L 18 AS 467/19 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 1734/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 467/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2019 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 20. Februar 2019 bis 31. Mai 2019, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 92,08 EUR, für Februar 2019 entsprechend anteilig, zu gewähren. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird im Übrigen abgelehnt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Nadejda Bümlein bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet. Dem Antragsteller steht ein durch eine gerichtliche Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu sichernder Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den vom Sozialgericht (SG) ausgeworfenen Zeitraum vom 20. Februar 2019 bis 31. Mai 2019 lediglich iHv mtl 92,08 EUR, für Februar 2019 entsprechend anteilig, zu. Der angefochtene Beschluss war daher entsprechend zu ändern. Der darüber hinausgehende Rechtsschutzantrag war abzulehnen. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners war zurückzuweisen.

Ausgehend davon, dass nach ständiger Rspr des erkennenden Senats im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die geltend gemachten Regelbedarfe iSv § 20 Abs. 1 SGB II nur iHv 80 vH zu berücksichtigen sind, weil sie nur in diesem Umfang unabweisbar sind (vgl Bundesverfassungsgericht ‹BVerfG›, Be¬schluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG Berlin-Branden¬burg, Beschluss vom 19. Mai 2010 - L 5 AS 797/10 B ER -; LSG Nordrhein-West¬falen, Beschluss vom 12. September 2007 - L 20 B 75/07 SO ER -; LSG Baden-Württem¬berg, Beschluss vom 29. Januar 2007 - L 7 SO 5672/ 06 B ER – alle juris), und auch etwaige Mehrbedarfe nicht unabweisbar sind, ist der hiernach zugrunde zu legende Regelbedarf des Antragstellers iHv mtl 339,20 EUR bereits vollständig und der Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung iHv mtl 280,61 EUR durch die erzielte und einstweilen in vollem Umfang einsetzbare Ausbildungsvergütung iHv mtl 527,73 EUR in einem Umfang von 188,53 EUR mtl abgedeckt. Hinsichtlich des verbleibenden ungedeckten Bedarfs iHv 92,08 EUR mtl besteht indes ein Anordnungsanspruch des Antragstellers und auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller wird nicht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II in der seit 1. August 2016 geltenden Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl I 1824) erfasst. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist und deren Bedarf sich nach § 61 Abs. 2 und 3, § 62 Abs. 3, § 123 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 sowie § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) bemisst, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Bedarf des Antragstellers, der eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz durchläuft, alleinstehend ist und eine eigene Unterkunft bewohnt, richtet sich nicht nach den genannten Vorschriften.

Auch ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a bzw 2b SGB II liegt nicht vor. Denn der Antragsteller verfügt über ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG), und zwar nach § 17 AufenthG. Diese Vorschrift regelt den Aufenthalt für sonstige Ausbildungszwecke. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Aus- und Weiterbildung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Da gemäß § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeine Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gilt und eine Beschäftigung iSv § 7 SGB IV gemäß § 2 Abs. 2 AufenthG eine Erwerbstätigkeit ist, bedeutet dies, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 17 AufenthG zu einer Erwerbstätigkeit (im Rahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung) berechtigt. Nach § 17 Abs. 2 AufenthG berechtigt darüber hinaus die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer von der Berufsausbildung unabhängigen Beschäftigung bis zu zehn Stunden je Woche, wenn es sich es sich um eine qualifizierte Berufsausbildung handelt. Die Beteiligten und das Gericht sind an diesen Aufenthaltstitel gebunden, solange dieser nicht geändert oder aufgehoben wird. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Regelvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert sein muss, vorliegend augenscheinlich nicht vorgelegen hat bzw vorliegt und eine diesbezügliche hinreichende Prüfung durch die erteilende Ausländerbehörde nicht feststellbar ist. Einen entsprechenden Vorbehalt bzw eine entsprechende Erlöschensregelung im Falle des Leistungsbezuges weist der Aufenthaltstitel des Antragstellers indes gerade nicht aus.

Anhaltspunkte, dass der Kläger, der nach seinen Angaben neben seiner Ausbildung keiner Beschäftigung nachgeht, neben der bezogenen Ausbildungsvergütung über weiteres Einkommen oder Vermögen verfügt, sind im Hinblick auf seine Erklärung vom 19. Februar 2019 und die vorgelegten Kontoauszüge nicht ersichtlich.

Der Anordnungsgrund folgt aus der existenzsichernden Funktion der begehrten Leistungen, die grundsätzlich im Zeitpunkt des Bedarfs sicherzustellen sind (sog Gegenwärtigkeitsprinzip).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dem - bedürftigen - Antragsteller war Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Bümlein schon deshalb zu bewilligen, weil der Antragsgegner das Rechtsmittel eingelegt hat (vgl §§ 73a Abs. 1 Satz 1, 114, 119 Abs. 1 Satz 2, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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