Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 2044/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 567/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. August 2017 wird aufgehoben und der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2017, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der weitergehende Antrag im Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II), hilfsweise nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII).
Die Antragsteller sind rumänische Staatsbürger. Der am ... 1979 geborene Antragsteller zu 1. und die am ... 1981 geborene Antragstellerin zu 2. sind miteinander verheiratet; der am ... 2002 geborene Antragsteller zu 3. ist das gemeinsame Kind der Eheleute. Die Antragsteller reisten nach ihren eigenen Angaben Mitte des Monats Juni 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie leben in H. in einer angemieteten Wohnung.
Der Antragsteller zu 1. war in der Zeit vom 25. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 als Tierpfleger bei einer Agrargenossenschaft mit einem monatlichen Vergütungsanspruch von 1.645,00 EUR brutto beschäftigt. Die Antragstellerin zu 2. war vom 27. Juli 2016 bis zum 11. November 2016 als Helferin bei einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden und einem Vergütungsanspruch von 8,50 EUR in der Stunde beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch eine Kündigung des Arbeitgebers beendet. Der Antragsteller zu 3. besucht die 8. Klasse einer Sekundarschule in H ... Hierzu haben die Antragsteller eine Bescheinigung der Schule vom 24. Mai 2017 vorgelegt, wonach der Antragsteller zu 3. diese besucht und dort voraussichtlich bis zum 31. Januar 2019 Schüler sein wird.
Die Antragsteller erhielten bis Ende Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Antragsgegner in einer monatlichen Höhe von 1.194,99 EUR. Mit einem Bescheid vom 20. Juni 2017 lehnte der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern eine Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 mit der Begründung ab, die Antragsteller hätten kein Freizügigkeitsrecht und seien vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Hiergegen erhoben die Antragsteller anwaltlich vertreten am 27. Juni 2017 Widerspruch. Diesen wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2017 zurück. Hierzu ist ein Klageverfahren beim Sozialgericht Halle (SG) anhängig.
Die Antragsteller haben am 26. Juni 2017 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG gestellt und vorgetragen: Es bestehe ein Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Zur streitigen Problematik des Leistungsausschlusses für EU-Bürger seien Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Das SG hat mit Beschluss vom 7. August 2017 die Stadt H. als örtlichen Sozialhilfeträger zum Verfahren beigeladen.
Mit einem Beschluss vom 7. August 2017 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Antragsteller hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragsteller seien von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Sie hätten auch keinen Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 41a Abs. 7 SGB II. Die Leistung stehe insoweit im Ermessen des Antragsgegners und eine Reduzierung des Ermessens auf "Null" liege nicht vor.
Gegen den am 14. August 2017 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 14. August 2017 Beschwerde eingelegt und vorgetragen: Im Anschluss an die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG vom 13. Juli 2017, B 4 AS 17/16 R) ergebe sich unter Berücksichtigung der inzwischen beendeten Arbeitsverhältnisse der Antragsteller zu 1. und zu 2. ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU).
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. August 2017 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen für die Zeit ab dem 26. Juni 2017 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen,
hilfsweise, die Beigeladene zur Leistungserbringung zu verpflichten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des SG. Er ist zudem der Auffassung, im Hinblick auf das Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU scheide die Addition der Erwerbstätigkeitszeiten mehrerer Mitglieder einer Familien aus.
Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten Wert von 750 EUR. Die begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern ab dem 26. Juni 2017 (dem Datum des Antragseingangs bei SG) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, überschreitet (bei einer monatlichen Leistungshöhe von zuletzt im Juni 2017 in Höhe von 1.194,99 EUR) diesen Betrag.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Senat hält die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung für gegeben. Dabei kommt aber eine Verpflichtung zur Leistungserbringung erst ab dem 1. Juli 2017 in Betracht, weil die Antragsteller bis Ende Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Antragsgegner bezogen haben. Der Senat hält es auch für geboten, die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungserbringung in Anlehnung an die Regelung im § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2017 zu begrenzen. Vor Ablauf dieser Zeitspanne wird auf einen Neuantrag der Antragsteller hin eine erneute Überprüfung durch den Antragsgegner erfolgen können.
Rechtsgrundlage für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist § 86b Abs. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Abs. 1 und 3, 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist danach stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, und ein Anordnungsanspruch, d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs, glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren nicht die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 86b, Rn. 16b). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02).
Im konkreten Fall ist ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn nach Lage der Akten und dem plausiblen Vortrag der Antragsteller benötigen diesen mangels anderer Einkünfte (außer dem Kindergeld für den Antragsteller zu 3.) oder verwertbarem Vermögen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Senat sieht auch einen Anordnungsanspruch als glaubhaft gemacht an.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten materiell-rechtlichen Leistungsanspruch der Antragsteller sind die §§ 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, 20 Abs. 1 und 4 SGB II. Nach diesen Vorschriften erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des Regelbedarfs sowie der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, soweit diese nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Leistungsberechtigt sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die u. a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Einkommen und Vermögen sind nach Maßgabe der §§ 11, 12 SGB II anzurechnen.
Die Antragsteller erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Sie haben (bezogen auf den relevanten Zeitraum ab dem 1. Juli 2017) jeweils das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Auch sind sie, da ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte bzw. auf Grund der in der Europäischen Union geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erlauben wäre, in der Lage, in dem in § 8 Abs. 1 SGB II beschriebenen Umfang erwerbstätig zu sein. Denn gemäß § 8 Abs. 2 SGB II reicht hierfür die rechtliche Möglichkeit aus, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen. Zudem haben die Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, Az. B 4 AS 54/12 R, zitiert nach juris, Rn. 18) in der Bundesrepublik Deutschland begründet.
Der Anspruch ist im Fall der Antragsteller auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II ausgeschlossen. Denn ihr Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht alleine aus dem Zwecke der Arbeitsuche.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II ist der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts ausgeschlossen für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Alleine zum Zwecke der Arbeitsuche ergibt sich ein Aufenthaltsrecht für Ausländer, die Bürger eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union sind, aus § 2 Abs. 2 Nr. 1a des Gesetzes über die Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Danach sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich in der Bundesrepublik Deutschland zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Mit den Bestimmungen des FreizügG/EU werden die Reglungen zur Freizügigkeit von Bürgern der Europäischen Union nach Unionsrecht in nationales Recht der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Nach Maßgabe des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger haben ein Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU). Ausgehend von dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II ist somit zu prüfen, ob sich für die Betroffenen ein Aufenthaltsrecht auch oder überhaupt aus einem anderen Rechtsgrund ergibt.
Im Falle der Antragsteller ergibt sich ein solches Aufenthaltsrecht nicht aus einer anderen Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU.
Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht bzw. schon nicht vorgetragen, dass sie derzeit Erwerbstätigkeiten als Arbeitnehmer oder Selbständige ausüben. Sie können sich deshalb nicht auf ein an eine ausgeübte Erwerbstätigkeit anknüpfendes Freizügigkeitsrecht nach dem FreizügG/EU, das ihnen ein Aufenthaltsrecht vermitteln würde, berufen.
Auch aufgrund der von den Antragstellern zu 1. und 2. in der Vergangenheit ausgeübten Erwerbstätigkeit ergibt sich kein Freizügigkeitsrecht. Ein Aufenthaltsrecht aufgrund einer Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizüG/EU für Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen, stand den Antragstellern zu 1. und 2. während der Ausübung der Beschäftigungen zu, die indes beendet sind.
Diese Freizügigkeitsberechtigungen wirken auch nicht mehr fort. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU bleibt die Freizügigkeitsberechtigung für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbstständige keinen Einfluss hat, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Die Antragsteller zu 1. und 2. haben jeweils weder selbständige Tätigkeiten noch Tätigkeiten als abhängige Arbeitnehmer für die Zeit von mehr als einem Jahr ausgeübt. Die vom Antragsteller zu 1. in der Zeit vom 25. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 ausgeübte Tätigkeit und die von der Antragstellerin zu 2. in der Zeit vom 27. Juni 2016 bis zum 11. November 2016 ausgeübte Tätigkeit umfassen jeweils Zeiträume von weniger als einem Jahr. Eine Addition der beiden genannten Zeiträume scheidet aus. Aus dem Pressebericht des BSG zu der Entscheidung vom 13. Juli 2017, B 4 AS 17/16 R (die Entscheidung liegt noch nicht im Volltext vor) ergibt sich zwar, dass das BSG davon ausgeht, dass auch mehrere Tätigkeiten einen Arbeitnehmers, jedenfalls dann, wenn dazwischen nur ein kurzer Zeitraum liegt, zu einer Tätigkeit von insgesamt mehr als einem Jahr im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizüG/EU führen können. Daraus lässt sich aber kein Hinweis darauf entnehmen, dass auch die Zeiten von Tätigkeiten verschiedener Mitglieder einer Familie zusammen einen Zeitraum von mehr als einem Jahr im Sinne der genannten Vorschrift vermitteln können. Der Senat hält eine solche Auslegung auch für ausgeschlossen. Denn es geht um einen Tatbestand, der eine Freizügigkeitsberechtigung für einen bestimmten Arbeitnehmer begründet. Somit müssen die Voraussetzungen auch durch ihn persönlich erfüllt werden.
Eine Freizügigkeitsberechtigung kann sich für die Antragsteller zu 1. und 2. auch nicht mehr aus § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU ergeben. Nach dieser Vorschrift bleibt die Freizügigkeitsberechtigung für Arbeitnehmer bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach einer Beschäftigung von weniger als einem Jahr während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Gerechnet vom letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses des Antragstellers zu 1. am 31. Dezember 2012 und der der Antragstellerin zu 2. am 11. November 2016 war dieser Zeitraum von sechs Monaten jeweils zu Beginn des hier relevanten Zeitraums einer Leistungsgewährung ab dem 1. Juli 2017 bereits abgelaufen.
Nach Auffassung des Senats ergibt sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung auch kein anderes Ergebnis unter Berücksichtigung des Europarechts.
Die genannten Regelungen des FreizügG/EU sind im Licht des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL/EG 2004/38) zu beurteilen, wo es in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a heißt: Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist. In Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie wird ergänzend festgelegt: Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchst. a bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten: c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten. Dem wird die nationale Vorschrift § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU gerecht.
Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB II für Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ist auch mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Der EuGH hat festgestellt, dass eine strikte Dreimonatsgrenze zur Findung einer Beschäftigung die Arbeitnehmerfreizügigkeit verletzt, sofern eine ernsthafte Arbeitssuche vorliegt. Weiter hat der EuGH aber auch ausgeführt, das Unionsrecht verwehre es den Mitgliedstaaten nicht, eine Sechsmonatsfrist zur Findung einer Arbeitsstelle vorzusehen und nach Ablauf dieser Frist einen Wegfall des Freizügigkeitsrechts anzunehmen, sofern der Betroffene nicht nachweise, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit suche (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991, C-292/89 [Antonissen], zitiert nach juris, Rn. 19 ff.). Für das so bestimmte Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche hat der EuGH in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass sich aus der in Art. 24 Abs. 2 der RL/EG 2004/38 vorgenommenen Verweisung ausdrücklich ergebe, dass der Aufnahmemitgliedstaat einem Unionsbürger, dem ein Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Arbeitsuche zustehe, jegliche Sozialhilfeleistung verweigern dürfe (EuGH, Entscheidung vom 15. September 2015, C-67/14, [Almanovic] und vom 11. November 2014, C-333/13, [Dano], jeweils zitiert nach juris).
Der Senat geht aber im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung davon aus, dass die Antragsteller ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO/EU 494/2011) ableiten können. Art. 10 dieser Verordnung bestimmt, dass die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen können. Art. 10 VO/EU 492/2011 verleiht den Kindern von Arbeitnehmern ein eigenes Recht auf Zugang zum Unterricht an einer allgemeinbildenden Schule und damit ein autonomes, d. h. nicht vom Aufenthaltsrecht seiner Eltern abhängiges, eigenständiges Aufenthaltsrecht. Dieses Recht gilt für Kinder von Arbeitnehmern wie auch für die Kinder ehemaliger Arbeitnehmer. Art. 10 VO/EU 492/2011 verlangt nur, dass das Kind mit seinen Eltern bzw. einem Elternteil in der Zeit in einem Mitgliedstaat lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. April 2016, 2 AS 182/16 B ER, zitiert nach juris, Rn. 37, unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH). Diese Voraussetzungen werden durch den Antragsteller zu 3., der schon während der Beschäftigungszeiten seiner Eltern die Schule besuchte, erfüllt.
Aus dem Aufenthaltsrecht des sich in der Ausbildung befindlichen Kindes folgt nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich das BSG angeschlossen hat, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für dessen Eltern, sofern sie die elterliche Sorge für das Kind tatsächlich wahrnehmen. Denn die Versagung der Möglichkeit für die Eltern, während der Ausbildung ihres Kindes im Aufnahmestaat zu bleiben, kann geeignet sein, dem Kind das unionsrechtlich zuerkannte Recht faktisch zu nehmen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 43/15 R, zitiert nach juris, Rn. 31 ff.). Im hier zu entscheidenden Fall haben die Antragsteller zu 1. und 2. gemeinsam das Sorgerecht für den Antragsteller zu 3. inne. Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, dass sie das Sorgerecht auch tatsächlich ausüben.
Grundsätzlich liegt somit für die Antragsteller zu 1. und 2. eine anderes Aufenthaltsrecht vor als das, welches sich alleine aus dem Zwecke der Arbeitsuche ergibt.
Der Beachtlichkeit dieses Aufenthaltsrecht im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht nach der Auffassung des Senats nicht entgegen, dass der Bundesgesetzgeber mit Wirkung vom 29. Dezember 2016 eine neuen Ausschlussregelung in das SGB II aufgenommen hat, die dieses Aufenthaltsrecht ausdrücklich erfasst. Nach dem neuen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c SGB II sollen von Leistungen nach dem SGB II nun auch Ausländerinnen und Ausländer ausgeschlossen sein, die ihr Aufenthaltsrecht alleine oder neben einem Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche aus Art. 10 der VO/EU 492/2011 ableiten.
Der Senat geht im Rahmen der summarischen Prüfung davon aus, dass letztlich mehr Gründe für eine Unvereinbarkeit dieser neuen Regelung mit Europäischen Unionsrecht sprechen als dagegen. Aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach dem Unionsrecht im Verhältnis zum nationalen Recht ein Anwendungsvorrang zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, [Costa/ENEL], zitiert nach juris) folgt bei einer Unvereinbarkeit der neuen Ausschlussklausel mit Unionsrecht deren Nichtanwendbarkeit. Die Feststellung der Unionsrechtwidrigkeit einer nationalen Regelung ist letztlich dem EuGH vorbehalten. Weil aber im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Vorlage an den EuGH untunlich ist, entscheidet der Senat im Rahmen einer Folgenabwägung (so auch das Schleswig-Holsteinische LSG, Beschluss vom 17. Februar 2017, L 6 AS 11/17 B ER, zitiert nach juris, Rn. 23 ff.),
In dem Gesetzesentwurf wird zur Begründung der Neuregelung ausgeführt, dass diese im Einklang mit der RL/EG 2004/38 stehe und auch sonst mit europäischem Recht vereinbar sei. Die Regelungen der Freizügigkeitsrichtlinie liefen ins Leere, wenn sie für Personen, die nicht mehr erwerbstätig seien und nicht mehr von der Nachwirkungsfiktion des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU erfasst würden, nicht mehr gelten sollten, wenn und solange diese schulpflichtige Kinder hätten (BT-Drucks 18/10211, S. 13).
Demgegenüber werden in der Literatur und auch in der Rechtsprechung erhebliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Neuregelung mit Europäischem Unionrecht geäußert und es wird angenommen, dass diese unvereinbar mit dem Ungleichbehandlungsverbot des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO/EG 883/2004) sei, wonach leistungsrechtliche Beschränkungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht zulässig seien (so Derksen, info also, 2016, 257 ff.). Mit dieser Begründung hat auch das LSG Nordrhein-Westfalen erhebliche europarechtliche Bedenken gegenüber der Neuregelung geäußert (Beschluss vom 27. Dezember 2016, L 7 AS 2148/16 B, zitiert nach juris, Rn. 6).
Zwar schließe Art. 4 VO/EG 883/2004 nach der Rechtsprechung des EuGH nicht jede Ungleichbehandlung aus, jedoch ließen sich Beschränkungen nur auf Gründe stützen, die der VO/EG 883/2004 selbst zu entnehmen seien (so Derksen, info also, 2016, 257, 260). Eine Ungleichbehandlung könne überdies nach der Rechtsprechung des EuGH zwar auch im koordinierenden Sozialrecht gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhe. Art. 4 VO/EG 883/2004 verbiete jedoch jegliche Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit, einschließlich mittelbarer Diskriminierungen (so Derksen, info also, 2016, 257, 260 mit weiteren Hinweisen). Dies habe die weitreichende Folge, dass Leistungsbeschränkungen für Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten im Aufenthaltsmitgliedstaat, die dort ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO/EU 492/2011 hätten, die diese an der Staatsangehörigkeit der Antragsteller festmachten, gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 4 VO/EG 883/2004 verstießen und daher unwirksam seien (so Derksen, info also, 2016, 257, 260). Zu dieser Einschätzung kommt im Ergebnis auch eine Ausarbeitung der Unterabteilung Europa des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (Ausarbeitung S. 18 f., Aktenzeichen PE 6-3000-76/26, zugänglich über das Internet).
Die Auffassung von der Anwendbarkeit des Art. 4 VO/EG 883/2004 setzt voraus, dass dessen Anwendung nicht durch eine andere unionsrechtliche Regelung verdrängt wird und dass das Gleichbehandlungsgebot auch für die in Frage stehenden Sozialleistungen Anwendung findet. Davon geht Derksen aus, der meint, für Konstellationen, in denen sich ein Aufenthaltsrecht nicht aus der Freizügigkeitsrichtlinie, der VO/EU 2004/38, sondern aus Art. 10 Abs. 1 der VO/EU 492/2011 ergebe, finde Art. 4 VO/EG 883/2004 Anwendung (Derksen, info also, 2016, 257, 259).
Demgegenüber vertritt die 25. Kammer des Sozialgerichts Halle die Auffassung, der Rechtsprechung des EuGH sei mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Gerichtshof die Geltung des Diskriminierungsverbotes an ein Aufenthaltsrecht nach der Freizügigkeitsrichtlinie RL/EG 2004/38 knüpfe und andere Aufenthaltsrechte für eine Gleichbehandlung bei Sozialhilfeleistungen für nicht maßgebend ansehe. Der vom Generalanwalt beim EuGH in seinen Schlussanträgen geforderten Berücksichtigung der familiären Verhältnisse sei der EuGH nicht gefolgt (im Urteil vom 15. September 2015, C 67/14 [Alimanovic]). Aus der der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 11. November 2014, C-333/13, [Dano], vom 15. September 2015, C-67/14, [Alimanovic] und vom 25. Februar 25.2.2016, C-299/14, [Garcia-Nieto]) zu entnehmenden vorrangigen Anwendbarkeit des Freizügigkeitsrechts folge, dass ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates nur nach Art. 24 Abs. 1 RL/EG 2004/38 und nur dann verlangen könne, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates die Voraussetzungen der RL/EG 2004/38 erfülle (SG Halle, Beschluss vom 22. Februar 2017, S 25 AS 73/13, zitiert nach juris, Rn. 79ff.).
Weil sich hier - wie oben ausgeführt – aus der Umsetzung des unionsrechtsrechtlichen Freizügigkeitsrechts in das nationale Recht mit dem FreizügG/EU kein Aufenthaltsrecht für die Antragsteller ergibt, würde aus der vorrangigen Anwendung des Freizügigkeitsrechts folgen, dass eine Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und auch dem SGB XII europarechtskonform wäre.
Der Senat hält die Argumentation der 25. Kammer des SG Halle zwar für durchaus erwägenswert. Im Ergebnis überwiegen aber dennoch die aufgezeigten Zweifel an der Vereinbarkeit der Neuregelung mit dem Unionsrecht.
Wenn der EuGH ausführt, der sich aus der Freizügigkeitsrichtlinie ergebende Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit sei ein Kriterium, welches es den Betroffenen ermögliche, ihr Rechte und Pflichten eindeutig zu erfassen, und folglich geeignet, bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Grundsicherung ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit und Transparenz zu gewährleisten; es stehe zugleich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (EuGH, Urteil vom 15. September 2015, C-67/14 [Alimanovic], zitiert nach juris, Rn. 61), so bezieht sich dies unmittelbar nur auf diejenigen Unionsbürger, die in einem anderen Mitgliedsstaat erwerbstätig waren und es nun nicht mehr sind. Für diese ist der Freizügigkeitsrichtlinie RL/EG 2003/38 ein abgestuftes System im Hinblick auf den Fortbestand der Berechtigung und damit mittelbar auch den Anspruch auf Sozialleistungen zu entnehmen. Berücksichtigt wird die erreichte Eingliederung in Erwerbstätigkeit im Aufnahmestaat. Die sich in einer Ausbildung befindlichen Angehörigen dieser ehemals erwerbstätigen Unionsbürger, die ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO/EG 492/11/EU ableiten, werden hiervon nicht unmittelbar erfasst. Dass ihnen durch das Unionsrecht ein eigenes Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat vermittelt wird, spricht dagegen, sie als bloßen Annex zu ihren erwerbstätigen oder ehemals erwerbstätigen Elternteilen anzusehen. Ihr eigenständiges Aufenthaltsrecht, das eine Kontinuität der Ausbildung sichern soll, wäre auch in einem hohen Maße faktisch gefährdet, wenn die Betroffenen im Ergebnis wegen fehlender Mittel zum Lebensunterhalt die Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland abbrechen müssten.
Anders als die 25. Kammer des SG Halle vermag der Senat der zitierten Rechtsprechung des EuGH keine eindeutige Aussage zu entnehmen, die den Personenkreis betrifft, der sein Aufenthaltsrecht nicht alleine (unmittelbar oder zumindest mittelbar als Angehöriger) aus dem Freizügigkeitsrecht ableitet. Dies wird im Ergebnis auch vom 6. Senat des LSG Schleswig- Holstein so gesehen. Dieser vertritt die Auffassung, dass die einschlägige Rechtsprechung des EuGH "nur so zu verstehen sei", dass die RL/EG 2004/38 bei Vorliegen eines anderen als sich aus dieser Richtlinie selbst ergebenden Aufenthaltsrechts nicht anwendbar sei. Der EuGH habe auch in seiner Rechtsprechung (Urteile vom 23. Februar 2010 – C-480/08 [Texerira] und C-310/08 [Ibrahim]) deutlich
gemacht, dass unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten der Zugang zur Ausbildung umfassend auszulegen sei und auch die finanziellen Ressourcen umfasse, die benötigt würden, um die Ausbildung abzuschließen. Somit dürfte das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 VO (EG) 883/2004 Anwendung finden und die neue Ausschlussreglung europarechtswidrig sein (Beschluss vom 17. Februar 2017, L 6 As 11/17 B ER, zitiert nach juris, Rn. 26).
Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die vom SG Halle angeführte Nichtberücksichtigung der Ausführungen des Generalanwalts in den Schlussanträgen bei der Entscheidung des EuGH im Urteil vom 15. September 2015, C 67/14 [Alimanovic] lässt sich nicht überzeugend als Gegenargument anführen, denn erfasst wird damit die Situation von nicht erwerbsfähigen Familienangehörigen, die sich (noch) nicht in einer Ausbildung befinden und die ein Aufenthaltsrecht nur aus ihrem Status als Angehörige von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ableiten können.
Angesicht der aufgezeigten Rechtslage geht der Senat davon aus, dass die Gründe für eine Nichtanwendbarkeit der neuen Ausschlussregelung deutlich überwiegen. Daher und auch weil ansonsten die Gefahr zu besorgen ist, dass die Fortsetzung der Ausbildung des Antragstellers zu 3. in der Bundesrepublik Deutschland abgebrochen werden muss, entscheidet der Senat im Rahmen einer Güterabwägung zugunsten der Antragsteller.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das der Senat bei seiner Entscheidung von dem Antrag im Beschwerdeverfahren den Zeitraum beschränkt hat, für den Leistungen zu erbringen sind, fällt bei einer Gesamtschau nicht ins Gewicht.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II), hilfsweise nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII).
Die Antragsteller sind rumänische Staatsbürger. Der am ... 1979 geborene Antragsteller zu 1. und die am ... 1981 geborene Antragstellerin zu 2. sind miteinander verheiratet; der am ... 2002 geborene Antragsteller zu 3. ist das gemeinsame Kind der Eheleute. Die Antragsteller reisten nach ihren eigenen Angaben Mitte des Monats Juni 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie leben in H. in einer angemieteten Wohnung.
Der Antragsteller zu 1. war in der Zeit vom 25. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 als Tierpfleger bei einer Agrargenossenschaft mit einem monatlichen Vergütungsanspruch von 1.645,00 EUR brutto beschäftigt. Die Antragstellerin zu 2. war vom 27. Juli 2016 bis zum 11. November 2016 als Helferin bei einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden und einem Vergütungsanspruch von 8,50 EUR in der Stunde beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch eine Kündigung des Arbeitgebers beendet. Der Antragsteller zu 3. besucht die 8. Klasse einer Sekundarschule in H ... Hierzu haben die Antragsteller eine Bescheinigung der Schule vom 24. Mai 2017 vorgelegt, wonach der Antragsteller zu 3. diese besucht und dort voraussichtlich bis zum 31. Januar 2019 Schüler sein wird.
Die Antragsteller erhielten bis Ende Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Antragsgegner in einer monatlichen Höhe von 1.194,99 EUR. Mit einem Bescheid vom 20. Juni 2017 lehnte der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern eine Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 mit der Begründung ab, die Antragsteller hätten kein Freizügigkeitsrecht und seien vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Hiergegen erhoben die Antragsteller anwaltlich vertreten am 27. Juni 2017 Widerspruch. Diesen wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2017 zurück. Hierzu ist ein Klageverfahren beim Sozialgericht Halle (SG) anhängig.
Die Antragsteller haben am 26. Juni 2017 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG gestellt und vorgetragen: Es bestehe ein Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Zur streitigen Problematik des Leistungsausschlusses für EU-Bürger seien Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig.
Das SG hat mit Beschluss vom 7. August 2017 die Stadt H. als örtlichen Sozialhilfeträger zum Verfahren beigeladen.
Mit einem Beschluss vom 7. August 2017 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Antragsteller hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragsteller seien von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Sie hätten auch keinen Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 41a Abs. 7 SGB II. Die Leistung stehe insoweit im Ermessen des Antragsgegners und eine Reduzierung des Ermessens auf "Null" liege nicht vor.
Gegen den am 14. August 2017 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 14. August 2017 Beschwerde eingelegt und vorgetragen: Im Anschluss an die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG vom 13. Juli 2017, B 4 AS 17/16 R) ergebe sich unter Berücksichtigung der inzwischen beendeten Arbeitsverhältnisse der Antragsteller zu 1. und zu 2. ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU).
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. August 2017 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen für die Zeit ab dem 26. Juni 2017 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen,
hilfsweise, die Beigeladene zur Leistungserbringung zu verpflichten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des SG. Er ist zudem der Auffassung, im Hinblick auf das Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU scheide die Addition der Erwerbstätigkeitszeiten mehrerer Mitglieder einer Familien aus.
Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten Wert von 750 EUR. Die begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern ab dem 26. Juni 2017 (dem Datum des Antragseingangs bei SG) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, überschreitet (bei einer monatlichen Leistungshöhe von zuletzt im Juni 2017 in Höhe von 1.194,99 EUR) diesen Betrag.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Senat hält die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung für gegeben. Dabei kommt aber eine Verpflichtung zur Leistungserbringung erst ab dem 1. Juli 2017 in Betracht, weil die Antragsteller bis Ende Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Antragsgegner bezogen haben. Der Senat hält es auch für geboten, die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungserbringung in Anlehnung an die Regelung im § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2017 zu begrenzen. Vor Ablauf dieser Zeitspanne wird auf einen Neuantrag der Antragsteller hin eine erneute Überprüfung durch den Antragsgegner erfolgen können.
Rechtsgrundlage für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist § 86b Abs. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Abs. 1 und 3, 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist danach stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, und ein Anordnungsanspruch, d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs, glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren nicht die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 86b, Rn. 16b). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02).
Im konkreten Fall ist ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn nach Lage der Akten und dem plausiblen Vortrag der Antragsteller benötigen diesen mangels anderer Einkünfte (außer dem Kindergeld für den Antragsteller zu 3.) oder verwertbarem Vermögen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Senat sieht auch einen Anordnungsanspruch als glaubhaft gemacht an.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten materiell-rechtlichen Leistungsanspruch der Antragsteller sind die §§ 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, 20 Abs. 1 und 4 SGB II. Nach diesen Vorschriften erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des Regelbedarfs sowie der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, soweit diese nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Leistungsberechtigt sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die u. a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Einkommen und Vermögen sind nach Maßgabe der §§ 11, 12 SGB II anzurechnen.
Die Antragsteller erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Sie haben (bezogen auf den relevanten Zeitraum ab dem 1. Juli 2017) jeweils das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Auch sind sie, da ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte bzw. auf Grund der in der Europäischen Union geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erlauben wäre, in der Lage, in dem in § 8 Abs. 1 SGB II beschriebenen Umfang erwerbstätig zu sein. Denn gemäß § 8 Abs. 2 SGB II reicht hierfür die rechtliche Möglichkeit aus, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen. Zudem haben die Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, Az. B 4 AS 54/12 R, zitiert nach juris, Rn. 18) in der Bundesrepublik Deutschland begründet.
Der Anspruch ist im Fall der Antragsteller auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II ausgeschlossen. Denn ihr Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht alleine aus dem Zwecke der Arbeitsuche.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II ist der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts ausgeschlossen für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Alleine zum Zwecke der Arbeitsuche ergibt sich ein Aufenthaltsrecht für Ausländer, die Bürger eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union sind, aus § 2 Abs. 2 Nr. 1a des Gesetzes über die Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Danach sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich in der Bundesrepublik Deutschland zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Mit den Bestimmungen des FreizügG/EU werden die Reglungen zur Freizügigkeit von Bürgern der Europäischen Union nach Unionsrecht in nationales Recht der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Nach Maßgabe des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger haben ein Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU). Ausgehend von dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II ist somit zu prüfen, ob sich für die Betroffenen ein Aufenthaltsrecht auch oder überhaupt aus einem anderen Rechtsgrund ergibt.
Im Falle der Antragsteller ergibt sich ein solches Aufenthaltsrecht nicht aus einer anderen Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU.
Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht bzw. schon nicht vorgetragen, dass sie derzeit Erwerbstätigkeiten als Arbeitnehmer oder Selbständige ausüben. Sie können sich deshalb nicht auf ein an eine ausgeübte Erwerbstätigkeit anknüpfendes Freizügigkeitsrecht nach dem FreizügG/EU, das ihnen ein Aufenthaltsrecht vermitteln würde, berufen.
Auch aufgrund der von den Antragstellern zu 1. und 2. in der Vergangenheit ausgeübten Erwerbstätigkeit ergibt sich kein Freizügigkeitsrecht. Ein Aufenthaltsrecht aufgrund einer Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizüG/EU für Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen, stand den Antragstellern zu 1. und 2. während der Ausübung der Beschäftigungen zu, die indes beendet sind.
Diese Freizügigkeitsberechtigungen wirken auch nicht mehr fort. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU bleibt die Freizügigkeitsberechtigung für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbstständige keinen Einfluss hat, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Die Antragsteller zu 1. und 2. haben jeweils weder selbständige Tätigkeiten noch Tätigkeiten als abhängige Arbeitnehmer für die Zeit von mehr als einem Jahr ausgeübt. Die vom Antragsteller zu 1. in der Zeit vom 25. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 ausgeübte Tätigkeit und die von der Antragstellerin zu 2. in der Zeit vom 27. Juni 2016 bis zum 11. November 2016 ausgeübte Tätigkeit umfassen jeweils Zeiträume von weniger als einem Jahr. Eine Addition der beiden genannten Zeiträume scheidet aus. Aus dem Pressebericht des BSG zu der Entscheidung vom 13. Juli 2017, B 4 AS 17/16 R (die Entscheidung liegt noch nicht im Volltext vor) ergibt sich zwar, dass das BSG davon ausgeht, dass auch mehrere Tätigkeiten einen Arbeitnehmers, jedenfalls dann, wenn dazwischen nur ein kurzer Zeitraum liegt, zu einer Tätigkeit von insgesamt mehr als einem Jahr im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizüG/EU führen können. Daraus lässt sich aber kein Hinweis darauf entnehmen, dass auch die Zeiten von Tätigkeiten verschiedener Mitglieder einer Familie zusammen einen Zeitraum von mehr als einem Jahr im Sinne der genannten Vorschrift vermitteln können. Der Senat hält eine solche Auslegung auch für ausgeschlossen. Denn es geht um einen Tatbestand, der eine Freizügigkeitsberechtigung für einen bestimmten Arbeitnehmer begründet. Somit müssen die Voraussetzungen auch durch ihn persönlich erfüllt werden.
Eine Freizügigkeitsberechtigung kann sich für die Antragsteller zu 1. und 2. auch nicht mehr aus § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU ergeben. Nach dieser Vorschrift bleibt die Freizügigkeitsberechtigung für Arbeitnehmer bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach einer Beschäftigung von weniger als einem Jahr während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Gerechnet vom letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses des Antragstellers zu 1. am 31. Dezember 2012 und der der Antragstellerin zu 2. am 11. November 2016 war dieser Zeitraum von sechs Monaten jeweils zu Beginn des hier relevanten Zeitraums einer Leistungsgewährung ab dem 1. Juli 2017 bereits abgelaufen.
Nach Auffassung des Senats ergibt sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung auch kein anderes Ergebnis unter Berücksichtigung des Europarechts.
Die genannten Regelungen des FreizügG/EU sind im Licht des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL/EG 2004/38) zu beurteilen, wo es in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a heißt: Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist. In Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie wird ergänzend festgelegt: Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchst. a bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten: c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten. Dem wird die nationale Vorschrift § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU gerecht.
Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB II für Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ist auch mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Der EuGH hat festgestellt, dass eine strikte Dreimonatsgrenze zur Findung einer Beschäftigung die Arbeitnehmerfreizügigkeit verletzt, sofern eine ernsthafte Arbeitssuche vorliegt. Weiter hat der EuGH aber auch ausgeführt, das Unionsrecht verwehre es den Mitgliedstaaten nicht, eine Sechsmonatsfrist zur Findung einer Arbeitsstelle vorzusehen und nach Ablauf dieser Frist einen Wegfall des Freizügigkeitsrechts anzunehmen, sofern der Betroffene nicht nachweise, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit suche (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991, C-292/89 [Antonissen], zitiert nach juris, Rn. 19 ff.). Für das so bestimmte Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche hat der EuGH in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass sich aus der in Art. 24 Abs. 2 der RL/EG 2004/38 vorgenommenen Verweisung ausdrücklich ergebe, dass der Aufnahmemitgliedstaat einem Unionsbürger, dem ein Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Arbeitsuche zustehe, jegliche Sozialhilfeleistung verweigern dürfe (EuGH, Entscheidung vom 15. September 2015, C-67/14, [Almanovic] und vom 11. November 2014, C-333/13, [Dano], jeweils zitiert nach juris).
Der Senat geht aber im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung davon aus, dass die Antragsteller ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO/EU 494/2011) ableiten können. Art. 10 dieser Verordnung bestimmt, dass die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen können. Art. 10 VO/EU 492/2011 verleiht den Kindern von Arbeitnehmern ein eigenes Recht auf Zugang zum Unterricht an einer allgemeinbildenden Schule und damit ein autonomes, d. h. nicht vom Aufenthaltsrecht seiner Eltern abhängiges, eigenständiges Aufenthaltsrecht. Dieses Recht gilt für Kinder von Arbeitnehmern wie auch für die Kinder ehemaliger Arbeitnehmer. Art. 10 VO/EU 492/2011 verlangt nur, dass das Kind mit seinen Eltern bzw. einem Elternteil in der Zeit in einem Mitgliedstaat lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. April 2016, 2 AS 182/16 B ER, zitiert nach juris, Rn. 37, unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH). Diese Voraussetzungen werden durch den Antragsteller zu 3., der schon während der Beschäftigungszeiten seiner Eltern die Schule besuchte, erfüllt.
Aus dem Aufenthaltsrecht des sich in der Ausbildung befindlichen Kindes folgt nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich das BSG angeschlossen hat, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für dessen Eltern, sofern sie die elterliche Sorge für das Kind tatsächlich wahrnehmen. Denn die Versagung der Möglichkeit für die Eltern, während der Ausbildung ihres Kindes im Aufnahmestaat zu bleiben, kann geeignet sein, dem Kind das unionsrechtlich zuerkannte Recht faktisch zu nehmen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 43/15 R, zitiert nach juris, Rn. 31 ff.). Im hier zu entscheidenden Fall haben die Antragsteller zu 1. und 2. gemeinsam das Sorgerecht für den Antragsteller zu 3. inne. Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, dass sie das Sorgerecht auch tatsächlich ausüben.
Grundsätzlich liegt somit für die Antragsteller zu 1. und 2. eine anderes Aufenthaltsrecht vor als das, welches sich alleine aus dem Zwecke der Arbeitsuche ergibt.
Der Beachtlichkeit dieses Aufenthaltsrecht im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht nach der Auffassung des Senats nicht entgegen, dass der Bundesgesetzgeber mit Wirkung vom 29. Dezember 2016 eine neuen Ausschlussregelung in das SGB II aufgenommen hat, die dieses Aufenthaltsrecht ausdrücklich erfasst. Nach dem neuen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c SGB II sollen von Leistungen nach dem SGB II nun auch Ausländerinnen und Ausländer ausgeschlossen sein, die ihr Aufenthaltsrecht alleine oder neben einem Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche aus Art. 10 der VO/EU 492/2011 ableiten.
Der Senat geht im Rahmen der summarischen Prüfung davon aus, dass letztlich mehr Gründe für eine Unvereinbarkeit dieser neuen Regelung mit Europäischen Unionsrecht sprechen als dagegen. Aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach dem Unionsrecht im Verhältnis zum nationalen Recht ein Anwendungsvorrang zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, [Costa/ENEL], zitiert nach juris) folgt bei einer Unvereinbarkeit der neuen Ausschlussklausel mit Unionsrecht deren Nichtanwendbarkeit. Die Feststellung der Unionsrechtwidrigkeit einer nationalen Regelung ist letztlich dem EuGH vorbehalten. Weil aber im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Vorlage an den EuGH untunlich ist, entscheidet der Senat im Rahmen einer Folgenabwägung (so auch das Schleswig-Holsteinische LSG, Beschluss vom 17. Februar 2017, L 6 AS 11/17 B ER, zitiert nach juris, Rn. 23 ff.),
In dem Gesetzesentwurf wird zur Begründung der Neuregelung ausgeführt, dass diese im Einklang mit der RL/EG 2004/38 stehe und auch sonst mit europäischem Recht vereinbar sei. Die Regelungen der Freizügigkeitsrichtlinie liefen ins Leere, wenn sie für Personen, die nicht mehr erwerbstätig seien und nicht mehr von der Nachwirkungsfiktion des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU erfasst würden, nicht mehr gelten sollten, wenn und solange diese schulpflichtige Kinder hätten (BT-Drucks 18/10211, S. 13).
Demgegenüber werden in der Literatur und auch in der Rechtsprechung erhebliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Neuregelung mit Europäischem Unionrecht geäußert und es wird angenommen, dass diese unvereinbar mit dem Ungleichbehandlungsverbot des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO/EG 883/2004) sei, wonach leistungsrechtliche Beschränkungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht zulässig seien (so Derksen, info also, 2016, 257 ff.). Mit dieser Begründung hat auch das LSG Nordrhein-Westfalen erhebliche europarechtliche Bedenken gegenüber der Neuregelung geäußert (Beschluss vom 27. Dezember 2016, L 7 AS 2148/16 B, zitiert nach juris, Rn. 6).
Zwar schließe Art. 4 VO/EG 883/2004 nach der Rechtsprechung des EuGH nicht jede Ungleichbehandlung aus, jedoch ließen sich Beschränkungen nur auf Gründe stützen, die der VO/EG 883/2004 selbst zu entnehmen seien (so Derksen, info also, 2016, 257, 260). Eine Ungleichbehandlung könne überdies nach der Rechtsprechung des EuGH zwar auch im koordinierenden Sozialrecht gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhe. Art. 4 VO/EG 883/2004 verbiete jedoch jegliche Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit, einschließlich mittelbarer Diskriminierungen (so Derksen, info also, 2016, 257, 260 mit weiteren Hinweisen). Dies habe die weitreichende Folge, dass Leistungsbeschränkungen für Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten im Aufenthaltsmitgliedstaat, die dort ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO/EU 492/2011 hätten, die diese an der Staatsangehörigkeit der Antragsteller festmachten, gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 4 VO/EG 883/2004 verstießen und daher unwirksam seien (so Derksen, info also, 2016, 257, 260). Zu dieser Einschätzung kommt im Ergebnis auch eine Ausarbeitung der Unterabteilung Europa des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (Ausarbeitung S. 18 f., Aktenzeichen PE 6-3000-76/26, zugänglich über das Internet).
Die Auffassung von der Anwendbarkeit des Art. 4 VO/EG 883/2004 setzt voraus, dass dessen Anwendung nicht durch eine andere unionsrechtliche Regelung verdrängt wird und dass das Gleichbehandlungsgebot auch für die in Frage stehenden Sozialleistungen Anwendung findet. Davon geht Derksen aus, der meint, für Konstellationen, in denen sich ein Aufenthaltsrecht nicht aus der Freizügigkeitsrichtlinie, der VO/EU 2004/38, sondern aus Art. 10 Abs. 1 der VO/EU 492/2011 ergebe, finde Art. 4 VO/EG 883/2004 Anwendung (Derksen, info also, 2016, 257, 259).
Demgegenüber vertritt die 25. Kammer des Sozialgerichts Halle die Auffassung, der Rechtsprechung des EuGH sei mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Gerichtshof die Geltung des Diskriminierungsverbotes an ein Aufenthaltsrecht nach der Freizügigkeitsrichtlinie RL/EG 2004/38 knüpfe und andere Aufenthaltsrechte für eine Gleichbehandlung bei Sozialhilfeleistungen für nicht maßgebend ansehe. Der vom Generalanwalt beim EuGH in seinen Schlussanträgen geforderten Berücksichtigung der familiären Verhältnisse sei der EuGH nicht gefolgt (im Urteil vom 15. September 2015, C 67/14 [Alimanovic]). Aus der der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 11. November 2014, C-333/13, [Dano], vom 15. September 2015, C-67/14, [Alimanovic] und vom 25. Februar 25.2.2016, C-299/14, [Garcia-Nieto]) zu entnehmenden vorrangigen Anwendbarkeit des Freizügigkeitsrechts folge, dass ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates nur nach Art. 24 Abs. 1 RL/EG 2004/38 und nur dann verlangen könne, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates die Voraussetzungen der RL/EG 2004/38 erfülle (SG Halle, Beschluss vom 22. Februar 2017, S 25 AS 73/13, zitiert nach juris, Rn. 79ff.).
Weil sich hier - wie oben ausgeführt – aus der Umsetzung des unionsrechtsrechtlichen Freizügigkeitsrechts in das nationale Recht mit dem FreizügG/EU kein Aufenthaltsrecht für die Antragsteller ergibt, würde aus der vorrangigen Anwendung des Freizügigkeitsrechts folgen, dass eine Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und auch dem SGB XII europarechtskonform wäre.
Der Senat hält die Argumentation der 25. Kammer des SG Halle zwar für durchaus erwägenswert. Im Ergebnis überwiegen aber dennoch die aufgezeigten Zweifel an der Vereinbarkeit der Neuregelung mit dem Unionsrecht.
Wenn der EuGH ausführt, der sich aus der Freizügigkeitsrichtlinie ergebende Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit sei ein Kriterium, welches es den Betroffenen ermögliche, ihr Rechte und Pflichten eindeutig zu erfassen, und folglich geeignet, bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Grundsicherung ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit und Transparenz zu gewährleisten; es stehe zugleich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (EuGH, Urteil vom 15. September 2015, C-67/14 [Alimanovic], zitiert nach juris, Rn. 61), so bezieht sich dies unmittelbar nur auf diejenigen Unionsbürger, die in einem anderen Mitgliedsstaat erwerbstätig waren und es nun nicht mehr sind. Für diese ist der Freizügigkeitsrichtlinie RL/EG 2003/38 ein abgestuftes System im Hinblick auf den Fortbestand der Berechtigung und damit mittelbar auch den Anspruch auf Sozialleistungen zu entnehmen. Berücksichtigt wird die erreichte Eingliederung in Erwerbstätigkeit im Aufnahmestaat. Die sich in einer Ausbildung befindlichen Angehörigen dieser ehemals erwerbstätigen Unionsbürger, die ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO/EG 492/11/EU ableiten, werden hiervon nicht unmittelbar erfasst. Dass ihnen durch das Unionsrecht ein eigenes Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat vermittelt wird, spricht dagegen, sie als bloßen Annex zu ihren erwerbstätigen oder ehemals erwerbstätigen Elternteilen anzusehen. Ihr eigenständiges Aufenthaltsrecht, das eine Kontinuität der Ausbildung sichern soll, wäre auch in einem hohen Maße faktisch gefährdet, wenn die Betroffenen im Ergebnis wegen fehlender Mittel zum Lebensunterhalt die Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland abbrechen müssten.
Anders als die 25. Kammer des SG Halle vermag der Senat der zitierten Rechtsprechung des EuGH keine eindeutige Aussage zu entnehmen, die den Personenkreis betrifft, der sein Aufenthaltsrecht nicht alleine (unmittelbar oder zumindest mittelbar als Angehöriger) aus dem Freizügigkeitsrecht ableitet. Dies wird im Ergebnis auch vom 6. Senat des LSG Schleswig- Holstein so gesehen. Dieser vertritt die Auffassung, dass die einschlägige Rechtsprechung des EuGH "nur so zu verstehen sei", dass die RL/EG 2004/38 bei Vorliegen eines anderen als sich aus dieser Richtlinie selbst ergebenden Aufenthaltsrechts nicht anwendbar sei. Der EuGH habe auch in seiner Rechtsprechung (Urteile vom 23. Februar 2010 – C-480/08 [Texerira] und C-310/08 [Ibrahim]) deutlich
gemacht, dass unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten der Zugang zur Ausbildung umfassend auszulegen sei und auch die finanziellen Ressourcen umfasse, die benötigt würden, um die Ausbildung abzuschließen. Somit dürfte das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 VO (EG) 883/2004 Anwendung finden und die neue Ausschlussreglung europarechtswidrig sein (Beschluss vom 17. Februar 2017, L 6 As 11/17 B ER, zitiert nach juris, Rn. 26).
Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die vom SG Halle angeführte Nichtberücksichtigung der Ausführungen des Generalanwalts in den Schlussanträgen bei der Entscheidung des EuGH im Urteil vom 15. September 2015, C 67/14 [Alimanovic] lässt sich nicht überzeugend als Gegenargument anführen, denn erfasst wird damit die Situation von nicht erwerbsfähigen Familienangehörigen, die sich (noch) nicht in einer Ausbildung befinden und die ein Aufenthaltsrecht nur aus ihrem Status als Angehörige von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ableiten können.
Angesicht der aufgezeigten Rechtslage geht der Senat davon aus, dass die Gründe für eine Nichtanwendbarkeit der neuen Ausschlussregelung deutlich überwiegen. Daher und auch weil ansonsten die Gefahr zu besorgen ist, dass die Fortsetzung der Ausbildung des Antragstellers zu 3. in der Bundesrepublik Deutschland abgebrochen werden muss, entscheidet der Senat im Rahmen einer Güterabwägung zugunsten der Antragsteller.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das der Senat bei seiner Entscheidung von dem Antrag im Beschwerdeverfahren den Zeitraum beschränkt hat, für den Leistungen zu erbringen sind, fällt bei einer Gesamtschau nicht ins Gewicht.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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