L 8 R 736/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2562/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 736/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung aus § 103 SGG liegt vor, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen.
2. Das Nichterscheinen des Klägers zu einer Begutachtung im Verwaltungsverfahren rechtfertigt es regelmäßig nicht, im gerichtlichen Verfahren von einer für erforderlich gehaltenen Ermittlung des medizinischen Sachverhalts abzusehen.
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.01.2020 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger ist gelernter Kaufmann im Groß- und Außenhandel und war zuletzt als Barkeeper bis zum 14.02.2011 versicherungspflichtig beschäftigt. Danach bezog er Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit vom 21.02.2011 bis zum 22.12.2011 und ab dem 01.01.2012 bis auf Weiteres Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Das Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis stellte nach § 5 Abs. 3 SGB II am 24.09.2018 einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Das Jobcenter legte eine sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit von Dr. G. vom 02.08.2018, wonach ein Leistungsvermögen infolge einer ausgeprägten psychischen Minderbelastbarkeit voraussichtlich über sechs Monate von täglich weniger als 3 Stunden vorliege sowie einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. E. vom 06.06.2018 (Diagnosen: rezidivierende reaktive depressive Verstimmung, Dysthymie, psychovegetative Begleitbeschwerden, Somatisierungsstörung sowie posttraumatische Belastungsstörung in der Anamnese, Bl.17 bis 19) bei. Der Kläger selbst führte in der Begründung seines Rentenantrages an, dass ihn Kriegserlebnisse vom Krieg in Kroatien vor 27 Jahren täglich einholten, er Alpträume und Ängste.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 27.09.2018 mit, dass zur Bearbeitung des Antrages die vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Formvordrucke benötigt würden. Mit Schreiben vom 11.10.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie den Vordruck R 0210 erhalten habe, jedoch noch die Vordrucke R 0100 und R 0810 benötige. Mit Schreiben vom 08.11.2018 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrages auf volle Erwerbsminderung wegen fehlender Mitwirkung an. Mit Schreiben vom 16.11.2018 reichte der Kläger die benötigten Vordrucke ein.

Mit Schreiben vom 13.12.2018 teilte die Beklagte dem Jobcenter Rhein-Neckar mit, dass der Kläger erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGBII sei, da er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Er sei nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGBVI bzw. § 43 Abs. 3 SGBVI, weil er unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Mit Bescheid vom 13.12.2018 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab und führte aus, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Rente nicht erfüllt seien.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 22.12.2018, eingegangen bei der Beklagten am 03.01.2019 Widerspruch gegen die Ablehnung der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ein. Der Kläger trug, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 18.02.2019 vor, dass er seit Jahren an einer posttraumatischen Belastungsstörung geprägt von den eindrücklichen und grausamen Erlebnissen während seiner Kindheit in Jugoslawien bei den sogenannten Jugoslawienkriegen leide. Es liege ein totaler sozialer Rückzug vor. Er könne anderen Menschen nicht mehr vertrauen. Auch in banalen Situationen fühle er sich bedroht und in die Enge getrieben, beobachtet oder verfolgt. Es bestehe sicherlich keine Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr.

Die Beklagte zog einen Befundbericht von Dr. E. vom 04.03.2019 bei (Diagnosen: Dysthymie, rezidivierende reaktiv depressive Verstimmung, Somatisierungsstörung, psychovegetatives Syndrom).

Dr. K., Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie teilte in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 10.12.2018 mit, dass nach dem Befundbericht des von Dr. E. eine posttraumatische Belastungsstörung nicht gesichert sei und diese Verdachtsdiagnose auch psychotherapeutisch nicht behandelt werde. Die Therapieoptionen seien nicht ausgeschöpft. Es sei eine weitere Diagnostik erforderlich. Es liege weiterhin ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Barkeeper sowie für schwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vor.

Nachdem der Kläger einen Termin zur Begutachtung am 08.04.2019 nicht wahrgenommen hatte und einen weiteren Termin zur Begutachtung am 24.05.2019 aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnahm, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2019 zurück und führte aus, dass der Kläger die Beweislast für die anspruchsbegründende Tatsache der Erwerbsminderung trage. Dieser Beweis hätte durch die Ergebnisse der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung erbracht werden können. Der Kläger habe jedoch die Begutachtung nicht wahrgenommen. Die Nichterweislichkeit der rechtserheblichen Tatsache gehe zu Lasten desjenigen, der aus dem zu beweisenden Umstand für sich Rechte herleiten wolle. Der Nachweis des Vorliegens einer Erwerbsminderung sei daher nicht erbracht. Der Widerspruchsausschuss habe keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Kläger nur noch weniger als 6 Stunden und auch weniger als 3 Stunden täglich arbeiten könne.

Der Kläger hat hiergegen vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten am 09.09.2019 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und hat zur Klagebegründung im Wesentlichen das Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt.

Der Kläger hat am 25.09.2019 die Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht vorgelegt und darin ausgeführt, dass er seit dem 14.10.2008 und bis auf Weiteres zuletzt am 19.09.2019 bei Dr. E. in Behandlung gewesen sei. Der Kläger hat des Weiteren Ausführungen zum Ausmaß seiner Beschwerden gemacht.

Zudem hat der Kläger mit Schreiben vom 18.11.2019 vorgetragen, dass die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen zu befragen seien und ein medizinisches Sachverständigengutachtennach § 106 SGG einzuholen sei.

Mit Schreiben vom 02.12.2019 hat das SG den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, nach § 105 Abs.1 Satz1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, da die Sache nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Verfahrensweise bis zum 10.01.2020 angehört.

Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 10.12.2019 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 19.12.2019 mitgeteilt, dass er nicht mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei. Er beantrage die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nach § 106 SGG. Sollte das Gericht hierzu nicht bereit sein, bitte er um Nachricht, sodass dann gegebenenfalls ein Gutachten nach § 109 SGG gestellt werden könne.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2020 abgewiesen und hat ausgeführt, dass bei dem Kläger keine Erwerbsminderung vorliege, da er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden im Rahmen einer Fünftagewoche verfüge. Das Gericht sei nach der Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. überzeugt, dass der Kläger mit einer Dysthymie, einer rezidivierenden reaktiv depressiven Verstimmung, einer Somatisierungsstörung und einem psychovegetativen Syndrom leide, noch mindestens 6 Stunden schwere körperliche Tätigkeiten verrichten könne. Es könne auch zu keinem anderen Ergebnis führen, dass der Kläger nicht gewillt gewesen sei, die von der Beklagten beabsichtigte gutachterliche Untersuchung durchzuführen. Auch im Hinblick auf die Arztbriefe von Dr. E. vom 06.06.2018 und 04.03.2019 habe es keinen eine Amtsermittlungspflicht auslösenden Anhaltspunkt gegeben. Vor diesem Hintergrund vermöge auch die lediglich nach Aktenlage erfolgte Stellungnahme der Agentur für Arbeit vom 02.08.2018, wonach der Kläger arbeitstäglich unter 3 Stunden leistungsfähig sein soll, nicht überzeugen. Dr. E. habe keine posttraumatische Belastungsstörung, sondern lediglich eine Dysthymie, eine rezidivierende reaktiv depressive Verstimmung, eine Somatisierungsstörung und ein psychovegetatives Syndrom diagnostiziert und im Einklang hiermit in seinen Arztbriefen den Kläger als bewusstseinsklar voll orientiert, lediglich psychomotorisch angespannt, labil, wenig schwingungsfähig mit reduziertem Antrieb geschildert. Im Übrigen erforsche das Gericht nach § 103 SGG den Sachverhalt von Amts wegen und sei an das Vorbringen sowie die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Die amtliche Sachaufklärungspflicht finde ihre Grenze mithin an der Mitwirkungslast der Verfahrensbeteiligten. Das Gericht habe bereits mit der Gerichtsbescheidsanhörung vom 02.12.2019 zu erkennen gegeben, dass die Sachverhaltsermittlung abgeschlossen sei und damit keine Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt seien. Es sei auch nicht rechtzeitig ein konkreter Antrag nach § 109 SGG gestellt worden.

Der Kläger hat gegen den am 03.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 02.03.2020 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, dass das SG zu Unrecht von einem arbeitstäglichen Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden im Rahmen eine Fünftagewoche ausgegangen sei. Der Kläger leide an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung in Form einer Dysthymie, an einer rezidivierenden reaktiven depressiven Verstimmung, einer Somatisierungsstörung und einem psychovegetativen Syndrom. Zudem bestehe seit Jahren eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Kläger erlebe die bedrückenden Situationen aus dem Jugoslawienkrieg täglich neu. Damit im Zusammenhang stünden ständige Gefühle der Unruhe, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Angstgefühle, Angst- und Panikattacken, Schweißausbrüche und Herzjagen. Es sei zu einem totalen sozialen Rückzug gekommen. Nach Auffassung von Dr. E., welcher den Kläger seit Jahren behandle, bestehe keine Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr. Auch werde die Beiziehung der Akten des Jobcenters beantragt. Zudem werde beantragt, die behandelnden Ärzte des Klägers, wie sie sich aus dem Fragebogen des Gerichts ergeben als sachverständige Zeugen zu befragen und ein medizinisches Sachverständigengutachten nach § 106 SGG einzuholen. Das SG habe kurzen Prozess gemacht und weder den Kläger behandelnden Arzt befragt noch ein Gutachten nach § 106 SGG eingeholt. Es habe sich alleine auf die Verwaltungsakte der Beklagten bezogen und insbesondere die Stellungnahme der von der Beklagten bezahlten Ärztin Dr. K. herangezogen. Es handle sich bei Dr. K., da diese bei der Beklagten angestellt sei, nicht um eine unabhängige Zeugin, sondern sie stehe eindeutig im Lager der Beklagten, ihres Arbeitgebers. Das SG habe sich hiervon auch insbesondere nicht von einer Stellungnahme der Agentur für Arbeit vom 02.08.2018 abbringen lassen, obwohl dort eine Leistungsfähigkeit von arbeitstäglich unter 3 Stunden aufgeführt war. Der wesentlich behandelnde Arzt Dr. E. sei vom SG nicht befragt worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.01.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2019 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Klageerwiderung auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Landessozialgericht durch Urteil eine mit der Berufung angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung sind erfüllt. Ein Mangel des Verfahrens liegt vor, wenn gegen eine das gerichtliche Verfahren regelnde Vorschrift verstoßen worden ist. Wesentlich ist dieser Mangel, wenn die Entscheidung darauf beruhen kann (allgemeine Meinung, stellvertretend Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn 3, 3a).

Ein zur Zurückverweisung berechtigender wesentlicher Verfahrensmangel liegt insoweit vor, als das SG den entscheidungserheblichen Sachverhalt entgegen der Verpflichtung zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) nicht hinreichend aufgeklärt hat. Eine Verletzung des § 103 SGG liegt vor, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (Mushoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 103 SGG - Stand: 21.04.2020 – Rn. 90ff; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.03.2016 – L 8 R 710/15 –, juris). Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz ist ein wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinne der § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG und § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG. Weil die Beteiligten auf eine ordnungsgemäße Aufklärung des Sachverhalts nicht verzichten können, können Verstöße gegen § 103 SGG über § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 295 ZPO nicht geheilt werden.

Die Pflicht zur Amtsermittlung ist dem Verantwortungsbereich des Gerichts zugewiesen. Nicht die Beteiligten, sondern das Gericht bestimmt, welche Angaben für die von ihm zu treffende Entscheidung erforderlich sind. Das Gericht entscheidet im Rahmen von Zweckmäßigkeitsüberlegungen nach dem Studium der Akten über die Reihenfolge der zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Maßnahmen. Diese Aufgaben darf das Gericht nicht an die Beteiligten delegieren. Es hat die Sachverhaltsermittlungen nach seinem pflichtgemäßen Ermessen unabhängig vom Willen und der Interessenlage einzelner Prozessbeteiligter durchzuführen. Das Gericht muss sich nicht mit den von einem Kläger angebotenen Beweismitteln begnügen, wenn es die Angaben für unzureichend erachtet, weil es diese nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen kann (Mushoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 103 SGG - Stand: 21.04.2020 - Rn. 19).

Zu ermitteln sind alle Tatsachen, die, ausgehend von der Rechtsauffassung des Sozialgerichts, für die Entscheidungsfindung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich sind. Das Ausmaß der Aufklärung und die Wahl der Beweismittel sind in das pflichtgemäße richterliche Ermessen des Gerichts gestellt. Es hat diejenigen Ermittlungen durchzuführen, zu denen es sich nach der Sach- und Rechtslage gedrängt fühlen muss.

Welcher Beweismittel sich das Gericht bedient, ist eine Frage der pflichtgemäßen richterlichen Ermessensausübung. Das Gericht ist gehalten, diejenigen Beweismittel zu verwenden, die nach den Umständen des Einzelfalles zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geeignet und erforderlich sind. Umfang und Reihenfolge der Ermittlungen sind zum Teil durch die Umstände des Einzelfalls vorgegeben. So hat das Gericht vor der Beauftragung eines Sachverständigen häufig die erforderlichen medizinischen Befunde der behandelnden Ärzte einzuholen, ohne die z.B. verlässlichen Aussagen über den Zeitpunkt des Leistungsfalls häufig nicht möglich sind. Bei streitigem Sachverhalt hat das Gericht zunächst die Tatsachen zu ermitteln, die es dem Sachverständigen vorzugeben hat (§ 404a Abs. 3 ZPO).

Rechtsgrundlagen für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind die §§ 43, 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), die in dem angefochtenen Gerichtsbescheid in der maßgeblichen Fassung wiedergegeben worden sind.

Für einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ist danach klärungsbedürftig, ob der Kläger aus medizinischen Gründen voll oder teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Sätze 2 und 3, Abs. 3 SGB VI) und ob er die sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt (§§ 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 2 und 3 und Abs. 4 bis 6, 241 SGB VI).

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind nach dem Versicherungsverlauf des Klägers unstreitig erfüllt.

Eine klageabweisende Entscheidung kann sich deshalb nur dadurch rechtfertigen, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht nachzuweisen sind. Das SG war angesichts dessen gehalten, Ermittlungen zur Aufklärung des Leistungsvermögens des Klägers anzustellen. Der Kläger hat in der am 25.09.2019 beim SG eingereichten Entbindungserklärung den Neurologen und Psychiater Dr. E. als behandelnden Arzt mit einer Behandlungsfrequenz von 14 bis 30 Tagen, zuletzt am 19.09.2019 benannt.

Das SG hätte sich gedrängt sehen müssen, nach der Vorlage der Entbindungserklärung und der Benennung des Arztes entsprechend der Beweisanregung in der Klagebegründung vom 18.11.2019 sowie den Ausführung des Klägers zu seinem Gesundheitszustand in der Entbindungserklärung den Schweregrad der Diagnosen und der Befunde auf psychiatrischem Gebiet sowie die hieraus sich möglicherweise ergebenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin durch Befragung des behandelnden Psychiaters als sachverständigen Zeugen (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG iVm § 414 ZPO) zu ermitteln. Nach Überzeugung des Senats kommt es für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 SGB VI) entscheidend darauf an, wie das Leistungsvermögen des Klägers insbesondere in zeitlicher Hinsicht auf Grundlage seiner Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet zu bewerten ist. Zur Beantwortung dieser Frage muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (stRspr, vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 24.04.2014 – B 13 R 325/13 B –, juris mwN). Von einer Beweisaufnahme darf ein Gericht deshalb nur dann absehen bzw. einen Beweisantrag nur dann ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn sie also als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache bzw. ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 406/06 B - Juris RdNr 8; Senatsbeschluss vom 20.10.2010 - B 13 R 511/09 B - Juris RdNr 14 mwN).

Das SG war danach zunächst gehalten, durch Vernehmung des benannten aktuell behandelnden Arztes weitere Erkenntnisse über den Verlauf und Schweregrad der Erkrankung des Klägers zu erlangen. Die von Dr. E. im Verwaltungsverfahren mitgeteilten Befunde lassen überdies nicht ohne weitere Ermittlungen den Schluss zu, dass noch ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen besteht. Insofern hat auch die Beklagte folgerichtig eine Begutachtung des Klägers in die Wege geleitet. Dass diese nicht durchgeführt werde konnte, enthebt das SG noch nicht von der Amtsermittlungspflicht im nachfolgenden erstinstanzlichen Verfahren. Erst wenn der Kläger dann abermals einer Aufforderung zur Begutachtung nicht nachkommt oder die zur Vernehmung der behandelnden Ärzte benötigten Entbindungserklärung nicht vorlegt, kann eine Mitwirkungspflichtverletzung und eine Entbehrlichkeit weiterer Ermittlungen – auch nach § 109 SGG (vgl. hierzu Senatsurteil vom 14.12.2018 – L 8 R 2569/17 –, juris) - angenommen werden. Das SG war somit trotz der gescheiterten Begutachtung im Verwaltungsverfahren gehalten, zumindest den benannten und von der Schweigepflicht entbundenen aktuell behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen zu hören. Ob eine Begutachtung erforderlich ist und ob der Kläger einer Aufforderung zur Begutachtung Folge leisten wird, war zu diesem Zeitpunkt daher noch nicht entscheidungsrelevant. Zwar kommt den schriftlichen Äußerungen behandelnder Ärzte nur der Charakter von Auskünften (§ 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG) oder schriftlicher Aussagen sachverständiger Zeugen (§§ 106 Abs. 4, 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit §§ 377 Abs. 3, 414 Zivilprozessordnung [ZPO]) zu. Sie vermitteln dem Gericht deshalb nicht zwangsläufig die erforderliche Sachkunde über das objektive Vorliegen von Krankheitsbildern und deren Auswirkungen auf das rentenrechtlich erhebliche Leistungsvermögen. Allerdings verschaffen sie dem Gericht durch die Übermittlung der gestellten Diagnosen und erhobenen Befunde sowie eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen eine Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob weitere Ermittlungen, beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, erforderlich sind. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger auch im Klageverfahren den Mitwirkungspflichten durch Vorlage der Entbindungserklärung und Benennung eines aktuell behandelnden Arztes genügt. Die Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung konnte daher insoweit nicht unter Verweis auf eine fehlende Mitwirkung im Verwaltungsverfahren abgelehnt werden. Wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes trifft die Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren zudem keine subjektive Beweisführungslast. Erst wenn nach Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten ungewiss ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsnorm erfüllt sind oder nicht, kommt eine Beweislastentscheidung in Betracht.

Das SG durfte sich daher in seiner Entscheidung nicht allein auf die Bewertung der Ärztin Dr. K. in ihrer für die Beklagte im Verwaltungsverfahren erstellten sozialmedizinischen Stellungnahme stützen. Dr. K. hat den Kläger weder als Ärztin behandelt noch als Gutachterin untersucht. Ihre Ausführungen vom 10.12.2018 ergingen rein nach Aktenlage und sind daher als Parteivortrag zu würdigen und bieten daher keine ausreichende Erkenntnisgrundlage. Insbesondere vermitteln die Aussagen von Dr. K. dem Gericht nicht die erforderliche Sachkunde über das objektive Vorliegen von Krankheitsbildern und deren Auswirkungen auf das rentenrechtlich erhebliche Leistungsvermögen. Diese Sachkunde kann zwar möglicherweise dadurch hergestellt werden, dass ein Leistungsträger im Verwaltungs- und Vorverfahren eine sozialmedizinisch fundierte Äußerung – regelmäßig nach Untersuchung des Versicherten – im Rahmen der ihn treffenden Pflicht zur Amtsermittlung (§§ 20, 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) einholt oder beizieht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.082014 - B 13 R 420/13 B -). Solche Ermittlungen hat auch Dr. K. für erforderlich gehalten. Dass diese von der Beklagten eingeleiteten Ermittlungen nicht zustande kamen, entbindet das SG – wie oben bereits ausgeführt wurde – jedoch nicht von seiner Amtsermittlungspflicht im nachfolgenden Klageverfahren.

Hier ist auch zu beachten, dass die Beklagte den Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht nach §§ 60, 66 SGB I infolge der Verletzung der Mitwirkungspflicht abgelehnt hat, sondern eine allgemeine Beweislastentscheidung getroffen hat. Entscheidungserheblich war daher nicht die Frage, ob die Mitwirkungshandlung zumutbar war und die Voraussetzungen der §§ 60, 66 SGB I vorlagen, sondern ob der Kläger erwerbsgemindert gemäß § 43 SGB VI war.

Das Gutachten der Agentur für Arbeit vom 02.08.2018 von Dr. G. bietet – entgegen den Ausführungen des SG im angefochtenen GB - Anlass, den Sachverhalt weiter von Amts wegen zu ermitteln. Dr. G. sieht infolge einer ausgeprägte psychischen Minderbelastbarkeit ein tägliches Leistungsvermögen von unter 3 Stunden für gegeben an. Ob eine solche zeitliche Leistungseinschränkung auch nach den Maßstäben des § 43 SGB VI besteht, war daher weiter zu prüfen.

Die des Weiteren im Verwaltungsverfahren beigezogenen Befundberichte von Dr. E. vom 06.06.2018 und vom 04.03.2019 machen eine weitere Sachverhaltsaufklärung im Klageverfahren ebenfalls nicht entbehrlich. Dr. E. diagnostiziert in den Berichten eine rezidivierende depressive Verstimmung, eine Dysthymie, psychovegetative Begleitbeschwerden und eine Somatisierungsstörung sowie einen anamnestischen Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung infolge von Erlebnissen des Klägers im Jugoslawienkrieg. Er berichtet von Vorstellungen des Klägers in ein- bis zweimonatigen Abständen und teilt einen schwankenden Verlauf mit immer wieder auftretenden Exazerbationen mit. Der Kläger ziehe sich zurück, sei misstrauisch gegen über den Mitmenschen und fühle sich verfolgt. Im Befund wird der Kläger als psychomotorisch angespannt und labil mit wenig Schwingungsfähigkeit und reduziertem Antrieb geschildert. Insofern decken sich die von Dr. E. mitgeteilten Befunde mit den Schilderungen des Klägers über seinen Gesundheitszustand auf der Entbindungserklärung, in der er über Angstzustände und Panikattacken berichtet. Die Berichte von Dr. Eckert enthalten daher entgegen den Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen von Amts wegen. Insbesondere ist das Ausmaß des sozialen Rückzugs und der Verminderung des Antriebs sowie die Auswirkungen der geschilderten Ängste auf das Leistungsvermögen abzuklären. Hierbei ist nicht relevant, ob diese Beschwerden tatsächlich durch eine posttraumatische Belastungsstörung oder die reaktiv – depressive Verstimmung hervorgerufen werden.

Zwar ist eine schwergradige und therapieresistente depressive Erkrankung erst nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen anzunehmen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.05.2016 – L 5 R 4194/13 –, juris), wonach gerade bei psychischen Erkrankungen eine Abgrenzung zwischen einer Akuterkrankung und einer länger dauernden zeitlichen Leistungseinschränkung von mehr als sechs Monaten erforderlich ist. Psychische Erkrankungen sind dabei grundsätzlich erst dann von rentenrechtlicher Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe. Wie aus den Leitlinien der Beklagten für die sozialmedizinische Begutachtung (Stand August 2012, Leitlinien) hervorgeht, bedingt eine einzelne mittelgradige oder schwere depressive Episode in den meisten Fällen vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und erfordert eine Krankenbehandlung, stellt jedoch in Anbetracht der üblicherweise vollständigen Remission keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dar (vgl. LSG BW, aaO).

Es ist aber auch immer grundsätzlich zu prüfen, ob das Nichtausschöpfen der Therapiemöglichkeiten darauf beruht, dass der Erkrankte die Therapieangebote krankheitsbedingt nicht in Anspruch nehmen kann bzw. darauf, dass Therapieangebote trotz ausreichender Bemühungen infolge langer Wartezeiten nicht verfügbar sind. Das SG hätte daher auch prüfen müssen, welche Therapieangebote noch möglich sind und ob eine Nichtausschöpfung möglicherweise krankheitsbedingt ist. Ein kompletter sozialer Rückzug und eine schwergradige Antriebsminderung kann überdies auch dazu führen, dass eine Begutachtung nicht wahrgenommen wird. Ob die von Kläger angegebenen Einschränkungen in Anbetracht der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Barkeeper tatsächlich oder in dem geschilderten Ausmaß vorliegen, kann somit nur durch eine Stellungnahme des behandelnden Arztes und gegebenenfalls Durchführung einer Begutachtung mit eingehender Prüfung der Beschwerden und Befunde auf Konsistenz und Schlüssigkeit insbesondere im Hinblick auf die vorgetragenen wiederkehrenden Kriegserlebnisse beurteilt werden. Erst wenn sich der Kläger einer nach Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Psychiaters Dr. E. für erforderlich gehaltenen Begutachtung wiederum nicht stellt, kommt eine Entscheidung nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast in Betracht. In diesem Fall geht die Nichterweislichkeit einer behaupteten Tatsache zu Lasten desjenigen, der aus dieser Tatsache Rechte herleiten will. Die Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen geht in der Regel zu Lasten desjenigen, der Leistungen begehrt. Eine Entscheidung nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast bzw. nach den Regeln über die Feststellungslast kommt nur als eine ultima ratio in Betracht, wenn die rechtlich vorrangigen Bemühungen des Gerichts zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts keinen Erfolg hatten (BSG, Urteil vom 22.04.2015 – B 3 P 8/13 R –, BSGE 118, 239-255, SozR 4-3300 § 23 Nr 7; BFH v. 17.07.2019 - II B 29/18 – juris, Rn. 15).

Auf welche Weise das SG dem sonach bestehenden Ermittlungsbedarf nachkommt, bleibt zunächst ihm überlassen. Jedenfalls sind aktuelle Befundberichte über den weiteren Behandlungsverlauf und das Ausmaß der Erkrankung auf psychiatrischen Fachgebiet einzuholen. Ob sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen Erkenntnisse über gesundheitliche Einschränkungen ergeben, welche die Leistungsfähigkeit des Klägers soweit einschränken, dass sich die Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch mit einer zeitlichen Einschränkung bejahen lässt, hat das SG zu gegebener Zeit ebenfalls zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2012 - B 5 R 68/11 R -, SozR 4-2600 § 43 Nr. 18).

Fehlt es somit in weitem Umfang an Ermittlungen, zu denen sich das SG im Rahmen des § 103 SGG gedrängt fühlen musste, so folgt daraus zum einen, dass die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen kann, und zum anderen, dass der Verfahrensmangel eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich macht. Letzteres ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/6746, S. 27, zu Nummer 8) der Fall, wenn die Beweisaufnahme einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erforderlich macht. Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, sind Ermittlungen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts und der Frage der Erwerbsminderung noch in weitem Umfang erforderlich, was zwangsläufig einen derartigen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln nach sich zieht (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.03.2016 – L 8 R 710/15 –, juris).

Im Rahmen des von ihm bei der Entscheidung über die Zurückverweisung auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich angesichts der erheblichen Mängel der Sachverhaltsaufklärung durch das Sozialgericht für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat er berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz, wie er wegen der vom SG unterlassenen Aufklärung praktisch eingetreten ist, besonders ins Gewicht fällt. Die Zurückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her. Auch der Grundsatz der Prozessökonomie führt nicht dazu, den Rechtsstreit bereits jetzt abschließend in der Berufungsinstanz zu behandeln. Denn das gesamte Verfahren vor dem Senat hat vom Eingang der Berufung am 02.03.2020 bis zum Tag der Verkündung des Urteils nur annähernd ein halbes Jahr in Anspruch genommen. Es erscheint deshalb prozessökonomischer, dem SG zunächst Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhalts in rechtskonformer Weise zu geben.

Das SG wird in seiner künftigen Kostenentscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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