S 18 AS 3636/17 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 3636/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig Umzugskosten in Höhe von 2.927,40 EUR zugunsten des Antragstellers bei Fälligkeit zu übernehmen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. 2. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 2/3.

Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der für den geplanten Umzug des Antragstellers anfallenden Umzugskosten durch den Antragsgegner sowie der Mittel, um die für die neu angemieteten Wohnung des Antragstellers zu stellende Mietkaution zu bestreiten.

Der – derzeit durch seine Prozessbevollmächtigte aufgrund Bestellung des Amtsgericht Düsseldorf vom 3.5.2017 bis zum 2.11.2017 betreute – Antragsteller hat am 13.8.2017 beim Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beantragt und stand offenbar jedenfalls bis zum 30.9.2017 – und damit bei Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Gericht am 14.9.2017 – im Leistungsbezug beim Antragsgegner. Seine inzwischen verstorbene Ehefrau hatte während ihres Hospizaufenthaltes die gemeinsam bewohnte Wohnung gekündigt. Im Rahmen eines gegen den Antragsteller gerichteten Räumungsverfahrens hatte sich dieser gegenüber seinem vorherigen Vermieter im Wege des Vergleichs zur Räumung seiner aktuell noch bewohnten Wohnung zum 15.10.2017 verpflichtet. Er mietete eine neue Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Größe von ca. 49 m² in der G1straße 00 in E1 zum 1.10.2017 an, für die Unterkunftskosten von insgesamt 565 EUR anfallen (420 EUR Nettomiete zuzüglich 125 EUR Betriebskostenvorauszahlung einschließlich 55 EUR Heizkosten sowie 20 EUR Kabelgebühr/ Sprechanlage) sowie eine Kaution von 1.260 EUR vom Vermieter gefordert wird.

Am 13.8.2017 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner die Anmietung der neuen Wohnung mit und beantragte u.a. die Gewährung von Umzugskosten sowie von Mitteln in Höhe von 1.260 EUR für die Mietkaution. Der Antragsteller legte drei Angebote gewerblicher Umzugsunternehmen vor in der Preisspanne von 2.927,40 EUR bis 8.960,70 EUR. Mit Bescheid vom 31.8.2017 entschied der Antragsgegner, dass er hinsichtlich der Kaution lediglich die Gewährung eines Darlehens anbieten könne. Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid Widerspruch. Sein aktuelles Einkommen sei geringer als vom Antragsgegner veranschlagt und setzte sich zusammen aus 833,14 EUR Witwenrente sowie 130 EUR Wohngeldzuschuss. Er lebe damit von der Hand in den Mund und könne auch nicht die geforderten 10 % zur Tilgung eines Mietkautionsdarlehens aufbringen. Der Antragsgegner reagiere nicht. Zudem sei die Angemessenheit der neuen Wohnung keine zwingende Voraussetzung für die Übernahme der Umzugskosten, sondern nur für die Notwendigkeit des Umzugs. Diese könnten z.B. übernommen werden, wenn der Betroffene sich zuvor bereit erklärt habe, die überschießenden Unterkunftskosten selbst zu tragen. Dem Antragsteller drohe angesichts der bevorstehenden Räumung Obdachlosigkeit. Ihm sei es trotz über einjähriger Suche nicht gelungen eine Wohnung zu finden, die günstiger gewesen sei. Auf diversen Internet-Immobilienportalen habe es zu den von dem Antragsgegner gebilligten Kriterien keine Treffer gegeben; auch Anfragen bei verschiedenen Vermietungsgesellschaften und Vermietern hätten keine günstigeren Angebote ergeben. Außerdem sei ihm von Mitarbeitern des Antragsgegner gesagt worden, er könne auch eine Wohnung nehmen, die über der zugebilligten Miete liege, wenn er den Differenzbetrag selbst bezahle; daran müsse sich der Antragsgegner halten lassen. Aus den ärztlichen Attesten ergebe sich, dass der Antragsteller durch das Räumungsverfahren sehr mitgenommen sei und er aufgrund seiner Depression nicht in der Lage sei, den Umzug selbst durchzuführen oder zu organisieren. Vorliegend müsse die Obdachlosigkeit eines depressiven Menschen verhindert werden. Zudem fielen bei Obdachlosigkeit weitere Kosten an für Einlagerung der Möbel sowie später eines Umzugs an; auch drohten möglicherweise Schadenersatzforderungen des neuen Vermieters. Hinsichtlich der Mietkaution würde nach Rücksprache mit dem Vermieter auch eine Bürgschaft ausreichen. Schließlich könnten die beiden vom Antragsgegner vorgeschlagenen, erfahrungsgemäß günstigeren Umzugsunternehmen einen Umzug am 16.10.2017 nicht bewerkstelligen, sondern erst am 17.10.2017. Dann aber sei der Antragsteller im Räumungsverzug, was weitere Kosten nach sich ziehen könne. Die Antragsteller beantragt sinngemäß, dass der Antragsgegner verurteilt wird, die Umzugskosten für den Umzug von der G1straße 00, 00000 E1 in G2 E2 0, 00000 E1 gemäß eines bei dem Antragsgegner eingereichten Kostenvoranschlages der Firmen H Umzüge, I1 oder I2 zu genehmigen und die Kosten für den Umzug zu übernehmen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Er ist der Auffassung, dass bereits kein Anordnungsanspruch bestehe, da die vom Antragsteller angemietete Wohnung preislich nicht angemessen sei. Nach Rundverfügung der Stadt Düsseldorf sei für einen Ein-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich maximal 415 EUR preislich angemessen. Vorliegend betrage jedoch bereits die Grundmiete 420 EUR. Zwar sei der Umzug aufgrund des Räumungsvergleichs grundsätzlich erforderlich, jedoch könne die Zustimmung zur Anmietung der konkreten Wohnung nicht erteilt werden, weil diese preislich nicht angemessen sei. Aus diesem Grund könnten auch alle mit diesem Umzug zusammenhängenden Folgekosten nicht übernommen werden. Zwar sei der entsprechende Ablehnungsbescheid vom 15.9.2017 aus formellen Gründen aufgehoben worden, doch sei der Antrag auf Wohnbeschaffungskosten mit Bescheid vom 19.9.2017 – der der Kammer nicht vorlag – erneut abgelehnt worden. Soweit der Antragsteller vortrage, dass der über der Mietobergrenze liegende Anteil selbst finanziert werde, gebe der Antragsgegner zu bedenken, dass es sich insoweit um eine dauerhafte Bedarfsunterdeckung in Höhe von monatlich 130 EUR handeln würde. Dies könne der Antragsteller nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Der Vortrag des Antragstellers, es sei keine preislich unterhalb der Mietobergrenze des Antragsgegners liegende Wohnung zu finden, werde ausdrücklich bestritten. Vor dem Hintergrund, dass in dem vergangenen Jahr eine Vielzahl von Leistungsberechtigten nach dem SGB II innerhalb des Stadtgebiets Düsseldorf in preislich angemessenen Wohnraum umgezogen seien, möge der Antragsteller bzw. deren Betreuerin konkrete Wohnungssuchbemühungen glaubhaft machen Die Kammer verweist auf die durch den Antragsteller vorgelegten Atteste seiner behandelnden Ärzte, wonach er u.a. nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig nach einer neuen Wohnung zu suchen, und eine Zwangsräumung mit Sicherheit zu einer Exazerbation der Suizidalität führen werde; bzw. im Falle einer Obdachlosigkeit massive Folgen für seine psychische Gesundheit absehbar seien. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners.

Der Antrag ist im tenorierten Umfange zulässig und begründet.

1. Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (sog. Regelungsanordnung) ist nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile umschreibt den sogenannten Anordnungsgrund (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl das zu sichernde Recht, der sogenannte Anordnungsanspruch, als auch der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) oder nach Durchführung der von Amts wegen im Eilverfahren möglichen und gebotenen Ermittlungen glaubhaft erscheinen. Glaubhaftigkeit bedeutet, dass für das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich ist als die volle richterliche Überzeugung. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit insoweit genügt, ist bei unklaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten und der öffentlichen Interessen zu bestimmen: Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch besteht, und die auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch nicht besteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rdnr. 29a). Ist also dem Gericht im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so muss anhand der Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers einzubeziehen.

Sofern dabei auf Seiten des Anordnungsgrundes das Existenzminimum eines Menschen bedroht ist, genügt für die Glaubhaftigkeit des Anordnungsanspruchs ein ganz geringer Grad an Wahrscheinlichkeit, nämlich die nicht ganz auszuschließende Möglichkeit seines Bestehens (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 = NJW 2005, 2982 und Beschluss vom 06.02.2007 - 1 BvR 3101/06). 1. Der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung der Mittel für die Mietkaution ist unzulässig. Denn insoweit ist der Antragsteller nicht rechtsschutzbedürftig. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn das Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes auf andere Weise als durch Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe einfacher, schneller und billiger erreicht werden kann (LSG NRW, Beschl. v. 15.01.2009 – L 7 B 398/08 AS, juris; Sächs. LSG, Beschl. v. 31.01.2008 – L 3 B 465/07 ER; Breitkreuz/Fichte, SGG, § 86 b Rz. 17). Der Antragsgegner hatte bereits im Bescheid vom 31.8.2017 dem Antragsteller angeboten, ihm die Mittel für die Kaution zu gewähren. Die lediglich darlehensweise Gewährung entspricht § 22 Abs. 6 S. 3 SGB II. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass der Antragsgegner dazu inzwischen nicht mehr bereit wäre. Das Argument des Antragstellers, ihm fehlten die Mittel für die dann erfolgende 10 %-Tilgung, greift demgegenüber nicht durch; insbesondere erscheint es widersprüchlich, wenn der Antragsteller erklärt, die fehlende Unterdeckung der Unterkunftskosten von 130 EUR monatlich aus eigenen Mitteln bestreiten zu wollen, er den geringeren Tilgungsbetrag hinsichtlich eines Kautionsdarlehens aber nicht aufbringen könne.

2. Der Antragsteller hat im Übrigen einen Anordnungsanspruch glaubhaft im Sinne der vorstehenden Ausführungen gemacht. Der Antragsteller gehört nach summarischer Prüfung dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II), ist erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 SGB II und hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I). Damit hat er Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Sinne des § 19 SGB II in Form des Regelbedarfs nach § 20 SGB II und seines Bedarfs für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II. Nach summarischer Prüfung ist nicht ersichtlich, dass er seinen existenzsichernden Bedarf durch Einsatz eines seinen Freibetrag nach § 12 Abs. 2 SGB II übersteigenden Vermögens oder durch Einkommen decken könnte.

Nach § 22 Abs. 6 S. 1 und 2 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Notwendig ist ein Umzug, wenn er erforderlich ist und die Kosten für die neue Unterkunft angemessen sind (Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 213). Der Umzug des Antragstellers war notwendig, da er die Wohnung aufgrund des vor dem Amtsgericht im Rahmen des Räumungsverfahrens geschlossenen Vergleichs verpflichtet hatte, die Wohnung bis zum 16.10.2017 zu räumen; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Ob der Bedarf für Unterkunft und Heizung des Antragstellers angemessen ist und damit in voller Höhe durch den Antragsgegner zu übernehmen ist, kann im Rahmen der lediglich summarischen Prüfung im Eilverfahren indes nicht abschließend geklärt werden. Dazu wäre zu überprüfen, ob die Ermittlung der vom Antragsgegner für angemessen gehaltenen Unterkunftskosten von 420 EUR (ausschließlich Heizkosten) auf einem schlüssigen Konzept im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG beruhen (unerheblich ist entgegen der Auffassung des Antragstellers, dass dieser bereit ist, die Differenz zu tragen. Denn ist eine Wohnung unangemessen teuer, besteht auch kein Anspruch auf Gewährung der Umzugskosten; die von dem Antragsteller insoweit aufgeführte gegenläufige Entscheidung aus dem Jahre 2007 hält die Kammer für unzutreffend und ist soweit ersichtlich auch eine abweichende Einzelfallentscheidung geblieben). Denn Folge des Fehlens eines schlüssigen Konzepts wäre, dass auf die Werte in § 12 WoGG abzustellen wäre. Ist der Leistungsträger nicht in der Lage, ein schlüssiges Konzept zu präsentieren, sind nach der Rechtsprechung des BSG die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren. Es existiert jedoch auch dann eine absolute Obergrenze der Angemessenheit, die durch die einschlägigen Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) markiert wird. Zwar ist nach nach Auffassung der Kammer zutreffender Rechtsprechung des BSG "nicht von vornherein und pauschal auf die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz zurückzugreifen” (bzw. ab dem 01.01.2009 § 12 WoGG). Die im konkreten Fall als angemessen anzusehenden Kosten von Unterkunft und Heizung sind vielmehr, soweit möglich, anhand eines nach den örtlichen Verhältnissen zu bestimmenden Quadratmeterpreises zu ermitteln. Die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises erfolgt regelmäßig unter Zuhilfenahme des örtlichen Mietspiegels, wobei auf einen Wohnungsstandard im unteren Marktsegment abzustellen ist (vgl. bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2005, L 19 B 28/05 AS ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 24.04,2006, L 9 AS 39/06 ER und jetzt auch BSG, a.a.O.; vgl. weiter zur Bestimmung der angemessenen Bedarfs für Unterkunft und Heizung LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2005, L 19 B 21/05 AS ER; vgl. zur grundsätzlichen Problematik der Bildung eines arithmetischen Mittelwerts BSG v. 19.10.10 – B 14 AS 50/10 R). Für entsprechende weitergehende Ermittlungen ist im Rahmen der summarischen Prüfung des einstweiligen Verfahrens kein Raum. Somit wäre auf die Werte des § 12 WoGG abzustellen. Dabei wäre ein Sicherheitszuschlag zum jeweiligen Tabellenwert im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraumes erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch tatsächlich die angemessene Referenzmiete war (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R). Die Kammer hält aus diesen Gründen auch für die seit dem 1.1.2016 geltenden Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % generell für erforderlich (so auch LSG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2016 – L 19 AS 1457/16); denn die Erhöhung der einschlägigen Werte sollen lediglich die (größtenteils) gestiegenen Mieten wiederspiegeln und beinhalten gerade keinen zusätzlichen Sicherheitszuschlag. Danach bildeten im Falle des Antragstellers im für ihn günstigsten Fall die Unterkunftskosten einschließlich Nebenkosten von 574,20 EUR zuzüglich Heizkosten die Obergrenze (522 EUR bei einem zu berücksichtigenden Haushaltsmitglied in der Mietenstufe sechs zuzüglich eines zehnprozentigen Sicherheitszuschlages). Da die für die Wohnung verlangte Bruttokaltmiete einschließlich Nebenkosten zwar über dem Wert nach § 12 WoGG, aber unter diesem Wert zuzüglich des Sicherheitszuschlags von 10 % liegt, wäre die Anmietung der Wohnung (und damit auch die Übernahme angemessener Folgekosten im Sinne des § 22 Abs. 6 SGB II) zustimmungsfähig, sollte das Konzept des Antragsgegners unschlüssig sein.

Fraglich bleibt, ob die damit dem Grunde nach zu übernehmenden Umzugskosten auch angemessen sind. Diese sind – insbesondere im Bereiche des SGB II – ungewöhnlich hoch, zumal aufgrund der Wohnungsgröße von knapp 49 m² auch das Volumen des Umzugsgut überschaubar bleiben dürfte. Der Antragsteller hat zwar zwei weitere Umzugsangebote eingeholt, doch erscheinen diese mit veranschlagten Kosten zwischen 4.272,10 EUR und 8.960,70 EUR als untypisch und unangemessen hoch; üblich sind für gewerbliche durchgeführte Umzüge im Bereich des SGB II eher Beträge zwischen 600 EUR und (selten) 2.000 EUR. Der Antragsteller hat sich augenscheinlich auch zu spät um günstigere Alternativen bemüht, obwohl der Antragsgegner ihn bzw. seine Betreuerin im Vorfeld des Gerichtsverfahrens telefonisch bereits auf die zwei erfahrungsgemäß günstigeren Umzugsunternehmen "T" und "Q-Umzüge" hingewiesen hatte nach telefonischer Mitteilung des Antragsgegners im Gespräch mit dem Kammervorsitzenden am 9.10.2017. Bei rechtzeitiger Kontaktierung wäre ein Umzug am 16.10.2017 vermutlich noch möglich gewesen. Zwar war der Antragsteller ausweislich der ärztlichen Atteste zur Organisation eines Umzugs nur eingeschränkt in der Lage; jedoch ist ihm das möglicherweise verspätete Handeln seiner Betreuerin insoweit zuzurechnen. Zu berücksichtigen und ausschlaggebend ist insoweit aber eine Folgenabwägung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 sowie BVerfG, Beschluss vom 1.8.2017 – 1 Bevollmächtigter 1910/12; LSG NRW, Beschluss vom 18. April 2013 – L 6 AS 170/13 B ER), die zugunsten der Antragstellers ausfällt. Denn für den Antragsteller besteht angesichts des unmittelbar bevorstehenden Räumungstermins keine Möglichkeit mehr, die Umzugskosten zu senken; die Alternative besteht alleine in der Nichtdurchführung des Umzugs und der zwangsweisen Räumung. Ohne die beantragten Leistungen drohen dem Antragsteller damit aber existentielle Nachteile, die er aus eigener Kraft nicht abwenden könnte. Die Kammer verweist insoweit insbesondere auf die durch den Antragsteller vorgelegten Atteste seiner behandelnden Ärzte, wonach eine Zwangsräumung mit Sicherheit zu einer Exazerbation der Suizidalität führen werde; bzw. im Falle einer Obdachlosigkeit massive Folgen für seine psychische Gesundheit absehbar seien. Demgegenüber hat der Antragsgegner nur finanzielle Nachteile zu gewärtigen, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren nicht durchdringen sollten. Aus diesen Gründen besteht auch ein Anordnungsgrund im eingangs dargestellten Sinne; der Antragsteller hat schließlich glaubhaft gemacht, nicht selbst über die zur Durchführung des Umzugs erforderlichen Mittel zu verfügen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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