L 4 AS 609/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 699/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 609/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 21. Oktober 2014 und der Bescheid des Beklagten vom 28. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2012 werden aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 26. Juli 2011 auf Förderung des Erwerbs eines Kfz aus dem Vermittlungsbudget unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget zum Erwerb eines Kfz.

Der 1971 geborene Kläger wohnt mit seiner Familie, der 1975 geborenen Ehefrau und den 1999 und 2004 geborenen Kindern, in P., einem südlich der Elbe gelegenen, ehemals selbständigen Ortsteil der L ... Die Familie bezog als Bedarfsgemeinschaft von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 7. April 2011 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2011 Leistungen in einer monatlichen Gesamthöhe 1.159,75 EUR. Auf den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft wurde das bezogene Kindergeld als Einkommen angerechnet. Erwerbseinkommen erzielten der Kläger und seine Ehefrau nicht.

Ausweislich der Vermerke in der Arbeitsvermittlungsakte wurde im Frühsommer 2011 ein Einsatz des Klägers, der in früheren Zeiten als LKW-Fahrer beschäftigt gewesen war, in der Personenbeförderung in Betracht gezogen. Es bestanden Beschäftungsmöglichkeiten in der Schülerbeförderung. Dazu wurden von der zuständigen Arbeitsvermittlerin aus dem Vermittlungsbudget Leistungen für die Kosten eines ärztlichen Attests (154,70 EUR) und zur Beschaffung von Kontaktlinsen (276,80 EUR) bewilligt.

Bei der Vorsprache des Klägers am 14. Juli 2011 bei der Arbeitsvermittlerin wurde eine bis zum 13. Januar 2012 geltende Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen, in der der Beklagte dem Kläger Unterstützung bei der Arbeits- und Ausbildungsaufnahme u.a. durch Vermittlungsvorschläge, Unterstützung bei Bewerbungsbemühungen (Bewerbungskosten bis zu 200 EUR jährlich, Einstiegsgeld bei Aufnahme eine sozialversicherungspflichtigen Arbeit im Niedriglohnbereich) sowie sonstigen Leistungen zur Aufnahme einer Arbeit nach vorherigen gesonderten Antrag in Aussicht stellte. Der Gesprächsvermerk über die Vorsprache hat im Übrigen folgenden Wortlaut:

"Hr. H. wird voraussichtl. ab 01.09.11 bei FA W. eingestellt werden. Der dafür noch notwendige Arzttermin findet am 20.07.2011 statt – WV gesetzt für Nachfrage, ob alles i. O. ist. Hr. H. reicht heute den schriftl. Kostenvoranschlag für die ärztl. Untersuchung ein – weiter an 211.S (notw. für VB-Antrag sonst. Kosten)."

Am 25. Juli 2011 vermerkte die Arbeitsvermittlerin nach einem Anruf beim Kläger in Verbis, er sei fahrtauglich auch für Personenbeförderung. Beim Gesprächstermin am 26. Juli 2011 legte der Kläger die Rechnung für die Kontaktlinsen sowie den Beleg über die "Untersuchung nach Fahrerlaubnisverordnung inkl. Psychometrie" vor. Bei diesem Termin wurden weitere Leistungen in einer Gesamthöhe von 79,60 EUR aus dem Vermittlungsbudget (Kosten für das polizeiliche Führungszeugnis, den Umtausch des Führerscheins und den Fahrgastbeförderungsschein) bewilligt. Die Aufwendungen für die vom Kläger vorfinanzierte Ortskundeprüfung wurden nicht erstattet. Der Vermerk über die Vorsprache hat weiter folgenden Wortlaut:

"Hr. H. möchte sich einen PKW kaufen und fragt nach VB-Leistungen. Lt. Verbis hat er mit Stand 26.07.11 einen PKW. Diesen hat er nach eigener Aussage verschrottet und dies dem JC nur noch nicht mitgeteilt. Zur Zeit nutzt er das FZ eines Bekannten. Antrag VB wurde ausgehändigt, vor Bewilligung sollte eine genaue Prüfung erfolgen, ob und wann die Verschrottung erfolgte und ob der Erwerb eines PKW unabdingbar ist. In Verbis wurde heute das Feld "Fahrzeug" aktualisiert, d.h. es wurde registriert, dass er keines hat. "

Das von dem Beklagten am 26. Juli 2011 ausgereichte Formular "Antrag auf Gewährung einer Förderung aus dem Vermittlungsbudget gem. § 16 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch - (SGB II) iVm § 45 Sozialgesetz – Drittes Buch – (SGB III) für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. schulischen Ausbildung", das mit den Aufschriften "ohne Förderzusage + Kostenvoranschläge + Arbeitsvertrag" versehen war, reichte der Kläger am 30. August 2011 ausgefüllt wieder beim Beklagten ein. Für die Arbeitsaufnahme als Personenbeförderer bei dem Busunternehmen W. entstünden ihm Aufwendungen für einen Autokauf, für die der Arbeitgeber keine Leistungen gewähre. Dem Antrag beigefügt war ein am 25. Juli 2011 erstelltes Angebot für ein Kommissionsfahrzeug Audi 100 der Firma A. zum Preis von 1.500 EUR. Weiterhin waren Ausdrucke von Internetangeboten (www.suchen.mobile.de/fahrzeuge) vom 29. August 2011 für einen Daewoo Lanos zum Preis von 2.390 EUR sowie einen Seat Arosa zum Preis von 2.190 EUR beigefügt.

Nach dem am 14. September 2011 vorgelegten Arbeitsvertrag war der Kläger ab 1. September 2011 als Begleitperson im Schülerverkehr und als Kraftfahrer zur Personenbeförderung mit einer monatlichen Arbeitszeit von 100 Stunden zu einem Bruttomonatslohn von 500 EUR eingestellt. Die Arbeitszeiten seien abhängig von der Auftragslage flexibel. Weiter belegte der Kläger die Verschrottung seines bisherigen Pkw am 13. Januar 2011 (Ankauf vom Entsorgungsfachbetrieb für 100 EUR).

Mit Bescheid vom 28. September 2011 lehnte der Beklagte die Förderung des Autokaufs aus dem Vermittlungsbudget ab. Zur Begründung führte er aus, die Leistung gemäß § 16 Abs. 1 und 3 SGB II in Verbindung mit § 45 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) werde nur in Ausnahmefällen gewährt, wenn der Leistungsberechtigte nicht aus eigener Kraft in der Lage sei, einen Pkw zu finanzieren. Da der Kläger inzwischen wieder über ein Fahrzeug verfüge und damit seinen Arbeitsplatz erreichen könne, könne sie nicht gewährt werden.

Dagegen legte der Kläger am 11. Oktober 2011 Widerspruch ein. Er führte aus, er sei nicht in der Lage, einen Pkw selbst zu finanzieren. Er habe den Pkw zur Beschäftigungsaufnahme am 1. September 2011 mit gleitenden Arbeitszeiten benötigt und sich für den Kauf Geld bei den Eltern leihen müssen. Er habe dem Arbeitgeber nicht sagen wollen, er könne die Arbeit nicht antreten, da er kein Auto habe.

Im Widerspruchsverfahren forderte der Beklagte vom Kläger die Vorlage des Kaufvertrags des Pkw, des Kfz-Scheins bzw. der Zulassung und ggf. Nachweise zur Finanzierung. Die Unterlagen wurden in der Folge nicht beigebracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Arbeitslose könnten aus dem Vermittlungsbudget bei der Anbahnung oder der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig sei. Es könnten maximal 1.000 EUR als einmalige Leistung für die Anschaffung eines Pkw gewährt werden. Dabei seien jedoch strenge Maßstäbe anzusetzen. Die im Widerspruchsverfahren angeforderten Unterlagen seien nicht beigebracht worden. Es habe nach Aktenlage auf der Grundlage des Arbeitsvertrags, des Ankaufscheins des Entsorgungsbetriebs und der Verkaufsangebote entschieden werden müssen. Danach habe der Widerspruch keinen Erfolg.

Zur Begründung der am 22. März 2012 bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe im August 2011 den Pkw Audi 100 zu einem Preis von 1.500 EUR gekauft. Dazu sei er gezwungen gewesen, da der Beklagte noch nicht über den Förderungsantrag entschieden hatte und am 1. September 2011 der Arbeitsbeginn gewesen sei. Die Arbeitsstelle im Ortsteil L. (nördlich der Elbe) sei von seinem Heimatort P. aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schlecht und mit hohem Zeitaufwand erreichbar gewesen. Teilweise hätten morgens zum Arbeitsbeginn gar keine ÖPNV-Verbindungen bestanden; teilweise hätten die Pendelzeiten eine Stunde betragen. Um den Pkw zu erwerben, habe er von seinen Eltern ein Darlehen über 1.000 EUR und von den Schwiegereltern eines über 250 EUR erhalten. 250 EUR habe er aus eigenen Mitteln aufbringen können. Die Förderung sei in seinem Fall notwendig gewesen, weil er nicht über einen Pkw verfügt habe und die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln unzumutbar gewesen sei. Es sei dem Beklagten verwehrt, sich darauf zurückzuziehen, dass er sich zwischenzeitlich anders beholfen habe, weil dieser erst vier Wochen nach der Beschäftigungsaufnahme über den rechtzeitig gestellten Förderantrag entschieden habe. Die Notwendigkeit der Anschaffung des Pkw für die Beschäftigungsaufnahme sei dadurch nicht entfallen, zumal er die erhaltenen Darlehen zurückzahlen müsse.

In der mündlichen Verhandlung des SG am 22. Oktober 2014 haben die Beteiligten erörtert, wie die Strecke vom Wohnort zum 7,1 km entfernt liegenden Arbeitsplatz zurückzulegen war. Mit Urteil vom 22. Oktober 2014, das dem Kläger am 6. November 2014 zugestellt worden ist, hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es bestehe keine Notwendigkeit der Förderung der Arbeitsaufnahme. Denn es sei dem Kläger zuzumuten, den Weg mit dem Fahrrad zurückzulegen, soweit zu bestimmten Tageszeiten öffentliche Verkehrsmittel nicht zur Verfügung stünden. Die Anschaffung eines Pkw sei zur beruflichen Eingliederung nicht erforderlich gewesen. Der Beklagte habe daher keine Ermessungsentscheidung zu treffen gehabt.

Am 8. Dezember 2014 (einem Montag) hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen vertieft: Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von seinen Wohnort im Ortsteil P. zur Arbeitsstelle im Ortsteil L. hätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Stunde gedauert. Zudem sei zu beachten, dass er überwiegend geteilte Dienste habe leisten müssen. Arbeitsbeginn sei von Montag bis Freitag in der Regel um 05:30 Uhr gewesen, da er im Schülerverkehr eingesetzt gewesen sei. Von 08:00 bis ca. 13:30 Uhr habe er dann frei gehabt. Diese Zeit sei nicht als Arbeitszeit vergütet worden. Einen Aufenthalts- oder Pausenraum habe es im (Familien-)Betrieb des Arbeitsgebers nicht gegeben. Von ca. 13:30 bis 16:00 oder 17:00 Uhr nachmittags sei er dann erneut im Schülerverkehr eingesetzt gewesen. Er habe auch des Öfteren samstags arbeiten müssen. Dann habe er meistens nachts auf Vorbestellung Personen von Feierlichkeiten nach Hause gefahren. Manchmal habe er samstags zwischen 08:00 und 13:30 Uhr auch Behindertentransporte durchgeführt. Dies habe das SG bei seiner Entscheidung nicht beachtet. Es komme nicht allein auf die geringe Kilometerdistanz an; erschwerend seien die geteilten Schichten und die ungünstigen Arbeitszeiten zu beachten. Es sei nicht möglich, die Strecke ggf. mehrfach am Tag, in der Nacht und im Winter mit dem Fahrrad zurückzulegen, zumal er in W. die Elbe überqueren müsse.

Auf Nachfrage der Berichterstatterin hat der Kläger Fahrplanauskünfte der DB (bezogen auf den Stichtag 1. Februar 2016) vorgelegt. Danach besteht die erste Verbindung morgens um 05:21 Uhr ab P. (bis 6:05 Uhr; dann 06:04 bis 7:00 Uhr, dann 06:14 bis 07:02 Uhr, 06:47 bis 07:17 Uhr, zumeist stündlich ein bis zwei Verbindungen). Erstmals um 10:03 Uhr gibt es eine direkte Regionalbahnverbindung mit einer Fahrzeit von nur sieben bzw. acht Minuten (danach um 14:03 und 18:03, 20:03 und 21:13 Uhr). Pro Stunde gibt es (zumeist) zwei weitere Verbindungen mit Fahrzeiten zwischen 27 und 59 Minuten, bei denen jeweils ein Umsteigevorgang (mindestens) erforderlich ist. Für die Rückfahrt von L. nach P. gilt Ähnliches: Eine direkte Zugverbindung mit eine Fahrzeit von acht Minuten besteht zwischen 07:48 und 17:48 Uhr alle zwei Stunden; daneben stündlich zumeist zwei (Umsteige-)Verbindungen mit Fahrzeiten zwischen 27 und 59 Minuten.

Der Kläger hat Stundenzettel über seine Einsatzzeiten in den Monaten September bis Dezember 2011 vorgelegt. Danach begann die Arbeit morgens entweder um 05:15 Uhr oder 05:45 Uhr (bzw. teilweise auch 06:15 oder 07:15 Uhr) und dauerte bis 7:45 Uhr oder zumeist 08:00 Uhr. Mittags war er zumeist ab 11:30 Uhr bis ca. 15:00 Uhr oder ab 12:30 Uhr bis ca. 17:00 Uhr eingesetzt. Im Oktober 2011 begann die tägliche Arbeitszeit bis auf wenige Ausnahmen um 05:45 Uhr und endete nach der Pause zwischen 14:00 Uhr und 16:15 Uhr. Entsprechendes gilt für November und Dezember 2011. Der im Klageverfahren vorgelegte Kaufvertrag über den Erwerb des Audis ist nicht datiert. Aus dem Versicherungsschein ergibt sich die Zulassung des Pkw auf den Kläger am 4. August 2011.

Im Erörterungstermin am 27. April 2016 hat der Kläger erklärt, die Stelle in dem Busunternehmen habe er auf seine Bewerbung nach einem Vermittlungsvorschlag seiner Arbeitsvermittlerin erhalten. Nach der Zusage des Arbeitgebers habe er sich wegen der erforderlichen Untersuchungen und des Personenbeförderungsscheins wieder an die Arbeitsvermittlerin gewandt. Beides sei vom Beklagten finanziert worden. Außerdem sei über die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes von P. aus und die schlechten ÖPNV-Verbindungen gesprochen worden. Auch das Problem der geteilten Schichten sei bereits im Vorfeld erörtert worden. Er habe darauf hingewiesen, dass er aktuell kein Auto besitze und dass er mit öffentlichen Verkehrsmitteln morgens früh die Arbeitsstätte nicht rechtzeitig erreichen könne. Die Arbeitsvermittlerin habe gemeint, es bestehe die Möglichkeit, aus dem Vermittlungsbudget etwas zu machen, und habe ihm das Antragsformular mitgegeben. In der Folge habe er dann gefühlte Ewigkeiten nichts von der Arbeitsvermittlerin gehört. Es habe sich im August 2011 die Möglichkeit ergeben, den Audi zu erwerben. Der Personenbeförderungsschein sei am 11. August 2011 ausgestellt worden. Unmittelbar danach habe er beim Beklagten vorgesprochen. Dort sei der Schein kopiert worden, aber über die begehrte Förderung sei nicht weiter gesprochen worden. Er habe für diese Arbeitsstelle die Anschaffung eines Kfz für unerlässlich gehalten. Über den Problemkreis habe er mehrmals ausführlich mit Arbeitsvermittlerin gesprochen. Denn er sei unsicher gewesen, ob er für die Personenbeförderung im Allgemeinen und konkret für diesen Arbeitgeber geeignet sei. Dazu hat der Beklagte erklärt, es habe keine Notwendigkeit der Förderung bestanden, weil der Kläger den Pkw bereits am 4. August 2011 erworben habe, ohne die Entscheidung über den Förderantrag abzuwarten. Er habe sich selbst geholfen und gezeigt, dass keine Förderung benötigte. Im Erörterungstermin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 22. Oktober 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 28. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2012 zu verpflichten, über seinen Antrag vom 26. Juli 2011 auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget unter Beachtung des Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 in Verbindung mit § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG erhoben worden und statthaft im Sinne von § 143 SGG. Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt. Mit der Bescheidungsklage erstrebt der Kläger wirtschaftlich letztendlich die Bewilligung einer Förderung aus dem Vermittlungsbudget für den Erwerb eines Pkw, für den er einen Kaufpreis von 1.500 EUR gezahlt hat. Im Zweifel begehrt er eine Förderung in Höhe des Gesamtkaufpreises.

Gegenständlich ist – nach dem zutreffenden Antrag des Klägers – allein die Verpflichtung des Beklagten zur (ermessensfehlerfreien) Neubescheidung des Antrags auf Eingliederungsleistungen. Dabei handelt es sich um einen von den laufenden Leistungen der Grundsicherung abtrennbaren Streitgegenstand, der gesondert geltend gemacht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010, Az.: B 4 AS 7/10 R, juris RN 18 zu Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Es handelt sich um eine Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, denn die Entscheidung über die beantragte Förderung war gemäß § 16 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 45 SGB III in der hier maßgeblichen, bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung in das pflichtgemäße Ermessen des Beklagten als zuständigen Leistungsträger gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, Az.: B 4 AS 77/08 R, juris RN 10).

Die Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 28. September 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 5. März 2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Denn der Beklagte hat zu Unrecht die tatbestandlichen Voraussetzungen für die begehrte Förderung verneint und daher die gebotene Ermessensentscheidung nicht getroffen. Weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Förderung vorliegen, war der angegriffene Bescheid aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung zu verurteilen (§ 131 Abs. 3 SGG).

Anspruchsgrundlage für die begehrte Förderung des Erwerbs eines Pkw ist § 16 Abs. 1 und 2 SGB II in Verbindung mit § 45 SGB III. Danach können Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Die Förderung umfasst gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 SGB III die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB III entscheidet die Agentur für Arbeit über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen. Dabei darf die Förderung aus dem Vermittlungsbudget die anderen Leistungen nach dem SGB III (§ 45 Abs. 3 Satz 3 SGB III) oder dem SGB II (§ 16 Abs. 2 Satz 2 SGB II) nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen.

Ein Anspruch auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget ist danach in zwei Stufen zu prüfen. Die erste Stufe betrifft den Anspruch dem Grunde nach und umfasst die persönlichen Voraussetzungen, d.h. die Zugehörigkeit zum Kreis der Anspruchsberechtigten, die Leistungsart, die sachlichen Voraussetzungen, d.h. den Förderzweck der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, die Notwendigkeit der Förderung und ggf. die Unterstützung der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele. In der zweiten Stufe geht es um den Umfang der zu erbringenden Leistungen. Insoweit sind die Angemessenheit der Kosten (§ 44 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz SGB III), die negativen Anspruchsvoraussetzungen, der Vorrang gleichartiger Leistungen des Arbeitgebers, der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts und das Aufstockungs- und Umgehungsverbot zu prüfen sowie das Ermessen des Leistungsträgers.

Zunächst gehört der Kläger als Arbeitsloser zum Kreis der Anspruchsberechtigten gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Zudem kommt die begehrte Zuschussleistung als mögliche Leistungsart in Betracht, denn § 45 SGB III enthält keinen gesetzlichen Leistungskatalog. Es können nach der Vorschrift "weitere Leistungen" erbracht werden, die nicht weiter beschrieben sind. An die Stelle des früher im SGB III geregelten abschließenden Katalogs der Leistungen zur Unterstützung der Vermittlung sowie der Mobilitätshilfen ist das Vermittlungsbudget getreten, das die Erbringung aller individuellen Eingliederungsleistungen regelt, die die Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung unterstützen sollen. Die damit einhergehende Flexibilität ist gesetzgeberisch gewollt und soll die Grundlage für eine bedarfsgerechte und unbürokratische Förderung der Leistungsberechtigten bieten (vgl. Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, Losebl. Stand 10/15, § 16 SGB II, RN 105). Die vorliegend in Betracht kommende Leistungsart, die Gewährung eines Zuschusses zum Erwerb eines Kfz, ist dem Grunde nach geeignet, Vermittlungshemmnisse des Klägers zu beseitigen, die sich daraus ergeben, dass er aufgrund seines ländlichen Wohnorts bei einer Beschäftigungsaufnahme den bestehenden beschränkten Möglichkeiten des öffentlichen Personennahverkehr unterworfen ist. Er ist daher nur eingeschränkt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar. Die Übernahme von Aufwendungen zur Beschaffung eines privaten Pkw ist geeignet, dieses Hemmnis zu beseitigen.

Förderungszweck der Leistungen aus dem Vermittlungsbudget ist die Unterstützung der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Aufgrund der Einstellungszusage zum 1. September 2011 geht es um die Förderung der Arbeitsaufnahme. Hier kann der Förderzweck mit der vom Kläger begehrten Kostenübernahme bzw. Zuschussleistung erreicht werden.

Darüber hinaus muss die begehrte Leistungsart auch notwendig sein. Die Notwendigkeit ist neben der Geeignetheit und der Angemessenheit ein Element der Verhältnismäßigkeit und bildet die zweite Stufe der Prüfung, die sich stellt, wenn die Eignung der Leistung zur Erreichung des Förderzwecks feststeht. Eine ungeeignete Förderleistung kann nicht notwendig sein. In dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung verfügte der Kläger nicht über einen Pkw. Zudem war die nur 7,1 km vom Wohnort entfernt liegende Arbeitsstelle zum morgendlichen Arbeitsbeginn, der zumeist zwischen 05:30 und 06:00 Uhr lag, nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Nach den vorgelegten Fahrplänen und den Ermittlungen der Berichterstatterin bestand die erste Verbindung im ÖPNV um 05:21 Uhr morgens am Wohnort des Klägers und erreichte den Bahnhof L. 06:05 Uhr.

Nach Auffassung des Senats kann der Kläger nicht dauerhaft auf die Benutzung eines Fahrrads zur Erreichung der Arbeitsstelle verwiesen werden. Dies mag möglicherweise eine vorübergehende Lösung – bis zur Beschaffung eines Pkw – während der Sommermonate darstellen, ist jedoch vorliegend angesichts des Antritts der Arbeitsstelle ab 1. September 2011, d.h. zu Beginn des Winterhalbjahres, nicht zumutbar. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger sog. geteilte Arbeitsschichten abzuleisten hatte, d.h. nach einem etwa zwei- bis dreistündigen Einsatz im morgendlichen Schülerbeförderungsverkehr gab es eine unbezahlte Pause von drei bis vier Stunden, bevor er mittags ab ca. 11:30 oder 13.30 Uhr wieder im nachmittäglichen Schülerverkehr eingesetzt war. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, dauerhaft viermal am Tag die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mit dem Rad zurückzulegen.

Es hat keine rechtliche Relevanz, dass sowohl der Wohnort des Klägers (P.) als auch sein Arbeitsplatz (L.) Ortsteile der politischen Gemeinde L., (https://de.wikipedia.org/wiki/L. W.; http://www.w ...de/ Pics/medien/1 1354092473/Uebersichtskarte Ortsteile.pdf) sind. § 45 SGB III stellt nicht wie frühere Fassungen der Vorschrift auf einen auswärtigen Arbeitsort und mithin eine Trennung von Arbeits- und Wohnort ab. Maßgeblich ist, wie sich der Arbeitsweg im Einzelfall gestaltet (vgl. Bieback, a.a.O., § 44 SGB III RN 112).

Des Weiteren ist im Rahmen der Notwendigkeit der Förderung der individuelle Förderbedarf des Berechtigten zu prüfen. Insoweit ist auch von Belang, ob der Betreffende in der Lage ist, den begehrten Pkw aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Üblicherweise werden eine Potentialanalyse sowie die persönliche und familiäre Situation des Antragstellers geprüft (vgl. Bieback in: Gagel, SGB II/ SGB III, Losebl. Stand: März 2013, § 44 SGB III RN 36). Eine vertiefte Prüfung der persönlichen und familiären Situation konnte vorliegend unterbleiben, da der Kläger und seine Familie im streitigen Zeitraum im vollen Umfang auf SGB II-Leistungen angewiesen waren. Auch die Ehefrau erzielte kein Erwerbseinkommen. Anhaltspunkte für ein Vorhandensein von einsetzbarem Vermögen bestehen nicht. Daher ist von einer mangelnden eigenen Leistungsfähigkeit des Klägers auszugehen. Davon ist ersichtlich auch der Beklagte ausgegangen, der im Verlauf der Anbahnung der konkreten Beschäftigung bereits für den Personenbeförderungsschein, die Kontaktlinsen, das Führungszeugnis und die ärztlichen Untersuchungen Leistungen aus dem Vermittlungsbudget erbracht hat.

Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt der Umstand, dass sich der Kläger im Verlauf des Monats August 2011 – rechtzeitig vor Arbeitsantritt am 1. September 2011 – ohne die begehrte Förderung anderweitig beholfen hat, indem er mittels privater Darlehen aus dem Familienkreis und eigenen Ersparnissen von 250 EUR einen aus seiner Sicht angemessenen und günstigen Pkw Audi zum Preis von 1.500 EUR erworben hat, die Notwendigkeit der Förderung nicht entfallen. Wäre dies der Fall, hätte es der Beklagte als Leistungsträger in der Hand, durch ein Hinauszögern der Bescheidung von Förderanträgen bestehende Leistungsansprüche auszusitzen und zu entwerten. Insoweit lässt eine Bedarfsdeckung nach Antragstellung durch Eigeninitiative oder durch Leistungen Dritter, die deshalb erfolgt, weil der Leistungsträger über den Leistungsantrag (noch) nicht oder zu Unrecht ablehnend entschieden hat, den Bedarf nicht entfallen. Vielmehr wandelt sich ein bestehender Förderanspruch ähnlich wie der Sachleistungsanspruch im Krankenversicherungsrecht (vgl. § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)) bei rechtzeitiger Antragstellung in einen Kostenerstattungsanspruch, wenn der Leistungsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringt oder sie zu Unrecht ablehnt und deshalb der Leistungsberechtigte sich die benötigte Leistung auf andere Weise beschafft und ihm dafür Kosten entstehen. Auch im Leistungsrecht nach dem SGB II gilt (in Fortführung eines bereits zu Zeiten des Bundessozialhilfegesetzes geltenden Grundsatzes), dass die Hilfe eines Dritten den Leistungsanspruch dann nicht ausschließt, wenn der Dritte vorläufig – gleichsam anstelle des Leistungsträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens – nur deshalb einspringt, weil der Leistungsträger nicht rechtzeitig leistet oder die Leistung abgelehnt hat (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011, Az.: B 14 AS 66/11 R juris, Urteil vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 202/10 R, juris; Urteil vom 20. Dezember 2011, Az.: B 4 AS 46/11 R, juris RN 17).

Der Kläger hat sich zum Erwerb des Pkw insgesamt 1.250 EUR bei seinen Eltern und Schwiegereltern geliehen, weil er aus eigenen Mitteln nur einen Anteil von 250 EUR aufbringen konnte. Diese Darlehen muss er zurückzahlen.

Zudem ist die Notwendigkeit der Förderung nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger die Beschäftigung auch unabhängig von der positiven Entscheidung des Beklagten über den Förderantrag aufgenommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, Az.: B 7/7a AL 26/07 R, juris), denn er hat durch seine vorhergehende Antragstellung (am 26. Juli 2011) bekundet, die Unterstützung des Beklagten bei der Arbeitsaufnahme zu benötigen. Soweit der Beklagte weiter einwendet, vor dem Rücklauf des ausgefüllten Förderantrags, der erst am 30. August 2011 erfolgt sei, habe er über den Förderantrag nicht entscheiden können, ist dies angesichts der vorliegend dargestellten Ausgangslage unbeachtlich. Nach Auffassung des Senats durfte der Kläger die Beschaffung eines Pkw vor dem Arbeitsantritt am 1. September 2011 im Verlauf des Monats August 2011 als dringlich und letztlich unaufschiebbar ansehen.

Daher sind vorliegend die sachlichen Voraussetzungen für die begehrte Förderung gegeben. Im nächsten Schritt steht die Ermessensentscheidung des Beklagten als Leistungsträger über das Ob und Wie der Förderung aus, die vorliegend nicht erfolgt ist, weil der Beklagte die Leistung zu Unrecht für nicht notwendig hielt. Im zweiten Schritt ist über den Umfang der zu erbringenden Leistung zu entscheiden. Insoweit geht es um die Angemessenheit der entstandenen Kosten (§ 45 Abs. 1 Satz 3 SGB III) und den Ausschluss der negativen Anspruchsvoraussetzung. Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber des Klägers zur Erbringung gleichartiger Leistungen (d.h. eines Zuschusses zum Erwerb eines Pkw) bereit war. Der Kläger hat im Antrag versichert, keine entsprechenden Leistungen vom Arbeitgeber erhalten zu können. Bei der begehrten Leistung handelt es sich nicht um eine solche zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Mit der begehrten Förderung ist auch kein Verstoß gegen das Aufstockungs- und Umgehungsverbot gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB III verbunden. Im Rahmen der Entscheidung über den Förderungsumfang (das "Wie" der Förderung) ist eine Ermessensentscheidung des Beklagten erforderlich.

Im Rahmen dieser weiteren zu treffenden Entscheidung wird der Beklagte zu berücksichtigen haben, dass eine positive Grundentscheidung über die Förderfähigkeit der Bemühungen des Klägers zur Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch einen Einsatz als Kraftfahrer im Personenbeförderungsverkehr bereits getroffen worden war, indem der Beklagte dem Kläger einen entsprechenden Vermittlungsvorschlag unterbreitete und auf die Einstellungszusage (nach der Bewerbung) den Erwerb der Voraussetzungen für eine Beschäftigung in der Personenbeförderung finanzierte.

Weiter ist zu beachten, dass der Beklagte dem Kläger in der mit ihm am 14. Juli 2011 abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung Unterstützung durch Eingliederungsleistungen u.a. auch nach Maßgabe nach § 45 SGB III iVm § 16 Abs. 1 SGB II in Aussicht gestellt hatte.

Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung mag der Beklagte auch berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen seiner "Selbsthilfe" im August 2011 in der Lage war, einen Teil des Kaufpreises (250 EUR) aus eigenen Mitteln aufzubringen. Zudem kann er auch berücksichtigen, dass die Anschaffung des Pkw nicht allein der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes dient, sondern die dadurch hergestellte Mobilität neben der Berufstätigkeit das tägliche Leben des Klägers und seiner Familie erleichtert und insoweit auch allgemeine Aufwendungen des täglichen Leben betroffen sind (vgl. Bieback, a.a.O., § 44 SGB III RN 123). Durch die Verfügbarkeit eines Pkw werden möglicherweise andere Aufwendungen erspart.

Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die vom Beklagten zu treffende Ermessenentscheidung den Anforderungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) entsprechen muss; der Leistungsträger hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der Beklagte darf seine Entscheidung nicht (ausschließlich) auf seine verwaltungsinterne Vorgabe stützen. Die im Berufungsverfahren vorgelegten Ermessenslenkenden Weisungen zum Vermittlungsbudget SGB II (in der Fassung der 4. Änderung, gültig ab 1. Juli 2011) haben nur verwaltungsinterne Wirkung und vermitteln keine Verbindlichkeit für die Auslegung von Normen nach außen, d.h. im Verhältnis zum Bürger. Die ermessenleitenden Vorgaben ersetzen nicht notwendige Ermessensausübung im Einzelfall (vgl. Urteil des Senats vom 24. Juni 2014, Az.: L 4 AS 47/11, juris RN 34ff.).

Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Förderanspruch vorliegen, ist durch den Beklagten eine Ermessensentscheidung über die beantragte Leistung zu treffen. Daher waren der Ablehnungsbescheid vom 28. September 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 5. März 2012 aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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