L 16 AS 513/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 AS 311/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 513/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Untätigkeitsklage ist, dass ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes gestellt wurde.
2. Wer sich darauf beruft einen Antrag nach § 44 SGB X per Telefax gestellt zu haben, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Antragstellung.
3. Eine eidesstattliche Versicherung ist kein taugliches Beweismittel im Hauptsacheverfahren, wenn es hierfür an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bzw. Zweckbestimmung des Gesetzes fehlt.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 31. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Untätigkeit des Beklagten betreffend einen Überprüfungsantrag wegen Stromkosten.

Der 1959 geborene Kläger und Berufungskläger (im Folgenden Kläger) bezieht seit November 2013 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 15.03.2017 wandte er sich an das Sozialgericht Augsburg (SG) wegen "Untätigkeit". Er habe am 20.09.2014 beim Beklagten einen Überprüfungsantrag wegen Stromkosten gestellt. Bisher sei der Antrag nicht verbeschieden worden. Er übersandte einen Sendebericht vom 20.09.2014 und versicherte an Eides statt, dass er den Überprüfungsantrag per Fax ordnungsgemäß digital über FritzBox-Fax abgesetzt habe. Neben dem Übertragungsbericht gebe es also einen vollständigen Sendebericht in Form einer digitalen Kopie als pdf-Dokument. Dies sei Standard bei FritzBox-DSL-Anlagen. Das Fax sei am 20.09.2014 fehlerfrei übermittelt worden. Dem Sendebericht sei weiter aus der Betreffzeile zu entnehmen, welches Fax geschickt worden sei. Dort heiße es: "Fax an ARGE Jobcenter A-Stadt ... wg. Strom 2013/2014". Der OK-Vermerk sei ausreichend für den Nachweis des Zugangs des Schreibens. Dem an das SG übermittelten Sendebericht vom 20.09.2014 ist ein Versand eines Telefaxes am 20.09.2014 um 17.31 Uhr an die Fax-Nr. 08xxx Jobcenter A-Stadt zu entnehmen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden Beklagte) beantragte mit Schreiben vom 22.03.2017 die Klage abzuweisen. In der gesamten Akte liege kein Überprüfungsantrag vom 20.09.2014 bezüglich Stromkosten vor. Ein entsprechender Antrag habe daher nicht bearbeitet werden können. Sofern der Kläger keinen Nachweis des Eingangs eines solchen Antrags führen könne, müsse davon ausgegangen werden, dass der vom Kläger behauptete Antrag vom 20.09.2014 niemals gestellt worden sei. Dem Faxbericht sei nicht zu entnehmen, welches Dokument gefaxt worden sei.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2017 ab. Gemäß § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Der Kläger habe keinen Nachweis erbracht, dass er dem Beklagten am 20.09.2014 einen Überprüfungsantrag per Fax zugesandt habe. Die vom Kläger zum Beweis übersandten angeblichen Faxprotokolle seien nicht geeignet, den Zugang nachzuweisen. Die nur schwer lesbaren Unterlagen enthielten nicht das übersandte Dokument. Was auch immer der Kläger am 20.09.2014 versandt habe, es sei nicht nachgewiesen, dass es sich um einen Überprüfungsantrag wegen Stromkosten gehandelt habe.

Mit Schreiben vom 06.07.2017 an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) beantragte der Kläger mündliche Verhandlung und "Komplettzurückverweisung". Im Betreff dieses Schreibens nahm er Bezug auf "Untätigkeitsklage wegen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X - Stromkosten v. 20.09.2014 - qualifizierte Fax-Sendeberichte und Protokolle". Den Vorwurf der Manipulation weise er zurück. Der Sendebericht sei ausreichend Beweis für den Zugang des Faxes. Der Kläger hat keinen weiteren Antrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Zudem sei aus den ergänzend vorgelegten Kontaktübersichten nicht ersichtlich, dass am 20.09.2014 ein Antrag gestellt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 153, 151 SGG) ist unbegründet.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser ordnungsgemäß über den Termin informiert und auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen worden war, § 110 Abs. 1 S. 2 SGG.

Der Senat geht von einem Erreichen des Beschwerdewerts aus, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGG (vgl. Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144, Rn. 15b). Betreffen die zu erlassenden Verwaltungsakte Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, die einen Wert von 750 Euro nicht übersteigen, unterliegt auch die Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung (BSG, Beschluss vom 06.10.2011, Az. B 9 SB 45/11 B). Der Antrag des Klägers ist gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsaktes bezüglich Stromkosten und damit gerichtet auf eine Geldleistung. Der hinter der Untätigkeitsklage stehende Beschwerdewert ist nicht bekannt. Er ist weder aktenkundig noch hat ihn der Kläger konkretisiert. Laufende Leistungen für mehr als ein Jahr sind nicht betroffen, da der Kläger seit November 2013 im Leistungsbezug beim Beklagten steht und im September 2014 einen Überprüfungsantrag gestellt haben will, der sich damit allenfalls auf einen Zeitraum von November 2013 bis September 2014 beziehen kann.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Untätigkeitsklage zu Recht abgewiesen. Die Untätigkeitsklage ist unzulässig.

Nach § 88 Abs. 1 S. 1 SGG ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist.

Zulässigkeitsvoraussetzung ist, dass ein Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes gestellt worden ist. Daran fehlt es hier. Der insoweit beweisbelastete Kläger kann nicht nachweisen, dass er am 20.09.2014 einen Antrag gem. § 44 SGB X beim Beklagten gestellt hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein OK-Vermerk auf dem Sendebericht den Erhalt beim Beklagten nachweist oder nicht. Denn dem vom Kläger vorgelegten Sendeprotokoll ist nicht zu entnehmen, welches Schriftstück er an den Beklagten am 20.09.2014 gefaxt hat bzw. gefaxt haben will. Den beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten ist kein entsprechendes Schriftstück vom 20.09.2014 zu entnehmen. Schließlich ist auch die vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung im Hauptsacheverfahren kein taugliches Beweismittel, weil es hierfür an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bzw. einer Zweckbestimmung des Gesetzes fehlt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.05.2017, L 8 SO 166/15). Auf die Frage der förmlichen Voraussetzungen einer eidesstattlichen Versicherung kommt es daher nicht an.

Dem Senat stehen weitere Ermittlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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