S 12 KA 2/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 2/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Ist für die Behandlung innerhalb einer Praxisgemeinschaft die fachliche Qualifikation oder der gewählte Schwerpunkt des jeweiligen Arztes maßgeblich und wird die Betreuung der Patienten während der OP-Tätigkeit eines Kollegen von den anderen Kollegen vertretungsweise übernommen, so spricht dies für das Führen der Praxis wie eine Berufsausübungsgemeinschaft. Solche Formen der Arbeitsteilung sind nur innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft möglich.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 61.256,40 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Honorarrückforderungen in Höhe von 61.256,40 EUR aufgrund von patientenbezogenen Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen der fünf Quartale I/13 bis II/14 mit Ausnahme des Quartals III/13, die die Beklagte insb. mit Hilfe eines Praxisabgleichs innerhalb der Praxisgemeinschaft der Klägerin mit Herrn Dr. E. mit einem Anteil gemeinsamer Patienten von 13,40 % und 17,87 % durchgeführt hat.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft mit drei Ärzten und Praxissitz in A-Stadt. Herr Dr. B. ist als Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie, Herr Dr. A. als Facharzt für Chirurgie und Herr Dr. C. als Facharzt für Chirurgie/Plastische Chirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Klägerin bildete bis zum 30.06.2014 mit Herrn Dr. E., der als Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, eine Praxisgemeinschaft. Seitdem bilden sie eine Berufsausübungsgemeinschaft. Herr Dr. E. beschäftigte in seiner Praxis Herrn F., Facharzt für Kinderchirurgie.

In den streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin wie folgt fest:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann:

Quartal I/13 II/13 IV/13
Honorar PK/EK/SKT in EUR 228.104,73 214.904,94 203.987,18
Fallzahl 3.404 3.340 3.007

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann:

Quartal I/14 II/14
Honorar PK/EK/SKT in EUR 229.096,65 225.194,90
Fallzahl 2.990 2.923

Die Beklagte forderte die Klägerin unter Datum vom 06.10.2016 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale I/13 bis II/14 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung der Klägerin zusammen mit der Honorarabrechnung der Praxis E. in A-Stadt, mit der die Klägerin eine Praxisgemeinschaft bilde, einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte.

Die Klägerin und Dr. E. trugen unter Datum vom 17.11.2016 vor, im Rahmen der Praxisgemeinschaft seien die Organisationsabläufe unter Berücksichtigung einerseits der entsprechenden Schwerpunkttätigkeiten der verschiedenen Kollegen, andererseits der Benutzungsmöglichkeit der OP-Räume und der Praxisräume festgelegt worden. Hinsichtlich der Schwerpunkttätigkeit sei vereinbart worden, dass zum Zweck einer optimalen Patientenversorgung, die Fußchirurgie vom Kollegen A., die Handchirurgie und Dermatochirurgie vom Kollegen B., die Ästhetische und Plastische Chirurgie vom Kollegen C., die Kinderchirurgie vom Kollegen F., die Schulter- und OSG-Arthroskopie und das Gebiet der komplexen Knieverletzung (Kreuzbandruptur, Knorpeltransplantation, usw.) vom Kollegen E. vertreten würden. Weiterhin hätte die Betreuung der Patienten während der OP-Tätigkeit eines Kollegen von den anderen Kollegen vertretungsweise übernommen werden sollen. Der Anteil an identischen Patienten lasse sich durch die Berücksichtigung der Schwerpunkttätigkeit und den festgelegten Organisationsabläufen erklären. Weitere Faktoren seien: Missverständnisse bei der fernmündlichen Abgabe von Terminen, persönlicher Wunsch des Patienten, sich bei einem Kollegen weiterbehandeln zu lassen, obwohl die Überweisung an einen anderen Kollegen ausgestellt sei, persönlicher Wunsch des Patienten, ein zusätzliches Krankheitsbild bei einem entsprechenden schwerpunkttätigen Kollegen behandeln zu lassen. Die Auffälligkeit der Patientenidentität und die Problematik der Praxis-Präsentation bei den einweisenden Kollegen, aber auch bei den Fachkollegen habe sie bewegt, die Praxisgemeinschaft einzustellen und eine Gemeinschaftspraxis zu bilden.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 15.12.201 die strittigen Honorarrückforderungen für die Quartale I/13 bis II/14 mit Ausnahme des Quartals III/13 fest. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale folgende Honorarrückforderungen:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann:

Quartal Honorar in EUR
I/13 14.347,20
II/13 10.869,80
IV/13 12.686,76
I/14 12.801,60
II/14 10.551,04
Gesamt 61.256,40

Zur Begründung der Honorarkürzungen führte sie aus, die Abrechnungen von Ärzten, welche untereinander in einer Praxisgemeinschaft verbunden seien, könnten unplausibel sein, wenn bestimmte Grenzwerte des Anteils identischer Patienten überschritten worden seien. Die Anzahl der doppelt abgerechneten Patienten sei ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Eine Abrechnungsauffälligkeit sei bei 20% Patientenidentität - auf die abrechnenden Praxen bezogen - bei versorgungsbereichsidentischen Praxen zu vermuten. Die Berechnungsergebnisse hätten für die Praxis der Klägerin, der die Praxis des Dr. E. gegenübergestellt worden sei, folgende Werte ergeben:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann:

Quartal Klägerin Fallzahl (inkl. SKT) Gemeinsame Patienten Prozent
I/13 2.681 479 17,87
II/13 2.784 396 14,41
IV/13 2.460 436 17,72
I/14 2.577 411 15,95
II/14 2.732 366 13,40

Bei einer Praxisgemeinschaft handele es sich um eine Organisationseinheit, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung an gemeinsamen Patienten diene. Mit ihr werde vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen, angestrebt. Es verbleibe bei der selbstständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei. Die nach außen gewählte Rechtsform einer Praxisgemeinschaft müsse auch im Praxisalltag transparent realisiert werden; andernfalls liege ein Gestaltungsmissbrauch vor. Bei einer derart hohen Praxisidentität müsse das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation voraussetze. Bei der Prüfung der gemeinsamen Behandlungsfälle sei festgestellt worden, dass es sich hierbei überwiegend um Überweisungen (Scheinuntergruppe 24/Mit-/Weiterbehandlung) gehandelt habe, die teilweise auch von dem ehemaligen Praxisgemeinschaftspartner Dr. E. an die Klägerin ausgestellt worden sei. Die Anzahl dieser Überweisungen betreffe jedoch nur eine relativ kleine Menge bezogen auf die Gesamtzahl der gemeinsam durch die Partner der Praxisgemeinschaft abgerechneten Behandlungsfälle. Darüber hinaus würden sowohl von der Klägerin, als auch von dem Praxisgemeinschaftspartner bei sehr vielen der gemeinsam behandelten und abgerechneten Patienten die Versichertenkarten (eGK) taggleich in beiden Praxisverwaltungssystemen eingelesen werden und es finde ebenso ein Großteil der Behandlungen am gleichen Tage statt. Die nachstehende Tabelle gebe einen quantitativen Eindruck darüber, dass nur in sehr wenigen Fällen im gesamten Prüfzeitraum ein Einlesen der Versichertendaten über die elektronische Gesundheitskarte an einem anderen Tag erfolgt sei:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann:

Einlesetag der KVK/eGK - Angabe der Zahl der Fälle
Quartal Am selben Tag An anderen Tagen Ohne Einlesetag
I/13 457 17 6
II/13 370 21 5
IV/13 414 18 4
I/14 368 35 8
2/14 329 33 4

Diese große Anzahl gleicher Einlesedaten lasse den Eindruck entstehen, dass sie im Allgemeinen nicht von einer ordnungsgemäßen und an der akuten Behandlungsnotwendigkeit orientierten Behandlung und Abrechnung ausgegangen werden könne und dies bewusst so gesteuert worden sei. Darüber hinaus habe sie festgestellt, dass der Überweisungsschein eines an eine der beiden Praxen der Praxisgemeinschaft überwiesenen Patienten dupliziert worden sei, da vielfach von beiden Praxen ein Überweisungsschein des gleichen Überweisers mit gleichem Behandlungstag, gleichem Einlesedatum der elektronischen Gesundheitskarte und teilweise auch gleichen Gebührenordnungspositionen abgerechnet werde. Hierzu führte sie jeweils fünf Patientenbeispiele für die streitbefangenen Quartale auf. Durch diese Vorgehensweise würden ab dem Quartal IV/13 bei beiden Praxen, sofern Leistungen abgerechnet würden, die der fachärztlichen Grundversorgung entsprächen, die Zuschlagsposition Nr. 07220 EBM mit einer Bewertung von 3,32 EUR je Fall ausgelöst werden. Akut- oder Notfallbehandlungen seien nicht primär ursächlich für die große Menge der gemeinsamen Patienten, es seien auch keine Notfallscheine zur Abrechnung gebracht worden. Die gewählte Struktur einer Praxisgemeinschaft sei in weiten Bereichen nicht praktiziert und die grundsätzliche Notwendigkeit der Patiententrennung missachtet worden. Die wiederholten Doppelabrechnungen der Grundpauschalen belegten, dass die Praxisgemeinschaft sich im Ergebnis wie eine Berufsausübungsgemeinschaft verhalten habe. Durch die zusätzlich geschaffenen Behandlungsfälle sei ein deutlicher Honorarzuwachs entstanden. Gerade die Aussage, dass Patienten vertretungsweise behandelt würden, wenn der Kollege wegen OP-Tätigkeit nicht in der Praxis anwesend sei und dass die Behandlungen bei verschiedenen Ärzten auf Wunsch der Patienten stattgefunden habe, bestätige im Grunde genommen eine nicht sachgerechte Abrechnung. Auch scheine, wie die Klägerin selbst feststelle, ihre nach außen wirkende Praxispräsentation für überweisende Ärzte und auch Patienten nicht eindeutig genug gewesen zu sein. Sämtliche Partner der Praxisgemeinschaft hätten die gleichen Abrechnungsgenehmigungen und zum Teil die gleichen Zusatzbezeichnungen mit entsprechenden ärztlichen Tätigkeitsfeldern vorgehalten. Insbesondere seien das ambulante Operieren sowie die Genehmigung zur Arthroskopie zu nennen. Eine Behandlungsnotwendigkeit durch den oder die Praxisgemeinschaftspartner scheine bei den annähernd gleichen ICD-10 Codierungen, bezogen auf die gesamte Abrechnung, nicht in der hohen Anzahl an gemeinsamen Patienten erforderlich. Eine so regelhaft gemeinsame Behandlung von Patienten entspreche der Gestaltungs- und Rechtsform einer Berufsausübungsgemeinschaft, nicht aber einer Praxisgemeinschaft. Die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt, wenn nicht sogar vorsätzlich (wissentlich) Behandlungsscheine rechtswidrig erzeugt und Doppelbehandlungen in den Praxen zugelassen. Dies führe zur Nichtigkeit der quartalsbezogenen Erklärung zur Quartalsabrechnung. Die hierauf beruhenden Honorarbescheide würden aufgehoben und die durch die Zusammenarbeit ungerechtfertigt erlangten Honorarvorteile zurückgefordert werden. Sie sei zu einer Schätzung der Höhe der zu viel erhaltenen Leistungen berechtigt. Die Korrekturhöhe pro Behandlungsfall errechne sich aus dem codierten Nettofalldurchschnitt aus allen Behandlungsfällen der Praxis multipliziert mit der Gesamtzahl der implausiblen Behandlungsfälle. Für die Berechnung im Einzelnen verweise sie auf die beigefügte Anlage. Aus der Anlage ergibt sich, dass die Beklagte die gemeinsamen Fälle sämtliche als implausible Fälle wertete und hiervon einen Abschlag von 30 % nahm. Von den verbliebenen Fällen setzte sie die Hälfte als Kürzung fest. Dies ergab die festgesetzten Kürzungsbeträge.

Hiergegen legte die Klägerin am 03.01.2017 Widerspruch ein. Sie trug mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14.06.2017 vor, bei ihr liege keine für eine Kürzung erforderliche Abrechnungsmanipulation vor. Die Beklagte habe einen Pflichtenverstoß, Bereicherungsvorsatz sowie die für eine solche Annahme erforderlichen Indizien nicht dargelegt. Ursprung, Art und der Umfang der im Rahmen der Praxisgemeinschaft ausgeübten Tätigkeiten der jeweiligen Ärzte, sowie der Grund und Umfang der durch beide Praxen erfolgten Behandlungen sei von der Beklagten nicht ermittelt worden. Die beiden Praxen seien ausschließlich in räumlicher Weise miteinander verbunden gewesen, sodass jegliche Vorgänge getrennt behandelt worden seien und sich die Zusammenarbeit auf eine gemeinsame Praxisorganisation begrenzt habe. Entsprechend sei das Personal geschult gewesen. Sie habe zunächst eine Praxisgemeinschaft auf Grund der von der Beklagten vorgenommenen Beratung und auf deren Anraten geführt. Diese Beratung stelle einen deutlichen Verstoß gegen die der Beklagten obliegende Fürsorge- und Aufklärungspflicht dar. Für eine Falschabrechnung fehle es an Nachweisen. Die Beklagte habe es unterlassen, eine zwingende Prüfung der identischen Patienten vorzunehmen und darzustellen, aus welchen Gründen sich die abgerechneten Leistungen als nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht darstellten. Eine Überschreitung von 20 % oder 30 % sei nicht festgestellt worden, sodass es bereits an der Erfüllung des Aufgreifkriteriums mangele. Die verschiedenen Schwerpunkte der einzelnen Ärzte seien nicht berücksichtigt worden. Eine solche Spezialisierung sei in dem Fachgebiet der Chirurgie sowie der Orthopädie üblich und auch aus haftungsrechtlichen Gründen geboten. Patienten seien in keinem Fall von beiden Ärzten wegen ein und derselben Erkrankung umfassend behandelt worden, sondern der Erstbehandler habe lediglich die Erstuntersuchung vorgenommen und dabei die Feststellung getroffen, dass eine Weiterbehandlung durch einen in dem betroffenen Gebiet ausgebildeten Spezialisten vorzunehmen sei, da diese von dem Erstbehandler auf Grund bestehender Spezialisierung nicht geleistet werden könne. Ferner nahm sie zu den genannten Beispielsfällen Stellung. Sie führte aus, in den Beispielsfällen zeige sich deutlich, dass Hintergrund der Patientenidentität die auf Grund bestehender Spezialisierungen und Schwerpunkttätigkeiten erforderliche Weiterbehandlung gewesen sei. In vielen der Fälle sei eine durch die Spezialisierung und bestehender verschiedener Erkrankungen und Diagnosen eine vollständig getrennt voneinander vorzunehmende Behandlung gleichzeitig durchgeführt worden. Die Berechnung der Regresssumme sei fehlerhaft erfolgt. Herrn Dr. E. sei ebenfalls ein Regressbescheid in Höhe von 66.929,98 EUR zugestellt worden. Die sog. Doppelfälle seien nahezu zu 90 % gekürzt worden. Ihr sei lediglich ein Anteil an identischen Patienten in Höhe von 8,7 % bis 11,6 % der Fälle belassen worden. Zugleich sei bei der Summenberechnung der Praxen ein jeweils für das Quartal fehlerhaft bestimmter Fallwert verwandt worden. Die Berechnung sei aus dem Bescheid nicht nachvollziehbar. Es dürften auch lediglich betroffene Leistungen einer Kürzung unterworfen werden. Es ergäben sich erheblich geringere Durchschnittswerte. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.07.2017 trug sie weiter vor, es fehle an einem Nachweis über das Vorliegen von Doppelfällen. Die 20 %- bzw. 30 %-Grenze seien auf die abrechnende Praxis zu beziehen. Von den genannten Beispielsfällen habe sie in fünf Fällen und die Praxis Dr. E. in acht Fällen für 27 Patienten überhaupt keine Duplizität des Überweisungsscheins feststellen können. Es müssten auch die Verwaltungskosten berücksichtigt werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2017 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, bei beiden Praxen handele es sich um versorgungsbereichsidentische Praxen, sodass ab einer Quote von 20 % die Abrechnung auffällig werde. Selbst wenn der Prozentsatz der gemeinsamen Patienten unter dem Aufgreifkriterium liege, könne die Implausibilität der Abrechnung festgestellt werden. Aus den weiteren Indizien ergebe sich, dass die Einzelpraxen tatsächlich in der Struktur einer Berufsausübungsgemeinschaft betrieben worden seien. Herr Dr. E. verfüge zwar über den Facharzttitel eines Orthopäden, er sei jedoch in diesem Facharztbereich nicht zugelassen und könne Leistungen aus dem orthopädischen Fachkapitel 18 nicht abrechnen. Die unterschiedlichen Leistungsspektren der Vergleichspraxen könnten die ungewöhnlich hohe Anzahl an identischen Patienten nicht rechtfertigen. Überweisungsfälle zwischen den beiden Praxen zur Durchführung spezieller Untersuchungen wären vor dem Hintergrund verschiedener Genehmigungen durchaus plausibel. So verfüge allein Herr Dr. E. über Abrechnungsgenehmigungen für Sonographien der Schilddrüse und der Urogenitalorgane. Leistungen nach den entsprechenden Nrn. 33012 und 33043 EBM fänden sich jedoch nicht innerhalb der Doppelfälle. Überweisungen von der Berufsausübungsgemeinschaft an den angestellten Kinderchirurgen fänden sich ebf. nicht. Aus den Beispielsfällen ergäben sich zwei Konstellationen. Es fänden sich solche Behandlungsfälle, in denen der Patient mit einer Überweisung zur Mit-/Weiterbehandlung von seinem Hausarzt oder einem anderen Facharzt bei der Klägerin oder in der Einzelpraxis des Dr. E. vorstellig werde. In einem Erstgespräch werde dann festgestellt, dass das zu behandelnde Krankheitsbild dem Tätigkeitsschwerpunkt des Praxisgemeinschaftspartners entspreche. Der Patient werde direkt im Anschluss an die jeweils andere Praxis verwiesen, wobei nur in einigen Fällen ein Überweisungsschein für diese Weiterbehandlung ausgestellt werde. Auf Grund der Überweisung zur Mitbehandlung könne bereits zu Beginn der Behandlung eine Zuordnung des Patienten zum spezialisierten Arzt erfolgen. Die Weiterbehandlung erfolge noch am gleichen Tag. Es würden gezielt Termine bei dem zuständigen Arzt freigehalten werden. Die Weiterbehandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner sei damit bereits vor dem Erstgespräch eingeplant. Die Analyse der Behandlungstage zeige, dass die Verwendung bzw. Duplizierung des ursprünglichen Überweisungsscheines eines externen Arztes zur Mit-/Weiterbehandlung in beiden Vergleichsgruppen im Quartal I/13 in 44 Fällen, im Quartal II/13 in 37 Fällen, im Quartal IV/13 in 39 Fällen, im Quartal I/14 in 18 Fällen und im Quartal II/14 in 25 Fällen erkennbar sei. Im Ergebnis stelle sich das in einer solchen Situation vorgenommene Erstgespräch als unzulässige Doppelbehandlung und -abrechnung dar. Die Klägerin erhalte als Chirurg die Grundpauschale, aber ohne die entsprechenden fachärztlichen Aufgaben (Umfassende Betreuung, Koordination, Dokumentation) zu erfüllen. Gleiches gelte für die chirurgische Grundversorgung nach Nr. 07220 EBM. Selbst wenn für beide Praxen ein Originalschein von einem Patienten eingereicht werde, so stelle die praktizierte geplante Mitbehandlung ebf. einen Gestaltungsmissbrauch dar. In weiteren Doppelfällen bestünden nach den Angaben der Klägerin gleichzeitig mehrere Krankheiten oder Beschwerden bei den Patienten, die auf Grund der Schwerpunktaufteilung eine Behandlung durch mehrere Ärzte erfordert hätten. Die Überweisung gelte jeweils für einen anderen Arzt für die Behandlung in einer Praxis. Er könne nicht für eine Mitbehandlung in einer weiteren Praxis verwandt werden. Die Behandlung durch zwei Ärzte entspreche nicht einer optimalen Patientenversorgung. Die Entscheidung, sich innerhalb der Chirurgie auf ein bestimmtes Gebiet zu beschränken, dürfe nicht zu doppelten Behandlungen oder zu unzulässigen Überweisungen führen. In einigen der Beispielsfälle handele es sich auch um getrennte Therapien eines eher einheitlichen Krankheitsgeschehens. Die Überweisungen für Leistungen, die ein Arzt hätte selbst erbringen können, seien rechtswidrig. Überweisungen an einen Arzt derselben Arztgruppe seien nur sehr eingeschränkt zulässig. Die von der Klägerin praktizierte Aufteilung von Leistungsbereichen untereinander und wechselseitige Behandlung eines Patienten durch mehrere Ärzte seien charakteristisch für eine Zusammenarbeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft. Wenn die gesamte Organisation darauf ausgerichtet sei, dass jeweils ein Arzt fast ausschließlich seinen Schwerpunkt im Leistungsspektrum betreue, dann werde die regelmäßige gegenseitige Mitbehandlung der Patienten der anderen Praxis in Kauf genommen. Auch für die Patienten entstehe der Eindruck eher einer als Berufsausübungsgemeinschaft agierenden Praxis. Die ambulanten Operationen neben dem umfangreichen normalen Praxisbetrieb bedingten vermutlich fest eingeplante Vertretungssituationen. Der Hinweis auf ein Beratungsgespräch rechtfertige keine andere Beurteilung. Ob auf die Indizwirkung von Patientenidentitäten eingegangen worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Eine Fürsorgepflicht bestehe nicht, weil die Empfehlung zur Bildung einer Praxisgemeinschaft nicht mit der Aufforderung zu einer bestimmten Abrechnungsweise gleichgestellt werden könne. Da beide Praxen die gemeinsamen Patienten sehr häufig auch am gleichen Tag behandelt hätten, sei ein hoher Anteil an gleichen Einlesedaten zunächst nicht implausibel. Die Auswertung der Fälle mit gleichem Einlesedatum habe jedoch ergeben, dass auch dann die Versichertenkarten in beiden Praxen registriert worden seien, wenn an diesem Tag nicht in beiden Praxen auch Behandlungen stattgefunden hätten. So wichen im Quartal I/13 bei 479 Doppelfällen nur in 34 der Doppelfälle die Termine für den ersten Behandlungstag voneinander ab. Bei 28 dieser Doppelfälle seien die Krankenversicherungskarten, wenn auch am gleichen Tag, in beiden Praxen eingelesen worden. Es werden 10 Beispielsfälle genannt. Eine bewusste Doppeleinlesung zur Vereinfachung des Praxisablaufs sei ein wesentliches Indiz für die faktisch fehlende Trennung der Praxen und Organisation wie in einer Berufsausübungsgemeinschaft. Dies verstoße auch gegen den Datenschutz, die ärztliche Schweigepflicht und gegen die Vorgaben der Bundesmantelverträge. Es sei von einem grob fahrlässigen Verhalten auszugehen. Sie habe ihr Schätzungsermessen korrekt ausgeübt. Um die unterschiedliche Größe der beiden geprüften Praxen bei der Berechnung der Kürzungssumme stärker zu berücksichtigen, sei im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine Vergleichsberechnung vorgenommen worden. Dabei sei die nach Abzug des Sicherheitsabschlags verbliebene Anzahl der Fälle prozentual entsprechend der Fallzahl auf die beiden verglichenen Praxen aufgeteilt worden. Für die Berufsausübungsgemeinschaft würde sich durch diese Vergleichsberechnung jedoch eine höhere Kürzungssumme ergeben, weil die Klägerin die nach den Fallzahlen größere Praxis betreue. Eine Schlechterstellung erfolge jedoch nicht, sodass es bei der Kürzungssumme verbleibe. Der Durchschnittsfallwert errechne sich aus dem Bruttohonorar geteilt durch die Fallzahl. Eine Honorarrückforderung unter 20 % an plausiblen Fällen erfolge nicht, weil bereits zuvor ein Sicherheitsabschlag von 30 % abgezogen werde. Im Übrigen habe das LSG Hessen entschieden, dass es unschädlich sei und keiner Benachteiligung für den Arzt darstelle, wenn der Anteil an plausiblen Fällen im zweiten Rechnungsschritt unter einer Quote von 20 % falle. Es bedürfe keiner Berichtigung einzelner Leistungen. Bei der Plausibilitätsprüfung werde für die gesamte Praxistätigkeit festgestellt, dass diese implausibel sei. Daher sei es gerechtfertigt, die Rückforderungsberechnung auf die gesamte Abrechnung zu beziehen. Die implausiblen Leistungen beschränkten sich auch nicht nur auf die z. B. für das Erstgespräch abgerechnete Grundpauschale. Auf eine Budgetierung der Leistungen komme es nicht an.

Gegen den am 02.12.2017 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 02.01.2018 die Klage erhoben. Unter weitgehender Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren, auf das sie verweist, ist sie weiterhin der Auffassung, die Beklagte habe einen Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten sowie Vorsatz zur Verschaffung vertragsärztlichen Honorars nicht nachgewiesen. Es fehle am Aufgreifkriterium der mindestens 20 %-igen Überschreitung der Anzahl identischer Patienten. Es fehle am Nachweis der Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft. Darauf weise auch der Umstand hin, dass im Quartal III/13 keine Auffälligkeit festgestellt worden sei. Beide Praxen hätten auch eigene Sprechstundenzeiten unabhängig voneinander angegeben. Ergänzend führt sie aus, bei einer Terminvereinbarung könne keine fernmündliche Diagnosestellung durch die nichtärztlichen Mitarbeiter erfolgen. Dies würde auch einen Gestaltungsmissbrauch darstellen. Der Vorhalt, es sei eine Behandlung am gleichen Tag in der weiteren Praxis möglich und sogar eingeplant, stelle eine reine Behauptung dar. Die Versichertenkarte werde in der weiteren Praxis erst nach erfolgter Untersuchung des Erstbehandlers und erneuter Vorstellung in der Anmeldung zur Terminabsprache bei dem Partner der Praxisgemeinschaft eingelesen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2017 aufzuheben,

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, sie müsse nicht nachweisen, dass die identischen Patienten in einer der beiden Praxen nicht oder im unnötigen Umfang behandelt worden seien. Bei der missbräuchlichen Nutzung von Kooperationsformen komme es gerade darauf an, dass eine gemeinsame ärztliche Behandlung an identischen Patienten vorgenommen werde, obwohl die Ärzte tatsächlich nur eine Praxisgemeinschaft bildeten. Eine solche missbräuchliche Nutzung habe sie hinreichend nachgewiesen. Der Anteil identischer Patienten betrage bei Herrn Dr. E. – gemessen an der Gesamtfallzahl der Praxis – über 20 %. Bei der weitergehenden Prüfung stellten sich die Doppelfälle als implausibel dar. Sie habe sich detailliert mit dem klägerischen Vortrag auseinandergesetzt. Die Klägerin habe auch grob fahrlässig gehandelt. Sie habe ihr Schätzungsermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Berechnungsergebnisse für die Praxis Dr. E. hätten folgende Werte ergeben:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann:

Quartal Klägerin Fallzahl (inkl. SKT) Gemeinsame Patienten Prozent
I/13 989 479 50,00
II/13 1.674 396 23,66
IV/13 1.568 436 27,81
I/14 1.890 411 21,75
II/14 1.766 366 20,72

Für das Quartal III/13 hätte die Patientenidentität unter 20 % gelegen. Sie habe aber immer noch 19,21 % betragen, bezogen auf die klägerische Praxis 11,82 %. Mangels Erfüllung des Aufgreifkriteriums habe sie von einer weiteren Prüfung abgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 30.07.2019 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer hat bereits mehrfach über vergleichbare Sachverhalte entschieden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 13.04.2018 - S 12 KA 34/17 - juris, Berufung anhängig LSG Hessen - L 4 KA 24/18; Urt. vom 02.04.2014 - S 12 KA 634/12 - juris; Urt. vom 29.01.2014 - S 12 KA 359/12 u. S 12 KA 360/12 - juris, Berufung durch LSG Hessen, Urt. v. 30.11.2016 - L 4 KA 22/14 - juris entschieden (Klageabweisung insgesamt); Urt. vom 08.05.2013 - S 12 KA 435/12 - juris, Berufung LSG Hessen - L 4 KA 33/13 - am 10.07.2013 zurückgenommen; Urt. vom 05.12.2012 - S 12 KA 80/12 - juris, Berufung LSG Hessen - L 4 KA 5/13 - durch Vergleich am 29.07.2015 erledigt; Gerichtsb. v. 02.07.2014 - S 12 KA 483/13 - juris, Berufung beim LSG Hessen - L 4 KA 50/14 - durch Vergleich am 12.09.2016 erledigt; Gerichtsb. v. 15.10.2014 - S 12 KA 588/12 und 592/12 - juris, Berufung LSG Hessen - L 4 KA 80/14 - am 15.05.2015 zurückgenommen; Gerichtsb. v. 10.08.2017 - S 12 KA 136/17 WA - juris).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist im Ergebnis aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2017 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Dies wird nunmehr durch den ab 01.01.2004 geltenden § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V klargestellt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Dies galt auch bereits zuvor auf der Grundlage der genannten bundesmantelvertraglichen Regelungen.

Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, zitiert nach juris Rdnr. 11 m.w.N.)

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat. Dementsprechend erfolgt eine sachlich-rechnerische Richtigstellung z. B. bei der Abrechnung fachfremder Leistungen oder qualitativ mangelhafter Leistungen, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten, bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden, bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4, juris Rdnr. 26 f. m.w.N.).

Bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft können Honorarbescheide korrigiert werden.

Für die berufliche Kooperation im Status der Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) (Ärzte-ZV) ist kennzeichnend, dass sich mehrere Ärzte des gleichen Fachgebietes oder ähnlicher Fachgebiete zur gemeinsamen und gemeinschaftlichen Ausübung des ärztlichen Berufs in einer Praxis zusammenschließen, wobei - über die gemeinsame Nutzung der Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Personal hinaus - die gemeinschaftliche Behandlung von Patienten und die gemeinschaftliche Karteiführung und Abrechnung in den Vordergrund treten. Einen Schwerpunkt bildet die Zusammenarbeit zur gemeinsamen Einnahmenerzielung. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft ist neben einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis grundsätzlich auch eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem "Goodwill") erforderlich, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein kann. Diese Form der Zusammenarbeit bedarf vorheriger Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV). Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung an gemeinsamen Patienten dient. Mit ihr wird vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen. Es verbleibt bei der selbstständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr. 6, juris Rdnr. 14 f. m.w.N.).

Behandeln die Partner einer Praxisgemeinschaft die Patienten zu einem hohen Anteil gemeinschaftlich, bedienen sie sich der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft missbräuchlich. Die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbarten Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KVen und der Krankenkassen (DÄ 2004, A-2555) (im Folgenden: ARL 2005) sowie die mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) als Nachfolgeregelung vereinbarten Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen gemäß § 106d Abs. 6 SGB V (Abrechnungsprüfungs-Richtlinien) (Stand 07.03.2018, im Folgenden: ARL, zitiert nach www.kbv.de) geben in § 11 Abs. 2 ARL 2005 bzw. § 10 Abs. 2 ARL für die Plausibilitätsprüfung bereits bei 20 % Patientenidentität in (teil-)gebietsgleichen/versorgungsbereichsidentischen bzw. 30 % bei gebietsübergreifenden/versorgungsübergreifenden Praxisgemeinschaften die Annahme einer Abrechnungsauffälligkeit vor. Diese Aufgreifkriterien lassen die in den Richtlinien vorgenommenen Grenzziehungen erkennen, dass jedenfalls dann, wenn zwei in der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebietes annähernd bzw. mehr als 50 % der Patienten in einem Quartal gemeinsam behandeln, tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft kennzeichnende gemeinsame und gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch Behandlung eines gemeinsamen Patientenstammes stattfindet. Bei einer derart hohen Patientenidentität muss das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft typische einheitliche Praxisorganisation erfordert (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19 f.; BSG, Beschl. v. 05.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris Rdnr. 12).

Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten – abgesehen von Notfällen – abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken.

Nach diesen Kriterien hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinreichend nachgewiesen. Sie hat in den angefochtenen Bescheiden im Einzelnen zutreffend dargelegt, dass der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten in den streitbefangenen Quartalen bei der Klägerin 13,40 % bis 17,87 % und bei dem Praxisgemeinschaftspartner 20,72 % bis 50,00 EUR beträgt. Entscheidend für die Erfüllung der Aufgreifkriterien nach der ARL 2005 bzw. ARL ist aber der Anteil gemeinsamer Patienten bei der kleineren Praxis.

Die Kammer hält es für zutreffend, dass bei der Frage, wie viele Patienten gemeinsame sind und ob dies nach ärztlicher Erfahrung noch plausibel ist, nur auf die jeweils kleinere Praxis abgestellt wird, denn sonst könnte bei stark unterschiedlicher Praxisgröße - selbst wenn in der kleineren Praxis ausschließlich Fälle abgerechnet würden, die auch in der größeren zur Abrechnung gelangen - das Verhalten der größeren Praxis überhaupt nicht beanstandet werden (so zutreffend LSG Bayern, Urt. v. 28.03.2007 - L 12 KA 216/04 - Breith 2007, 820, juris Rdnr. 23; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 - L 12 KA 563/04 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 30 m.w.N., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008 57265; im Anschluss hieran bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 80/12GesR 2013, 225, juris Rdnr. 40; SG Berlin, Urteil v. 28.08.2013 - S 22 KA 545/10).

Hinzu kommt, dass die Beklagte festgestellt hat, dass sowohl von der Klägerin, als auch von dem Praxisgemeinschaftspartner bei sehr vielen der gemeinsam behandelten und abgerechneten Patienten die Versichertenkarten (eGK) taggleich in beiden Praxisverwaltungssystemen eingelesen wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass auch dann die Versichertenkarten in beiden Praxen registriert wurden, wenn an diesem Tag nicht in beiden Praxen auch Behandlungen stattfanden. Ein Einlesen und Speichern der Daten der Krankenversichertenkarte vor Erbringung einer Leistung (Vorabeinlesung) im Rahmen einer Praxisgemeinschaft ist, wenn es nicht nur in ganz vereinzelten Fällen vorkommt, ein deutliches und kaum zu widerlegendes Indiz für das Vorliegen einer tatsächlichen Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 10.08.2017 - S 12 KA 136/17 WA - juris Rdnr. 40).

Die Klägerin hat letztlich bereits mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren selbst dargelegt, dass die Praxis wie eine Berufsausübungsgemeinschaft geführt wird. Die Klägerin hat vorgetragen, im Rahmen der Praxisgemeinschaft seien die Organisationsabläufe unter Berücksichtigung einerseits der entsprechenden Schwerpunkttätigkeiten der verschiedenen Kollegen, andererseits der Benutzungsmöglichkeit der OP-Räume und der Praxisräume festgelegt worden, auch sei die Betreuung der Patienten während der OP-Tätigkeit eines Kollegen von den anderen Kollegen vertretungsweise übernommen worden, letzteres offensichtlich nicht nur innerhalb der Berufsausübungsgemeinschaft, sondern auch innerhalb der Praxisgemeinschaft. Damit hat die Klägerin eingeräumt, dass die Behandlung nicht strikt zwischen beiden Praxen getrennt verlief, sondern maßgeblich die fachliche Qualifikation oder der gewählte Schwerpunkt des jeweiligen Arztes war. Eine solche, sicherlich sinnvolle Arbeitsteilung ist allerdings nur innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft und nur sehr begrenzt innerhalb einer Praxisgemeinschaft möglich (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 02.07.2014 - S 12 KA 483/13 - juris Rdnr. 35 für eine zeitliche Arbeitsteilung). Innerhalb einer Praxisgemeinschaft bedarf es hierfür einer Überweisung oder es müssen die Voraussetzungen für eine Vertretung (§ 32 Abs. 1 Ärzte-ZV) vorliegen. Überweisungen an einen Vertragsarzt derselben Arztgruppe sind aber nur sehr eingeschränkt zulässig (vgl. § 24 Abs. 4 BMV-Ä) und setzten eine förmliche Überweisung voraus (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä), die nur in wenigen Fällen ausgestellt wurde. Die Arbeitsteilung innerhalb der Praxisgemeinschaft erfolgte aber gerade ohne förmliche Überweisung. Auch hat die Beklagte dargelegt, dass gerade besondere Genehmigungen für bestimmte Leistungen nicht bei einzelnen Ärzten der Praxisgemeinschaft bestehen. Soweit solche bestehen, werden diese Leistungen im Regelfall nicht bei den Doppelfällen erbracht. Besonders deutlich wird aber das Behandeln wie in einer Berufsausübungsgemeinschaft durch das - unzulässige - Duplizieren der Überweisungsscheine, wodurch die Behandlung und Abrechnung beider Praxisgemeinschaftspartner ermöglicht werden sollte. Durch die von der Praxisgemeinschaft praktizierte, im vertragsarztrechtlichen System aber unzulässige Arbeitsteilung resultieren zwangsläufig die von der Beklagten festgestellten sog. Doppelfälle. Insofern kommt es nicht darauf an, ob "Abrechnungsmanipulationen" vorliegen. Jedenfalls hat sich die arbeitsteilige Vorgehensweise nicht auf eine gemeinsame Organisation des Praxisbetriebs bzgl. Raum und Personal beschränkt, sondern hatte gerade auch die ärztliche Behandlung zum Inhalt. Soweit die Klägerin sich auf eine entsprechende Beratung der Beklagten beruft, fehlt es an einer substantiierten Darlegung und an einem Nachweis, dass gerade die von der Praxisgemeinschaft praktizierte Arbeitsteilung von der Beklagten gutgeheißen wurde.

Ein Vertretungsfall kann nur dann angenommen werden, wenn der Vertragsarzt aus einem besonderen Grund "an der Ausübung seiner Praxis verhindert" ist, d. h. nicht nur stundenweise abwesend ist und die Praxis insgesamt geschlossen bleibt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 08.06.2007 - L 3 KA 9/07 ER - juris Rdnr. 31). Nach dem Bundesmantelvertrag ist der Vertragsarzt gehalten, seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches festzusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä). Bei der Verteilung der Sprechstunden auf den einzelnen Tag sollen die Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z. B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen) berücksichtigt werden (§ 17 Abs. 2 BMV-Ä). Der Vertragsarzt war und ist gehalten, in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen "Vertreter" aufzusuchen. Dies folgt bereits aus seinen allgemeinen vertragsärztlichen Pflichten (§ 95 Abs. 3 SGB V). Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Nur bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 und 4 Ärzte-ZV). Eine Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft kann nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Praxisgemeinschaft geführt werden; der Vertragsarzt hat in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen "Vertreter" aufzusuchen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 - S 12 KA 30/10 R - juris Rdnr. 40 ff.; Urt. v. 11.04.2018 - S 12 KA 34/17 - juris Rdnr. 39).

Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R – a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 – L 12 KA 563/04 – juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.09.2008 – B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten – abgesehen von Notfällen – abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Die gesamte von derselben Arztpraxis (Vertragsarzt, Vertragspsychotherapeut, Berufsausübungsgemeinschaft, Medizinisches Versorgungszentrum) innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung gilt jeweils als Behandlungsfall (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä).

Angesichts dieser Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts erweisen sich die von der Klägerin in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen sie die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt haben, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - a.a.O., Rdnr. 69). Der Beklagten kommt dabei ein weites Schätzungsermessen zu, da mit der Implausibilität der Abrechnung aufgrund des Formenmissbrauchs die Abrechnung selbst nicht mehr ausschlaggebend sein kann.

Die Abrechnungssammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Dies gilt auch für implausible Abrechnungen. Wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungssammelerklärung ist weiter vorauszusetzen, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1, juris Rdnr. 21 f.). Angesichts der im Einzelnen von der Beklagten dargelegten Implausibilität der Abrechnung für alle streitbefangenen Quartale ist von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten der Klägerin auszugehen. Es bedarf eines Nachweises im Einzelfall dann nicht mehr, wenn entweder eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen oder eben die Implausibilität der Abrechnung nachgewiesen ist. Der Nachweis der Implausibilität der Abrechnung steht insofern dem Nachweis einer unrichtigen Angabe über erbrachte Leistungen gleich bzw. ersetzt diesen. Im Übrigen hat die Beklagte auch für jedes Quartal wenigstens einen Einzelfall nachgewiesen.

Keinesfalls steht den in einer vorgetäuschten Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten mehr an Honorar zu, als ihnen zu zahlen gewesen wäre, wenn sie auch rechtlich eine genehmigte Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft im Sinne von § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV gebildet hätten (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 22). Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Ärzten auch tatsächlich das Honorar zu zahlen wäre, das sie erhalten hätten, wenn sie legal in einer genehmigten Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet hätten. Das BSG (ebd.) führt vielmehr weiter aus, dass jedenfalls bei einer Patientenidentität von mehr als 50 % bei formal unter der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten desselben Fachgebiets solche Gebührentatbestände des EBM, bei denen bei einer Behandlung in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft eine Vergütung für ein Quartal höchstens einmal gewährt werden kann, bei keinem Praxisgemeinschaftspartner zu berücksichtigen seien, denn insoweit scheide eine vergütungsrechtliche Zuordnung der Leistungen zu einem der Vertragsärzte aus. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung solche Gegenrechnungen bzw. Saldierungen abgelehnt, weil dadurch die Ordnungsvorgaben des Vertragsarztsystems unterlaufen würden. Honorarkürzungen dürfen sich vielmehr auf das gesamte Honorar erstrecken, das auf rechtswidrige Weise erlangt wurde, ohne dass gegenzurechnen ist, was bei rechtmäßigem Verhalten als Honorar zu zahlen gewesen wäre; in solchen Fällen kann eine Honorarneufestsetzung im Wege einer Schätzung erfolgen. Diese Grundsätze gelten auch in Fällen des Missbrauchs der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft. Dabei können auch deutlich unter 50% liegende Quoten ausreichen, um Vergütungen, die bei Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis bzw. Berufsausübungsgemeinschaft nur einmal zu zahlen wären, beiden Ärzten zu kürzen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265, Rdnr. 9 ff.).

Eine "Beratung vor Regress" ist gesetzlich nur und erst seit Neuerem für eine Richtgrößenprüfung vorgeschrieben, nicht aber für ein Verfahren nach § 106a SGB V a.F. bzw. § 106d SGB V.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Berechnung des Berichtigungsbetrags nicht zu beanstanden. Bei der Berechnung der Rückforderung wurden zugunsten der Klägerin 30% der Doppelbehandlungsfälle als zutreffend unterstellt und die verbleibenden gemeinsamen Fälle beiden Partnern der Praxisgemeinschaft zugerechnet, d.h. nochmals halbiert. Damit ist der Klägerin in erheblichem Umfang Honorar für einen Anteil von Patientenidentitäten belassen worden, so dass Fehler bei der sachgerechten Ausübung des Schätzungsermessens nicht ersichtlich sind (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 30.11.2016 - L 4 KA 22/14 - juris Rdnr. 55). Zwar bestehen grundsätzlich Bedenken bei der Ausübung des Schätzungsermessens hinsichtlich des Gebots der Gleichbehandlung, da die Vorgehensweise der Beklagten zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Die Kammer hat aber bereits im Urteil vom 08.05.2013 - S 12 KA 435/12 - a.a.O., Rdnr. 59 die Kürzung nicht beanstandet, wenn trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % einem Kläger erheblich mehr als 20 % gemeinsame Fälle nicht beanstandet worden sind. Diese Bedenken beziehen sich aber im Wesentlichen auf den Anteil zulässiger Vertretungsfälle, was offensichtlich im vorliegenden Fall nur von allenfalls geringer Bedeutung ist.

Nicht zu beanstanden war auch bei der Berechnung der Kürzung die Einbeziehung des gesamten Honorars. Insofern war die Beklagte nicht gehalten, konkret die potentielle Mehrabrechnung zu berechnen, sondern konnte von Durchschnittswerten ausgehen.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Kammervorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
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