L 1 KR 166/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 KR 67/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 166/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Berücksichtigung einer HFNC-Therapie bei den Beatmungsstunden im Rahmen eines Vergütungsrechtsstreits anlässlich einer Krankenhausbehandlung.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. April 2015 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 7.717,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. November 2012 zu zahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.717,93 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 7.717,93 EUR.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) zugelassenes Krankenhauses in A Stadt. Die bei der Beklagten versicherte Klägerin C. (Versicherte) wurde dort am 3. Juli 2011 als 2. Kind von Drillingen in der 29. + 3 Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 1.200 g geboren und auf der Intensivstation der Beklagten stationär bis zum 7. September 2011 behandelt. Ab dem 8. Juli 2011 um 3.30 Uhr bis zum 25. Juli 2011 um 8 Uhr mit einem therapiefreien Intervall vom 21. Juli 2011 um 8 Uhr bis zum 23. Juli 2011 um 16.30 Uhr erhielt die Versicherte eine Therapie mit einer High-Flow-Nasal-Cannula (HFNC-Therapie). Mittels der High-Flow-Nasenbrille wird eine Mischung von Druckluft und Sauerstoff geliefert, wodurch höhere Sauerstoffkonzentrationen bei der Einatmung erreicht werden können. Es wird verwendet, um zusätzlichen Sauerstoff oder einen erhöhten Luftstrom zu einem Patienten, der Atemhilfe benötigt, zu transportieren. Der Versicherten wurde über den gesamten Zeitraum der HFNC-Therapie Raumluft mit einem erhöhten Flow angeboten.

Mit Rechnung vom 5. Oktober 2011 machte die Klägerin unter der Zugrundelegung der diagnoseorientierten Fallpauschale – Diagnosis Related Group – (DRG) P03A (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1000-1499 g mit signifikanter OR-Prozedur oder Beatmung ) 95 Stunden, mit mehreren schweren Problemen oder mehrzeitigen komplexen OR-Prozeduren mit Beatmung ) 479 Stunden) für die stationäre Behandlung der Versicherten einen Betrag von 68.158,43 EUR geltend. Am 3. November 2011 beglich die Beklagte die Forderung in voller Höhe. Unter dem 26. März 2012 vertrat der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), Dr. D., die Auffassung, dass die Anzahl der von der Klägerin in Ansatz gebrachten Beatmungsstunden nicht korrekt sei. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) seien lediglich 113 Beatmungsstunden nachvollziehbar. Hierzu zählten die Beatmung der Versicherten mit SIMV (Synchronisierte intermittierend mandatorische Ventilation) und die CPAP-Beatmung (Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck) bis einschließlich 7. Juli 2011. Sauerstoffinsufflationen bzw. –inhalationen über Maskensysteme oder O2-Sonden unterfielen nicht den Beatmungsstunden. Unter Berufung auf das Gutachten des MDK vom 26. März 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit Schriftsatz vom 12. April 2012 mit, dass für den Behandlungsfall der Versicherten die DRG P03C abzurechnen sei. Auf den Widerspruch der Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2012 erfolgte nach einer Fallbesprechung in den Räumlichkeiten der Klägerin eine erneute Begutachtung durch den MDK. Dr. E. bestätigte in ihrem Gutachten vom 13. September 2012 die Auffassung des MDK im Rahmen des Gutachtens vom 26. März 2012. Bei der HFNC-Therapie handele es sich definitionsgemäß nicht um eine Beatmung bzw. Entwöhnung im Sinne der DKR. Durch das eingesetzte Gerät werde die patienteneigene Atemleistung weder verstärkt noch ersetzt. Der Atemwegsdruck sei bei dem Verfahren während der Ein- und Ausatmung lediglich erhöht, wodurch die Einatmung erleichtert und die Ausatmung erschwert werde. Auf der Grundlage des Gutachtens des MDK vom 13. September 2012 verblieb die Beklagte bei ihrer Auffassung, dass für den Behandlungsfall die DRG P03C abzurechnen sei (Schreiben an die Klägerin vom 14. September 2012).

Unter dem 24. November 2012 verrechnete die Beklagte die Differenz zwischen der DRG P03A (68.158,43 EUR) mit der DRG P03C (38.015,42 EUR) in Höhe von 30.143,01 EUR mit Forderungen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen.

Nach der Verrechnung durch die Beklagte stellte die Klägerin fest, dass sie das beatmungsfreie Intervall vom 21. Juli 2011 um 8 Uhr bis zum 23. Juli 2011 um 16.30 Uhr von 56,5 Stunden übersehen hatte, nahm eine Rechnungskorrektur vor und stellte der Beklagten mit Datum vom 3. Januar 2013 unter der Zugrundelegung der DRG P03B (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1000-1499 g mit signifikanter OR-Prozedur oder Beatmung ) 95 Stunden, mit mehreren schweren Problemen, mit Beatmung ) 120 und ( 480 Stunden oder mit mehrzeitigen komplexen OR-Prozeduren, ohne Beatmung) für die stationäre Behandlung der Versicherten einen Betrag von 45.733,35 EUR in Rechnung. Mit Schreiben vom 7. Januar 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie an ihrer Entscheidung festhalte.

Am 22. Februar 2013 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage auf die restliche Vergütung für die stationäre Behandlung der Versicherten in der Zeit vom 3. Juli 2011 bis zum 7. September 2011 in Höhe von 7.717,93 EUR erhoben. Die Abrechnung der DRG P03B für die Behandlung der Versicherten sei zutreffend. Die Kodierung entspreche den Vorgaben des 2011 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) und den speziellen Kodierrichtlinien der Version 2011. Eine Therapie mit der High-Flow-Nasenkanüle stelle eine Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinie 1001h dar mit der Folge, dass die Dauer der Beatmung zu kodieren sei. In der für die Abrechnung der streitgegenständlichen Behandlung gültigen OPS-Version 2011 sei in Kapitel 8 unter der Überschrift "Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen" als OPS 8-711.4 "Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-System)" aufgeführt. Eine Atemunterstützung durch das HFNC-System werde somit ausdrücklich als eine maschinelle Beatmung qualifiziert. Dass es sich hierbei nicht um eine Beatmung entsprechend der Definition der DKR handele, sei zudem unzutreffend, da dadurch eine Verstärkung der eigenen Atemleistung erfolge. Zur Bestätigung ihrer Auffassung hat die Klägerin u.a. eine Stellungnahme von Dr. F., Facharzt für Kinderheilkunde, Neonatologie und päd. Pulmologie und Oberarzt bzw. ärztlicher Leiter der akutmedizinischen Station der Klägerin, die Empfehlung KDE-317, einen Auszug aus dem Abschlussbericht G DRG-System 2014, eine Übersicht von J., K. über die nichtinvasive CPAP-Beatmung in der Neonatologie als pflegerische Herausforderung (2014), Stellungnahmen des MDK aus Parallelverfahren jeweils vom 20. Februar 2014 und ein Gutachten von Dr. G., G Stadt, vom 12. August 2013, erstellt im Rahmen eines Rechtsstreit vor dem Landgericht München u.a. zu der Frage, ob die HFNC-Beatmung als eine Form der CPAP-Beatmung anzuerkennen sei, vorgelegt. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass es sich bei der Atemunterstützung durch die Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-System) nicht um eine maschinelle Unterstützung der Atmung handele und demzufolge deren Anwendung bei der Berechnung der Beatmungsdauer im Rahmen der Entwöhnung nicht zu berücksichtigen sei, festgehalten. Das Sozialgericht hat ein Gutachten bei Dr. H., Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin, in Auftrag gegeben, welches diese dem Gericht am 30. Juli 2013 vorgelegt hat. Dr. H. kommt im Rahmen ihres Gutachtens vom 21. Juli 2013 und ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Oktober 2013 zu dem Ergebnis, dass das HFNC-System bei seiner Anwendung keine Beatmung im Sinne der DKR darstelle, sodass diese Atemunterstützung bezüglich der Ermittlung von Beatmungsstunden keine Berücksichtigung finden könne.

Auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2015 hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 24. April 2015 abgewiesen, die Klägerin verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen und den Streitwert auf 7.719,37 EUR festgesetzt. Die Auffassung der Klägerin, wonach sich aus dem Abschnitt 1001h (Maschinelle Beatmung Kodierung) der DKR, Version 2011, ergebe, dass die Beatmungsdauer auch in den Fällen der HFNC zu kodieren sei, weil in der OPS-Ziffer 8-711 auch die HFNC als Unterpunkt in 8.711.4 genannt sei, folge die Kammer nicht. Satz 2 der Anmerkung zu 1001h sei nur klarstellend insoweit zu verstehen, dass bei sonstiger Sauerstoffzufuhr (Nr. 8-720) auf keinen Fall die Beatmungsdauer zu kodieren sei, weil die Ziffer 8-711 in den Unterziffern 1, 2 und 3 gerade auch maschinelle Beatmungstechniken beschreibe. Gegen die Auslegung der Klägerin spreche insbesondere der Abschnitt zur CPAP. Dort werde ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Code 8-711.0 – Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) – nur bei Neugeborenen und Säuglingen zu kodieren sei. Wegen des alleinigen Verweises auf die OPS 8-711.0 werde diese Privilegierung auf die CPAP begrenzt. Sonst wäre der Abschnitt zur CPAP der DKR als sinnlos einzustufen. Die Kammer folge zudem nicht der Auffassung der Klägerin, wonach die HFNC das Gleiche wie CPAP sei, quasi ein Unterfall oder eine Spielart dieser Therapie. Dr. H. weise in diesem Zusammenhang überzeugend darauf hin, dass es sich bei der HFNC um eine noch relativ junge Behandlungsmethode handele, die sich wesentlich von der herkömmlichen CPAP-Therapie unterscheide. Sie habe auf umfangreiche Studienergebnisse der Wirksamkeit, Vor- und Nachteile der CPAP-Therapie vs. HFNC verwiesen, wobei die Ergebnisse noch inkongruent seien. So sei auch der Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling e.V. (FoKA) zu dem Ergebnis gelangt, dass die HFNC definitorisch und klassifikatorisch von der CPAP abzugrenzen sei. Änderungsvorschläge zur Einbeziehung von HFNC bei der Ermittlung der Beatmungsdauer seien bis dato nicht umgesetzt worden.

Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Mai 2015 zugestellte Urteil hat diese am 26. Mai 2015 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass die wortgetreue Auslegung der Kodierrichtlinie keine andere Auslegung als die, dass bei Neugeborenen und Säuglingen die Dauer einer Beatmung, die einem unter 8-711 "Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen" aufgeführten Kode entspreche, zu kodieren sei, erlaube. HFNC sei als eine Form der maschinellen Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen 2011 in den OPS aufgenommen und gerade nicht bei den in 8-720 aufgeführten atemunterstützenden Maßnahmen eingefügt worden. Die Regelung zu CPAP sei erforderlich gewesen, um deutlich klarzustellen, dass eine Therapie mit CPAP, das auch bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen angewandt werde, nur bei Neugeborenen und Säuglingen bei der Dauer der Beatmung berücksichtigt werden solle und erlaube keine Rückschlüsse darauf, dass HFNC von den DKR nicht als maschinelle Beatmung behandelt werden dürfe. Selbst wenn man der Auffassung des Sozialgerichts bei der Auslegung der Kodierrichtlinien folge, sei die HFNC als eine Form der CPAP-Atemunterstützung anzusehen. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Klägerin eine Stellungnahme der VAG/GNPI (Verbändeübergreifende Arbeitsgruppe DRG/Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin e.V.) zum Kodierproblem High Flow Nasal Cannula (HFNC) bei Neugeborenen und Säuglingen vom 20. Juli 2015, das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 3. März 2016, 2 O 400/14 und das von Prof. Dr. L. in diesem Rechtsstreit erstellte Sachverständigengutachten vom 30. Juli 2015 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 7.717,93 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. November 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat am 24. August 2017 durch die Berichterstatterin einen Erörterungstermin abgehalten und die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die beigezogene medizinische Dokumentation der Klägerin, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat im schriftlichen Verfahren, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die zulässige Berufung ist auch begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht mit Urteil vom 24. April 2015 die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Vergütung wegen Krankenhausbehandlung i.H. von 7.717,93 EUR.

Streitgegenstand ist der Anspruch eines Leistungserbringers gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der (restlichen) Vergütung für die Krankenhausbehandlung von Versicherten. Diesen Anspruch macht die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten von Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren ist insoweit nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (Bundessozialgericht, Urteile vom 13. Mai 2004, B 3 KR 18/03 R und vom 21. April 2015, B 1 KR 8/15 R – juris -).

Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen für andere Versicherte erlosch nicht dadurch in Höhe von 7.717,93 EUR, dass die Beklagte mit einem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten aufrechnet hat.

Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherten der Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung i.H. von 7.717,93 EUR zustand. Die zugrundeliegenden Sammelrechnungen wurden von den Beteiligten im Rahmen des Erörterungstermins am 24. August 2017 unstreitig gestellt. Eine nähere Prüfung des Senats ist insoweit obsolet (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2013, B 1 KR 57/12 R – juris -). Insoweit liegt auch keine Klageänderung gemäß § 99 SGG vor, da Aufrechnung und Sammelrechnung von der Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich benannt wurden (vgl. zur andersgelagerten Sachverhaltskonstellation: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 2012, L 1 KR 347/10 – juris -).

Dieser im vorliegenden Fall unstreitig entstandene Vergütungsanspruch der Klägerin ist auch nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärt hat.

Der Beklagten stand in dieser Höhe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.

Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom 3. Juli 2011 bis zum 7. September 2011 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie vorliegend – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteile vom 8. November 2011, B 1 KR 8/11 R; vom 18. Juli 2013, B 3 KR 25/12 R und vom 21. April 2015, B 1 KR 8/15 R – juris -). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.

Die Klägerin durfte die erfolgte stationäre Behandlung der Versicherten auch nach der DRG P03B und nicht nur nach der niedriger vergüteten DRG P03C abrechnen.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG (jeweils in der Fassung des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes vom 17. März 2009, BGBl I S 534) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; in der Fassung durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17. März 2009, BGBl I S 534) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2011 vom 23. September 2010 (Fallpauschalenvereinbarung 2011 - FPV-2011) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 sowie der zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den entsprechenden Krankenkassen bzw. deren Verbänden geschlossene Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen.

In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren gemeinsam nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zu Verlegungsfällen und zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (effektive Bewertungsrelationen). Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (Bundessozialgericht, Urteile vom 18. Juli 2013, B 3 KR 25/12 R; vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R; vom 21. April 2015, B 1 KR 8/15 R – juris -). Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene -, zertifiziert worden sind.

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, z.B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2011 in der Fassung der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 21. Oktober 2010, Bundesanzeiger, Nr. 169 vom 9. November 2010, S 3752). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (Bundessozialgericht, Urteile vom 18. Juli 2013, B 3 KR 25/12 R; vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R; vom 21. April 2015, B 1 KR 8/15 R - juris -).

Die DRG P03B wird nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn die HFNC-Therapie bei der Berechnung der Beatmungsstunden nach dem OPS-Kode 8-711 heranzuziehen ist. Nach der Auffassung des Senats ist dies vorliegend aber der Fall.

Nach den DKR (Version 2011) ist bei 1001h Maschinelle Beatmung als Definition folgendes aufgeführt:

"Maschinelle Beatmung ("künstliche Beatmung”) ist ein Vorgang, bei dem Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die Atmung wird unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen Atemleistung des Patienten. Bei der künstlichen Beatmung ist der Patient in der Regel intubiert oder tracheotomiert und wird fortlaufend beatmet. Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden". Bei der Kodierung ist unter 3) bestimmt, dass

"Bei Neugeborenen und Säuglingen zusätzlich ein Kode aus 8-711 Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen anzugeben (ist). Anmerkung: Bei Neugeborenen sind darüber hinaus auch andere atmungsunterstützende Maßnahmen wie z.B. Sauerstoffzufuhr (8-720) zu verschlüsseln, soweit nicht eine maschinelle Beatmung erfolgt. Hier ist die Beatmungsdauer nicht zu kodieren."

Bei dem OPS-Kode 8-711 Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen ist als Unterpunkt nach 8-711.0 Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP), 8-711.1 Kontrollierte Beatmung bei Neugeborenen, 8-711.2 Assistierte Beatmung bei Neugeborenen und 8-711.3 Beatmung mit Negativdrucksystem (CNP) ("Eiserne Lunge") bei Neugeborenen unter 8-711.4 die Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-System) aufgeführt.

Bei gebotener Auslegung muss durch die ausdrückliche Klassifizierung bzw. Zuordnung der Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen (HFNC-System) zur OPS-Klasse 8-711 (Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) statt zur OPS-Klasse 8-720 (Sauerstoffzufuhr bei Neugeborenen) im Jahre 2011 eine Berücksichtigung des HFNC-Systems bei den Beatmungsstunden erfolgen. Dass es sich u.U. bei dem HFNC-System streng medizinisch-physikalisch nicht um eine maschinelle Beatmung im engeren Sinne der Definition der DKR handelt oder die Methode noch als relativ jung anzusehen ist (Dr. H. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Oktober 2013) ist nach der Auffassung des Senats durch die klare definitorische Zuordnung zu der maschinellen Beatmung nicht maßgeblich und würde bei ihrer Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine unzulässige Bewertung darstellen. Der Wortlaut der Regelungen ist nach der Auffassung des Senats insoweit eindeutig und durchgreifende systematische Erwägungen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich (so auch: Landgericht Dortmund, Urteil vom 3. März 2016, 2 O 400/14; zu den Grenzen der Auslegung bei eindeutigem Wortlaut von Regelungen vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31. Oktober 2016, 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13 – juris -).

Insoweit führt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 21. April 2015, B 1 KR 8/15 R klar aus:

"Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Sie sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl allgemein bereits BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 3 RdNr 17; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 14; BSG Urteil vom 1.7.2014 – B 1 KR 29/13 R - Juris RdNr 12 - für SozR vorgesehen; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff, stRspr). Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 18 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Bundespflegesatzverordnung: BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2 S 15; BSG SozR 3-5565 § 15 Nr 1 S 6). Rechtsähnlich verfahren der erkennende 1. und der 6. Senat des BSG bei der Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen (vgl BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 10 RdNr 13)."

Der Senat macht sich diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach eigener Überprüfung zu Eigen.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass unter systematischen Gesichtspunkten auch die Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) bei der maschinellen Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen eingeordnet ist und dadurch der Definition der maschinellen Beatmung unterfällt.

Vorliegend ist bei der Versicherten im streitgegenständlichen Zeitraum der HFNC-Therapie durchgehend Raumluft mit einem erhöhten Flow angeboten worden, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.

Der Zinsanspruch resultiert aus § 10 Abs. 5 des Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den entsprechenden Krankenkassen bzw. deren Verbänden für das Land Hessen. Zinshöhe und Zinsbeginn haben die Beteiligten zudem im Verfahren unstreitig gestellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen (vgl. insoweit: Bundessozialgericht, Beschlüsse vom 19. Juli 2012, B 1 KR 65/11 B und vom 12. Juni 2013, B 3 KR 32/12 B – juris -).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 HS. 1 SGG i.V.m. § 63, § 52 Abs. 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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