs von Transfer-Kug versicherungspflichtig beschäftigt sind und es sachgerecht erscheint, bei der Alg-Bemessung auf das während des Bestehens dieses Versicherungspflichtverhältnisses angefallene Entgelt abzustellen (BSG, a.a.O. m.w.N.). Dass es sich beim Kug nicht um Arbeitsentgelt handelt, sondern um eine Sozialleistung (dazu BSG, Urteil vom 10. März 1994 – 7 RAr 56/93, SozR 3-4100 § 112 Nr. 17, Rn. 16), steht dieser Sichtweise gerade nicht entgegen.

Die Beklagte hat das Bemessungsentgelt unter Zugrundelegung von § 151 Abs. 3 Nr. 1 SGB III im Übrigen auch zutreffend berechnet. Maßgebend für die Alg-Berechnung nach § 151 Abs. 3 Nr. 1 SGB III auch in "Transfer-Fällen" ist das während des Versicherungspflichtverhältnisses bei der Transfergesellschaft "ausgefallene" Arbeitsentgelt und nicht das davor beim früheren Arbeitgeber erzielte Entgelt (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 6. März 2013 – B 11 AL 1/12 R, juris, Rn. 23). Somit ist – wie bei anderen Formen des Kug auch – vom zeitgleich fiktiven Arbeitsentgelt (so die Formulierung von Valgolio, a.a.O., Rn. 68) auszugehen, d.h. im vorliegenden Fall von monatlich 3.214,40 Euro. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte der Berechnung des Transfer-Kug ein Soll-Entgelt in Höhe des zuletzt vor Übertritt in die Transfergesellschaft erzielten Bruttoentgelts zugrunde gelegt hat. Die Gründe hierfür können dahinstehen. Zwar hat das Bundessozialgericht zur Begründung der Maßgeblichkeit des zeitgleich fiktiven Arbeitsentgelts auch auf die Einschlägigkeit einer entsprechenden Regelung beim Bezug von Transfer-Kug hingewiesen (BSG, Urteil vom 6. März 2013 – B 11 AL 1/12 R, juris, Rn. 22 unter Hinweis auf § 216b SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung). Es hat indes nicht etwa entschieden, dass sich das Bemessungsentgelt beim Alg nach der Höhe des Soll-Entgelts beim Kug richte. Im Übrigen sehen die Regelungen beim (Transfer-) Kug eine Reihe von Ausnahmen von dem genannten Grundsatz vor (vgl. § 106 Abs. 2 ff. SGB III).

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Härtefallregelung in § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB III berufen. Eine unbillige Härte liegt erst vor, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10 Prozent erhöhte Bemessungsentgelt aus dem Regelbemessungsrahmen übersteigt (grundlegend BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 30/09 R, BSGE 107, 114 = juris, Rn. 16 ff.; BSG, Urteil vom 1. März 2011 – B 7 AL 9/09 R, juris, Rn. 13). Hierbei handelt es sich um die Untergrenze für die Annahme einer unbilligen Härte (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 30/09 R, BSGE 107, 114 = juris, Rn. 22). Für die gegenteilige Auffassung des Klägers, der diese Grenze letztlich als eine Art Regelbeispiel versteht, findet sich kein Anhaltspunkt. Insbesondere hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 6. März 2013 (Az. B 11 AL 1/12 R, juris, Rn. 25) nicht etwa seine bisherige Rechtsprechung dahingehend aufgegeben, dass nun auch unterhalb der genannten Grenze eine unbillige Härte zu prüfen sei. Ausweislich des Wortlauts der vom Kläger zitierte Stelle ("Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, wonach bei der Bemessung von Alg unabhängig von besonderen Umständen des Einzelfalls eine unbillige Härte erst anzunehmen ist, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10 % erhöhte Bemessungsentgelt aus dem Regelbemessungsrahmen übersteigt [Urteil des erkennenden Senats vom 24.11.2010 – B 11 AL 30/09 RBSGE 107, 114 = SozR 4-4300 § 130 Nr 7; ebenso Urteil des 7. Senats vom 1.3.2011 – B 7 AL 9/09 R – Juris RdNr 13, 14]." – Hervorhebung hinzugefügt) ist das Bundessozialgericht gerade nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Bundessozialgericht halte die genannte Grenze nur solange für verfassungskonform wie eine Abfederung der damit verbundenen Härten möglich sei, verkennt er den Sinngehalt dieser Rechtsprechung. Insbesondere hat das Bundessozialgericht nicht etwa – wie der Kläger meint – offengelassen, was unter einer solchen Abfederung zu verstehen ist. Das vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. November 2010 (B 11 AL 30/09 R) lautet insoweit (juris, Rn. 27):

"e) Schließlich vermögen gegenüber der von der Beklagten gegenwärtig praktizierten 10 %-Regelung auch verfassungsrechtliche Bedenken jedenfalls nicht durchzugreifen, solange eine Abfederung der mit Verwaltungspraxis einhergehenden Härten möglich ist. Dies ist allerdings der Fall. Denn das Alg ist seiner Konzeption nach eine Entgeltersatzleistung (vgl § 116 SGB III) und als solche nicht zwingend darauf ausgerichtet, in jedem Fall das lebensnotwendige Existenzminimum abzudecken. Diese Funktion übernimmt innerhalb des Sozialleistungssystems die Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl BVerfGE 125, 175), welche auch neben den Bezug von Alg treten kann (vgl § 22 Abs 4 SGB III, § 5 Abs 1 Satz 1 SGB II). Der gegenteiligen, teilweise in der Literatur (vgl Rolfs in Gagel, SGB III, § 130 RdNr 67, Stand April 2010; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 RdNr 92, Stand März 2010) vertretenen Auffassung, die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung sei schon als solche geeignet, den Härtefall iS des § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III zu begründen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. ( )."

Hieraus ergibt sich deutlich, dass die besagte Abfederung nicht zwingend mit den Mitteln des Arbeitsförderungsrechts erfolgen muss. Zu ihrer Sicherstellung taugen vielmehr auch die bedarfsorientierten und nicht von der Höhe des Bemessungsentgelts abhängigen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, weswegen für eine Relativierung der Grenze von 10 Prozent keinerlei Bedürfnis besteht.

Dass das Bemessungsentgelt aus dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen das aus dem Regelbemessungsrahmen nicht um mehr als 10 Prozent übersteigt, ist unstreitig und nicht zu bezweifeln. Das Bemessungsentgelt aus einem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen läge bei täglich 114,35 Euro, denn der Kläger hat unter Zugrundelegung der Auskunft der Transfergesellschaft in den ersten acht Monaten des erweiterten Bemessungsrahmens ein Entgelt von 32.175,91 erzielt, in den restlichen 16 Monaten ein Entgelt von 51.430,40 Euro. Dies ergibt 83.588,31 Euro, die hier durch 731 (= 365 + 366) zu teilen sind (zur Berechnung und zur Berücksichtigung von Schaltjahren Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. April 2008 – L 12 AL 165/06, juris; bestätigt durch BSG, Beschluss vom 19. November 2008 – B 11 AL 94/08 B, juris). Dieses Entgelt wäre lediglich um 8,2 Prozent höher als das Bemessungsentgelt im Regelbemessungsrahmen. Somit liegt auch kein Fall vor, in dem die individuelle Betroffenheit des Klägers (auch zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 30/09 R = juris, Rn. 27) eine abweichende Behandlung geböte.

Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch steht dem Kläger nicht zur Seite. Hierbei kommt es nicht darauf an, welche Informationen die (an der Gründung der Transfergesellschaft nicht beteiligte) Beklagte in diesem Zusammenhang gegeben hatte. Selbst wenn der Beklagten in diesem Zusammenhang ein Beratungsfehler anzulasten wäre, scheiterte ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch daran, dass eine Ersetzung tatsächlicher Umstände, denen gestaltende Entscheidungen des Betroffenen zugrunde liegen, nicht in Betracht kommt (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr. 10: Abrede mit einem Dritten). Im Abschluss des Vertrages mit der Transfergesellschaft lag nicht die Ausübung eines solchen Gestaltungsrechts, sondern – was das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten angeht – ein tatsächliches Verhalten. Daher lässt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Zustand fingieren, in dem der Kläger diesen Vertrag nicht oder anders geschlossen hätte, zumal auch völlig unklar ist, wie sich die Dinge sonst entwickelt hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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