Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 22/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Klägers, die Richterin am Sozialgericht wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts Frankfurt (Oder), Richterin am Sozialgericht , ist unbegründet. Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter das Rechtschutzbegehren nicht unvoreingenommen bearbeiten und entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist der Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen.
Der Kläger kann sein Ablehnungsgesuch zunächst nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die abgelehnte Richterin ihre Absicht zum Ausdruck gebracht habe, ihn durch einen Fremdgutachter und nicht – wie von ihm gewünscht – durch seine behandelnde Ärztin neurologisch-psychiatrisch begutachten zu lassen. Diese Absicht lässt keine Voreingenommenheit dem Kläger gegenüber besorgen. Es liegt auf der Hand, dass behandelnde Ärzte aus grundsätzlichen Erwägungen nicht als Gerichtsgutachter – nach Möglichkeit auch nicht nach § 109 SGG – herangezogen werden sollen. Der Grund hierfür liegt nicht so sehr in der Möglichkeit, dass behandelnde Ärzte bewusst " Parteigutachten" erstellen könnten, als vielmehr darin, dass es ihnen aufgrund ihrer mangelnden Distanz zu ihren Patienten und des zwischen ihnen und ihren Patienten bestehenden Vertrauensverhältnisses – ohne dass ihnen dies bewusst ist – an der für die Erstattung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erforderlichen Objektivität fehlen könnte.
Richterin musste zur Vermeidung der Besorgnis der Befangenheit auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles von ihrer Absicht Abstand nehmen, einen Fremdgutachter zu beauftragen. Sie musste der Annahme des Klägers, ein Fremdgutachter sei in seinem Falle ungeeignet, nur seine behandelnde Ärztin könne sein Leiden zutreffend einschätzen, nicht folgen. Ein Fremdgutachter hat immer die Möglichkeit, Defizite, die sich aus einer nur einmaligen ambulanten Untersuchung als Grundlage seiner Begutachtung ergeben, dadurch auszugleichen, dass er die behandelnden Ärzte zu Rate zieht und deren Wissen über den Krankheitsverlauf in die Beurteilung mit einbezieht.
Die abgelehnte Richterin musste zwecks Vermeidung der Besorgnis der Befangenheit des weiteren auch nicht deshalb die Absicht, einen Fremdgutachter zu beauftragen, aufgeben, weil eine Fremdbegutachtung für den Kläger aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sei. Eine solche Unzumutbarkeit, die sich aus den schädigenden Auswirkungen einer erneuten ausführlichen Anamneseerhebung ("Aufreißen alter Wunden") im Rahmen einer weiteren neurologisch-psychiatrischen Fremdbegutachtung ergeben solle, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er übersieht, dass es dem Fremdgutachter überlassen bleiben muss, zu entscheiden, wie weit er im Hinblick auf die geschilderten Befürchtungen gehen kann. Dabei dürfte er beispielsweise in Fällen, in denen – wie hier – bereits einschlägige Anamneseerhebungen vorliegen, schon allein deshalb auch die Möglichkeit haben, auf eine erneute ausführliche Anamneseerhebung zu verzichten.
Wenn Richterin nach allem sachliche Gründe hatte, auf einer Begutachtung durch einen Fremdgutachter zu bestehen, so folgt im Hinblick auf die Ablehnung einer solchen Begutachtung durch den Kläger auch keine Voreingenommenheit ihm gegenüber aus der erklärten Absicht der Richterin, nunmehr nach Aktenlage entscheiden zu wollen. Aus der rechtlichen Sicht der Richterin blieb ihr nichts anderes übrig.
Soweit die abgelehnte Richterin sich ungünstig über die behandelnde Ärztin des Klägers geäußert haben soll, kann dahinstehen, inwieweit darin eine Voreingenommenheit dem Kläger gegenüber erkannt werden könnte. Jedenfalls stehen insoweit Aussage gegen Aussage, sodass ein Ablehnungsgrund insoweit jedenfalls nicht glaubhaft gemacht wäre.
Ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit liegt auch nicht darin, dass Richterin den Hinweis des Klägers auf die formale Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verstoßes gegen die Begründungspflicht bei Ermessensentscheidungen augenblicklich als nicht relevant abgetan haben soll. Dies gilt schon deshalb, weil nicht erkennbar ist, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, bei dem es um den Grad der Behinderung und das Merkzeichen "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (RF)" geht, Ermessensentscheidungen des Beklagten sind. Schließlich lässt auch die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers zum Erörterungstermin am 26. Januar 2006 keine Befangenheit der Richterin besorgen. Der Kläger behauptet in diesem Zusammenhang zwar, aufgrund seines so erzwungenen Erscheinens habe es die Richterin als "bewiesen" angesehen, dass er nicht gehindert sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, und dass ihm daher das streitgegenständliche Merkzeichen "RF" nicht gebühre. Dem steht jedoch die Niederschrift über den Erörterungstermin entgegen. Darin heißt es: "Aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Kläger im Termin hinterlässt, erscheint es ebenfalls problematisch, zu dem von ihm gewünschten Ergebnis zu kommen". Diese richterliche Äußerung ist bei objektiver und vernünftiger Betrachtung kein Grund, Voreingenommenheit zu befürchten.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts Frankfurt (Oder), Richterin am Sozialgericht , ist unbegründet. Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter das Rechtschutzbegehren nicht unvoreingenommen bearbeiten und entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist der Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen.
Der Kläger kann sein Ablehnungsgesuch zunächst nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die abgelehnte Richterin ihre Absicht zum Ausdruck gebracht habe, ihn durch einen Fremdgutachter und nicht – wie von ihm gewünscht – durch seine behandelnde Ärztin neurologisch-psychiatrisch begutachten zu lassen. Diese Absicht lässt keine Voreingenommenheit dem Kläger gegenüber besorgen. Es liegt auf der Hand, dass behandelnde Ärzte aus grundsätzlichen Erwägungen nicht als Gerichtsgutachter – nach Möglichkeit auch nicht nach § 109 SGG – herangezogen werden sollen. Der Grund hierfür liegt nicht so sehr in der Möglichkeit, dass behandelnde Ärzte bewusst " Parteigutachten" erstellen könnten, als vielmehr darin, dass es ihnen aufgrund ihrer mangelnden Distanz zu ihren Patienten und des zwischen ihnen und ihren Patienten bestehenden Vertrauensverhältnisses – ohne dass ihnen dies bewusst ist – an der für die Erstattung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erforderlichen Objektivität fehlen könnte.
Richterin musste zur Vermeidung der Besorgnis der Befangenheit auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles von ihrer Absicht Abstand nehmen, einen Fremdgutachter zu beauftragen. Sie musste der Annahme des Klägers, ein Fremdgutachter sei in seinem Falle ungeeignet, nur seine behandelnde Ärztin könne sein Leiden zutreffend einschätzen, nicht folgen. Ein Fremdgutachter hat immer die Möglichkeit, Defizite, die sich aus einer nur einmaligen ambulanten Untersuchung als Grundlage seiner Begutachtung ergeben, dadurch auszugleichen, dass er die behandelnden Ärzte zu Rate zieht und deren Wissen über den Krankheitsverlauf in die Beurteilung mit einbezieht.
Die abgelehnte Richterin musste zwecks Vermeidung der Besorgnis der Befangenheit des weiteren auch nicht deshalb die Absicht, einen Fremdgutachter zu beauftragen, aufgeben, weil eine Fremdbegutachtung für den Kläger aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sei. Eine solche Unzumutbarkeit, die sich aus den schädigenden Auswirkungen einer erneuten ausführlichen Anamneseerhebung ("Aufreißen alter Wunden") im Rahmen einer weiteren neurologisch-psychiatrischen Fremdbegutachtung ergeben solle, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er übersieht, dass es dem Fremdgutachter überlassen bleiben muss, zu entscheiden, wie weit er im Hinblick auf die geschilderten Befürchtungen gehen kann. Dabei dürfte er beispielsweise in Fällen, in denen – wie hier – bereits einschlägige Anamneseerhebungen vorliegen, schon allein deshalb auch die Möglichkeit haben, auf eine erneute ausführliche Anamneseerhebung zu verzichten.
Wenn Richterin nach allem sachliche Gründe hatte, auf einer Begutachtung durch einen Fremdgutachter zu bestehen, so folgt im Hinblick auf die Ablehnung einer solchen Begutachtung durch den Kläger auch keine Voreingenommenheit ihm gegenüber aus der erklärten Absicht der Richterin, nunmehr nach Aktenlage entscheiden zu wollen. Aus der rechtlichen Sicht der Richterin blieb ihr nichts anderes übrig.
Soweit die abgelehnte Richterin sich ungünstig über die behandelnde Ärztin des Klägers geäußert haben soll, kann dahinstehen, inwieweit darin eine Voreingenommenheit dem Kläger gegenüber erkannt werden könnte. Jedenfalls stehen insoweit Aussage gegen Aussage, sodass ein Ablehnungsgrund insoweit jedenfalls nicht glaubhaft gemacht wäre.
Ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit liegt auch nicht darin, dass Richterin den Hinweis des Klägers auf die formale Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verstoßes gegen die Begründungspflicht bei Ermessensentscheidungen augenblicklich als nicht relevant abgetan haben soll. Dies gilt schon deshalb, weil nicht erkennbar ist, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, bei dem es um den Grad der Behinderung und das Merkzeichen "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (RF)" geht, Ermessensentscheidungen des Beklagten sind. Schließlich lässt auch die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers zum Erörterungstermin am 26. Januar 2006 keine Befangenheit der Richterin besorgen. Der Kläger behauptet in diesem Zusammenhang zwar, aufgrund seines so erzwungenen Erscheinens habe es die Richterin als "bewiesen" angesehen, dass er nicht gehindert sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, und dass ihm daher das streitgegenständliche Merkzeichen "RF" nicht gebühre. Dem steht jedoch die Niederschrift über den Erörterungstermin entgegen. Darin heißt es: "Aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Kläger im Termin hinterlässt, erscheint es ebenfalls problematisch, zu dem von ihm gewünschten Ergebnis zu kommen". Diese richterliche Äußerung ist bei objektiver und vernünftiger Betrachtung kein Grund, Voreingenommenheit zu befürchten.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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