Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 1146/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 B 1060/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin seit dem 24. August 2004 als Rentenantragstellerin bzw. Rentnerin kranken- und pflegeversichert. Durch Bescheid vom 8. Dezember 2004 setzte die Antragsgegnerin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund einer der Antragstellerin ab 1. Dezember 2004 zugeflossenen Kapitalleistung der Feuersozietät aus betrieblicher Altersversorgung in Höhe von 93.897,11 EUR fest. Dazu teilte sie ihr mit, die Kapitalleistung unterliege nach § 229 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V der Beitragspflicht. Für die Beitragsbemessung werde danach ein Einhundertzwanzigstel der Kapitalleistung als monatlicher Zahlbetrag für längstens 10 Jahre zugrunde gelegt, mithin im Falle der Antragstellerin ein Betrag von 782,48 EUR. Daraus folge ein monatlicher Gesamtbeitrag von 126,76 EUR, den die Antragstellerin ab 1. Dezember 2004 zu zahlen habe. Der Widerspruch der Antragstellerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005). Zugleich mit der zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage vom 12. Mai 2005 beantragte die Antrag-stellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Durch Beschluss vom 23. Juni 2005 wies das SG den Antrag zurück. Das Gericht der Hauptsache könne zwar in Fällen, in denen – wie hier (§ 86 a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) – Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätten, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Eine solche Anordnung komme allerdings nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestünden oder wenn seine Vollziehung für den betroffenen Zahlungspflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestünden dann, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts derart überwögen, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher sei als ein Unterliegen in der Hauptsache. Allerdings mache die Antragstellerin im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift – hier des § 229 SGB V – geltend. Für deren Prüfung sei im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes grundsätzlich kein Raum. Stattdessen sei in entsprechender Anwendung des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 32 BVerfG-Gesetz eine reine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen werde,
regelmäßig außer Betracht zu bleiben habe. Diese Abwägung, bei der die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, der Rechtschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, den Nachteilen gegenüberzustellen seien, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber keinen Erfolg hätte, falle im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragstellerin aus. Sie habe schwere und unwiederbringliche Nachteile, die bei einer Ablehnung ihres vorläufigen Rechtschutzantrages eintreten würden, nicht glaubhaft gemacht. Damit lasse sich im Rahmen der Folgenabwägung nicht feststellen, dass das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin hinter das Suspensivinteresse der Antragstellerin zurücktreten müsse, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Beiträge dem hochrangigen Rechtsgut der Finanzierung öffentlicher Aufgaben im Rahmen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dienten.
Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, die Verfassungsmäßigkeit der ange-wandten Gesetzesvorschriften sei in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, wenn auch nur summarisch. Die Neufassung des § 229 SGB V ab 1. Januar 2004 begegne erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln, insbesondere weil sie für alle Versicherten ohne Übergangsvorschriften in Kraft gesetzt worden sei. Zwar seien Versorgungsbezüge schon seit 1983 in die Beitragsbemessung einbezogen worden. Doch seien dabei immer nur die Einkünfte aus regelmäßig wiederkehrenden Leistungen erfasst worden. Diese Regeln des Krankenversicherungsrechts hätten die Versicherten bei ihren Planungen und rechtlichen Dispositionen insbesondere im Zusammenhang mit vermögensbildenden Maßnahmen zugrunde legen können. Wenn und soweit sie dies getan hätten, würden Sie nunmehr in ihrem Vertrauen enttäuscht. Nach allem müsse von einer mindestens 50 % igen Obsiegenschance und einer erheblichen Erschütterung des Interesses der Antragsgegnerin an der Vollziehung des Beitragsbescheides ausgegangen werden. Darüber hinaus bedeute die Vollziehung des Beitragsbescheides für sie eine uner-trägliche Härte. Sie lebe von einem monatlichen Rentenzahlbetrag von 615,12 EUR. Auch sei sie schwer erkrankt und bedürfe regelmäßiger Medikamenteneinnahme. Ihr anerkannter Grad der Behinderung betrage 30. Auch die Auszahlungssumme aus der Kapitallebensversicherung stehe ihr nicht mehr zur Verfügung. Sie habe aufgrund diverser Schuldanerkenntnisse Herrn im Februar 2005 insgesamt 78.000,00 EUR gezahlt, wie der beigefügten Bestätigung zu entnehmen sei. Die Erhebung der Beiträge durch die Antragsgegnerin entziehe ihr die Lebensgrundlage.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2005 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. Mai 2005 bis zur Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG als nicht erfüllt angesehen. Es ist ferner richtig davon ausgegangen, dass zur Prüfung der Voraus-setzungen auf die Vorschrift des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zurückzugreifen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86 b Rz 12 c). Dabei kann letztlich dahinstehen, ob bei in Zweifel gezogener Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesvorschrift, auf der der angefochtene Verwaltungsakt beruht, nur die zweite Alternative der Vorschrift ("wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte") entsprechend anzuwenden ist – wie das SG meint – oder auch die erste ("wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen"). Denn ernstliche Zweifel in dem Sinne, dass der Erfolg der erhobenen Klage wahrscheinlicher ist als ihr Misserfolg (zu dieser Gesetzesaus-legung vgl. Keller a.a.O. mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; herrschende Meinung), lassen sich nicht begründen.
§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung, der (zunächst) nur solche Kapitalleistungen in die Beitragspflicht einbezog, die an die Stelle von Versorgungsbezügen traten – d.h. diese nachträglich ersetzten -, nicht aber solche, die – wie im Falle der Antragstellerin – bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt
worden waren, unterlag von vornherein verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Bedenken zwar nicht geteilt und keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) darin gesehen, dass der Gesetzgeber "sich zunächst dafür entschieden (hat), die zweite Gruppe von Fällen beitragsfrei zu lassen" (BSG-Urteil vom 18.12.1984 – 12 RK 36/84 - =SozR 2200 § 180 Nr. 25). Auch aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung – nach Ablauf eines Jahrzehnts – sah das BSG noch keine weitere Einschränkung des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers durch eine wirtschaftlich bedeutsame Ausweitung der Zusagen von Einmalzahlungen (BSG-Urteil vom 15.12.1994 - 12 RK 57/92 - = SozR 3 – 2500 § 229 Nr. 4 Seite 18). Diese Rechtsprechung macht indes deutlich, dass von vornherein damit zu rechnen war, der Gesetzgeber werde eines Tages – eben letztlich aus verfassungsrechtlichen Gründen – auch die vorgenannte "zweite Gruppe von Fällen" in die Beitragspflicht einbeziehen. Das hat er dann auch durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14. November 2003 mit Wirkung vom 1. Januar 2004 getan, und zwar – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – zur Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge und aus Gründen der gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen (vgl. KassKomm – Peters § 229 SGB V Rz 16).
Im Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte der Neuregelung ab 1. Januar 2004, wie sie sich anhand der Rechtsprechung ablesen lässt, zumal einer Neuregelung, die letztlich dem allgemeinen Gleichheitssatz besser entspricht als die frühere (vgl. KassKomm a.a.O.), bedurfte es insoweit auch keiner besonderen Übergangsregelungen. Das BSG hat zudem schon in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1984 (a.a.O.) zur Ausdehnung der Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge entschieden, der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht einmal gehalten gewesen, diese nur für nach ihrer Verkündung oder ihrem Inkrafttreten neu in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversicherte Rentner (Rentenantragsteller) vorzuschreiben. Im Übrigen wäre die Antragstellerin auch dann der Neuregelung des GMG unterfallen, wenn das Gesetz erst ein Jahr nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt – 19. November 2003 – in Kraft getreten wäre.
Soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, die betriebliche Altersversorgung ab 1996 selbst finanziert zu haben, steht auch dies - wie höchstrichterlich bereits entschieden ist – dem Charakter der Versorgung als (beitragspflichtige) betriebliche Altersversorgung nicht entgegen (vgl. die Nachweise in KassKomm a.a.O. Rz 12).
Die Antragstellerin kann sich ferner auch nicht darauf berufen, dass sie am 27. Februar 2005 den Großteil der am 1. Dezember 2004 erhaltenen Kapitalleistung zwecks Ausgleichs diverser Schuldscheine weggegeben habe. Die Beitragspflicht bleibt davon unberührt, weil sie allein an den zur Erfüllung des Versorgungsanspruchs ausgezahlten Betrag anknüpft (vgl. BSG-Urteile vom 21.12.1993 – 12 RK 28/93 – und vom 28.01.1999 – B 12 KR 24/98 R - = SozR 3 – 2500 § 237 Nrn. 3 und 7; Beschluss des BVerfG vom 20.08.2001 - 1 BvR 515/99 - = SozR 3 a.a.O. Nr. 8).
Schließlich kann dem Begehren der Antragstellerin auch nicht unter Härtegesichtspunkten entsprochen werden. Abgesehen davon, dass ihr ein nicht unerheblicher Betrag der Kapital-leistung verblieben ist, hat sie auch in keiner Weise dargetan, dass sie ohne Rücksicht auf die aus der Kapitalleistung folgende und auf ihr lastende laufende Beitragsschuld verpflichtet gewesen sei, im Februar 2005 an einen Gläubiger zum Ausgleich vom Schuldscheinen 78.000,00 EUR in einer Summe zu zahlen. Im Hinblick darauf bedarf keiner weiteren Erörterung, inwieweit eine solche Schuld eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte hätte begründen können, hinter der das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin trotz der dargestellten materiellen Rechtslage hätte zurücktreten müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin seit dem 24. August 2004 als Rentenantragstellerin bzw. Rentnerin kranken- und pflegeversichert. Durch Bescheid vom 8. Dezember 2004 setzte die Antragsgegnerin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund einer der Antragstellerin ab 1. Dezember 2004 zugeflossenen Kapitalleistung der Feuersozietät aus betrieblicher Altersversorgung in Höhe von 93.897,11 EUR fest. Dazu teilte sie ihr mit, die Kapitalleistung unterliege nach § 229 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V der Beitragspflicht. Für die Beitragsbemessung werde danach ein Einhundertzwanzigstel der Kapitalleistung als monatlicher Zahlbetrag für längstens 10 Jahre zugrunde gelegt, mithin im Falle der Antragstellerin ein Betrag von 782,48 EUR. Daraus folge ein monatlicher Gesamtbeitrag von 126,76 EUR, den die Antragstellerin ab 1. Dezember 2004 zu zahlen habe. Der Widerspruch der Antragstellerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005). Zugleich mit der zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage vom 12. Mai 2005 beantragte die Antrag-stellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Durch Beschluss vom 23. Juni 2005 wies das SG den Antrag zurück. Das Gericht der Hauptsache könne zwar in Fällen, in denen – wie hier (§ 86 a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) – Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätten, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Eine solche Anordnung komme allerdings nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestünden oder wenn seine Vollziehung für den betroffenen Zahlungspflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestünden dann, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts derart überwögen, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher sei als ein Unterliegen in der Hauptsache. Allerdings mache die Antragstellerin im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift – hier des § 229 SGB V – geltend. Für deren Prüfung sei im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes grundsätzlich kein Raum. Stattdessen sei in entsprechender Anwendung des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 32 BVerfG-Gesetz eine reine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen werde,
regelmäßig außer Betracht zu bleiben habe. Diese Abwägung, bei der die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, der Rechtschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, den Nachteilen gegenüberzustellen seien, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber keinen Erfolg hätte, falle im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragstellerin aus. Sie habe schwere und unwiederbringliche Nachteile, die bei einer Ablehnung ihres vorläufigen Rechtschutzantrages eintreten würden, nicht glaubhaft gemacht. Damit lasse sich im Rahmen der Folgenabwägung nicht feststellen, dass das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin hinter das Suspensivinteresse der Antragstellerin zurücktreten müsse, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Beiträge dem hochrangigen Rechtsgut der Finanzierung öffentlicher Aufgaben im Rahmen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dienten.
Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, die Verfassungsmäßigkeit der ange-wandten Gesetzesvorschriften sei in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, wenn auch nur summarisch. Die Neufassung des § 229 SGB V ab 1. Januar 2004 begegne erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln, insbesondere weil sie für alle Versicherten ohne Übergangsvorschriften in Kraft gesetzt worden sei. Zwar seien Versorgungsbezüge schon seit 1983 in die Beitragsbemessung einbezogen worden. Doch seien dabei immer nur die Einkünfte aus regelmäßig wiederkehrenden Leistungen erfasst worden. Diese Regeln des Krankenversicherungsrechts hätten die Versicherten bei ihren Planungen und rechtlichen Dispositionen insbesondere im Zusammenhang mit vermögensbildenden Maßnahmen zugrunde legen können. Wenn und soweit sie dies getan hätten, würden Sie nunmehr in ihrem Vertrauen enttäuscht. Nach allem müsse von einer mindestens 50 % igen Obsiegenschance und einer erheblichen Erschütterung des Interesses der Antragsgegnerin an der Vollziehung des Beitragsbescheides ausgegangen werden. Darüber hinaus bedeute die Vollziehung des Beitragsbescheides für sie eine uner-trägliche Härte. Sie lebe von einem monatlichen Rentenzahlbetrag von 615,12 EUR. Auch sei sie schwer erkrankt und bedürfe regelmäßiger Medikamenteneinnahme. Ihr anerkannter Grad der Behinderung betrage 30. Auch die Auszahlungssumme aus der Kapitallebensversicherung stehe ihr nicht mehr zur Verfügung. Sie habe aufgrund diverser Schuldanerkenntnisse Herrn im Februar 2005 insgesamt 78.000,00 EUR gezahlt, wie der beigefügten Bestätigung zu entnehmen sei. Die Erhebung der Beiträge durch die Antragsgegnerin entziehe ihr die Lebensgrundlage.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2005 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. Mai 2005 bis zur Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG als nicht erfüllt angesehen. Es ist ferner richtig davon ausgegangen, dass zur Prüfung der Voraus-setzungen auf die Vorschrift des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zurückzugreifen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86 b Rz 12 c). Dabei kann letztlich dahinstehen, ob bei in Zweifel gezogener Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesvorschrift, auf der der angefochtene Verwaltungsakt beruht, nur die zweite Alternative der Vorschrift ("wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte") entsprechend anzuwenden ist – wie das SG meint – oder auch die erste ("wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen"). Denn ernstliche Zweifel in dem Sinne, dass der Erfolg der erhobenen Klage wahrscheinlicher ist als ihr Misserfolg (zu dieser Gesetzesaus-legung vgl. Keller a.a.O. mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; herrschende Meinung), lassen sich nicht begründen.
§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung, der (zunächst) nur solche Kapitalleistungen in die Beitragspflicht einbezog, die an die Stelle von Versorgungsbezügen traten – d.h. diese nachträglich ersetzten -, nicht aber solche, die – wie im Falle der Antragstellerin – bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt
worden waren, unterlag von vornherein verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Bedenken zwar nicht geteilt und keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) darin gesehen, dass der Gesetzgeber "sich zunächst dafür entschieden (hat), die zweite Gruppe von Fällen beitragsfrei zu lassen" (BSG-Urteil vom 18.12.1984 – 12 RK 36/84 - =SozR 2200 § 180 Nr. 25). Auch aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung – nach Ablauf eines Jahrzehnts – sah das BSG noch keine weitere Einschränkung des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers durch eine wirtschaftlich bedeutsame Ausweitung der Zusagen von Einmalzahlungen (BSG-Urteil vom 15.12.1994 - 12 RK 57/92 - = SozR 3 – 2500 § 229 Nr. 4 Seite 18). Diese Rechtsprechung macht indes deutlich, dass von vornherein damit zu rechnen war, der Gesetzgeber werde eines Tages – eben letztlich aus verfassungsrechtlichen Gründen – auch die vorgenannte "zweite Gruppe von Fällen" in die Beitragspflicht einbeziehen. Das hat er dann auch durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14. November 2003 mit Wirkung vom 1. Januar 2004 getan, und zwar – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – zur Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge und aus Gründen der gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen (vgl. KassKomm – Peters § 229 SGB V Rz 16).
Im Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte der Neuregelung ab 1. Januar 2004, wie sie sich anhand der Rechtsprechung ablesen lässt, zumal einer Neuregelung, die letztlich dem allgemeinen Gleichheitssatz besser entspricht als die frühere (vgl. KassKomm a.a.O.), bedurfte es insoweit auch keiner besonderen Übergangsregelungen. Das BSG hat zudem schon in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1984 (a.a.O.) zur Ausdehnung der Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge entschieden, der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht einmal gehalten gewesen, diese nur für nach ihrer Verkündung oder ihrem Inkrafttreten neu in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversicherte Rentner (Rentenantragsteller) vorzuschreiben. Im Übrigen wäre die Antragstellerin auch dann der Neuregelung des GMG unterfallen, wenn das Gesetz erst ein Jahr nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt – 19. November 2003 – in Kraft getreten wäre.
Soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, die betriebliche Altersversorgung ab 1996 selbst finanziert zu haben, steht auch dies - wie höchstrichterlich bereits entschieden ist – dem Charakter der Versorgung als (beitragspflichtige) betriebliche Altersversorgung nicht entgegen (vgl. die Nachweise in KassKomm a.a.O. Rz 12).
Die Antragstellerin kann sich ferner auch nicht darauf berufen, dass sie am 27. Februar 2005 den Großteil der am 1. Dezember 2004 erhaltenen Kapitalleistung zwecks Ausgleichs diverser Schuldscheine weggegeben habe. Die Beitragspflicht bleibt davon unberührt, weil sie allein an den zur Erfüllung des Versorgungsanspruchs ausgezahlten Betrag anknüpft (vgl. BSG-Urteile vom 21.12.1993 – 12 RK 28/93 – und vom 28.01.1999 – B 12 KR 24/98 R - = SozR 3 – 2500 § 237 Nrn. 3 und 7; Beschluss des BVerfG vom 20.08.2001 - 1 BvR 515/99 - = SozR 3 a.a.O. Nr. 8).
Schließlich kann dem Begehren der Antragstellerin auch nicht unter Härtegesichtspunkten entsprochen werden. Abgesehen davon, dass ihr ein nicht unerheblicher Betrag der Kapital-leistung verblieben ist, hat sie auch in keiner Weise dargetan, dass sie ohne Rücksicht auf die aus der Kapitalleistung folgende und auf ihr lastende laufende Beitragsschuld verpflichtet gewesen sei, im Februar 2005 an einen Gläubiger zum Ausgleich vom Schuldscheinen 78.000,00 EUR in einer Summe zu zahlen. Im Hinblick darauf bedarf keiner weiteren Erörterung, inwieweit eine solche Schuld eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte hätte begründen können, hinter der das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin trotz der dargestellten materiellen Rechtslage hätte zurücktreten müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
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