Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KA 11/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Überschreitet der Vertragsarzt individuell vereinbarte Richtgrößen, ist der komplette Mehraufwand zu erstatten. Weitere Praxisbesonderheiten können nicht berücksichtigt werden.
Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns kann es aber geboten sein, den Regressbetrag zu reduzieren, auch wenn die Gründe hierfür keinen Anspruch auf Anpassung der Vereinbarung individueller Richtgrößen nach § 59 SGB X begründen könnten. Hier: Rechtmäßige Berücksichtigung von Kostensteigerungen und besonderer Medikamenteninnovationen bei der Behandlung atopischer Ekzeme und Psoriasis
Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns kann es aber geboten sein, den Regressbetrag zu reduzieren, auch wenn die Gründe hierfür keinen Anspruch auf Anpassung der Vereinbarung individueller Richtgrößen nach § 59 SGB X begründen könnten. Hier: Rechtmäßige Berücksichtigung von Kostensteigerungen und besonderer Medikamenteninnovationen bei der Behandlung atopischer Ekzeme und Psoriasis
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben. 3. Der Streitwert wird auf 86.764,08 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Regressbescheid wegen der Überschreitung von individuellen Arzneimittelrichtgrößen im Kalenderjahr 2010, mit der der Beklagte insgesamt die Zahlung von 86.764,08 EUR fordert.
Der Kläger ist Facharzt für Haut-und Geschlechtskrankheiten und als solcher langjährig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Im Jahr 2009 führte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Sachsen eine Richtgrößenprüfung der Verordnungen von Arznei-und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf für das Kalenderjahr 2007 beim Kläger durch. Der Kläger nahm im Verfahren umfangreich Stellung. Nach der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten ermittelte die Prüfungsstelle schließlich einen Regress in Höhe von 5.300,78 EUR. Dies teilte die Prüfungsstelle dem Kläger im Dezember 2009 mit und bot ihm gemäß § 4 Abs. 7 und 9 der Anlage 1 zur Prüfungsvereinbarung in der Fassung vom 12.12.2007 an, eine Vereinbarung praxisindividueller Richtgrößen gemäß § 106 Abs. 5 d SGB V abzuschließen, um den Regress abzulösen. Diesem Angebot lag ein Entwurf des Prüfbescheids bei, in dem sämtliche Daten des Jahres 2007, insbesondere die Fallzahlen, die Richtgrößen, die Verordnungskosten sowie weitere Einzelheiten zu den berücksichtigungsfähigen Praxisbesonderheiten enthalten waren.
Der Kläger unterschrieb am 14.12.2009 die ihm angebotene Vereinbarung praxisindividueller Richtgrößen. Festgelegt wurden für das Jahr 2010 folgende individuelle Richtgrößen je Quartal und Fall für die Verordnung von Arznei-und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf: Mitglieder und Familienversicherte: 109,05 EUR/Fall, Rentner: 108,53 EUR/Fall.
Die tatsächlichen Verordnungskosten des Klägers im Jahr 2010 betrugen sodann 1.127.946,75 EUR bei einer Fallzahl Mitglieder/Familienversicherte von 3354 und einer Fallzahl Rentner von 3671 (Fallzahl gesamt 7025).
Nach entsprechender Anhörung des Klägers setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Sachsen mit Prüfbescheid vom 3.12.2012 einen Regress in Höhe von 287.555,93 EUR fest, weil nach der Vereinbarung der praxisindividuellen Richtgrößen ein Richtgrößenvolumen von 764.167,33 EUR zu beachten gewesen wäre. Der festgesetzte Regress ergebe sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen Bruttoverordnungskosten und dem vereinbarten Richtgrößenvolumen, verringert um den Anteil für Rabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V für Verträge, denen der Kläger nicht beigetreten sei und multipliziert mit dem Nettokostenanteil laut Detaildatenlieferung des Leistungserbringers von 79,76 %. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein, die er unter anderem wiederum mit Praxisbesonderheiten insbesondere im Bereich der verordnungsintensiven Diagnosen Atopisches Ekzem einschließlich des tylotisch rhagadiformen Handekzems und Psoriasis begründete. Seine Verordnungen hätten ausschließlich dem Wohl der Patienten gedient. Der Kläger sei gezwungen gewesen, bei seinen Patienten mit schwerer Psoriasis das sehr teure Medikament Humira zu verordnen, nachdem das zuvor verordnete Medikament Raptiva am 9.6.2009 seine Zulassung verloren hatte. Das Medikament Intron-A (interferon alpha 2b) habe der Kläger Patienten verordnet, die wegen eines Melanom in die Hautklinik A ... eingewiesen worden waren und bei denen in der Klinik eine Einstellung auf dieses Medikament erfolgt sei. Die weitere Verordnung habe ihm als dem behandelnden Dermatologen oblegen. Das Präparat Toctino sei Ende 2008 neu auf den Markt gekommen und eine hervorragende Innovation für Patienten, die an einem therapierefraktärem chronisch-tylotisch Handekzem litten. Außerdem verwies der Kläger auf weitere Präparate, die bei Patienten mit schwerer Psoriasis zum Einsatz kämen: Immunosporin (=Ciclosporin) und Enbrel (= Etanercept).
Der Beklagte entschied am 9.10.2013, dass die Entscheidung der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen insoweit abgeändert werde, als gegen den Kläger nunmehr ein Regress in Höhe von 86.764,08 EUR festgesetzt werde. Die notwendigen Aufwendungen des Klägers für das Widerspruchsverfahren würden in Höhe von 70 % erstattet. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die am 14.12.2009 individuell vereinbarten Richtgrößen zunächst für das Kalenderjahr 2010 hochgerechnet werden müssten. Dafür sei die Differenz herangezogen worden, mit der sich die allgemeinen Richtgrößen verändert hätten. Die Bruttoverordnungskosten des Klägers seien zudem bereinigt worden, so dass die maßgeblichen Bruttoverordnungskosten nunmehr mit 1.125.129,31 EUR angenommen würden. Der Regress ergebe sich sodann aus der Differenz zwischen den Bruttoverordnungskosten und dem maßgeblichen Richtgrößenvolumen, wobei zusätzlich zu Gunsten des Klägers Kostensteigerungen der Bruttoverordnungskosten von Medikamenten in den Indikationsgebieten und ATC-Bereichen "orale und parenterale Chemotherapie und Begleitmedikation", "immunsuppressive Behandlungen" und "andere Dermatika" in Höhe von insgesamt 234.246,08 EUR abgezogen worden seien. Der Beklagte erläuterte dies im Bescheid damit, dass der Kläger die Kostensteigerungen am Arzneimittelmarkt ebenso wenig zu vertreten habe wie den kompletten Wegfall von Arzneipräparaten, der ein Ausweichen auf andere zum Teil teure Medikamente erforderlich mache.
Der Kläger hat gegen den Bescheid des Beklagten vom 9.10.2013, der ihm am 8.1.2014 zugegangen war, fristgemäß am 22.1.2014 Klage sowohl gegen die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen als damalige Beklagte zu 1) als auch gegen den Beklagten erhoben. Mit Schriftsatz vom 7.5.2015 wurde die Klage gegen die ursprüngliche Beklagte zu 1) zurückgenommen. Das Gericht hat am 26.7.2017 die Klage, soweit sie sich gegen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen richtete, abgetrennt.
Der Kläger trägt vor, dass bereits bei der Vereinbarung der praxisindividuellen Richtgrößen am 14.12.2009, die einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstelle, seine individuellen Praxisbesonderheiten nur unzureichend berücksichtigt gewesen seien. Auch sei er zum Abschluss dieser Vereinbarung durch die "Androhung" eines Regresses veranlasst worden. Schon deswegen sei die Vereinbarung derart in "Schieflage" geraten, dass ein Festhalten an den individuell vereinbarten Richtgrößen schwerlich nachvollzogen werden könne. Wegen späterer Veränderungen in den Praxisbesonderheiten des Klägers müsse auch von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ausgegangen werden. Rechtsfolge könne daher nicht die Festsetzung eines Regresses sein, sondern es hätte eine Anpassung der individuell vereinbarten Richtgröße entsprechend der nunmehr im Jahr 2010 vorhandenen Praxisbesonderheiten des Klägers erfolgen müssen. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren zu den Praxisbesonderheiten näher vorgetragen habe, bleibe dieser Vortrag ausdrücklich aufrechterhalten. Die vom Beklagten zur Verfügung gestellten Zahlen und Daten bestreitet der Kläger nicht.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid des Beklagten vom 9.10.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung des Beklagten bestehe an der Rechtmäßigkeit der abgeschlossenen praxisindividuellen Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2010 kein Zweifel. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliege diese Vereinbarung einer Nichtigkeitskontrolle, nicht jedoch einer Rechtswidrigkeitskontrolle. Nach dem Maßstab des § 58 SGB X seien keine qualifizierten Rechtsverstöße ersichtlich, die hier zur Nichtigkeit der abgeschlossenen Vereinbarung führen müssten. Die Praxisbesonderheiten des Klägers seien im Übrigen bereits bei der Bildung der Richtgröße ausreichend berücksichtigt und rechnerisch in diese eingeflossen. Konsequenz der Überschreitung der individuellen Richtgröße sei stets der Regress ab dem ersten Euro der Überschreitung. Zu berücksichtigten sei hierbei auch, dass der Vertragsarzt durch die Vereinbarung von individuellen Richtgrößen bereits einen anderen Regress abgelöst habe. Dies schließe es nun aus, nochmals weitere Praxisbesonderheiten vorzutragen. Die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB erlaubten allenfalls die Berücksichtigung solcher Änderungen, die beim Abschluss der individuellen Richtgrößenvereinbarung noch nicht bekannt gewesen seien und auf die der Arzt keinen Einfluss gehabt habe. Der Beklagte habe hier die vom Kläger selbst vorgetragenen Kostensteigerungen am Arzneimittelmarkt und den kompletten Wegfall von Arzneipräparaten, der ein Ausweichen auf andere, teurere Medikamente erforderlich gemacht habe, zu Gunsten des Klägers vollständig berücksichtigt. Ebenfalls zu Gunsten des Klägers seien die Verordnungen von Interferon alpha 2b herausgerechnet worden, denn diese Patienten seien im Verordnungsjahr 2010 neu hinzugekommen und hätten 2007 in der Praxis des Klägers noch keine Besonderheit dargestellt. Bei dem Arzneimittel Toctino, welches ab November 2008 zur Behandlung von Handekzemen zugelassen gewesen sei, stelle sich die Sachlage allerdings etwas anders dar. Hier weise die Diagnosestatistik des Klägers tatsächlich zwar einen leicht erhöhten Anteil an Patienten mit atopischem Ekzem in Bezug zu Fachgruppe auf, so dass die Behandlung sehr schwerer Fälle in der Praxis des Klägers nachvollziehbar sei. Gleichwohl werde der Verdacht der Unwirtschaftlichkeit bei diesem sehr preisintensivem Arzneimittel (ca. 683 EUR je Verordnung) nicht ausgeräumt, weil der Kläger dieses Medikament im Gegensatz zu seinen Fachkollegen sehr viel häufiger verordnet habe. Die Abweichung der Verordnungszahl je 100 Fälle betrage 2621,32 %. Deshalb seien die Kosten dieses Medikamentes von dem Regress nur in Höhe der Differenz der Mehrkosten im Vergleich zur Fachgruppe abzuziehen. Die Berechnung dieser Abzugsbeträge erläuterte der Beklagte nochmals in der mündlichen Verhandlung mit Vorlage einer entsprechenden Übersicht. Der Beklagte habe sich dabei bei den anderen Dermatika (ATC-Code D11AX) sogar zu Gunsten des Klägers "vertan".
Nach intensiver Diskussion dieser Berechnungen in der mündlichen Verhandlung stellt der Kläger die vom Beklagten verwendeten Zahlen zwar weiterhin nicht in Frage, moniert aber die unterschiedliche Berechnung der "Abzugsbeträge" für das Jahr 2010 und das Jahr 2011, das Gegenstand des Rechtsstreits S 18 KA 29/15 ist. Der Beklagte hat dies damit erklärt, dass der Kläger selbst für das Jahr 2010 in einer Tabelle konkrete Kostensteigerungen seiner Praxis bei einzelnen Medikamenten aufgezeigt habe, die zum Ausgangspunkt einer Prüfung gemacht werden konnten. Da der Kläger dies für 2011 nicht gemacht habe, habe der Beklagte in dem anderen Prüfverfahren die allgemeinen Kostensteigerungen der Fachgruppe in den Blick genommen, um zu einer für den Kläger im Übrigen sehr günstigen Lösung zu kommen.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt und sich nicht weiter geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitbefangene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem Vertreter der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGG). Hier konnte eine Entscheidung trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 3) bis 5) ergehen, weil diese jeweils ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit der Entscheidung in Abwesenheit hingewiesen worden waren.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG), denn der Kläger wehrt sich gegen eine ihn belastende Verwaltungsentscheidung (vgl. ausführlich Urteil der Kammer vom 18.1.2017, S 18 KA 73/12; Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106 SGB V, Rn. 450, a.A. (Neubescheidung bei Klage des Vertragsarztes) ohne nähere Begründung BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 8/14 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 49, Rn. 23, juris).
2. Streitgegenstand ist ausschließlich der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, nicht zugleich der Bescheid der Prüfungsstelle. § 95 SGG findet deshalb keine Anwendung (stRspr des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 16/10 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 31, Rn. 10 und Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 38/10 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 33, Rn. 11, beide zitiert nach juris). Soweit die Klage ursprünglich auch gegen die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Sachsen und deren Bescheid vom 3.12.2012 erhoben worden war, hat der Kläger diese zurückgenommen und das Gericht hat diesen Streitgegenstand vom vorliegenden Verfahren abgetrennt.
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage sind erfüllt.
II. Die Klage ist unbegründet, denn der Bescheid des Beklagten vom 9.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten, gegenüber dem Kläger einen Regress festzusetzen, ist zunächst § 106 Abs. 5d SGB V a.F ... Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich grundsätzlich nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 8/14 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 49, Rn. 30, juris)
Die Vorschrift lautete:
"(5d) 1Ein vom Vertragsarzt zu erstattender Mehraufwand wird abweichend von Absatz 5a Satz 3 nicht festgesetzt, soweit die Prüfungsstelle mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gewährleistet. 2In dieser Vereinbarung muss sich der Arzt verpflichten, ab dem Quartal, das auf die Vereinbarung folgt, jeweils den sich aus einer Überschreitung dieser Richtgröße ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten. 3Die Richtgröße ist für den Zeitraum von vier Quartalen zu vereinbaren und für den folgenden Zeitraum zu überprüfen, soweit hierzu nichts anderes vereinbart ist."
Die Höhe des Regresses ergibt sich aus der Vereinbarung individueller Richtgrößen vom 14.12.2009. Die Bindungswirkung individueller Richtgrößenvereinbarungen und die Konsequenz einer Überschreitung ist durch das Urteil des BSG vom 28.08.2013 B 6 KA 46/12 R , juris, hinreichend geklärt. Die Kammer schließt sich der vom Bundessozialgericht vertretenen Rechtsauffassung an, wonach die Vereinbarung individueller Richtgrößen den Vertragsarzt bindet und ihm im Falle der Überschreitung dieser Richtgröße die Möglichkeit nimmt, diese nachträglich in Zweifel zu ziehen; auch die nachträgliche Geltendmachung von Praxisbesonderheiten ist ausgeschlossen. Außerdem ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes der komplette Mehraufwand ohne "Toleranzbereich" (wie in § 106 Abs. 5a Satz 1 und 3 SGB V in Höhe von 25 %) zu erstatten (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 46/12 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 42, Rn. 18, juris, mit weiteren Nachweisen aus der Literatur).
2. Die konkrete Berechnung des Regressbetrags verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Ausgehend von den oben genannten Vorgaben ist der Beklagte zutreffend zunächst von den am 14.12.2009 vereinbarten individuellen Richtgrößen in Höhe von 109,05 EUR/Fall für Mitglieder und Familienversicherte sowie 108,53 EUR/Fall für Rentner ausgegangen und hat das hieraus errechnete Richtgrößenvolumen von 764.167,33 EUR dem tatsächlichen Verordnungsvolumen des Klägers von 1.125.129,31 EUR gegenübergestellt.
Der Kläger kann insoweit nicht geltend machen, dass der Betrag von 764.167,33 EUR für ihn nicht gelten könne, denn die Richtgrößenvereinbarung ist nicht nichtig (§ 58 SGB X).
aa) Aus dem Verweis in § 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X ergibt sich, dass die Richtgrößenvereinbarung nur dann nichtig ist, wenn sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dieser offensichtlich ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2008 – B 3 KR 17/07 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 7, SozR 4-2500 § 108 Nr 1, juris, Rn. 25). Ein solcher schwerwiegender Fehler ist nach Auffassung der Kammer hier nicht gegeben. Wenn sich der Kläger hier auf eine grobe "Schieflage" des Vertrags bezieht und sich durch den drohenden Regress für 2007 gleichsam dazu gedrängt gefühlt haben mochte, den Vertrag abzuschließen, folgt die Kammer dem nicht. Die Möglichkeit der Ablösung eines Regresses durch eine künftig geltende Richtgrößenvereinbarung ist im Gesetz vorgesehen; soweit der Vertragsarzt diese wünscht, muss sogar in Verhandlungen eingetreten werden (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 46/12 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 42, Rn. 20, juris). Die Ausschöpfung dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten kann damit für sich genommen nicht einen schwerwiegenden Fehler des Vertrags darstellen.
Schließlich ist die Kammer auch der Auffassung, dass die Vereinbarung nicht deswegen nichtig ist, weil die individuelle Richtgrößenvereinbarung lediglich nach dem Versicherungsstatus, nicht aber weiter nach dem Alter der Patienten differenziert (vgl. dazu auch Bundessozialgericht, Urt. v. 22.10.2014 B 6 KA 8/14 R juris Rn. 52 f.; Urt. v. 15.07.2015 B 6 KA 30/14 R juris Rn. 36).
bb) Soweit der Kläger zusätzlich sinngemäß geltend macht, dass mit der Vereinbarung der konkreten Richtgrößen gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen worden sei (§ 58 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 134 BGB), weil der Kläger mit diesen keinesfalls im Jahre 2010 eine wirtschaftliche Versorgung seiner Patienten gewährleisten konnte, folgt die Kammer dem ebenfalls nicht. § 106 Abs. 5d SGB V beinhaltet schon kein gesetzliches Verbot im Sinne mit dem Inhalt, Richtgrößen so festzulegen, dass eine wirtschaftliche Verordnungsweise unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nicht mehr gewährleistet sei. Nicht jede zwingende Norm des Verwaltungsrechts oder Sozialrechts hat die Bedeutung eines Verbotsgesetzes (BSG, Urt. v. 17.05.1989 10 RKg 16/88 , juris Rn. 22). In Bezug auf die Ausgestaltung von Normverträgen nach den Vorgaben des § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V hat das BSG bereits entschieden, dass ausfüllungsbedürftige Normen, die gerade die Grundlage für Verhandlungen der Vertragspartner bieten und deren Umsetzung in weitem Umfang der Disposition der Vertragspartner unterliegt, nicht Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB sein können (BSG, Urt. v. 28.09.2005 B 6 KA 71/04 R , juris Rn. 25). So liegt es auch hier: Die Vorgabe des § 106 Abs. 5d Satz 1 SGB V, dass die individuelle Richtgröße eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu gewährleisten habe, bildet (nur) einen Maßstab für die eigenverantwortliche Ausgestaltung der Richtgrößenvereinbarung durch den Vertragsarzt und das Prüfgremium. Ob die Vereinbarung dieses Ziel zu erfüllen vermag, unterliegt zunächst der unmittelbaren Kontrolle des Vertragsarztes, der sich ihr zur Ablösung des Regresses freiwillig unterwirft, so dass schon kein Anlass besteht, die strengen Rechtsfolgen des § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 134 BGB in Folge einer nachträgliche Inhaltskontrolle eingreifen zu lassen.
Im Übrigen hat der Kläger weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass die Richtgrößen nicht ausreichend gewesen wären, um die Versorgung seiner Patienten mit Arzneimitteln unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu gewährleisten.
b) Soweit der Beklagte den Regressbetrag in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Verordnungsvolumen des Klägers von 1.125.129,31 EUR und dem Richtgrößenvolumen von 764.167,33 EUR zusätzlich um weitere 234.246,08 EUR reduziert hat, die der Kläger "nicht zu vertreten" habe, verletzt diese Berechnungsweise den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. Eine darüber hinausgehende Reduzierung kann er nicht verlangen.
Die Kammer kann letztlich offen lassen, wie sich das Vorgehen des Beklagten dogmatisch einordnen lässt. Denn mangels Rechtsverletzung des Klägers muss nicht entschieden werden, ob der Beklagte mit dieser Reduzierung einen möglichen Anspruch des Klägers auf Anpassung des öffentlich-rechtlichen Vertrags beachtet hat, oder ob die Reduzierung schlicht der Umsetzung des verfassungsmäßig garantierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit allen staatlichen Handelns im Einzelfall gedient hat.
Für die Kammer bestehen allerdings Zweifel daran, ob hier wirklich das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, das in § 313 BGB bzw. für sozialrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge in § 59 SGB X niedergelegt ist, zu Gunsten des Klägers fruchtbar gemacht werden kann. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt zunächst grundsätzlich voraus, dass sich nachträglich etwas in den für den Vertragsabschluss maßgeblichen Verhältnissen ändert. Erst dann, wenn eine nachträgliche Änderung vorliegt, kann geprüft werden, ob die Änderung so wesentlich ist, dass sie Konsequenzen für die Wirksamkeit des Vertrages hat.
Die hier vom Kläger selbst vorgetragenen Gründe für die Überschreitung des individuellen Richtgrößenvolumens im Jahr 2010 sind aber schon ganz überwiegend nicht als nachträgliche Änderungen einzuordnen. Bei Vertragsabschluss im Dezember 2009 war das Medikament Toctino bereits ein Jahr für die Behandlung schwerer Handekzeme zugelassen. Im Dezember 2009 hatte Raptiva bereits seit einem halben Jahr keine Zulassung mehr, so dass der Kläger bereits mehrere Monate lang schon Humira und andere Präparate des ATC-Codes L04 für seine Patienten mit schwerer Psoriasis verordnen musste. Er wusste deshalb, dass sich die Medikamentenkosten für diese Gruppe von Patienten, die als Praxisbesonderheit bereits in der individuellen Richtgröße berücksichtigt waren, nach oben entwickeln würden. Der Kläger hatte daher schon vor Vertragsabschluss die Möglichkeit, den Beklagten darauf aufmerksam zu machen, dass die vertragliche Regelung, die sich an den Arzneimittelverordnungen des Jahres 2007 orientierte, für das Jahr 2010 nach seiner Meinung einer gewissen Anpassung bedürfen könnte. Schon deswegen kann für diese beiden "Praxisbesonderheiten" nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kein Anspruch auf Anpassung der Richtgrößen bestehen. Es ist insofern auch unerheblich, dass der Kläger diese Tatsachen erst im Widerspruchsverfahren gegen den Regressbescheid und nicht schon im Lauf des Jahres 2010, für das die Richtgrößen vereinbart waren, vorgetragen hat. Wenn der Beklagte diese Kostensteigerungen gleichwohl berücksichtigt, verletzt dies den Kläger auf keinen Fall in seinen Rechten.
Bei dem Medikament Intron A ist zwar nach Auffassung der Kammer von einer nachträglichen Änderung auszugehen, denn diese Patientengruppe kam erstmals 2010 in der Praxis des Klägers hinzu. Dass der Kläger diese Problemstellung nicht bereits im Lauf des Jahres 2010 bei der Prüfungsstelle eingebracht hat, schließt ihn nach nunmehriger Auffassung der Kammer entgegen der früheren Rechtsprechung, an der sie nicht festhält (vgl. Gerichtsbescheid vom 16.11.2015, S 18 KA 42/14, n.v.) mit diesem Vortrag zwar nicht grundsätzlich aus. Das konkrete Verordnungsvolumen für Intron A macht jedoch nur 3,43 % des Richtgrößenvolumens aus. Da der Beklagte den Regress aber von sich aus bereits um das gesamte Verordnungsvolumen für Intron A reduziert hat, braucht die Kammer hier weder zu entscheiden, ob es sich um eine wesentliche Änderung handelte, noch ob diese Praxisbesonderheit überhaupt als Element der "Geschäftsgrundlage" berücksichtigt werden kann.
Gleiches gilt für die allgemeine Kostensteigerung von Arzneimitteln, die der Beklagte hier ohnehin zu Gunsten des Klägers berücksichtigt hat.
Ausgehend davon, dass der Beklagte letztlich Umstände berücksichtigen wollte, die dem Kläger auch bei sonst weiterhin unwirtschaftlichem Verordnungsverhalten nicht subjektiv vorzuwerfen sind, liegt es nach Auffassung der Kammer näher, jede Reduzierung der eigentlich geschuldeten "Regressforderung ab dem ersten Euro der Überschreitung von individuellen Richtgrößen" der Umsetzung des verfassungsmäßig garantierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit allen staatlichen Handelns im Einzelfall zuzuordnen. Denn auch dann, wenn ein Anspruch auf Anpassung der Vereinbarung individueller Richtgrößen nach § 59 SGB X nicht besteht, also der Vertrag letztlich bestehen bleibt, kann der eigentliche Regressbescheid, mit dem die Verletzung des Vertrags sanktioniert wird, im Einzelfall doch unverhältnismäßig sein.
Ob der Beklagte deswegen in allen derartigen Fällen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen bereits grundsätzlich verpflichtet ist, die allgemeinen Kostensteigerungen bei Arzneimitteln zu berücksichtigen, weil etwa zwischen dem geprüften Jahr und der individuellen Vereinbarung Zeit verstrichen ist, lässt die Kammer offen. Dagegen spricht hier, dass die im Jahr 2009 vereinbarte Richtgröße bereits so großzügig bemessen war, dass der Kläger – wenn sie auf das Jahr 2007 angewendet worden wäre – noch reichliche Kapazitäten übrig gehabt hätte. Es waren daher bereits potentielle Steigerungen in die individuelle Richtgröße "eingepreist". Andererseits hat der Beklagte hier nach Auffassung der Kammer eine Entwicklung berücksichtigt, die sich von allgemeinen Preissteigerungen am Arzneimittelmarkt deutlich unterscheidet. Gerade bei den hier immer wieder genannten Krankheitsbildern Psoriasis und Atopisches Ekzem hat die Wissenschaft durch Biopharmazeutika in den letzten Jahren einen immensen Entwicklungsschub erfahren und sich die Behandlung dieser Krankheiten grundlegend verändert. Zu Recht hat der Beklagte daher hier Überlegungen angestellt, ob auch Veränderungen unterhalb der Schwelle eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder außerhalb des Anwendungsbereichs des § 59 SGB X bei Erlass eines Regressbescheids zu berücksichtigen sind. Da die vom Beklagten ermittelten Abzugsbeträge aber jedenfalls ausreichend sind und die Rechte des Klägers nicht verletzen, muss die Kammer nicht im Einzelnen entscheiden, wie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konkret Geltung verschafft werden kann. Mit der "Inflationierung" der individuell vereinbarten Richtgröße, der Berücksichtigung der konkreten Steigerung der Verordnungskosten des Klägers im Indikationsgebiet 19 (Psoriasis) und 9 (Melanom) und mit dem sehr großzügigen Abzug der Kostensteigerung bei den Medikamenten der ATC-Gruppe D11 AX (Andere Dermatika) hat der Beklagte jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsgebot rechtmäßig umgesetzt.
Mit den dagegen sinngemäß vorgetragenen Einwänden, dass hier eine andere Berechnungsweise angewandt worden sei, als für den Regress des Jahres 2011, dass solche Berechnungen aber stets einheitlich sein müssten und daher beide rechtswidrig seien, dringt der Kläger dagegen nicht durch. Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat, ist es bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig Sache des Vertragsarztes, die maßgeblichen Tatsachen zu benennen und zu belegen, die gegen den Anschein der Unwirtschaftlichkeit sprechen. (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 5.6.2013 – B 6 KA 40/12 R –, juris: "Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt."). Dieser Grundsatz kann nach Auffassung der Kammer auf den vorliegenden Fall einer individuellen Richtgrößenüberschreitung, die nicht nur Anschein von Unwirtschaftlichkeit, sondern die Unwirtschaftlichkeit selbst begründet, übertragen werden. Genau die vom Kläger vorgetragenen "Besonderheiten" hat der Beklagte hier für 2010 sehr großzügig zu Gunsten des Klägers berücksichtigt. Mehr musste er jedenfalls nicht tun.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keine eigenen Anträge gestellt haben, waren ihre Kosten aus Billigkeitsgründen nicht dem Kläger aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Regressbescheid wegen der Überschreitung von individuellen Arzneimittelrichtgrößen im Kalenderjahr 2010, mit der der Beklagte insgesamt die Zahlung von 86.764,08 EUR fordert.
Der Kläger ist Facharzt für Haut-und Geschlechtskrankheiten und als solcher langjährig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Im Jahr 2009 führte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Sachsen eine Richtgrößenprüfung der Verordnungen von Arznei-und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf für das Kalenderjahr 2007 beim Kläger durch. Der Kläger nahm im Verfahren umfangreich Stellung. Nach der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten ermittelte die Prüfungsstelle schließlich einen Regress in Höhe von 5.300,78 EUR. Dies teilte die Prüfungsstelle dem Kläger im Dezember 2009 mit und bot ihm gemäß § 4 Abs. 7 und 9 der Anlage 1 zur Prüfungsvereinbarung in der Fassung vom 12.12.2007 an, eine Vereinbarung praxisindividueller Richtgrößen gemäß § 106 Abs. 5 d SGB V abzuschließen, um den Regress abzulösen. Diesem Angebot lag ein Entwurf des Prüfbescheids bei, in dem sämtliche Daten des Jahres 2007, insbesondere die Fallzahlen, die Richtgrößen, die Verordnungskosten sowie weitere Einzelheiten zu den berücksichtigungsfähigen Praxisbesonderheiten enthalten waren.
Der Kläger unterschrieb am 14.12.2009 die ihm angebotene Vereinbarung praxisindividueller Richtgrößen. Festgelegt wurden für das Jahr 2010 folgende individuelle Richtgrößen je Quartal und Fall für die Verordnung von Arznei-und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf: Mitglieder und Familienversicherte: 109,05 EUR/Fall, Rentner: 108,53 EUR/Fall.
Die tatsächlichen Verordnungskosten des Klägers im Jahr 2010 betrugen sodann 1.127.946,75 EUR bei einer Fallzahl Mitglieder/Familienversicherte von 3354 und einer Fallzahl Rentner von 3671 (Fallzahl gesamt 7025).
Nach entsprechender Anhörung des Klägers setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Sachsen mit Prüfbescheid vom 3.12.2012 einen Regress in Höhe von 287.555,93 EUR fest, weil nach der Vereinbarung der praxisindividuellen Richtgrößen ein Richtgrößenvolumen von 764.167,33 EUR zu beachten gewesen wäre. Der festgesetzte Regress ergebe sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen Bruttoverordnungskosten und dem vereinbarten Richtgrößenvolumen, verringert um den Anteil für Rabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V für Verträge, denen der Kläger nicht beigetreten sei und multipliziert mit dem Nettokostenanteil laut Detaildatenlieferung des Leistungserbringers von 79,76 %. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein, die er unter anderem wiederum mit Praxisbesonderheiten insbesondere im Bereich der verordnungsintensiven Diagnosen Atopisches Ekzem einschließlich des tylotisch rhagadiformen Handekzems und Psoriasis begründete. Seine Verordnungen hätten ausschließlich dem Wohl der Patienten gedient. Der Kläger sei gezwungen gewesen, bei seinen Patienten mit schwerer Psoriasis das sehr teure Medikament Humira zu verordnen, nachdem das zuvor verordnete Medikament Raptiva am 9.6.2009 seine Zulassung verloren hatte. Das Medikament Intron-A (interferon alpha 2b) habe der Kläger Patienten verordnet, die wegen eines Melanom in die Hautklinik A ... eingewiesen worden waren und bei denen in der Klinik eine Einstellung auf dieses Medikament erfolgt sei. Die weitere Verordnung habe ihm als dem behandelnden Dermatologen oblegen. Das Präparat Toctino sei Ende 2008 neu auf den Markt gekommen und eine hervorragende Innovation für Patienten, die an einem therapierefraktärem chronisch-tylotisch Handekzem litten. Außerdem verwies der Kläger auf weitere Präparate, die bei Patienten mit schwerer Psoriasis zum Einsatz kämen: Immunosporin (=Ciclosporin) und Enbrel (= Etanercept).
Der Beklagte entschied am 9.10.2013, dass die Entscheidung der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen insoweit abgeändert werde, als gegen den Kläger nunmehr ein Regress in Höhe von 86.764,08 EUR festgesetzt werde. Die notwendigen Aufwendungen des Klägers für das Widerspruchsverfahren würden in Höhe von 70 % erstattet. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die am 14.12.2009 individuell vereinbarten Richtgrößen zunächst für das Kalenderjahr 2010 hochgerechnet werden müssten. Dafür sei die Differenz herangezogen worden, mit der sich die allgemeinen Richtgrößen verändert hätten. Die Bruttoverordnungskosten des Klägers seien zudem bereinigt worden, so dass die maßgeblichen Bruttoverordnungskosten nunmehr mit 1.125.129,31 EUR angenommen würden. Der Regress ergebe sich sodann aus der Differenz zwischen den Bruttoverordnungskosten und dem maßgeblichen Richtgrößenvolumen, wobei zusätzlich zu Gunsten des Klägers Kostensteigerungen der Bruttoverordnungskosten von Medikamenten in den Indikationsgebieten und ATC-Bereichen "orale und parenterale Chemotherapie und Begleitmedikation", "immunsuppressive Behandlungen" und "andere Dermatika" in Höhe von insgesamt 234.246,08 EUR abgezogen worden seien. Der Beklagte erläuterte dies im Bescheid damit, dass der Kläger die Kostensteigerungen am Arzneimittelmarkt ebenso wenig zu vertreten habe wie den kompletten Wegfall von Arzneipräparaten, der ein Ausweichen auf andere zum Teil teure Medikamente erforderlich mache.
Der Kläger hat gegen den Bescheid des Beklagten vom 9.10.2013, der ihm am 8.1.2014 zugegangen war, fristgemäß am 22.1.2014 Klage sowohl gegen die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen als damalige Beklagte zu 1) als auch gegen den Beklagten erhoben. Mit Schriftsatz vom 7.5.2015 wurde die Klage gegen die ursprüngliche Beklagte zu 1) zurückgenommen. Das Gericht hat am 26.7.2017 die Klage, soweit sie sich gegen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen richtete, abgetrennt.
Der Kläger trägt vor, dass bereits bei der Vereinbarung der praxisindividuellen Richtgrößen am 14.12.2009, die einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstelle, seine individuellen Praxisbesonderheiten nur unzureichend berücksichtigt gewesen seien. Auch sei er zum Abschluss dieser Vereinbarung durch die "Androhung" eines Regresses veranlasst worden. Schon deswegen sei die Vereinbarung derart in "Schieflage" geraten, dass ein Festhalten an den individuell vereinbarten Richtgrößen schwerlich nachvollzogen werden könne. Wegen späterer Veränderungen in den Praxisbesonderheiten des Klägers müsse auch von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ausgegangen werden. Rechtsfolge könne daher nicht die Festsetzung eines Regresses sein, sondern es hätte eine Anpassung der individuell vereinbarten Richtgröße entsprechend der nunmehr im Jahr 2010 vorhandenen Praxisbesonderheiten des Klägers erfolgen müssen. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren zu den Praxisbesonderheiten näher vorgetragen habe, bleibe dieser Vortrag ausdrücklich aufrechterhalten. Die vom Beklagten zur Verfügung gestellten Zahlen und Daten bestreitet der Kläger nicht.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid des Beklagten vom 9.10.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung des Beklagten bestehe an der Rechtmäßigkeit der abgeschlossenen praxisindividuellen Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2010 kein Zweifel. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliege diese Vereinbarung einer Nichtigkeitskontrolle, nicht jedoch einer Rechtswidrigkeitskontrolle. Nach dem Maßstab des § 58 SGB X seien keine qualifizierten Rechtsverstöße ersichtlich, die hier zur Nichtigkeit der abgeschlossenen Vereinbarung führen müssten. Die Praxisbesonderheiten des Klägers seien im Übrigen bereits bei der Bildung der Richtgröße ausreichend berücksichtigt und rechnerisch in diese eingeflossen. Konsequenz der Überschreitung der individuellen Richtgröße sei stets der Regress ab dem ersten Euro der Überschreitung. Zu berücksichtigten sei hierbei auch, dass der Vertragsarzt durch die Vereinbarung von individuellen Richtgrößen bereits einen anderen Regress abgelöst habe. Dies schließe es nun aus, nochmals weitere Praxisbesonderheiten vorzutragen. Die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB erlaubten allenfalls die Berücksichtigung solcher Änderungen, die beim Abschluss der individuellen Richtgrößenvereinbarung noch nicht bekannt gewesen seien und auf die der Arzt keinen Einfluss gehabt habe. Der Beklagte habe hier die vom Kläger selbst vorgetragenen Kostensteigerungen am Arzneimittelmarkt und den kompletten Wegfall von Arzneipräparaten, der ein Ausweichen auf andere, teurere Medikamente erforderlich gemacht habe, zu Gunsten des Klägers vollständig berücksichtigt. Ebenfalls zu Gunsten des Klägers seien die Verordnungen von Interferon alpha 2b herausgerechnet worden, denn diese Patienten seien im Verordnungsjahr 2010 neu hinzugekommen und hätten 2007 in der Praxis des Klägers noch keine Besonderheit dargestellt. Bei dem Arzneimittel Toctino, welches ab November 2008 zur Behandlung von Handekzemen zugelassen gewesen sei, stelle sich die Sachlage allerdings etwas anders dar. Hier weise die Diagnosestatistik des Klägers tatsächlich zwar einen leicht erhöhten Anteil an Patienten mit atopischem Ekzem in Bezug zu Fachgruppe auf, so dass die Behandlung sehr schwerer Fälle in der Praxis des Klägers nachvollziehbar sei. Gleichwohl werde der Verdacht der Unwirtschaftlichkeit bei diesem sehr preisintensivem Arzneimittel (ca. 683 EUR je Verordnung) nicht ausgeräumt, weil der Kläger dieses Medikament im Gegensatz zu seinen Fachkollegen sehr viel häufiger verordnet habe. Die Abweichung der Verordnungszahl je 100 Fälle betrage 2621,32 %. Deshalb seien die Kosten dieses Medikamentes von dem Regress nur in Höhe der Differenz der Mehrkosten im Vergleich zur Fachgruppe abzuziehen. Die Berechnung dieser Abzugsbeträge erläuterte der Beklagte nochmals in der mündlichen Verhandlung mit Vorlage einer entsprechenden Übersicht. Der Beklagte habe sich dabei bei den anderen Dermatika (ATC-Code D11AX) sogar zu Gunsten des Klägers "vertan".
Nach intensiver Diskussion dieser Berechnungen in der mündlichen Verhandlung stellt der Kläger die vom Beklagten verwendeten Zahlen zwar weiterhin nicht in Frage, moniert aber die unterschiedliche Berechnung der "Abzugsbeträge" für das Jahr 2010 und das Jahr 2011, das Gegenstand des Rechtsstreits S 18 KA 29/15 ist. Der Beklagte hat dies damit erklärt, dass der Kläger selbst für das Jahr 2010 in einer Tabelle konkrete Kostensteigerungen seiner Praxis bei einzelnen Medikamenten aufgezeigt habe, die zum Ausgangspunkt einer Prüfung gemacht werden konnten. Da der Kläger dies für 2011 nicht gemacht habe, habe der Beklagte in dem anderen Prüfverfahren die allgemeinen Kostensteigerungen der Fachgruppe in den Blick genommen, um zu einer für den Kläger im Übrigen sehr günstigen Lösung zu kommen.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt und sich nicht weiter geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitbefangene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem Vertreter der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGG). Hier konnte eine Entscheidung trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 3) bis 5) ergehen, weil diese jeweils ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit der Entscheidung in Abwesenheit hingewiesen worden waren.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG), denn der Kläger wehrt sich gegen eine ihn belastende Verwaltungsentscheidung (vgl. ausführlich Urteil der Kammer vom 18.1.2017, S 18 KA 73/12; Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106 SGB V, Rn. 450, a.A. (Neubescheidung bei Klage des Vertragsarztes) ohne nähere Begründung BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 8/14 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 49, Rn. 23, juris).
2. Streitgegenstand ist ausschließlich der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, nicht zugleich der Bescheid der Prüfungsstelle. § 95 SGG findet deshalb keine Anwendung (stRspr des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 16/10 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 31, Rn. 10 und Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 38/10 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 33, Rn. 11, beide zitiert nach juris). Soweit die Klage ursprünglich auch gegen die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Sachsen und deren Bescheid vom 3.12.2012 erhoben worden war, hat der Kläger diese zurückgenommen und das Gericht hat diesen Streitgegenstand vom vorliegenden Verfahren abgetrennt.
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage sind erfüllt.
II. Die Klage ist unbegründet, denn der Bescheid des Beklagten vom 9.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten, gegenüber dem Kläger einen Regress festzusetzen, ist zunächst § 106 Abs. 5d SGB V a.F ... Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich grundsätzlich nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 8/14 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 49, Rn. 30, juris)
Die Vorschrift lautete:
"(5d) 1Ein vom Vertragsarzt zu erstattender Mehraufwand wird abweichend von Absatz 5a Satz 3 nicht festgesetzt, soweit die Prüfungsstelle mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gewährleistet. 2In dieser Vereinbarung muss sich der Arzt verpflichten, ab dem Quartal, das auf die Vereinbarung folgt, jeweils den sich aus einer Überschreitung dieser Richtgröße ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten. 3Die Richtgröße ist für den Zeitraum von vier Quartalen zu vereinbaren und für den folgenden Zeitraum zu überprüfen, soweit hierzu nichts anderes vereinbart ist."
Die Höhe des Regresses ergibt sich aus der Vereinbarung individueller Richtgrößen vom 14.12.2009. Die Bindungswirkung individueller Richtgrößenvereinbarungen und die Konsequenz einer Überschreitung ist durch das Urteil des BSG vom 28.08.2013 B 6 KA 46/12 R , juris, hinreichend geklärt. Die Kammer schließt sich der vom Bundessozialgericht vertretenen Rechtsauffassung an, wonach die Vereinbarung individueller Richtgrößen den Vertragsarzt bindet und ihm im Falle der Überschreitung dieser Richtgröße die Möglichkeit nimmt, diese nachträglich in Zweifel zu ziehen; auch die nachträgliche Geltendmachung von Praxisbesonderheiten ist ausgeschlossen. Außerdem ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes der komplette Mehraufwand ohne "Toleranzbereich" (wie in § 106 Abs. 5a Satz 1 und 3 SGB V in Höhe von 25 %) zu erstatten (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 46/12 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 42, Rn. 18, juris, mit weiteren Nachweisen aus der Literatur).
2. Die konkrete Berechnung des Regressbetrags verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Ausgehend von den oben genannten Vorgaben ist der Beklagte zutreffend zunächst von den am 14.12.2009 vereinbarten individuellen Richtgrößen in Höhe von 109,05 EUR/Fall für Mitglieder und Familienversicherte sowie 108,53 EUR/Fall für Rentner ausgegangen und hat das hieraus errechnete Richtgrößenvolumen von 764.167,33 EUR dem tatsächlichen Verordnungsvolumen des Klägers von 1.125.129,31 EUR gegenübergestellt.
Der Kläger kann insoweit nicht geltend machen, dass der Betrag von 764.167,33 EUR für ihn nicht gelten könne, denn die Richtgrößenvereinbarung ist nicht nichtig (§ 58 SGB X).
aa) Aus dem Verweis in § 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X ergibt sich, dass die Richtgrößenvereinbarung nur dann nichtig ist, wenn sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dieser offensichtlich ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2008 – B 3 KR 17/07 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 7, SozR 4-2500 § 108 Nr 1, juris, Rn. 25). Ein solcher schwerwiegender Fehler ist nach Auffassung der Kammer hier nicht gegeben. Wenn sich der Kläger hier auf eine grobe "Schieflage" des Vertrags bezieht und sich durch den drohenden Regress für 2007 gleichsam dazu gedrängt gefühlt haben mochte, den Vertrag abzuschließen, folgt die Kammer dem nicht. Die Möglichkeit der Ablösung eines Regresses durch eine künftig geltende Richtgrößenvereinbarung ist im Gesetz vorgesehen; soweit der Vertragsarzt diese wünscht, muss sogar in Verhandlungen eingetreten werden (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 46/12 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 42, Rn. 20, juris). Die Ausschöpfung dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten kann damit für sich genommen nicht einen schwerwiegenden Fehler des Vertrags darstellen.
Schließlich ist die Kammer auch der Auffassung, dass die Vereinbarung nicht deswegen nichtig ist, weil die individuelle Richtgrößenvereinbarung lediglich nach dem Versicherungsstatus, nicht aber weiter nach dem Alter der Patienten differenziert (vgl. dazu auch Bundessozialgericht, Urt. v. 22.10.2014 B 6 KA 8/14 R juris Rn. 52 f.; Urt. v. 15.07.2015 B 6 KA 30/14 R juris Rn. 36).
bb) Soweit der Kläger zusätzlich sinngemäß geltend macht, dass mit der Vereinbarung der konkreten Richtgrößen gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen worden sei (§ 58 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 134 BGB), weil der Kläger mit diesen keinesfalls im Jahre 2010 eine wirtschaftliche Versorgung seiner Patienten gewährleisten konnte, folgt die Kammer dem ebenfalls nicht. § 106 Abs. 5d SGB V beinhaltet schon kein gesetzliches Verbot im Sinne mit dem Inhalt, Richtgrößen so festzulegen, dass eine wirtschaftliche Verordnungsweise unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nicht mehr gewährleistet sei. Nicht jede zwingende Norm des Verwaltungsrechts oder Sozialrechts hat die Bedeutung eines Verbotsgesetzes (BSG, Urt. v. 17.05.1989 10 RKg 16/88 , juris Rn. 22). In Bezug auf die Ausgestaltung von Normverträgen nach den Vorgaben des § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V hat das BSG bereits entschieden, dass ausfüllungsbedürftige Normen, die gerade die Grundlage für Verhandlungen der Vertragspartner bieten und deren Umsetzung in weitem Umfang der Disposition der Vertragspartner unterliegt, nicht Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB sein können (BSG, Urt. v. 28.09.2005 B 6 KA 71/04 R , juris Rn. 25). So liegt es auch hier: Die Vorgabe des § 106 Abs. 5d Satz 1 SGB V, dass die individuelle Richtgröße eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu gewährleisten habe, bildet (nur) einen Maßstab für die eigenverantwortliche Ausgestaltung der Richtgrößenvereinbarung durch den Vertragsarzt und das Prüfgremium. Ob die Vereinbarung dieses Ziel zu erfüllen vermag, unterliegt zunächst der unmittelbaren Kontrolle des Vertragsarztes, der sich ihr zur Ablösung des Regresses freiwillig unterwirft, so dass schon kein Anlass besteht, die strengen Rechtsfolgen des § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 134 BGB in Folge einer nachträgliche Inhaltskontrolle eingreifen zu lassen.
Im Übrigen hat der Kläger weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass die Richtgrößen nicht ausreichend gewesen wären, um die Versorgung seiner Patienten mit Arzneimitteln unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu gewährleisten.
b) Soweit der Beklagte den Regressbetrag in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Verordnungsvolumen des Klägers von 1.125.129,31 EUR und dem Richtgrößenvolumen von 764.167,33 EUR zusätzlich um weitere 234.246,08 EUR reduziert hat, die der Kläger "nicht zu vertreten" habe, verletzt diese Berechnungsweise den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. Eine darüber hinausgehende Reduzierung kann er nicht verlangen.
Die Kammer kann letztlich offen lassen, wie sich das Vorgehen des Beklagten dogmatisch einordnen lässt. Denn mangels Rechtsverletzung des Klägers muss nicht entschieden werden, ob der Beklagte mit dieser Reduzierung einen möglichen Anspruch des Klägers auf Anpassung des öffentlich-rechtlichen Vertrags beachtet hat, oder ob die Reduzierung schlicht der Umsetzung des verfassungsmäßig garantierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit allen staatlichen Handelns im Einzelfall gedient hat.
Für die Kammer bestehen allerdings Zweifel daran, ob hier wirklich das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, das in § 313 BGB bzw. für sozialrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge in § 59 SGB X niedergelegt ist, zu Gunsten des Klägers fruchtbar gemacht werden kann. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt zunächst grundsätzlich voraus, dass sich nachträglich etwas in den für den Vertragsabschluss maßgeblichen Verhältnissen ändert. Erst dann, wenn eine nachträgliche Änderung vorliegt, kann geprüft werden, ob die Änderung so wesentlich ist, dass sie Konsequenzen für die Wirksamkeit des Vertrages hat.
Die hier vom Kläger selbst vorgetragenen Gründe für die Überschreitung des individuellen Richtgrößenvolumens im Jahr 2010 sind aber schon ganz überwiegend nicht als nachträgliche Änderungen einzuordnen. Bei Vertragsabschluss im Dezember 2009 war das Medikament Toctino bereits ein Jahr für die Behandlung schwerer Handekzeme zugelassen. Im Dezember 2009 hatte Raptiva bereits seit einem halben Jahr keine Zulassung mehr, so dass der Kläger bereits mehrere Monate lang schon Humira und andere Präparate des ATC-Codes L04 für seine Patienten mit schwerer Psoriasis verordnen musste. Er wusste deshalb, dass sich die Medikamentenkosten für diese Gruppe von Patienten, die als Praxisbesonderheit bereits in der individuellen Richtgröße berücksichtigt waren, nach oben entwickeln würden. Der Kläger hatte daher schon vor Vertragsabschluss die Möglichkeit, den Beklagten darauf aufmerksam zu machen, dass die vertragliche Regelung, die sich an den Arzneimittelverordnungen des Jahres 2007 orientierte, für das Jahr 2010 nach seiner Meinung einer gewissen Anpassung bedürfen könnte. Schon deswegen kann für diese beiden "Praxisbesonderheiten" nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kein Anspruch auf Anpassung der Richtgrößen bestehen. Es ist insofern auch unerheblich, dass der Kläger diese Tatsachen erst im Widerspruchsverfahren gegen den Regressbescheid und nicht schon im Lauf des Jahres 2010, für das die Richtgrößen vereinbart waren, vorgetragen hat. Wenn der Beklagte diese Kostensteigerungen gleichwohl berücksichtigt, verletzt dies den Kläger auf keinen Fall in seinen Rechten.
Bei dem Medikament Intron A ist zwar nach Auffassung der Kammer von einer nachträglichen Änderung auszugehen, denn diese Patientengruppe kam erstmals 2010 in der Praxis des Klägers hinzu. Dass der Kläger diese Problemstellung nicht bereits im Lauf des Jahres 2010 bei der Prüfungsstelle eingebracht hat, schließt ihn nach nunmehriger Auffassung der Kammer entgegen der früheren Rechtsprechung, an der sie nicht festhält (vgl. Gerichtsbescheid vom 16.11.2015, S 18 KA 42/14, n.v.) mit diesem Vortrag zwar nicht grundsätzlich aus. Das konkrete Verordnungsvolumen für Intron A macht jedoch nur 3,43 % des Richtgrößenvolumens aus. Da der Beklagte den Regress aber von sich aus bereits um das gesamte Verordnungsvolumen für Intron A reduziert hat, braucht die Kammer hier weder zu entscheiden, ob es sich um eine wesentliche Änderung handelte, noch ob diese Praxisbesonderheit überhaupt als Element der "Geschäftsgrundlage" berücksichtigt werden kann.
Gleiches gilt für die allgemeine Kostensteigerung von Arzneimitteln, die der Beklagte hier ohnehin zu Gunsten des Klägers berücksichtigt hat.
Ausgehend davon, dass der Beklagte letztlich Umstände berücksichtigen wollte, die dem Kläger auch bei sonst weiterhin unwirtschaftlichem Verordnungsverhalten nicht subjektiv vorzuwerfen sind, liegt es nach Auffassung der Kammer näher, jede Reduzierung der eigentlich geschuldeten "Regressforderung ab dem ersten Euro der Überschreitung von individuellen Richtgrößen" der Umsetzung des verfassungsmäßig garantierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit allen staatlichen Handelns im Einzelfall zuzuordnen. Denn auch dann, wenn ein Anspruch auf Anpassung der Vereinbarung individueller Richtgrößen nach § 59 SGB X nicht besteht, also der Vertrag letztlich bestehen bleibt, kann der eigentliche Regressbescheid, mit dem die Verletzung des Vertrags sanktioniert wird, im Einzelfall doch unverhältnismäßig sein.
Ob der Beklagte deswegen in allen derartigen Fällen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen bereits grundsätzlich verpflichtet ist, die allgemeinen Kostensteigerungen bei Arzneimitteln zu berücksichtigen, weil etwa zwischen dem geprüften Jahr und der individuellen Vereinbarung Zeit verstrichen ist, lässt die Kammer offen. Dagegen spricht hier, dass die im Jahr 2009 vereinbarte Richtgröße bereits so großzügig bemessen war, dass der Kläger – wenn sie auf das Jahr 2007 angewendet worden wäre – noch reichliche Kapazitäten übrig gehabt hätte. Es waren daher bereits potentielle Steigerungen in die individuelle Richtgröße "eingepreist". Andererseits hat der Beklagte hier nach Auffassung der Kammer eine Entwicklung berücksichtigt, die sich von allgemeinen Preissteigerungen am Arzneimittelmarkt deutlich unterscheidet. Gerade bei den hier immer wieder genannten Krankheitsbildern Psoriasis und Atopisches Ekzem hat die Wissenschaft durch Biopharmazeutika in den letzten Jahren einen immensen Entwicklungsschub erfahren und sich die Behandlung dieser Krankheiten grundlegend verändert. Zu Recht hat der Beklagte daher hier Überlegungen angestellt, ob auch Veränderungen unterhalb der Schwelle eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder außerhalb des Anwendungsbereichs des § 59 SGB X bei Erlass eines Regressbescheids zu berücksichtigen sind. Da die vom Beklagten ermittelten Abzugsbeträge aber jedenfalls ausreichend sind und die Rechte des Klägers nicht verletzen, muss die Kammer nicht im Einzelnen entscheiden, wie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konkret Geltung verschafft werden kann. Mit der "Inflationierung" der individuell vereinbarten Richtgröße, der Berücksichtigung der konkreten Steigerung der Verordnungskosten des Klägers im Indikationsgebiet 19 (Psoriasis) und 9 (Melanom) und mit dem sehr großzügigen Abzug der Kostensteigerung bei den Medikamenten der ATC-Gruppe D11 AX (Andere Dermatika) hat der Beklagte jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsgebot rechtmäßig umgesetzt.
Mit den dagegen sinngemäß vorgetragenen Einwänden, dass hier eine andere Berechnungsweise angewandt worden sei, als für den Regress des Jahres 2011, dass solche Berechnungen aber stets einheitlich sein müssten und daher beide rechtswidrig seien, dringt der Kläger dagegen nicht durch. Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat, ist es bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig Sache des Vertragsarztes, die maßgeblichen Tatsachen zu benennen und zu belegen, die gegen den Anschein der Unwirtschaftlichkeit sprechen. (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 5.6.2013 – B 6 KA 40/12 R –, juris: "Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt."). Dieser Grundsatz kann nach Auffassung der Kammer auf den vorliegenden Fall einer individuellen Richtgrößenüberschreitung, die nicht nur Anschein von Unwirtschaftlichkeit, sondern die Unwirtschaftlichkeit selbst begründet, übertragen werden. Genau die vom Kläger vorgetragenen "Besonderheiten" hat der Beklagte hier für 2010 sehr großzügig zu Gunsten des Klägers berücksichtigt. Mehr musste er jedenfalls nicht tun.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keine eigenen Anträge gestellt haben, waren ihre Kosten aus Billigkeitsgründen nicht dem Kläger aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved