S 29 SO 67/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
29
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 29 SO 67/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII kann bestehen, sofern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II wegen einer ungenehmigten Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4a SGB II ausgeschlossen sind (hier verneint).

2. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II sind im Rahmen eines Anspruches nach § 67 SGB XII nur anspruchsvernichtend zu berücksichtigen, sofern diese tatsächlich den geltend gemachten Bedarf decken. Alleine das Bestehen eines Anspruches nach dem Sozialgesetzbuch II reicht nicht aus.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 26.02.2013.

Der zuständige Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II bewilligte der 1980 geborenen Klägerin und ihrem Sohn für den Zeitraum von Oktober 2012 bis März 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i. H. v. monatlich 753,88 EUR (Bewilligungsbescheid vom 02.12.2012). Die monatlichen Kosten der Unterkunft betrugen dabei unter Berücksichtigung von Neben- und Heizkosten 540,-EUR. Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige.

Die Klägerin sprach am 07.12.2012 beim Gesundheitsamt des Beklagten vor. Die zuständige Mitarbeiterin, Frau C., stellte die Erforderlichkeit einer sofortigen stationären Behandlung fest. Im Anschluss beantragte sie die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung. Nach einem Anruf am 17.12.2012 besuchte die Mitarbeiterin die Klägerin und vereinbarte mit ihr, dass Miete und Energiekosten vom Sozialamt überwiesen werden würden. Da es nicht möglich war, sofort auf einer geeigneten stationären Station aufgenommen zu werden, erklärten sich die in D-Stadt lebenden Eltern bereit, die Klägerin aufzunehmen. Sie nahmen die Klägerin am 17.12.2012 mit nach D-Stadt. Der Sohn der Klägerin wurde auf Intervention des Jugendamtes bei dem Vater aufgenommen. Am 07.01.2013 kehrte die Klägerin für eine Begutachtung im Rahmen des amtsgerichtlichen Verfahrens zurück nach Deutschland. An diesem Tag besuchte Frau C. zusammen mit einer Ärztin die Klägerin und begutachtete sie. Nach diesem Gutachten litt die Klägerin unter einer schweren depressiven Episode und war nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Die Klägerin flog am 07.01.2013 nach D-Stadt zurück. Am 08.01.2013 informierte Frau C. den Mitarbeiter des Sozialleistungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch II über den Sachverhalt und fragte an, ob Miete, Krankenkassenbeitrag und Energiekosten für die Zeit der Abwesenheit der Klägerin übernommen werden könnten. Dieser Mitarbeiter teilte dem Gesundheitsamt per E-Mail vom 08.01.2013 mit, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II habe.

Die Stadt Wiesbaden stellte die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II mit Bescheid vom 08.01.2013 ein und hob den Bescheid vom 02.10.2012 nach § 48 SGB X mit Wirkung ab dem 01.02.2013 auf. Sie habe die Mitteilung erhalten, dass sich die Klägerin derzeit in D-Stadt aufhalte. Nach ihrer Einschätzung sei eine Rückkehr nach A-Stadt unsicher und derzeit nicht abschätzbar. Es fehle deswegen an den Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II sowie an der örtlichen Zuständigkeit. Auch eine Prüfung nach pflichtgemäßem Ermessen führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 28.02.2013 die Weiterbewilligung der Leistungen ab dem 27.02.013, dem Datum ihrer Rückkehr nach A-Stadt; diesem Begehren wurde mit Bescheid vom 04.03.2013 entsprochen. Dabei wurde für die Zeit vom 27.02.2013 bis 28.02.2013 Kosten der Unterkunft i. H. v. 36,01 EUR zu Grunde gelegt.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 04.03.2013 an den Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II teilte dieser seine Bevollmächtigung mit. Er halte den vorgelegten Bescheid vom 08.01.2013 für zutreffend, vertrat aber die Auffassung, dass der Klägerin und ihrem Sohn ein Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch XII zustehe. Diese Ansprüche machte er geltend und bat um Weiterleitung an die zuständige Stelle. In einem weiteren Schreiben vom 13.03.2013 erläuterte der Prozessbevollmächtigte, dass er für die Klägerin einen Anspruch für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 27.02.2013 geltend mache. Die Ortsabwesenheit sei aus medizinischen Gründen erfolgt, sodass ein Leistungsanspruch nach dem Sozialgesetzbuch XII bestehe.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.03.2013 den Anspruch für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 27.02.2013 ab. Da die Klägerin dem Grunde nach dem Sozialgesetzbuch II leistungsberechtigt sei, sei ein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe nach § 21 SGB XII ausgeschlossen. Zudem bestehe auf Grund des Aufenthalts in D-Stadt keine örtliche Zuständigkeit. Jedenfalls sei der Bedarf erst am 04.03.2013 geltend gemacht worden, sodass erst zu diesem Zeitpunkt eine Kenntnis nach § 18 SGB XII erfolgt sei. Eine Leistung könne jedoch erst ab Bekanntwerden der Leistungsvoraussetzungen erfolgen. Die Ablehnung erfolgte primär wegen des Leistungsausschlusses nach § 21 SGB XII und hilfsweise wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit und wegen fehlender Kenntnis.

Die Klägerin legte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 03.04.2013 Widerspruch dagegen ein. § 21 SGB XII greife nicht, da die Klägerin in diesem Zeitraum nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch II gewesen sei. Vielmehr sei sie nach § 7 Abs. 4a SGB II von den Leistungen ausgeschlossen gewesen. Auch sei eine örtliche Zuständigkeit gegeben, da kurzzeitige Besuchsaufenthalte im Ausland die örtliche Zuständigkeit und damit den Leistungsanspruch nicht entfallen lassen. Die Stadt Wiesbaden hätte zudem sowohl Kenntnis von dem Hilfebedarf als des Gesundheitszustandes gehabt. Die Klägerin könne zudem auch einen Anspruch auf Hilfe in besonderen Lebenslagen geltend machen.

Die Beklagte erläuterte die aus seiner Sicht maßgebende Rechts- und Sachlage mit Schreiben vom 23.04.2013. Zwischenzeitlich wurde die Wohnung der Klägerin neu vermessen und dabei festgestellt, dass anstelle der im Mietvertrag genannten Gesamtwohnfläche von 58,0 qm die tatsächliche Wohnfläche 47,01 qm beträgt. Mit Schreiben vom 30.09.2013 räumte die Vermieterin diesen Umstand ein und bezifferte die dadurch erfolgte Überzahlung auf 2.884,20 EUR. Sie teilte der Klägerin zudem mit, dass eine Bruttomiete von 465,-EUR seit 01.11.2013 fällig sei (325,-EUR Kaltmiete sowie je 70,-EUR Nebenkosten- und Heizkostenvorauszahlungen). Der zuständige Träger nach dem Sozialgesetzbuch II machte mit Schreiben vom 14.10.2013 einen Erstattungsanspruch i. H. v. 2.025,-EUR geltend, welcher im Januar 2014 seitens der Vermieterin erfüllt wurde. Die Überzahlung für Februar 2013 betrug dabei 4,94 EUR.

Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2014 zurück. Sie verwies auf die Ausführungen des angegriffenen Bescheides. Bei erfolgtem Auslandaufenthalt ergebe sich im gleichen Moment keine örtliche Zuständigkeit.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.04.2014 Klage dagegen erhoben. Sie ist der Ansicht, jedenfalls einen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Unterkunftskosten zu haben. Sie ist der Ansicht, dass die örtliche Zuständigkeit im Falle von kurzzeitigen Auslandsaufenthalten erhalten bliebe. Zudem habe sie einen Bedarf auf Leistungen zur Erhaltung der Wohnung als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Sie sei wegen einer Anhörung vor dem Amtsgericht Wiesbaden zurück nach Deutschland geflogen. Im Erörterungstermin am 29.03.2017 trug sie vor, dass der Mietrückstand von ihrem Vater darlehensweise in der Erwartung erfolgt sei, dass der Betrag nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens erstattet werde. Sie reichte im Nachgang die von ihrer Betreuerin angefertigte Aufstellung über die Mietzahlungseingänge im Jahr 2013 sowie eine Kopie der Kontoauszüge für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.03.2013 ein.

Ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge erhielt die Klägerin am 11.02.2013 eine Betrag von 500,-EUR sowie Kindergeld i. H. v. 184,-EUR auf ihr Konto überwiesen.

Die Klägerin behauptet, dass sie diese Zahlungen von einem Freund ihres Schwagers erhalten habe, um einen bestehenden Ratenkredit i. H. v. 241,20 EUR zu bedienen. Sie habe mit dem restlichen Betrag den Unterhalt für ihren Sohn bezahlt; dieser habe zu diesem Zeitpunkt nicht bei ihr gewohnt. Es habe keine bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit bestanden. Sie habe jedenfalls Einkommen unterhalb der maßgeblichen Einkommensgrenze erhalten. Sie ist der Ansicht, dass der Leistungsausschluss nach § 21 SGB XII lediglich Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ausschließen, nicht jedoch Leistungen der Hilfen in besonderen Lebenslagen. Ausweislich der bei dem Träger nach dem Sozialgesetzbuch II vorgelegten Kontoauszüge erhielt die Klägerin auch am 08.03.2013 eine Gutschrift i. H. v. 500,-EUR sowie am 13.05.2013 i. H. v. 400,-EUR. Sie legte zudem eine Erklärung eines Herrn E. E. vom 14.05.2014 vor, wonach dieser ihr ein Darlehen i. H. v. 500,-EUR und 400,-EUR gewährt habe. Er erklärte, dass sie ihm das Geld so schnell wie möglich zurückzahlen würde.

Sie ist der Ansicht, dass der Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 04.03.2013 auch als Antrag auf Rücknahme des Einstellungsbescheides vom 08.01.2013 aufzufassen sei. Der Träger nach dem Sozialgesetzbuch II sei notwendig beizuladen.

Das Gericht führte am 29.03.2017 einen Erörterungstermin durch und hörte die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes informatorisch an. Auf die entsprechende Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 06.09.2017 hörte das Gericht zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Das Gericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.12.2017 ab. Ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt scheitere bereits am Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII, konkretisiert durch § 21 SGB XII. Danach erhalten Personen, die dem Grunde nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches als Erwerbsfähige oder Angehörige leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch XII. Damit korrespondiere die Regelung des § 5 Abs. 2 SGB II, wonach ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII Leistungen nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuch XII ausschließe. Die Klägerin habe wegen ihrer Erkrankung für ihre Ortsabwesenheit einen wichtigen Grund gehabt, sodass die Klägerin einen Anspruch auf Zustimmung des Trägers zur krankheitsbedingten, vorübergehenden Abwesenheit gehabt hätte. Diesen Anspruch hätte sie vorrangig geltend machen müssen. Auch ein Anspruch nach § 67 SGB XII scheitere an dem Gebot der Selbsthilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII. Dazu gehöre auch die Obliegenheit, etwaige Ansprüche gegenüber dem Träger anderer Sozialleistungen geltend zu machen. Dazu gehöre zur Realisierung auch entsprechende Rechtsbehelfe zu erheben. Die Klägerin habe den entsprechenden Bescheid bestandskräftig werden lassen und zudem durch ihren Prozessbevollmächtigten erklärt, dass sie den Einstellungsbescheid für zutreffend halte. Auch unter dem Gesichtspunkt der Meistbegünstigung könne darin kein Antrag nach § 44 SGB X erblickt werden, sodass auch die beantragte Beiladung nicht erfolgen könne.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte mit Schriftsatz vom 05.01.2018 einen Antrag Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Wiesbaden vom 06.12.2017 und des Bescheides vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2014 für die Zeit vom 01.02.2013 bis 26.02.2013 Hilfe zum Lebensunterhalt oder Hilfe in besonderen Lebenslagen zu gewähren,
hilfsweise
2. die Landeshauptstadt Wiesbaden beizuladen und zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Wiesbaden vom 06.12.2017 für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 26.02.2013 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass die Klägerin bereits am 07.01.2013 ausgereist sei. Sie ist der Ansicht, dass vor ihrer Ausreise keine Zuständigkeit des SGB XII-Leistungsträgers eingetreten sei. Der Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II schließe nach § 5 Abs. 2 SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuch XII aus. Mangels örtlicher Zuständigkeit bestehe auch kein Anspruch auf Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 ff. SGB XII. Es bestehe bereits kein Hilfebedarf, da der Vater der Klägerin die Miete für Februar 2013 ausgeglichen habe. Zudem bestehe im Februar 2013 auf Grund des Zuflusses eines Betrages i. H. v. 500,-EUR keine Bedürftigkeit. Eine Beiladung des zuständigen Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II müsse nicht erfolgen, da der Einstellungsbescheid vom 08.01.2013 bestandskräftig sei.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis durch Vernehmung der Zeugin Frau C. erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

A. Streitgegenstand des Klageverfahrens ist die Ablehnung von Leistungen der Kosten der Unterkunft für den Zeitraum 01.02.2013 bis 26.02.2013. Die Klägerin hat insoweit den Streitgegenstand wirksam auf die Kosten der Unterkunft beschränken können (vgl. BSG, Urteil vom 14. April 2011, Az.: B 8 SO 18/09).

B. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft.

C. Die Klage ist allerdings nicht begründet. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgelehnt (dazu unter I.). Auf Grund der Bestandskraft des Bescheides vom 08.01.2013 war das Gericht auch nicht verpflichtet, den zuständigen Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II beizuladen und diesen entsprechend zu verurteilen (dazu unter II.). Die Ablehnung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da ihr weder nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) noch nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ein durchsetzbarer Anspruch zustand.

I. Der Klägerin stand gegen den Beklagten kein Anspruch auf Sozialhilfe – weder in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe in sonstigen Lebenslagen, Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Haushaltsführung – zu (dazu unter 3. – 6.). Allerdings war der Beklagte nach § 98 SGB XII örtlich zuständig (dazu unter 1.). Zudem kann er sich nicht auf seine fehlende Kenntnis nach § 18 SGB XII berufen, sondern muss die Kenntnis des Sozialleistungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch II gegen sich gelten lassen (dazu unter 2.).

1. Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten bestand nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch während des Auslandsaufenthalts der Klägerin weiter. Keine örtliche Zuständigkeit besteht allerdings, soweit die Leistungsberechtigte sich bereits tatsächlich im Ausland aufhält und der Hilfebedarf erst im Ausland entsteht (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 15.06.2005, Az.: L 4 B 154/05 ER SO). Die örtliche Zuständigkeit wird zudem nur dann begründet, sofern sich die Leistungsberechtigte bei Beginn ihrer Hilfebedürftigkeit noch im Bereich eines Sozialhilfeträgers aufhält (vgl. Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, Sozialgesetzbuch XII, Kommentar, 19. Auflage 2015, § 98 Rn. 19).

Zuerst ist festzustellen, dass die Klägerin unstreitig vor ihrem Auslandsaufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ihren tatsächlichen Aufenthalt hatte, sodass die Beklagte nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zuständig gewesen wäre. Diese Zuständigkeit der Beklagten ist nicht durch den zweimonatigen Auslandsaufenthalt – welchen sie zwischenzeitlich für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins unterbrochen hatte – weggefallen, sondern wirkt weiter fort (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 17. November 1994, Az.: 5 C 13/92 – juris – Rn. 10). Dabei war vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin ausweislich der glaubhaften Aussage der Zeugin von vorneherein vorhatte, nach Deutschland zurückzukehren, da sie hier ihren Lebensmittelpunkt hatte und zudem ihr Sohn hier lebte.

Im Weiteren vertritt das erkennende Gericht die Ansicht, dass die Hilfebedürftigkeit der Klägerin – dokumentiert durch den Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II – auch dazu führt, dass sie sich "zu Beginn" ihrer Hilfebedürftigkeit im Zuständigkeitsbereich des Sozialhilfeträgers – hier der Beklagten – aufgehalten hat. Sie war insofern bereits im Dezember 2012 und Januar 2013 hilfebedürftig und hat – wie unter 2. auszuführen sein wird – bereits zu diesem Zeitpunkt Leistungen beantragt.

2. Die Beklagte kann sich zudem auch nicht auf die fehlende Kenntnis von dem Bedarf nach § 18 SGB XII berufen, sondern muss sich vielmehr nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Kenntnis des Sozialleistungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch II bzw. den entsprechenden Antrag der Klägerin bei diesem Leistungsträger zurechnen lassen. Diese Vorschrift gilt dabei auch im (grundsätzlich antragsunabhängigen) Sozialhilferecht (vgl. BSG, Urteil vom 26.08.2008, Az.: B 8/9b SO 18/08 R – juris – 22) und zwar entgegen der Ansicht der Beklagten – unabhängig davon, welche Leistungsart die Leistungsempfängerin konkret begehrt. Eine Auslegung von § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I, dass diese Vorschrift nur bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und nicht bei den sonstigen Leistungsarten greift, lässt sich ihr nicht entnehmen. Vielmehr hat auch das Bundessozialgericht erkannt, dass § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I bei Ansprüchen nach § 70 SGB XII anwendbar ist (vgl. BSG, aaO). Insofern kann für geltend gemachte Ansprüche nach anderen Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungs-Grundsatzes nichts anderes gelten. Das Begehren der Klägerin ist insofern dahingehend auszulegen, dass sie – unabhängig von der Rechtsgrundlage und ohne Rücksicht auf den Wortlaut – diese Leistungen begehrt, welche ihr den größten Nutzen bringen. Insofern war der mit ihrem Einverständnis gestellte Antrag bei dem Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB XII an den Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch XII weiterzuleiten. Ihr Begehren sollte gerade nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der Sozialverwaltung scheitern.

3. Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19, 27 ff. SGB XII zu. Zwar entfaltet der Nachranggrundsatz nach § 2 Abs. 1 SGB XII keine abstrakte Wirkung (dazu unter a)). Sie ist jedoch nach § 21 SGB XII von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII ausgeschlossen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stellt § 2 Abs. 1 SGB XII keine eigenständige Ausschlussnorm dar. Lediglich in Zusammenhang mit ergänzenden oder konkretisierenden sonstigen Vorschriften des Sozialgesetzbuches XII kommt dieser Vorschrift Bedeutung zu. Ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 SGB XII ohne Rückgriff auf andere Normen des Sozialgesetzbuch XII ist somit grundsätzlich ausgeschlossen und nur ganz ausnahmsweise denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 30/10 R - Rn. 25). Ein solcher Ausnahmefall kann das Gericht vorliegend aber nicht feststellen.

b) Die Klägerin ist jedoch nach § 21 SGB XII i. V. m. § 5 Abs. 2 SGB II von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch II ist. An einer Leistungsberechtigung auf Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach kann es i. S. von § 21 Satz 1 nicht nur dann fehlen, wenn die positiven Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 nicht erfüllt sind, sondern auch dann, wenn Leistungsausschlüsse eingreifen (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 21 SGB XII, Rn. 46). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt aus dem Vorliegen der Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nach dem Sozialgesetzbuch II nicht zwangsläufig ein Leistungsausschluss nach dem SGB XII. Die Systemabgrenzung erfordere vielmehr eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Leistungsausschlüsse. Im Grundsatz gilt für die Systemzuweisung auf Grund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird (BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 44/15 R – juris – Rn. 41). Die Anwendungssperre des § 21 SGB XII greift somit nicht, sofern die leistungsbegehrende Person von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 44/15 R – juris – Rn. 42). Für die Anwendung des § 21 SGB XII ist dabei weder entscheidend, ob die Leistungsberechtigte tatsächlich Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bezieht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 – B 8/9b SO 12/06 R - Rn. 14), noch, ob eine Aufhebungs- bzw. Ablehnungsentscheidung bestandskräftig geworden ist. Einzig entscheidend ist, ob der jeweilige Leistungsausschluss objektiv besteht.

Die Klägerin war vorliegend jedoch nicht von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II ausgeschlossen. Nach § 7 SGB II i. d. Fassung vom 20.12.2011, gültig ab 01.04.2012 bis 31.07.2016, hatte die Klägerin das 15. Lebensjahr vollendet, war erwerbsfähig, trotz Zufluss eines Einkommens i. H. v. 500,-EUR – nach den Ausführungen der Klägerin handelte es sich bei diesen 500,-EUR um ein Darlehen – bei einem Regelbedarf von 382,-EUR und Kosten der Unterkunft i. H. v. 465,-EUR auch bedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Als deutsche Staatsangehörige unterlag sie auch keinem Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Sie unterlag zudem keinem Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 4a SGB II. Zwar hielt sie sich außerhalb des orts- und zeitnahen Bereichs – nämlich in D-Stadt – auf. Auch eine Zustimmung seitens des zuständigen Trägers nach dem Sozialgesetzbuch II lag nicht vor. Diese hätte jedoch erteilt werden müssen, da auf Grund der akuten Suizidalität bei der Klägerin ein wichtiger Grund zur Aufnahme in die in D-Stadt lebende Familie bestand. Zudem war auch die Eingliederung der Klägerin in Arbeit nicht gefährdet, da ausweislich der Mitteilung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung keine konkrete Eingliederungsmaßnahme geplant war. Ein Leistungsausschluss greift somit nicht, sodass der Klägerin dem Grunde nach Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zustanden und sie somit gemäß § 21 SGB XII i. V. m. § 5 Abs. 2 SGB II von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII ausgeschlossen war.

4. Der Klägerin steht zudem kein Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft für den Monat Februar 2013 aus den Mitteln der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 ff. SGB XII i. V. m. §§ 26, 33, 41 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der Fassung vom 23.04.2004, gültig vom 01.05.2004 bis 31.12.2017, zu. Sie kann insbesondere keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe zur "Erhaltung" der Wohnung nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX geltend machen, da darunter nur objektbezogene Maßnahmen zur behindertengerechten (Um )Gestaltung einer bereits vorhandenen oder einer neuen Wohnung, d.h. zur Anpassung der Beschaffenheit der Wohnung an die besonderen Bedürfnisse des behinderten Menschen, verstanden werden (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 08. Dezember 2016, Az.: L 8 SO 111/15 – juris – Rn. 21). Die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX erfasst nur Maßnahmen zur Erhaltung einer häuslichen Umgebung durch behindertengerechte Anpassung des Wohnraums (Anbringen einer Rampe oder einer Hebebühne, die Verbreiterung von Türen u. a.). Daneben kommt auch die Beratung und Unterstützung insbesondere bei der Suche einer geeigneten Wohnung oder bei der Planung der Wohnungsumgestaltung in Betracht. Dagegen wird die Übernahme von laufenden Unterkunftskosten davon nicht erfasst. Deren Übernahme im Rahmen der Eingliederungshilfe steht entgegen, dass es sich um Leistungen zum Lebensunterhalt handelt, die bei Personen, die nicht in Einrichtungen untergebracht sind, zu Lasten des Sozialhilfeträgers allein nach dem 3. oder 4. Kapitel des SGB XII erbracht werden können. Eingliederungshilfe außerhalb von Einrichtungen konzentriert sich auf die reinen Fachleistungen und umfasst nicht die Leistungen zum Lebensunterhalt (Sächsisches Landessozialgericht, aaO).

5. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten nach §§ 67 f. SGB XII zu. Allerdings kann dieser Anspruch nicht mit dem Hinweis auf den Nachrang-Grundsatz nach § 67 Satz 2 SGB XII abgelehnt werden (dazu unter a)). Jedoch liegen – wie die mündliche Verhandlung ergeben hat – bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor (dazu unter b)).

a) Nach § 67 Satz 2 SGB XII besteht kein Anspruch auf Leistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, sofern dieser Bedarf durch Leistungen nach anderen Vorschriften dieses Buches oder des Achten Buches gedeckt wird; diese Leistungen gehen den Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vor.

Die Klägerin hat keinen anderweitigen Anspruch nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches XII oder des Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII). Es reicht zudem nicht aus, dass sie für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch II besessen hätte. Allerdings lässt sich aus dem Wortlaut der Norm ("gedeckt wird") entnehmen, dass bei Leistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten das Bestehen eines anderweitigen Anspruches nicht ausreicht, um diesen Anspruch auszuschließen (so zur allgemeinen Auslegung dieser Vorschrift: Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 67 SGB XII, Rn. 30). Vielmehr ist § 67 Satz 2 SGB XII entsprechend auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II anzuwenden, sodass ein Anspruch auf Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten in Betracht kommt, sofern dieser Bedarf nicht durch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II gedeckt wird.

b) Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch nach § 67 Satz 1 SGB XII zu. Danach sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind.

aa) Bei der Klägerin lagen zum fraglichen Zeitpunkt besondere Lebensverhältnisse vor. Diese sind nach § 1 Abs. 2 DVO-§ 69 SGB XII bei fehlender oder nicht ausreichender Wohnung, bei ungesicherter wirtschaftlicher Lebensgrundlage, bei gewaltgeprägten Lebensumständen, bei Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder bei vergleichbaren nachteiligen Umständen gegeben. Die besonderen Lebensverhältnisse können ihre Ursachen in äußeren Umständen oder in der Person der Leistungsberechtigten haben. Äußeres Kennzeichen besonderer Lebensverhältnisse kann sein, dass der Betroffene aus relevanten gesellschaftlichen Funktionszusammenhängen und Versorgungsstrukturen teilweise oder vollständig ausgeschlossen ist (Luthe in Hauck/Noftz, SGB, 03/16, § 67 SGB XII, Rn. 13).

Das Gericht ist nach der Zeugenaussage der Sozialarbeiterin in der mündlichen Verhandlung vom 02.05.2018 davon überzeugt, dass die Klägerin im Zeitraum Dezember 2012 bis Februar 2013 schwer depressiv war und suizidal war. Sie war nach der Aussage der Sozialarbeiterin handlungsunfähig. Das Gericht erkennt vor diesem Hintergrund, dass bei der Klägerin vergleichbare nachteilige Umstände zu besonderen Lebensverhältnissen vorlagen. Die besondere Mangelsituation ergibt sich durch einen Mangel an Lebensfreude und Selbstmord-Gedanken.

bb) Diese besonderen Lebensverhältnisse der Klägerin führten jedoch nicht zu sozialen Schwierigkeiten. Nach § 1 Abs. 3 DVO-§ 69 SGB XII bestehen soziale Schwierigkeiten, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit. Bei diesen "sozialen Schwierigkeiten" geht es in erster Linie nicht um wirtschaftliche Schwierigkeiten, sondern um die Beeinträchtigung der Interaktion mit dem sozialen Umfeld und damit um die Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Es muss sich insoweit um soziale Schwierigkeiten handeln, die typischerweise mit besonderen Lebensverhältnissen einhergehen und die über solche sozialen Schwierigkeiten hinausgehen, die bereits für die Inanspruchnahme anderer Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII vorausgesetzt werden. (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 24/12 R – Rn. 16).

Zwingende Voraussetzung zur Erfüllung dieser Anspruchsvoraussetzungen ist das Bestehen von ausgrenzenden Verhalten der Hilfesuchenden und einer wesentlichen Einschränkung eines Lebens in der Gemeinschaft. Ausweislich der Zeugenaussage sowie der Erklärung der Klägerin selbst lagen bei ihr keine solchen sozialen Schwierigkeiten vor, sodass ihr Leben in der Gemeinschaft wesentlich eingeschränkt war. Nach der Zeugenaussage bestand Kontakt zu ihrer Glaubensgemeinschaft sowie zu ihrer Familie. Sie konnte sich zudem um die schulischen Belange ihres Sohnes kümmern. Letzte Aussage bestätigte die Klägerin, soweit sie ausführte, dass sie ihren Sohn bis zu ihrer Abreise nach D Stadt am 17.12.2012 betreuen konnte. Dazu kam, dass das Jugendamt die Übergabe des Sohnes an den Vater begleitete. Nach eigener Aussage konnte die Klägerin zudem mit dem Vater zur Betreuung des Kindes verbindliche Absprachen treffen, sodass das Gericht eine Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Teilhabe und damit das Vorliegen von sozialen Schwierigkeiten nicht feststellen kann.

6. Der Klägerin steht auch kein Anspruch nach § 70 SGB XII gegen den Beklagten zu, da danach nur Hilfen bei der Haushaltsführung verlangt werden können, nicht jedoch die seitens der Klägerin begehrte Übernahme der Kosten der Unterkunft. Im streitgegenständlichen Zeitraum hielt sich die Klägerin auch nicht in ihrer Wohnung auf, sodass ihr bereits aus diesem Grund keine Hilfen bei der Haushaltsführung hätten erbracht werden können.

II. Es kommt auf den ausdrücklich gestellten Hilfsantrag aber auch keine Beiladung und Verurteilung des zuständigen Trägers nach dem Sozialgesetzbuch II nach § 75 Abs. 5 SGG in Betracht. Über eine Verwaltungsentscheidung ist nur dann zu befinden, wenn eine Beiladung sowie eine daran anschließende unmittelbare Verurteilung der Beizuladenden nach § 75 Abs. 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung, sofern diese den gleichen Streitgegenstand betrifft, im Verhältnis zwischen dem Kläger und des Beizuladenden keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung ist eine Verurteilung der Beizuladenden nach § 75 Abs. 5 SGG ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, Az.: B 3 KR 5/12 – juris – Rn. 12).

§ 75 Abs. 5 SGG ist nicht als eine andere Bestimmung der Gesetzes im Sinne von § 77 SGG anzusehen, mit der die Schranke der Bindungswirkung durchbrochen werden kann. Dies gilt selbst für die Fälle, in denen die Klägerin einen Anspruch auf Rücknahme des früheren Bescheides nach § 44 Abs. 1 SGB X geltend machen kann, da diese Vorschrift das Verwaltungsverfahren betrifft und das Recht der Behörde zur Rücknahme eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes und die Pflicht zu einer eventuellen Neufeststellung geregelt. Dagegen kann sie die prozessualen Befugnisse des Gerichts nicht erweitern. Dem stehen der Ausnahmecharakter des § 75 Abs. 5 SGG und die abschließenden besonderen Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens bei widersprechenden Entscheidungen entgegen (BSG, Urteil von dem 04. Mai 1999, Az. B 2 U 19 / 98 R).

Der Bescheid vom 08.01.2013 ist zwischen dem zuständigen Träger nach dem Sozialgesetzbuch II und der Klägerin in Bestandskraft erwachsen, sodass dieser Bindungswirkung entfaltet und einer Verurteilung entgegensteht.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Berufung ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG zulassungsbedürftig, da die Klägerin nach Neuvermessung ihrer Wohnung noch eine Wohnungsmiete 465,-EUR abzüglich bereits gewährten 31,07 EUR (36,01 EUR - 4,94 EUR), somit i. H. v. 433,93 EUR geltend macht. Es handelt sich auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Eine Zulassung der Berufung nach §§ 143, 144 Abs. 2 SGG kommt nicht in Betracht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, bei der keine Rechtsfrage aufgeworfen wird, welche in dem angestrebten Berufungsverfahren klärungsfähig sowie klärungsbedürftig wäre und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Auch eine Divergenz zu Entscheidungen des Bundessozialgerichts oder des Landessozialgericht Darmstadt sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
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