Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AS 3046/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1437/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.07.2017 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet (§ 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz [GVG] i. V. m. § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Beschluss des Sozialgerichts ist aufzuheben. Das Sozialgericht hat den zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschrittenen Rechtsweg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu Unrecht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Arnsberg verwiesen.
Bei dem Streit über die Rechtmäßigkeit eines verhängten Hausverbots für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber einem Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und nicht zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten oder den ordentlichen Gerichte eröffnet ist (BSG, Beschluss vom 21.07.2014 - B 14 SF 1/14 R, RdNrn. 6 ff bei juris; Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNrn. 8 ff. bei juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Demgegenüber entscheiden die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, soweit diese nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine solche ausdrückliche Zuweisung an die Sozialgerichte liegt hier mit § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG aber vor. Das gegenüber dem Antragsteller verhängte Hausverbot ist eine Maßnahme, die zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu zählen ist.
Die Auslegung des Merkmals "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende" ist in den Fällen, in denen die Beteiligten nicht unmittelbar um Rechtsfolgen aus der Anwendung von Normen des SGB II streiten, daran auszurichten, dass eine sach- und interessengerechte Abgrenzung zwischen der Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte und der Verwaltungsgerichte hergestellt wird. Bei Maßnahmen, die - wie das hier streitige Hausverbot - keine unmittelbare normative Grundlage im SGB II haben, ist danach zu fragen, ob die Maßnahme in engem sachlichem Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem SGB II steht (BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 15 bei juris). Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn das Hausverbot im Rahmen oder aus Anlass eines zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens (§ 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) ausgesprochen wird.
Die Kompetenz des Sozialleistungsträgers für Ordnungsmaßnahmen ergibt sich dann aus dem Sachzusammenhang mit den vom ihm wahrgenommenen Sachaufgaben. Dieser Sachzusammenhang ist in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen des nach den Vorstellungen des Gesetzgebers erforderlichen persönlichen Kontaktes des Hilfebedürftigen mit den Mitarbeitern des Trägers der Grundsicherung besonders eng. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Hausverbotes kann daher, insbesondere auch wegen des bestehenden Aktivierungskonzeptes des SGB II, kaum von den weiteren Rechten und Pflichten des betroffenen Hilfeempfängers im Rahmen der "Dauerrechtsbeziehung" getrennt werden. Diese Sachnähe rechtfertigt die Zuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (vgl. im Einzelnen BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 16 bei juris).
Eine solche Sachnähe prägt auch das zwischen den Beteiligten streitige Hausverbot. Dem steht nicht entgegen, dass das als unerlaubtes Fotografieren bewertete Verhalten des Antragstellers in den Diensträumen des Antragsgegners nicht während eines Besuchs als Leistungsberechtigter in eigenen Angelegenheiten, sondern während einer Vorsprache als Beistand nach § 73 Abs. 7 SGB II erfolgt ist. Unerheblich ist auch, dass das Fotografieren keinen Bezug zu der Anwesenheit als Beistand hatte, sondern nach den eigenen Angaben des Antragstellers dazu diente, die Datenschutzbeauftragte über einen Verstoß gegen den Datenschutz zu informieren. Das zwischen den Beteiligten bestehende Dauerrechtsverhältnis wird durch das Hausverbot dennoch berührt. Hierzu ist es nicht erforderlich, dass der Anlass für die Ordnungsmaßnahme in erkennbarem Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren wegen bewilligter oder beantragter Leistungen steht. Ausreichend ist vielmehr, dass die Folgen der Ordnungsmaßnahme das Dauerrechtsverhältnis betreffen, weil gerade die Abwägung, inwieweit diese Ordnungsmaßnahmen im Rahmen der zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehung verhältnismäßig sind, eng mit den Regelungen des SGB II verknüpft ist. Auch die Einschränkung von künftig möglichen Vorsprachen in eigenen Angelegenheiten begründet deshalb eine Sachnähe (vgl. BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 17 bei juris).
Dies ist hier der Fall, weil künftige Vorsprachen des Antragstellers, der fortlaufend Leistungen nach dem SGB II bezieht, durch das Hausverbot zwar nicht verhindert, aber eingeschränkt worden sind. In dem Hausverbot wird diesbezüglich bestimmt, dass der Antragsteller die Diensträume des Antragsgegners nur nach vorheriger Anmeldung/Einladung und nur in Begleitung eines Mitarbeiters des Antragsgegners betreten darf. Seine Rechte werden damit gegenüber anderen Leistungsberechtigten, die die Diensträume auch ohne Anmeldung betreten können, eingeschränkt. Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich eine die Annexkompetenz für Ordnungsmaßnahmen rechtfertigende Sachnähe. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese Sachnähe darüber hinaus auch bei einem Besuch der Diensträume als Beistand angenommen werden kann, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen (vgl. BSG, Beschlüsse vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr.19 bei juris, und vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R, RdNr. 20 bei juris, beide m.w.N.). Dies gilt seit Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 05.05.2004 auch für Verfahren, in denen - wie der Antragsteller des vorliegenden Falles - einer der Hauptbeteiligten zum Personenkreis des § 183 SGG gehört (BSG, Beschluss vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R, RdNr. 20 bei juris).
Vorliegend wäre es unbillig, dem Antragsgegner die Kosten des Antragstellers für das Rechtswegbeschwerdeverfahren aufzuerlegen, da die Verweisung nicht auf seine, des Antragsgegners, Anregung hin erfolgt ist, sondern von Amts wegen durch das Sozialgericht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Die Beschwerde an das Bundessozialgericht ist nicht zuzulassen. Die Rechtsfrage nach der Rechtswegzulässigkeit hat nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts mit Beschluss vom 21.07.2014 (B 14 SF 1/14 R) keine grundsätzliche Bedeutung mehr (§ 177 SGG i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet (§ 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz [GVG] i. V. m. § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Beschluss des Sozialgerichts ist aufzuheben. Das Sozialgericht hat den zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschrittenen Rechtsweg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu Unrecht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Arnsberg verwiesen.
Bei dem Streit über die Rechtmäßigkeit eines verhängten Hausverbots für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber einem Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und nicht zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten oder den ordentlichen Gerichte eröffnet ist (BSG, Beschluss vom 21.07.2014 - B 14 SF 1/14 R, RdNrn. 6 ff bei juris; Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNrn. 8 ff. bei juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Demgegenüber entscheiden die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, soweit diese nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine solche ausdrückliche Zuweisung an die Sozialgerichte liegt hier mit § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG aber vor. Das gegenüber dem Antragsteller verhängte Hausverbot ist eine Maßnahme, die zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu zählen ist.
Die Auslegung des Merkmals "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende" ist in den Fällen, in denen die Beteiligten nicht unmittelbar um Rechtsfolgen aus der Anwendung von Normen des SGB II streiten, daran auszurichten, dass eine sach- und interessengerechte Abgrenzung zwischen der Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte und der Verwaltungsgerichte hergestellt wird. Bei Maßnahmen, die - wie das hier streitige Hausverbot - keine unmittelbare normative Grundlage im SGB II haben, ist danach zu fragen, ob die Maßnahme in engem sachlichem Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem SGB II steht (BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 15 bei juris). Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn das Hausverbot im Rahmen oder aus Anlass eines zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens (§ 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) ausgesprochen wird.
Die Kompetenz des Sozialleistungsträgers für Ordnungsmaßnahmen ergibt sich dann aus dem Sachzusammenhang mit den vom ihm wahrgenommenen Sachaufgaben. Dieser Sachzusammenhang ist in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen des nach den Vorstellungen des Gesetzgebers erforderlichen persönlichen Kontaktes des Hilfebedürftigen mit den Mitarbeitern des Trägers der Grundsicherung besonders eng. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Hausverbotes kann daher, insbesondere auch wegen des bestehenden Aktivierungskonzeptes des SGB II, kaum von den weiteren Rechten und Pflichten des betroffenen Hilfeempfängers im Rahmen der "Dauerrechtsbeziehung" getrennt werden. Diese Sachnähe rechtfertigt die Zuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (vgl. im Einzelnen BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 16 bei juris).
Eine solche Sachnähe prägt auch das zwischen den Beteiligten streitige Hausverbot. Dem steht nicht entgegen, dass das als unerlaubtes Fotografieren bewertete Verhalten des Antragstellers in den Diensträumen des Antragsgegners nicht während eines Besuchs als Leistungsberechtigter in eigenen Angelegenheiten, sondern während einer Vorsprache als Beistand nach § 73 Abs. 7 SGB II erfolgt ist. Unerheblich ist auch, dass das Fotografieren keinen Bezug zu der Anwesenheit als Beistand hatte, sondern nach den eigenen Angaben des Antragstellers dazu diente, die Datenschutzbeauftragte über einen Verstoß gegen den Datenschutz zu informieren. Das zwischen den Beteiligten bestehende Dauerrechtsverhältnis wird durch das Hausverbot dennoch berührt. Hierzu ist es nicht erforderlich, dass der Anlass für die Ordnungsmaßnahme in erkennbarem Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren wegen bewilligter oder beantragter Leistungen steht. Ausreichend ist vielmehr, dass die Folgen der Ordnungsmaßnahme das Dauerrechtsverhältnis betreffen, weil gerade die Abwägung, inwieweit diese Ordnungsmaßnahmen im Rahmen der zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehung verhältnismäßig sind, eng mit den Regelungen des SGB II verknüpft ist. Auch die Einschränkung von künftig möglichen Vorsprachen in eigenen Angelegenheiten begründet deshalb eine Sachnähe (vgl. BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 17 bei juris).
Dies ist hier der Fall, weil künftige Vorsprachen des Antragstellers, der fortlaufend Leistungen nach dem SGB II bezieht, durch das Hausverbot zwar nicht verhindert, aber eingeschränkt worden sind. In dem Hausverbot wird diesbezüglich bestimmt, dass der Antragsteller die Diensträume des Antragsgegners nur nach vorheriger Anmeldung/Einladung und nur in Begleitung eines Mitarbeiters des Antragsgegners betreten darf. Seine Rechte werden damit gegenüber anderen Leistungsberechtigten, die die Diensträume auch ohne Anmeldung betreten können, eingeschränkt. Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich eine die Annexkompetenz für Ordnungsmaßnahmen rechtfertigende Sachnähe. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese Sachnähe darüber hinaus auch bei einem Besuch der Diensträume als Beistand angenommen werden kann, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen (vgl. BSG, Beschlüsse vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr.19 bei juris, und vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R, RdNr. 20 bei juris, beide m.w.N.). Dies gilt seit Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 05.05.2004 auch für Verfahren, in denen - wie der Antragsteller des vorliegenden Falles - einer der Hauptbeteiligten zum Personenkreis des § 183 SGG gehört (BSG, Beschluss vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R, RdNr. 20 bei juris).
Vorliegend wäre es unbillig, dem Antragsgegner die Kosten des Antragstellers für das Rechtswegbeschwerdeverfahren aufzuerlegen, da die Verweisung nicht auf seine, des Antragsgegners, Anregung hin erfolgt ist, sondern von Amts wegen durch das Sozialgericht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Die Beschwerde an das Bundessozialgericht ist nicht zuzulassen. Die Rechtsfrage nach der Rechtswegzulässigkeit hat nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts mit Beschluss vom 21.07.2014 (B 14 SF 1/14 R) keine grundsätzliche Bedeutung mehr (§ 177 SGG i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).
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