L 3 AL 193/18 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 36 AL 172/18 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 193/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Oktober 2018 wird zurückgewiesen. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Oktober 2018 wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten auch im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für den Antragsteller.

Der am 1989 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsbürger. Er ist alleinstehend und reiste im März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom Februar 2017 abgelehnt. Hiergegen erhob er Klage zum Verwaltungsgericht Schleswig, über die noch nicht entschieden ist (Az. 5 B 19/17). Der Antragsteller hat den Aufenthaltsstatus einer Aufenthaltsgestattung, § 55 Abs. 1 Asylgesetz. Der Antragsteller hat in Afghanistan keine Ausbildung absolviert. Zum 1. Oktober 2017 nahm er eine Arbeitsstelle als Hilfskraft in der Fleischerei S auf. Dort verdiente er ca. 1.100 EUR netto pro Monat. Mit Wirkung zum 1. September 2018 schloss der Antragsteller mit seinem Arbeitgeber einen Berufsausbildungsvertrag für den Ausbildungsberuf Fleischer. Das Ausbildungsentgelt beträgt im ersten Lehrjahr 550 EUR brutto, im zweiten Lehrjahr 650 EUR, im dritten Lehrjahr 750 EUR. Für seine Wohnung zahlt der Kläger eine monatliche Warmmiete von 406 EUR. Aus Anlass der Aufnahme der Ausbildung beantragte er bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. Mit Bescheid vom 30. August 2018 lehnte die Antragsgegnerin diesen ab, da der Antragsteller nicht zum förderungsfähigen Personenkreis gehöre.

Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 3. September 2018 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, der Antrag sei zu Unrecht abgelehnt worden, da seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 6. August 2016 Asylsuchende, wie er, mit einer Aufenthaltsgestattung, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten sei, nach 15 Monaten Aufenthalt Berufsausbildungsbeihilfe erhielten, § 132 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Diese Voraussetzungen seien bei ihm erfüllt. Es sei insbesondere auch ein rechtmäßiger dauerhafter Aufenthalt zu erwarten. Er absolviere eine Berufsausbildung. Selbst bei Ablehnung seines Asylantrags habe er einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz. Diese könne bei erfolgreichem Abschluss zu einer Aufenthaltserlaubnis führen, von einem erfolgreichen Abschluss könne ausgegangen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2018 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz liege bislang nicht vor. Eine gute Bleibeperspektive bestehe nicht, so dass der Antragsteller nicht zum förderungsfähigen Personenkreis nach § 59 SGB III gehöre. Dass sein Aufenthalt seit mindestens 15 Monaten gestattet sei, nütze ihm nichts. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bestehe eine gute Bleibeperspektive für Menschen aus Herkunftsstaaten mit einer Schutzquote von über 50%. Afghanistan gehöre nicht dazu. Eine Sonderregelung habe nur für das zweite Halbjahr 2017 gegolten. Da sie mit dem 1. Januar 2018 ausgelaufen sei, fehle es an einer guten Bleibeperspektive.

Hiergegen hat der Antragsteller am 27. September 2018 Klage zum Sozialgericht Lübeck erhoben und mit Schreiben vom selben Tag den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, eine Entscheidung darüber, ob ein gesicherter Aufenthalt zu erwarten sei, allein aufgrund des Herkunftslandes zu treffen. Dies sei nicht allein aufgrund der Feststellungen des BAMF zur Bleibeperspektive zu entscheiden, sondern im Einzelfall zu klären. Die Folgenabwägung im Eilrechtsschutz müsse zu seinen Gunsten ausfallen. Die Nachteile bei Ablehnung der Beihilfe im Fall der Begründetheit der Klage wögen schwerer, als umgekehrt, die Nachteile bei Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes im Falle der Unbegründetheit der Hauptsache. Es handele sich um eine förderungsfähige Ausbildung, über die der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden sei. Glaubhaft sei dargelegt, dass es sich bei der jetzigen Berufsausbildung zum Fleischer um eine Erstausbildung handelte. Er sei auch zum förderungsfähigen Personenkreis zu zählen. Eine gute Bleibeperspektive sei daraus zu entnehmen, dass er eine qualifizierte Berufsausbildung erfolgreich durchlaufen werde. Nach § 60a Abs. 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz sei eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnehme oder aufgenommen habe, die Voraussetzungen nach Abs. 6 nicht vorlägen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstünden. Dies sei bei ihm der Fall. Nach § 18 Absatz 1a Aufenthaltsgesetz sei, wenn eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei, nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung für eine der erworbenen beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von zwei Jahren zu erteilen, wenn die Voraussetzungen von § 18 Abs. 1 Nummer 2-7 vorlägen und die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 Aufenthaltsgesetz zugestimmt habe. Die Möglichkeit der nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung zu erlangenden Aufenthaltserlaubnis begründe eine gute Bleibeperspektive. Die halbjährige Festlegung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dürfe dagegen nicht allein zur Entscheidung herangezogen werden, ob eine gute Bleibeperspektive bestehe. Angesichts der noch nicht abschließend geklärten Rechtslage sei sein Anspruch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach summarischer Prüfung nicht offensichtlich auszuschließen. Ein Anordnungsgrund liege vor. Das Ausbildungsgehalt sei nicht existenzsichernd, er sei daher dringend auf die Ausbildungsbeihilfe an gewiesen. Ihm drohten schwere nicht anders abwendbare und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Beeinträchtigungen. Die Berufsausbildungsbeihilfe diene der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens. Bei der Abwägung stehe unter Zugrundelegung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bei entsprechender Schwere der drohenden Beeinträchtigung auch eine geringe Wahrscheinlichkeit des Hauptsacheerfolgs einem Erfolg des Eilantrags nicht entgegen.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass der Antragsteller nicht geduldet im Sinne des § 60a Aufenthaltsgesetz sei, so dass § 59 Abs. 2 SGB III nicht zu beachten sei. Die Entscheidung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, die gute Bleibeperspektive für Asylbewerber und Asylbewerberinnen auch aus Afghanistan zu öffnen, sei ausdrücklich für das zweite Halbjahr 2017 bis zum 31. Dezember 2017 befristet gewesen. Hieran sehe sich die Antragsgegnerin gebunden. Afghanistan gehöre nach ihrer bundeseinheitliche Auffassung nicht zu den Herkunftsstaaten mit guter Bleibeperspektive, so dass der Antragsteller nicht zum förderungsfähigen Personenkreis gehöre. Sie hat weiter auf den Beschluss des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juli 2018, L2 AL7/18 B ER verwiesen. Ein Anordnungsgrund bestehe ebenfalls nicht. Der Antragsteller müsse alle zumutbaren Möglichkeiten der Selbsthilfe erfolglos ausgeschöpft haben. Insbesondere im Streit um die einstweilige Zuerkennung der Berufsausbildungsbeihilfe sei dies die Verweisung auf die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vor Feststellung der Voraussetzung des Anspruchs auf Berufsausbildungsbeihilfe.

Mit Beschluss vom 9. Oktober 2018 hat das Sozialgericht Lübeck den Antragsgegner verpflichtet, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsteller vorläufig für seine Ausbildung zum Fleischer Berufsausbildungsbeihilfe ab dem 27. September 2018 längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, ein Anordnungsanspruch sei glaubhaft gemacht. Der Antragsteller sei zu dem in § 132 SGB III genannten Personenkreis zu zählen. Die erforderliche Bleibeperspektive sei auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn abstrakt für das fragliche Herkunftsland eine Schutzquote von mehr als 50% bestehe, was für Afghanistan, das Herkunftsland des Antragstellers, nicht der Fall sei. Die rein abstrakte Betrachtung sei jedoch nicht nach dem Wortlaut der Vorschrift zur generellen Maxime aufzuwerten. Sprachlich knüpfe die Erwartung des rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts in § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht an das Herkunftsland, sondern an die Person des die Leistung nachsuchenden Ausländers an. Dies mache zwar generell Betrachtungen, wie die vorstehende der Gesamtschutzquote, nicht von vornherein wertlos, erübrige aber eine individuelle Betrachtung dadurch gleichwohl nicht. Zu berücksichtigen sei auch, ob der Leistung nachsuchende Ausländer die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfülle, auch wenn dieser noch nicht erteilt worden sei. Wenn zwingendes Recht die Zuerkennung eines aufenthaltsrechtlichen Status vorsehe, der die Zugehörigkeit zum förderungsfähigen Personenkreis nach § 59 Abs. 2 SGB III zur Folge habe, lege dies regelmäßig die Annahme einer guten Bleibeperspektive nahe. Diese sei daraus abzuleiten, dass der Antragsteller eine qualifizierte Berufsausbildung absolviere und damit auch bei einer rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrags einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung habe. Nach § 60a Abs. 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz sei eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne des Satzes 3 dann zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnehme oder aufgenommen habe, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorlägen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstünden. Diese Voraussetzungen erfülle der Antragsteller seit der Aufnahme der Ausbildung, da die Voraussetzungen nach Abs. 6 nicht vorlägen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht ersichtlich seien. Ihm sei daher die Duldung zu erteilen, wonach er nach § 59 Abs. 2 SGB III zum förderungsfähigen Personenkreis gehöre.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 17. Oktober 2018 Beschwerde zum schleswig-holsteinischen Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung führt sie aus, es stelle sich die Rechtsfrage, ob die Bundesagentur für Arbeit und die Sozialgerichte in einem Verfahren der Beantragung von Berufsausbildungsbeihilfe eigenständig Feststellungen zu treffen hätten, ob der dauerhafte Aufenthalt eines Asylbewerbers zu erwarten sei und ob sich eine gute Bleibeperspektive daraus ergebe, wenn der Antragsteller bei rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz beantragen könne. Die inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit der Asylentscheidung sei in einem Verfahren der Beantragung von Berufsausbildungsbeihilfe weder Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit noch der Sozialgerichte. Der Antragsteller habe auch die Fehlerhaftigkeit des Asylbescheids nicht aufgezeigt. Ein Erfolg des Asylantrags erscheine hiernach im gegenwärtigen Zeitpunkt als sehr unwahrscheinlich. Ein rechtmäßiger dauerhafter Aufenthalt als Flüchtling oder subsidiär geschützter sei nicht zu erwarten. Eine gute Bleibeperspektive ergebe sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller bei rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags eine Ausbildungsduldung nach § 60 Abs. 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz beantragen könne, womit das Sozialgericht seine Entscheidung tragend begründet habe. Zutreffend sei die Argumentation des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern, wonach eine Duldung keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 132 Abs. 1 Nummer 2 SGB III darstelle. Es handele sich lediglich um eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, wobei der Aufenthalt an sich unrechtmäßig bleibe und die Pflicht zur unverzüglichen Ausreise fortbestehe. Zudem sei die Anspruchsberechtigung auf Ausbildungsbeihilfe bei Duldung gesondert in § 59 Abs. 2 SGB III geregelt. Würde die Aussicht auf eine Ausbildungsduldung und gegebenenfalls eine anschließende Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 1a Aufenthaltsgesetz tatsächlich eine gute Bleibeperspektive in Sinne von § 132 Abs. 1 Nummer 2 SGB III vermitteln, wäre diese dort geregelte Voraussetzung schlicht überflüssig, da jeder Ausländer diese mit der Aufnahme einer Ausbildung automatisch erfüllen würde.

Die Antragsgegnerin beantragt den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Oktober 2018 aufzuheben und den Antrag abzulehnen, hilfsweise die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aus den Beschluss vom 9. Oktober 2018 auszusetzen.

Der Antragsteller beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Wahrscheinlichkeit, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu obsiegen, sei nur ein Aspekt der Prüfung. Es möge zutreffen, dass für den Antragsteller keine positive Prognose zu stellen sei. Zutreffen möge auch, dass nicht jeder nach § 60a Aufenthaltsgesetz in Ausbildung befindliche Ausländer im Ergebnis zum berechtigten Personenkreis gehören werde. Hierauf komme es nicht an. Entscheidend sei, ob einem Asylsuchenden ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die Dauer des Hauptsacheverfahrens allein deshalb vorenthalten bleiben müsse, wenn ihm auf der Grundlage der Anerkennungsquote seines Herkunftslandes keine gute Bleibeperspektive prognostiziert werden könne. Zum einen scheitere die Annahme einer guten Bleibeperspektive an gerade einmal zwei Prozentpunkten, zum anderen begründe § 18 Abs. 1a Aufenthaltsgesetz eine gute, jedenfalls aber eine für den Eilrechtschutz hinreichende Bleibeperspektive. Nach § 132 Absatz 1 Satz 2 SGB III werde nur bei Asylbewerbern, die aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a Asylgesetz stammten, vermutet, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten sei. Eine entsprechende gesetzliche Vermutung für Asylbewerber aus anderen Staaten gebe es nicht. Dass keine hinreichend abgesicherte negative Prognose gestellt werden könne, rechtfertige die Gewährung der Leistung im einstweiligen Rechtsschutz. Nur so sei sicherzustellen, dass der Antragsteller die Ausbildung überhaupt fortsetzen könne. Bei anderer Auffassung bliebe de facto nur Asylbewerbern die Möglichkeit einer Ausbildung, die aus den Ländern Syrien, Somalia, Eritrea, Irak oder Iran stammten, diese Verengung des Personenkreis habe der Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass auch Geduldete eine gute Bleibeperspektive haben könnten. Dies könne sich von Rechts wegen nicht aus einem Asylantrag ergeben, weil die betroffenen Personen bei gestelltem Asylantrag keine Duldung, § 60a Aufenthaltsgesetz, sondern eine Aufenthaltsgestattung, § 55 Asylgesetz hätten. Daher seien auch bei Personen mit Aufenthaltsgestattung andere Gründe, die sich aus dem allgemeinen Aufenthaltsrecht ergäben, zu berücksichtigen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Sie ist statthaft, weil die Berufung nicht der Zulassung bedürfte (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Die Beschwerde ist unbegründet. Dem Antragsteller steht im Rahmen einer Folgenabwägung vorläufig die Förderung durch Berufsausbildungsbeihilfe zu. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Ihr Erlass setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) und auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (i.S.v. überwiegend wahrscheinlich; vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander. Es besteht eine Wechselbeziehung. Mit zunehmender Eilbedürftigkeit oder mit schwereren oder unzumutbarer drohenden Nachteilen sind die Anforderungen an den Anordnungsanspruch zu verringern und umgekehrt. Insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht ist, - wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist - anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, in die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind (vgl. zu alledem BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).

Der Antragsteller kann aus einer Folgenabwägung in summarischer Prüfung die Berufsausbildungsbeihilfe aus § 132 Abs. 1 SGB III verlangen. Aus der systematischen und teleologischen Auslegung des § 132 Abs. 1 SGB III, § 132 Abs. 2 SGB III und § 59 Abs. 3 SGB III, § 60a Aufenthaltsgesetz sowie der Gesetzgebungsmaterialen zu § 44 Aufenthaltsgesetz ist ein Anspruch des Antragsstellers auf Berufsausbildungsbeihilfe nicht offensichtlich ausgeschlossen.

Er kann sich zur Begründung der begehrten Berufsausbildungsbeihilfe zwar nicht auf § 59 Abs. 2 SGB III stützen. Er ist als Inhaber einer Aufenthaltsgestattung nicht vom personellen Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst. § 59 Abs. 2 SGB III ist danach auf geduldete Ausländer im Sinne des § 60a Aufenthaltsgesetzes beschränkt. Die Förderungsvoraussetzungen des § 59 Abs. 3 SGB III erfüllt der Antragsteller ebenfalls nicht. Er hat sich weder vor Beginn der Berufsausbildung 5 Jahre im Inland aufgehalten und ist rechtmäßig erwerbstätig gewesen (§ 59 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB III), noch hat sich einer seiner Elternteile während der letzten sechs Jahre vor Beginn der Berufsausbildung insgesamt drei Jahre im Inland aufgehalten.

Aus der systematischen und teleologischen Auslegung des § 132 Abs. 1 und 2 SGB III in Verbindung mit § 59 Abs. 2 SGB III ist entnehmbar, dass auch für Gestattete mit 15 monatiger Aufenthaltsdauer, dem Absolvieren einer anerkannten Berufsausbildung und beim Fehlen von eine Duldung ausschließenden Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Förderung durch Berufungsausbildungsbeihilfe zusteht.

Nach § 132 Abs. 1 SGB III gehören Ausländer, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, zum förderungsfähigen Personenkreis, wenn ihr Aufenthalt seit mindestens 15 Monaten gestattet ist.

§ 132 SGB III soll die Eingliederung von Ausländern in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft durch eine frühzeitige Unterstützung der Berufsausbildung fördern. Der Zugang zu Leistungen ist in Abhängigkeit von Aufenthaltsstatus an unterschiedliche Voraufenthaltszeiten geknüpft. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III, einer privilegierenden und befristeten Sondervorschrift, § 132 Abs. 4 SGB III, liegen aber vor. Ein dauerhafter und rechtmäßiger Aufenthalt kann auch beim Absolvieren einer qualifizierten Berufsausbildung bei Gestatteten erwartbar sein, wenn sie nicht aus einem Herkunftsland mit hoher Schutzquote kommen.

Dem Antragssteller ist seit 15 Monaten der Aufenthalt gestattet. Mit der Aufnahme der Berufsausbildung ist er von dem Anspruch auf Analogleistungen, § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz, nach § 22 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen.

Eine gesetzliche Definition, wann ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, ist im SGB III nicht normiert. Es handelt sich um einen unbestimmten und gerichtlich voll überprüfbaren Rechtsbegriff (vgl. Bienert, info also 2018, 104; Lehner: Gehen oder Bleiben, Der Gesetzgeber kann sich nicht entscheiden, www.verfassungsblog.de/gehen-oder-bleiben-der-gesetzgeber-kann-sich-nicht-entscheiden/), dessen Auslegung sich an allgemeinen Kriterien zu orientieren hat.

Der Wortlaut "dauerhaft" gibt keinen Hinweis, welche Zeitspanne erfasst sein soll. Ob mit rechtmäßig allein - der aufgrund materiellen Aufenthaltsstatus Bleibende, - der aufgrund unanfechtbarer Feststellung des Aufenthaltsstatus Bleibende - oder auch der den in Folge einer Aussetzung der Abschiebung Bleibende gemeint ist, ergibt sich nicht. Zwar sind Letztere ausreisepflichtig. Auch die Aussetzung der Abschiebung hat aber die Wirkung, dass der ausreisepflichtige Ausländer nicht abgeschoben werden darf (Kluth/Breidenbach, BeckOK Ausländerrecht, § 60a Rn. 6). Im Fraktionsentwurf des Gesetzes, BT-Drs. 18/8615, S. 31, wird auf das Ziel abgestellt, Gestatteten im Asylverfahren mit guter Perspektive als Asylberechtigte anerkannt zu werden und damit in Deutschland bleiben zu können, den Zugang zu den in Absatz 1 genannten Maßnahmen eröffnen zu wollen. Auch dort ist nicht bestimmt, anhand welcher Kriterien diese gute Perspektive zu bestimmen ist.

In systematischer Betrachtung findet sich dieselbe Formulierung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts in § 44 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes. Dieser regelt die Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs für Ausländer mit Aufenthaltsgestattung. Nach der Gesetzesbegründung dieser Vorschrift, BT-Drs. 18/6185, S. 48, sollen Asylbewerber erfasst sein, - die aus einem Land mit hoher Anerkennungsquote kommen oder - bei denen eine belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag besteht. Der Gesetzgeber selbst führt nicht aus, ab welchem Wert eine Anerkennungsquote eine hohe Quote sein soll und was, als Alternativvariante, die belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag begründen soll. Auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jelpke und weiterer Abgeordneter (BT-Drs. 18/13329, S. 18) führte die Bundesregierung aus:

"Ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt ist einzelfallunabhängig zu erwarten, wenn der oder die Asylsuchende aus einem Herkunftsland stammt, bei dem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass eine Schutzberechtigung erteilt wird. Bei dieser lediglich abstrakten Prognoseentscheidung ist maßgeblich, dass die Gesamtschutzquote über 50 Prozent liegt und ihr eine hinreichende Aussagekraft zukommt, was eine relevante Anzahl von Antragsstellern voraussetzt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 28 verwiesen."

Diese Antwort verbindet die in der Gesetzesbegründung genannten Alternativen zu einer insgesamt abstrakten Prognoseentscheidung, für die maßgeblich sein soll, dass die Gesamtschutzquote über 50 Prozent liegt. Auf dieser Grundlage sowie der Entwurfsbegründung zu § 44 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz wird vertreten, dass ausschließlich eine abstrakte Prognose und einzelfallunabhängige Entscheidung anhand einer Gesamtschutzquote über 50% zu treffen sei (vgl. VGH München, Beschluss vom 21.2.2017, 19 CE 16.2204, vgl. die Einschätzung der Bundesregierung zu der o.g. Anfrage, LSG NW, Beschluss vom 19.4.2018, L 9 AL 227/17). Diese sei nur bis zu einer Entscheidung des Bundesamtes heranzuziehen, denn dann liege eine Einzelfallwürdigung vor, die bei der Anwendung des § 44 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz grundsätzlich nicht zu prüfen sei (VGH München aaO, dem folgend, LSG NW aaO; Buser, in Eicher/Schlegel, SGB III, Loseblatt, Stand 161. Ergänzungslieferung Mai 2018, § 132, Rn. 30).

Zweifel an dieser Operationalisierung sind daraus zu begründen, dass damit die genannten Alternativen aus der Gesetzesbegründung nicht ausschöpft sind. Wenn ein Land mit hoher Anerkennungsquote ein solches mit einer Gesamtschutzquote mit über 50 Prozent ist und für dies die alternativ genannte "belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag" gleichfalls maßgeblich sein soll, tritt kein Unterschied in den in der Begründung genannten Alternativen für einen rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalt (Land mit hoher Anerkennungsquote oder belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag) ein. Mit der Wahl des Wortes "oder" ist jedoch eine alternative, nicht eine kumulative Anbindung aufgenommen. Dies spricht nicht dafür, dass die abstrahierende Auslegung mit einer Gesamtschutzquote dem Regelungsgehalt der Vorschrift entspricht. Dagegen sprechen weiter Gründe der Rechtssicherheit, insbesondere wenn sich die maßgebliche abstrahierende Einordnung allein nach zufälligen Kriterien des Verwaltungsalltags – hier der stark schwankenden Anerkennungspraxis (dazu: Bienert, info also 2018, 104(108); kritisch auch: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21.2.2017 – 19 CE 16.2204 –, [juris] Rn. 29f. 34) bestimmt. Gegen eine abstrahierende normimmanente Gesamtschutzquote von 50% spricht bei selber Rechtslage die ab 1.7.2017 bis 31.12.2017 erfolgte Zuerkennung einer dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthaltsperspektive durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für Asylsuchende aus Afghanistan trotz Unterschreitens der Gesamtschutzquote. Diese lag im Jahr 2017 bei 44,7%; im Jahr 2018 bis Oktober lag die Gesamtschutzquote für Erstentscheidungen zu Asylanträgen von Personen aus Afghanistan bei 38,9%. Der Unterschied in der Abweichung von 50% zu 44,7 % ist nicht wesentlich größer als der von 44,7% zu 38,9 %. In der abstrahierenden Betrachtung der Gesamtschutzquote sind absolut mehr Asylbewerber nicht anerkannt worden als erfolgreich waren.

Sähe die Norm eine abstrakte Grenze von 50% vor, wäre diese Gesetzesauslegung durch das BMAS aus dem 2. Halbjahr 2017, einen dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthalt trotz Unterschreitens der Quote anzunehmen, in den Aussagegehalt eines kalkulierten Rechtsbruchs oder in eine Rechtsänderung ohne Normänderung gerückt. Dies ginge zu weit. Das alleinige Abstellen auf eine bestimmte Gesamtschutzquote gründet die Rechtsanwendung auf eine nicht rechtsverbindliche administrative Gesetzesauslegung. Sie weist neben den Schutzquotenschwankungen den Schwachpunkt auf, dass es der Exekutive ermöglicht ist, die Normanwendung so zu steuern, dass diametral unterschiedliche Ergebnisse resultieren, ohne den Wortlaut der Norm selbst zu ändern und damit ohne dass dies durch eine Entscheidung des Gesetzgebers mit getragen ist (kritisch wegen der Unsicherheit der Zielabwägung auch: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. Februar 2017 – 19 CE 16.2204 –, [juris] Rn. 30). Dies ist bei einer Vorschrift, die einen Teilhabeanspruch normiert, aufgrund des Wesentlichkeitsgebots bedenklich. Die abstrahierende Auslegung führt lediglich zu einer Grobsteuerung der Förderungs- und Integrationsmöglichkeiten. Jedenfalls wenn - wie hier - keine grobe Lücke von Asylsuchenden und Asylanerkennungen besteht, würden etwa 40% der berechtigt Schutzsuchenden per se aus der Förderfähigkeit ausgenommen, obwohl ihr Schutzgesuch der Sache nach Erfolg hat und damit tatsächlich eine gute Bleibeperspektive besteht. Diese Auslegung erscheint dem Senat in Bezug auf die in den Gesetzesmaterialien erkennbare Förderungsintention (vgl. Entwurf eines Integrationsgesetzes, BT-Drs. 18/8829, S. 1) und dem Fehlen einer dahingehenden gesetzlich bestimmten (abstrakten) Grenze bedenklich. Zwar steht außer Zweifel, dass der Gesetzgeber selbst eine ausdrückliche derartige Regelung treffen kann. Daran fehlt es aber derzeit, jedenfalls angesichts der alternativen Beschreibung in der Gesetzesbegründung zu demselben Rechtsbegriff.

Bei der Auslegung des § 132 Abs. 1 SGB III ist im Sinne einer Sicherung des Normzwecks nicht allein abstrahierend mit Blick auf die Gesamtschutzquote vorzugehen. Auch vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbots ist eine differenzierende Handhabung gefordert (Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/ Coseriu, Sozialgesetzbuch III, 6. Auflage 2016, § 132 Rn. 10; vgl. kritisch auch: Lehner: Gehen oder Bleiben, Der Gesetzgeber kann sich nicht entscheiden, www.verfassungsblog.de/gehen-oder-bleiben-der-gesetzgeber-kann-sich-nicht-entscheiden/ ).

Eine gute Bleibeperspektive besteht, wenn ex ante eine überwiegend wahrscheinliche Aussicht darauf besteht, dass die jeweilige Person den Status als Flüchtling (§§ 3 ff. Asylgesetz) oder einen subsidiären Schutz iSd. § 4 Asylverfahrensgesetz erlangen wird (Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, Sozialgesetzbuch III, 6. Auflage 2016, § 132 Rn. 8). Die Prognose eines erfolgreichen Asylantrags im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB III ist nicht ausschließlich auf die Anerkennung einer Asylberechtigung im Sinne des Art. 16a GG zu beziehen. Ein positiver Bescheid ergeht nach Verständnis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auch bei der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Asylgesetz, der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 und der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. V und VII Aufenthaltsgesetz (http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/Entscheidung/entscheidung-node.html). Allen vier Konstellationen ist gemeinsam, dass von einem längerfristigen Aufenthalt in Deutschland für den jeweiligen Adressaten auszugehen ist. Die Alternative in der Gesetzesbegründung für die Annahme eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts aus § 44 Abs. 4 S. 2 Aufenthaltsgesetz, neben der Gesamtschutzquote auf eine belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag anzuknüpfen, bietet daneben Raum, neben der schematischen abstrahierenden Entscheidung die Einzelfallumstände für den dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthalt einzustellen (dahingehend auch: SG Leipzig, Beschluss vom 06. Dezember 2018 – S 1 AL 232/18 [juris] Rn,50; erwägend, aber im Einzelfall ablehnend: LSG NW, Beschluss vom 19.4.2018, L 9 AL 2018 Rn. 14, [juris]).

In systematischer und teleologischer Auslegung ist § 132 Abs. 2 SGB III im Hinblick auf § 59 Abs. 2 SGB III einschränkend auszulegen (dahingehend wegen der Änderung im § 59 Abs. 2 SGB III für einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für Geduldete nach Voraufenthaltsdauer auch: Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 04/17, § 132 SGB III Rn. 10). Aus dem einschränkend ausgelegten § 132 Abs. 2 SGB III ergibt sich für die Auslegung der Begriffe rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt im § 132 Abs. 1 SGB III, dass auch Gestattete mit den entsprechenden Voraussetzungen für eine Duldung eine Förderung durch Berufsausbildungsbeihilfe beanspruchen können.

In der Behandlung der Ausländer nach § 132 Abs. 1 SGB III und § 132 Abs. 2 SGB III ergibt sich im Vergleich zu § 59 SGB III ein Wertungswiderspruch. Geduldete Ausländer (§ 60a Aufenthaltsgesetz) mit ständigem Wohnsitz im Inland werden während einer betrieblich durchgeführten Berufsausbildung gefördert, wenn sie sich seit mindestens 15 Monaten ununterbrochen rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten, § 59 Abs. 2 SGB III. § 132 Abs. 2 SGB III trifft demgegenüber für denselben Personenkreis strengere Fördervoraussetzungen. § 132 Abs. 2 SGB III schließt geduldete Ausländer zum förderungsfähigen Personenkreis ein, wenn sie sich – auch für Berufsausbildungsbeihilfe - mindestens 6 Jahre ununterbrochen rechtmäßig gestattet oder geduldet aufhalten. Die Norm privilegiert insoweit nicht, so dass Geduldete Leistungen unverändert wie bisher auf Grundlage von § 59 Abs. 3 SGB III erhalten können (vgl. Schmidt-De Caluwe, SGB III, 6. Auflage 2016, § 132 Rn. 18; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 04/17, § 132 SGB III, Rn. 10). Ein Anwendungsvorrang als Spezialnorm ist § 132 Abs. 2 SGB III allein aus seiner Normüberschrift nicht zuzubilligen. Sowohl § 132 Abs. 2 SGB III als auch § 59 Abs. 3 SGB III treffen je bereits eine ausdrückliche Spezialregelung (zu § 60a Aufenthaltsgesetz) mit einander widersprechendem Aussagegehalt. Nachdem der Gesetzgeber mit der Regelung des § 132 SGB III die Eingliederung von insbesondere jungen Ausländerinnen und Ausländern in den Arbeitsmarkt durch frühzeitige Unterstützung einer Berufsausbildung fördern wollte, ist § 132 Abs. 2 SGB III für den bereits von § 59 Abs. 3 SGB III erfassten Personenkreis in dessen Anwendungsbereich insoweit einschränkend auszulegen und damit der Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nach § 59 Abs. 2 SGB III eröffnet (vgl. Schmidt-De Caluwe, SGB III, 6. Auflage 2016, § 132 Rn. 18).

Ein dauerhafter Aufenthalt im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB III ist auch dann anzunehmen, wenn die Fördervoraussetzungen des § 59 Abs. 2 SGB III entsprechend erfüllt sind. Der unterschiedliche Status der Ausländer steht der Bezugnahme auf einen dauerhaften Aufenthalt nicht zwingend entgegen.

Wenn geduldete Ausländer, deren Ausreisepflicht besteht, nach 15 Monaten Voraufenthalt und Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung die Fördervoraussetzungen für Berufsausbildungsbeihilfe erfüllen können, kann gestatteten Ausländern, deren Ausreisepflicht noch nicht besteht, beim Vorliegen derselben Umstände Berufsausbildungsbeihilfe nicht mit dem Argument versagt werden, ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt sei nicht zu erwarten. Sie haben beim Absolvieren einer qualifizierten Berufsausbildung und dem Fehlen von anderweitigen abschiebungsrelevanten Faktoren (z.B. Straftaten) dieselbe zeitliche Aufenthaltsperspektive. Zwischen der Behandlung von Ausländern nach § 132 Abs. 1 SGB III und den Ausländern nach § 132 Abs. 2 SGB III in der Gestalt einer einschränkenden Auslegung kommt es bei allein abstrahierender Auslegung der Vorschrift des § 132 Abs. 1 SGB III zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Bei unverzüglicher Rücknahme seines Asylantrags würde der Antragsteller nach § 132 Abs. 1 SGB III nahtlos dem Duldungspersonenkreis unterfallen und die beantragte Berufsausbildungsbeihilfe erhalten können. Noch nicht beschiedene in betrieblicher Ausbildung stehende Asylbewerber stehen schlechter als Geduldete, die auf weitere Durchführung des Asylverfahrens durch Rücknahme verzichten oder deren Anträge abschließend negativ beschieden sind. Diese Folge steht wiederum mit der Förderungsintention in gewissem Konflikt. Es ist nicht folgerichtig, denjenigen mit besseren Fördervoraussetzungen zu versehen, der über eine weniger kräftige Rechtsposition verfügt (Geduldete mit Ausreispflicht und Aussetzung der Abschiebung), als denjenigen der diese Feststellung noch nicht zu seinen Lasten erhalten hat (Gestattete), wenn es in beiden Konstellationen um Förderung, eine Integrationsperspektive und dauerhaften Aufenthalt geht. Die Ausschöpfung des Rechtswegs ist ein legitimes Mittel, dem auch angesichts der Gesamtschutzquote von über 38% nicht jegliche Aussicht abgesprochen werden kann. Die mit dem Entwurf des Integrationsgesetzes beabsichtigte Lösung wollte den Bedarf einer Vielzahl von Fachkräften durch die nach Deutschland kommenden Menschen teilweise abdecken, wobei sowohl die Gesellschaft als auch die Arbeitsmärkte der Herkunftsländer im Falle einer Rückkehr von in Deutschland erworbenen Qualifikationen profitierten (Entwurf des Integrationsgesetzes, BT-Drs. 18/8829, S. 1).

Die Einordnung, die gute Bleibeperspektive folge nicht daraus, dass bei rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 Aufenthaltsgesetz beantragt werden kann, denn diese vermittele keinen rechtmäßigen Aufenthalt, sondern sei eine vorrübergehende Aussetzung der Abschiebung (Bienert, info also 2018, 104, 108) setzt eine gute Bleibeperspektive mit einem rechtmäßigen Aufenthalt gleich. Diese Auffassung argumentiert formal. Auch bei einer Pflicht zur Ausreise kann dennoch eine gute Bleibeperspektive bestehen (dahingehend auch Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 11/18, § 59 SGB III Rn. 26, der bei Geduldeten einen bereits seit längerem rechtmäßigen Aufenthalt im Inland sieht, wenn die dort genannt Aufenthaltsdauer erfüllt ist; kritisch: Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 18/8829, S. 23 1. Absatz: "offenkundig dauerhafte Aufenthaltsperspektive"). Die gute Bleibeperspektive ergibt sich nicht allein aus dem rechtmäßigen Aufenthalt, sondern auch aus der rechtmäßig erteilten Duldung bzw. dem Anspruch auf eine Duldung. Die Duldung verhindert die Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung. Sie führt für die Ausbildungsdauer zu einer bestimmten zeitlichen Bleibeperspektive, die der Gesetzgeber als förderungswürdig qualifiziert hat. Soweit die Voraussetzungen für eine derartige Bleibeperspektive wie hier entsprechend vorliegen, kann die Förderung Gestatteter nicht mit dem Argument des Fehlens einer guten Bleibeperspektive abgelehnt werden. Die integrative Zielsetzung der zeitlichen Förderperspektive ist dieselbe.

Neben der Dauer aufgrund der Ausbildungsperspektive führen weitere Aspekte zu Auswirkungen auf die Bleibeperspektive, die eine abstrahierende Betrachtung einer Gesamtschutzquote nicht sachgerecht berücksichtigen kann. Die Innenministerkonferenz vom 30.11.2018 beschäftigte sich mit Fragen der Verlängerung eines Abschiebestopps, wobei sich der Verhandlungsführer der "A-Länder" gegen Verschärfungen bei Abschiebungen nach Afghanistan aussprach (https://www.deutschlandfunk.de/innenminister-konferenz-pistorius-schliesst-abschiebungen.1939.de.html?drn:news id=950903) und hierzu im Deutschlandfunk eine Verschlechterung der Lage in Afghanistan konstatierte (https://www.deutschlandfunk.de/innenministerkonferenz-pistorius-spd-keine-abschiebungen.694.de.html?dram:article id=434510). Die derzeitige Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan lautet: "Vor Reisen nach Afghanistan wird gewarnt. Wer dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte einschließlich Entführungen bewusst sein. Auch bei von professionellen Reiseveranstaltern organisierte Einzel- oder Gruppenreisen besteht unverminderte Gefahr, Opfer einer Gewalttat oder einer Entführung zu werden. Für zwingend notwendige Reisen nach Afghanistan gilt: Der Aufenthalt in weiten Teilen des Landes bleibt gefährlich. Jeder längerfristige Aufenthalt ist mit zusätzlichen Risiken behaftet. Bereits bei der Planung des Aufenthaltes sollten die Sicherheitslage und die daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen beachtet werden. Zudem sollte der Aufenthalt auf der Basis eines tragfähigen professionellen Sicherheitskonzepts durchgeführt werden. Krisenvorsorgeliste Es wird dringend dazu geraten, sich bei Reisen nach Afghanistan schon vor Abreise in die Krisenvorsorgeliste einzutragen. Sicherheitslage Wegen immer wieder und in vielen Landesteilen aufflammender Kämpfe zwischen afghanischen Sicherheitskräften und vor allem den Taliban, aber auch dem regionalen Ableger des sogenannten Islamischen Staats, ist die Sicherheitslage in großen Teilen des Landes unübersichtlich und nicht vorhersehbar. Reisende können daher jederzeit und ohne selbst beteiligt zu sein in lebensbedrohende Situationen geraten. Außerdem kann es landesweit zu Attentaten, Überfällen, Entführungen und anderen Gewaltverbrechen kommen."

Die politische Diskussion über eine Korrektur der Förderlücke bei Ausländern (vgl. Antrag der FDP-Fraktion, BT-Drs. 19/2691, S. 2), sowie über Abschiebestopps nach Afghanistan, die Einschränkung von Abschiebungen für Gewalttäter sowie die regierungsamtliche Einschätzung des Auswärtigen Amtes sprechen nicht dafür, dass auch beim Entfall des Duldungsgrundes der qualifizierten Ausbildung eine stringente Rückführung ausreisepflichtiger Personen derzeit zu erwarten steht. Davon abgesehen besteht auf die Erteilung der Duldung bei Aufnahme der qualifizierten Berufsausbildung ein Rechtsanspruch, wobei keine konkreten Maßnahmen der Aufenthaltsbeendung bevorstehen dürfen. Letzteres entspricht der der Zielsetzung, den Vorrang aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht in Frage zu stellen (Kluth/Breidenbach, BeckOK Ausländerrecht, § 60a Rn. 27). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Fehlen konkret aufenthaltsbeendende Maßnahmen, führt die Duldung bei vorgesehenem Ausbildungsgang zu einem Aufenthalt für den Zeitraum der zwei- bzw. dreijährigen Ausbildung. Die limitierte Ausbildungsdauer ist damit kein entscheidender Gesichtspunkt, der der Bejahung einer Dauerhaftigkeit des Aufenthalts bzw. der guten Bleibeperspektive entgegensteht. Die Bedenken des Bundesrats zur der Modifizierung des § 60a Aufenthaltsgesetz, anstelle dieser "offenkundig dauerhafte(n) Aufenthaltsperspektive" eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" zu erwägen (kritisch: Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 18/8829, S. 23 1. Absatz), hat der Gesetzgeber im Ergebnis nicht aufgenommen.

Die unterschiedliche Regelung zwischen geduldeten und gestatteten Ausländern gibt in Bezug auf die Aufenthaltsperspektive keine belastbare Differenzierung aus dem Gesetzestext wieder. Neben der unterschiedlichen Anknüpfung an die Voraufenthaltsdauer in § 59 SGB III und § 132 SGB III an einen Zeitraum der Vergangenheit ist nicht berücksichtigt, ob die prognostische Entwicklung in Bezug auf den in der Zukunft folgenden Aufenthalt damit in Einklang steht. So sind unterschiedliche Zeiträume für eine Duldung denkbar, die von kurzfristigen bis zu längeren Zeiträumen, insbesondere in Konstellationen des § 60a Abs. 2 S. 1 Alt. 2 Aufenthaltsgesetz i.V. mit § 60 Abs. 1-5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz gehen. Damit ist es möglich, dass in Fällen längeren genannten Voraufenthalts etwa im Sinne des § 132 Abs. 2 SGB III die Gründe für die ursprünglich erteilten vorangegangenen Duldungen wegfallen und der Anspruch aus § 60a Abs. 2 S. 4 Aufenthaltsgesetz verbliebe. Der Antragsteller wäre in diesem Fall trotzdem vom förderungsfähigen Personenkreis umfasst, obwohl der aus dem Abschluss des qualifizierten Ausbildungsbetrags herrührende Duldungsanspruch zeitlich beschränkt ist, etwa im Hinblick auf Abbruch sowie vorzeitigen Abbruch des Ausbildungsverhältnisses § 60a Abs. 2 S. 9, 10 Aufenthaltsgesetz, und nur eine eingeschränkte Gewissheit über ihren Bestand mit sich bringt. Die hieraus abzuleitende belastbare Bleibeperspektive ist im Ergebnis nur beschränkt dauerhaft. Wenn sie jedoch auf der einen Seite Förderung ermöglicht, kann dies auf der anderen Seite, wenn in vergleichbaren Rahmenbedingungen noch gerichtlicher Rechtsschutz nachgesucht wird, nicht zu einem Ausschluß der Förderung führen. Der hierzu erhobene Widerspruch, dass wenn die Aussicht auf eine Ausbildungsduldung und ggf. anschließende Aufenthaltserlaubnis nach § 18a Abs. 1a Aufenthaltsgesetz eine gute Bleibeperspektive im Sinne § 132 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vermitteln würde, die dort geregelte Voraussetzung überflüssig wäre, weil jeder Ausländer sie mit der Aufnahme einer Ausbildung erfüllen würde, beruht letztlich auf einer nicht ganz konsistenten Abstimmung der gesetzlichen Bestimmungen. Diese im Wege der Administrativauslegung zu schließen ist nicht Aufgabe der Exekutive, sondern des Gesetzgebers.

Im Sinne einer Folgenabwägung ist dem Antragsteller die Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren. Beim Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung ist aufgrund der Wertungswidersprüche in den gesetzlichen Vorschriften kein eindeutiger Ausschluss einer Förderung festzumachen. Der Anspruch des Antragstellers ist in summarischer Prüfung nicht offensichtlich ausgeschlossen. Die Folgenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Der Antragsteller wäre als Ungelernter schlechter in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst am Arbeitsmarkt zu erwirtschaften. Bei einem unabsehbaren Abschluss des Asylverfahrens erscheint es sinnvoll, die Zeit für eine Qualifizierung des Antragstellers zu nutzen und nicht bis zum Abschluss des Asylverfahrens hinauszuzögern. Die Interessen der Antragsgegnerin überwiegen dies nicht.

Ein Anordnungsgrund besteht aufgrund der Unterfinanzierung der Bedarfsdeckung des Antragstellers, der ohne Berufsausbildungsbeihilfe ohne fremde Hilfe seine Ausbildung nicht fortsetzen könnte.

Der hilfsweise gestellte Vollstreckungsschutzantrag ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG in Verbindung mit § 199 Abs. 2 S. 1 und 2 SGG erfolglos. Anlass für eine Aussetzung der Vollstreckung vor Entscheidung über die Beschwerde durch den Vorsitzenden bestand- weil der Antrag nur als Hilfsantrag gestellt war- nicht. Der Senat sieht in seiner vollen Besetzung unbeschadet der Zuständigkeitsfrage keinen Anlass für eine Aussetzung der Vollstreckung. Die Entscheidung ergeht als Ermessensentscheidung und unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei existenzsichernden Leistungen eine Aussetzung in der Regel nicht in Betracht kommt (vgl. Groß, in: Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2016 § 199 Rn. 14).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG dem Ausgang des Verfahrens.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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