Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Bremen (NSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
40
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 40 AY 23/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Nach § 3 Abs. 4 AsylblG werden zum 1. Januar eines Jahres die Leistungen der entsprechenden Veränderungsrate nach dem SGB XII angepasst. Diese Erhöhung ergibt sich direkt aus dem Gesetz, so dass eine vorherige Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht notwendig ist (vgl. SG Stade, Urteil vom 13.11.2018 – S 19 AY 15/18).
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen An-ordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Zeitraum vom 12.03.2019 bis 11.06.2019 Leistungen nach § 3 AsylblG unter Berücksichtigung eines monatlichen Regelsatzes i.H.v. 371 EUR zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Tatbestand:
Der Antragsteller begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleis-tungsgesetz (AsylblG).
Der Antragsteller hat die Staatsangehörigkeit Sierra Leone und bezieht seit August 2003 Leistungen nach dem AsylblG. Nach Angaben des Migrationsamtes hat der Antragsteller seine Aufenthaltsdauer selbst beeinflusst durch: Täuschung über seine Identität, Staats-angehörigkeit oder Passvernichtung oder -unterdrückung oder der Leistungsberechtigte kommt seiner Pflicht zur Passbeschaffung nicht nach.
Das Migrationsamt A-Stadt hat ihm eine bis zum 11.06.2019 (Bl. 35 VA Bd. IV) befristete Duldung ausgestellt.
Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller zuletzt mit Bescheid vom 19.11.2018 (abgesandt am 17.12.2018) Leistungen nach § 3 AsylblG i.H.v. 354 EUR zzgl. Kosten der Unterkunft und Heizung. Der dagegen eingelegte Widerspruch vom 22.12.2018 ist - soweit ersichtlich - bisher nicht beschieden. Mit Bescheid vom 20.03.2019 bewilligte die Antrags-gegnerin vorläufig Leistungen ab dem 01.04.2019 nach § 3 AsylblG.
Der notwendige persönliche Bedarf wurde zuletzt mit dem Gesetz zur Einführung be-schleunigter Asylverfahren (AsylVfBeschlG) vom 11.03.2016 zum 01.04.2016 neu gefasst. Mit dem Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte eine Neufestlegung der Bedarfe nach § 3 AsylblG zum 01.01.2017 anhand der Ein-kommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 erfolgen. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz nicht zu, so dass es nach dem Grundsatz der Diskontinuität nach dem Ende der 18. Wahlperiode erledigt ist. In der Folge ist es nicht zu einer Anpassung der Leistungshöhe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylblG gekommen.
Am 12.03.2019 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Zur Begründung führt er aus, die Grundleistungen nach § 3 AsylblG seien unzureichend. Die Leistungen seien - entgegen der gesetzlichen Regelungen in § 3 Abs. 4 und 5 AsylblG - seit 2016 nicht mehr angepasst worden. Die Leistungen hätten 2017 um 1,24 %, 2018 um 1,63 % und 2019 um 2,02 % angepasst werden müssen. Es bestehe bei einer allein-stehenden Person nunmehr eine Differenz von 17 EUR. Es handele sich dabei um exis-tenzsichernde Leistungen. § 3 Abs. 4 AsylblG sehe eine konkrete Berechnung vor, ein mathematischer Spielraum lege damit nicht vor. Die Bekanntgabe durch das BMAS sei nur eine Arbeitshilfe, mit der vermieden werden soll, dass jeder einzelne Leistungsträger selbst eine Berechnung nach § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 AsylblG vornehmen müsse. Die Bekanntgabe sei nur deklaratorischer Natur. Die Antwort des BMAS sei nicht zielführend, da sie sich ausschließlich auf § 3 Abs. 5 AsylblG beziehe. Entgegen der Auffassung des BMAS sehe § 3 Abs. 4 S. 3 AsylblG keinen Erlass einer Verordnung vor.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm gem. § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 AsylblG fortzuschreibenden Leistungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, sie sei an die Bekanntmachungen zu § 3 AsylblG gebunden. Die Fortschreibung der Regelbedarfe liege nicht in der Zuständigkeit der Leistungsträger. § 3 Abs. 4 AsylblG sehe vor, dass das BMAS die Höhe der Beträge bekanntgebe. Eine Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG sei zudem nur in den Jahren möglich, in denen keine Neuermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII vorzunehmen ist. Zum 01.01.2017 seien die Regelbedarfe nach § 28 SBG XII anhand der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 neu ermittelt worden. Dies hätte nach § 3 Abs. 5 AsylblG auf das AsylblG übertragen werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, scheide eine Fort-schreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG aus. Es werde insoweit auf die Ausführungen von Dr. ADG.-Heinz Hohm - ZFSH SGB Heft 2/2019, S. 68 ff verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88). Nur dann, wenn die Sachlage im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann, ist das Gericht gehalten, eine Folgenabwägung vorzunehmen, wenn existenzsichernde Leistungen in Streit stehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 7. Januar 2016 - L 11 AS 474/15 B ER).
2. Der Antragsteller hat Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Anpassung der Regelbedarf nach § 3 Abs. 4 AsylblG. Danach werden zum 1. Januar eines Jahres die Leistungen der entsprechenden Veränderungsrate nach dem SGB XII angepasst. Die sich dabei ergebenden Beträge sind zu runden. Für den Antragsteller ergibt sich, da er der Regelbedarfsstufe 1 zuzuordnen ist, ein höherer Regelbedarf i.H.v. 17 EUR.
Diese Erhöhung des Leistungsanspruchs ergibt sich direkt aus dem Gesetz. Die Regelbe-darfshöhe im AsylblG ist an die Erhöhung der Regelbedarf nach dem SGB XII gekoppelt. Soweit die Leistungsveränderungen nach dem SGB XII feststehen, sind die Leistungen nach § 3 AsylblG entsprechend anzupassen. Die Fortschreibung der Regelbedarfe dient der Dynamisierung der Leistungen, um ein jahrelanges statisches Festhalten an nicht mehr realitätsgerechten Festsetzungen zu vermeiden (Wahrendorf, AsylblG, Kommentar 2017, § 3 Rn. 67). Der Leistungsbezieher hat daher einen einklagbaren Anspruch auf Leistungen in angepasster Höhe (a.A. Hohm, ZFSH SGB 2/2019, S. 68 ff.). Eine vorherige Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber ist nicht notwendig, da die Norm die Berechnung vorgibt und somit keine wesentliche Entscheidung zu treffen ist.
Aus § 3 Abs. 4 S. 3 AsylblG folgt nicht, dass vor der Anpassung der Leistungshöhe eine Entscheidung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) erfolgen muss. Das BMAS hat nur die Höhe der Bedarfe im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben. Eine unterlassene Veröffentlichung führt nicht dazu, dass die durch Gesetz vorgeschriebene Anpassung unterbleibt. Die Bekanntgabe ist nicht verbindlich, sondern dient der Transpa-renz und einheitlichen Gesetzesanwendung (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 AsylbLG 1. Überarbeitung, Rn. 179; a.A. Hohm, ZFSH SGB 2/2019, S. 68 ff.). Sinn und Zweck der Bekanntgabe durch das BMAS ist daher lediglich die Si-cherstellung einer einheitlichen Leistungsberechnung. Zweck der Vorschrift ist dagegen nicht, dass bei einer unterlassenen Bekanntgabe die gesetzlich vorgeschriebene Leis-tungserhöhung ausbleibt. Kommt das BMAS seiner Pflicht zur Bekanntgabe der höheren Leistungssätze nicht nach, kann der Zweck einer bundeseinheitlichen Leistungsgewährung eventuell nicht sofort erfüllt werden. In diesem Fall sind alle Leistungsträger dazu verpflichtet, die Leistungsberechnung unter Berücksichtigung der zwingenden gesetzlichen Anpassungsvorschriften selbst vorzunehmen. Die unterlassene Rechtsanwendung des BMAS kann nicht zulasten der Leistungsempfänger gehen.
Soweit § 3 Abs. 5 AsylblG vorschreibt, dass bei einer neuen bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe der notwendigen persönliche Bedarf (§ 3 Abs. 1 AsylblG) und die Höhe des notwendigen Bedarfs (§ 3 Abs. 2 AsylblG) neu festgesetzt werden, führt dies nicht dazu, dass bei einer Unterlassung dieser Neufestsetzung keine Erhöhung nach § 3 Abs. 4 AsylblG zu erfolgen hat. Bis zu einer tatsächlichen Neufestsetzung durch den Ge-setzgeber ist weiterhin die gesetzliche vorgeschriebene Erhöhung nach § 3 Abs. 4 AsylblG durchzuführen (vgl. zum Vorstehenden: SG AQQ., Beschluss vom 06.03.2019 - 19 AY 1/19 ER).
Dieser Gesetzesauslegung stehen auch nicht die Ausführungen des BMAS in der Stel-lungnahme vom 29.01.2019 entgegen. Insoweit nimmt das BMAS lediglich Bezug auf § 3 Abs. 5 AsylblG und stellt ohne jegliche Begründung die Behauptung auf, dass mangels Neufestsetzung nach § 3 Abs. 5 AsylblG auch eine Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG ausscheidet.
Für das Jahr 2017 beträgt die Erhöhung 1,24 %, so dass der Regelbedarf des Antragstel-lers i.H.v. 354 EUR um 4,28 EUR (354 / 100 * 1,24) zu erhöhen ist. Aufgrund der Run-dungsregelung beträgt der Regelsatz 358 EUR.
Für das Jahr 2018 beträgt die Erhöhung 1,63 %, so dass der Regelbedarf der Antragstel-lerin i.H.v. 358 EUR um 5,84 EUR (358 / 100 * 1,63) zu erhöhen ist. Aufgrund der Run-dungsregelung beträgt der Regelsatz 364 EUR.
Für das Jahr 2019 beträgt die Erhöhung 2,02 %, so dass der Regelbedarf der Antragstel-lerin i.H.v. 364 EUR um 7,35 EUR (364 / 100 * 2,02) zu erhöhen ist. Aufgrund der Run-dungsregelung beträgt der Regelsatz 371 EUR.
Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Zwar geht es nur um einen Betrag von monatlich 17 EUR, jedoch kann auch bei Beträgen dieser geringen Größenordnung von einem Eil-bedürfnis ausgegangen werden, da es um Leistungen zur Existenzsicherung geht und die Leistungen nach § 3 AsylblG bereits geringer ausfallen, als die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und SGB XII. Daher ist ein Fehlbetrag von 17 EUR monatlich bereits bedeutend. Da die Leistungen zur aktuellen Bedarfsdeckung notwendig sind, drohen dem Antragsteller wesentliche Nachteile, die eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr ausgleichen können.
Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am 12.03.2019 gestellt wurde, sind dem Antragsteller ab diesem Tag die höheren Leistungen zu bewilligen. Für den Monat März 2019 ist daher ein entsprechender Bruchteil von 17 EUR auszuzahlen. Die vorläufige Ge-währung im Eilverfahren ist auf die befristete Duldung zu begrenzen.
Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118 S. 1 ZPO. Der Antragsteller hat keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht. Die Hilfebedürftigkeit ist nicht glaubhaft gemacht. Die Kosten-entscheidung beruht auf § 193 SGG.
HINWEIS Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt und wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nicht im Streit sind (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 SGG). Soweit Prozesskostenhilfe abge-lehnt wurde, ist dieser Beschluss gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) SGG unanfechtbar.
gez. BCL. Richterin am Sozialgericht
Tatbestand:
Der Antragsteller begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleis-tungsgesetz (AsylblG).
Der Antragsteller hat die Staatsangehörigkeit Sierra Leone und bezieht seit August 2003 Leistungen nach dem AsylblG. Nach Angaben des Migrationsamtes hat der Antragsteller seine Aufenthaltsdauer selbst beeinflusst durch: Täuschung über seine Identität, Staats-angehörigkeit oder Passvernichtung oder -unterdrückung oder der Leistungsberechtigte kommt seiner Pflicht zur Passbeschaffung nicht nach.
Das Migrationsamt A-Stadt hat ihm eine bis zum 11.06.2019 (Bl. 35 VA Bd. IV) befristete Duldung ausgestellt.
Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller zuletzt mit Bescheid vom 19.11.2018 (abgesandt am 17.12.2018) Leistungen nach § 3 AsylblG i.H.v. 354 EUR zzgl. Kosten der Unterkunft und Heizung. Der dagegen eingelegte Widerspruch vom 22.12.2018 ist - soweit ersichtlich - bisher nicht beschieden. Mit Bescheid vom 20.03.2019 bewilligte die Antrags-gegnerin vorläufig Leistungen ab dem 01.04.2019 nach § 3 AsylblG.
Der notwendige persönliche Bedarf wurde zuletzt mit dem Gesetz zur Einführung be-schleunigter Asylverfahren (AsylVfBeschlG) vom 11.03.2016 zum 01.04.2016 neu gefasst. Mit dem Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte eine Neufestlegung der Bedarfe nach § 3 AsylblG zum 01.01.2017 anhand der Ein-kommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 erfolgen. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz nicht zu, so dass es nach dem Grundsatz der Diskontinuität nach dem Ende der 18. Wahlperiode erledigt ist. In der Folge ist es nicht zu einer Anpassung der Leistungshöhe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylblG gekommen.
Am 12.03.2019 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Zur Begründung führt er aus, die Grundleistungen nach § 3 AsylblG seien unzureichend. Die Leistungen seien - entgegen der gesetzlichen Regelungen in § 3 Abs. 4 und 5 AsylblG - seit 2016 nicht mehr angepasst worden. Die Leistungen hätten 2017 um 1,24 %, 2018 um 1,63 % und 2019 um 2,02 % angepasst werden müssen. Es bestehe bei einer allein-stehenden Person nunmehr eine Differenz von 17 EUR. Es handele sich dabei um exis-tenzsichernde Leistungen. § 3 Abs. 4 AsylblG sehe eine konkrete Berechnung vor, ein mathematischer Spielraum lege damit nicht vor. Die Bekanntgabe durch das BMAS sei nur eine Arbeitshilfe, mit der vermieden werden soll, dass jeder einzelne Leistungsträger selbst eine Berechnung nach § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 AsylblG vornehmen müsse. Die Bekanntgabe sei nur deklaratorischer Natur. Die Antwort des BMAS sei nicht zielführend, da sie sich ausschließlich auf § 3 Abs. 5 AsylblG beziehe. Entgegen der Auffassung des BMAS sehe § 3 Abs. 4 S. 3 AsylblG keinen Erlass einer Verordnung vor.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm gem. § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 AsylblG fortzuschreibenden Leistungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, sie sei an die Bekanntmachungen zu § 3 AsylblG gebunden. Die Fortschreibung der Regelbedarfe liege nicht in der Zuständigkeit der Leistungsträger. § 3 Abs. 4 AsylblG sehe vor, dass das BMAS die Höhe der Beträge bekanntgebe. Eine Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG sei zudem nur in den Jahren möglich, in denen keine Neuermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII vorzunehmen ist. Zum 01.01.2017 seien die Regelbedarfe nach § 28 SBG XII anhand der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 neu ermittelt worden. Dies hätte nach § 3 Abs. 5 AsylblG auf das AsylblG übertragen werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, scheide eine Fort-schreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG aus. Es werde insoweit auf die Ausführungen von Dr. ADG.-Heinz Hohm - ZFSH SGB Heft 2/2019, S. 68 ff verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88). Nur dann, wenn die Sachlage im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann, ist das Gericht gehalten, eine Folgenabwägung vorzunehmen, wenn existenzsichernde Leistungen in Streit stehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 7. Januar 2016 - L 11 AS 474/15 B ER).
2. Der Antragsteller hat Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Anpassung der Regelbedarf nach § 3 Abs. 4 AsylblG. Danach werden zum 1. Januar eines Jahres die Leistungen der entsprechenden Veränderungsrate nach dem SGB XII angepasst. Die sich dabei ergebenden Beträge sind zu runden. Für den Antragsteller ergibt sich, da er der Regelbedarfsstufe 1 zuzuordnen ist, ein höherer Regelbedarf i.H.v. 17 EUR.
Diese Erhöhung des Leistungsanspruchs ergibt sich direkt aus dem Gesetz. Die Regelbe-darfshöhe im AsylblG ist an die Erhöhung der Regelbedarf nach dem SGB XII gekoppelt. Soweit die Leistungsveränderungen nach dem SGB XII feststehen, sind die Leistungen nach § 3 AsylblG entsprechend anzupassen. Die Fortschreibung der Regelbedarfe dient der Dynamisierung der Leistungen, um ein jahrelanges statisches Festhalten an nicht mehr realitätsgerechten Festsetzungen zu vermeiden (Wahrendorf, AsylblG, Kommentar 2017, § 3 Rn. 67). Der Leistungsbezieher hat daher einen einklagbaren Anspruch auf Leistungen in angepasster Höhe (a.A. Hohm, ZFSH SGB 2/2019, S. 68 ff.). Eine vorherige Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber ist nicht notwendig, da die Norm die Berechnung vorgibt und somit keine wesentliche Entscheidung zu treffen ist.
Aus § 3 Abs. 4 S. 3 AsylblG folgt nicht, dass vor der Anpassung der Leistungshöhe eine Entscheidung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) erfolgen muss. Das BMAS hat nur die Höhe der Bedarfe im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben. Eine unterlassene Veröffentlichung führt nicht dazu, dass die durch Gesetz vorgeschriebene Anpassung unterbleibt. Die Bekanntgabe ist nicht verbindlich, sondern dient der Transpa-renz und einheitlichen Gesetzesanwendung (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 AsylbLG 1. Überarbeitung, Rn. 179; a.A. Hohm, ZFSH SGB 2/2019, S. 68 ff.). Sinn und Zweck der Bekanntgabe durch das BMAS ist daher lediglich die Si-cherstellung einer einheitlichen Leistungsberechnung. Zweck der Vorschrift ist dagegen nicht, dass bei einer unterlassenen Bekanntgabe die gesetzlich vorgeschriebene Leis-tungserhöhung ausbleibt. Kommt das BMAS seiner Pflicht zur Bekanntgabe der höheren Leistungssätze nicht nach, kann der Zweck einer bundeseinheitlichen Leistungsgewährung eventuell nicht sofort erfüllt werden. In diesem Fall sind alle Leistungsträger dazu verpflichtet, die Leistungsberechnung unter Berücksichtigung der zwingenden gesetzlichen Anpassungsvorschriften selbst vorzunehmen. Die unterlassene Rechtsanwendung des BMAS kann nicht zulasten der Leistungsempfänger gehen.
Soweit § 3 Abs. 5 AsylblG vorschreibt, dass bei einer neuen bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe der notwendigen persönliche Bedarf (§ 3 Abs. 1 AsylblG) und die Höhe des notwendigen Bedarfs (§ 3 Abs. 2 AsylblG) neu festgesetzt werden, führt dies nicht dazu, dass bei einer Unterlassung dieser Neufestsetzung keine Erhöhung nach § 3 Abs. 4 AsylblG zu erfolgen hat. Bis zu einer tatsächlichen Neufestsetzung durch den Ge-setzgeber ist weiterhin die gesetzliche vorgeschriebene Erhöhung nach § 3 Abs. 4 AsylblG durchzuführen (vgl. zum Vorstehenden: SG AQQ., Beschluss vom 06.03.2019 - 19 AY 1/19 ER).
Dieser Gesetzesauslegung stehen auch nicht die Ausführungen des BMAS in der Stel-lungnahme vom 29.01.2019 entgegen. Insoweit nimmt das BMAS lediglich Bezug auf § 3 Abs. 5 AsylblG und stellt ohne jegliche Begründung die Behauptung auf, dass mangels Neufestsetzung nach § 3 Abs. 5 AsylblG auch eine Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylblG ausscheidet.
Für das Jahr 2017 beträgt die Erhöhung 1,24 %, so dass der Regelbedarf des Antragstel-lers i.H.v. 354 EUR um 4,28 EUR (354 / 100 * 1,24) zu erhöhen ist. Aufgrund der Run-dungsregelung beträgt der Regelsatz 358 EUR.
Für das Jahr 2018 beträgt die Erhöhung 1,63 %, so dass der Regelbedarf der Antragstel-lerin i.H.v. 358 EUR um 5,84 EUR (358 / 100 * 1,63) zu erhöhen ist. Aufgrund der Run-dungsregelung beträgt der Regelsatz 364 EUR.
Für das Jahr 2019 beträgt die Erhöhung 2,02 %, so dass der Regelbedarf der Antragstel-lerin i.H.v. 364 EUR um 7,35 EUR (364 / 100 * 2,02) zu erhöhen ist. Aufgrund der Run-dungsregelung beträgt der Regelsatz 371 EUR.
Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Zwar geht es nur um einen Betrag von monatlich 17 EUR, jedoch kann auch bei Beträgen dieser geringen Größenordnung von einem Eil-bedürfnis ausgegangen werden, da es um Leistungen zur Existenzsicherung geht und die Leistungen nach § 3 AsylblG bereits geringer ausfallen, als die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und SGB XII. Daher ist ein Fehlbetrag von 17 EUR monatlich bereits bedeutend. Da die Leistungen zur aktuellen Bedarfsdeckung notwendig sind, drohen dem Antragsteller wesentliche Nachteile, die eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr ausgleichen können.
Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am 12.03.2019 gestellt wurde, sind dem Antragsteller ab diesem Tag die höheren Leistungen zu bewilligen. Für den Monat März 2019 ist daher ein entsprechender Bruchteil von 17 EUR auszuzahlen. Die vorläufige Ge-währung im Eilverfahren ist auf die befristete Duldung zu begrenzen.
Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118 S. 1 ZPO. Der Antragsteller hat keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht. Die Hilfebedürftigkeit ist nicht glaubhaft gemacht. Die Kosten-entscheidung beruht auf § 193 SGG.
HINWEIS Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt und wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nicht im Streit sind (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 SGG). Soweit Prozesskostenhilfe abge-lehnt wurde, ist dieser Beschluss gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) SGG unanfechtbar.
gez. BCL. Richterin am Sozialgericht
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