S 10 KR 6018/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 6018/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für Erbringer von physiotherapeutischen Heilmitteln besteht keine Verpflichtung, entsprechende vertragsärztliche Verordnungen einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung oder einer Prüfung auf formale Richtigkeit hin zu unterziehen.
Eine solche Prüfpflicht der Physiotherapeuten ergibt sich weder aus dem Rahmenvertrag nach § 125 Abs. 2 SGB V, den Gemeinsamen Rahmenempfehlungen nach § 125 Abs. 1 SGB V, den Heilmittel-Richtlinien noch direkt aus dem SGB V.
1.Der Beklagten wird untersagt, a) die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, b) gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Leistungen einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen. 2. Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1. ausgesprochene Untersagung auf Antrag eines Klägers ein Ordnungsgeld bis zu 50.000,00 Euro, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an einem Mitglied des Vorstands der Beklagten, festgesetzt werden kann. 3. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen. 4. Die Beklagte hat zwei Drittel, die Kläger gesamtschuldnerisch ein Drittel der Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Vorliegend begehren die Kläger, der Beklagten zu untersagen, zum einen die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Prüfung dieser Verordnung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, zum anderen zu behaupten, dass vertragsärztliche Verordnungen physiotherapeutischer Heilmittel einer Überprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen. Ferner begehren die Kläger, die Beklagte zu verpflichten, abgeleistete Heilmittelverordnungen bei vollständiger Zahlungsverweigerung im Original und bei teilweiser Zahlungsverweigerung in Ablichtung mit Absetzungsvermerk versehen an den Leistungserbringer zurückzureichen.

Der Kläger Ziffer 1 ist nach eigenen Angaben der in Baden-Württemberg aufgrund seiner Mitgliederstärke führende Berufsverband für Physiotherapeuten. Auf der Grundlage des § 125 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) hat er zusammen mit weiteren Berufsverbänden mit den baden-württembergischen Landesverbänden der Krankenkassen, somit auch mit der Beklagten, den am 01.12.2002 in Kraft getretenen Rahmenvertrag (RV) abgeschlossen, der die Einzelheiten der Versorgung der Versicherten der Landesverbände mit physiotherapeutischen Leistungen, die Vergütung der Leistungen und deren Abrechnung, die Rechte und Pflichten der Vertragspartner sowie die Folgen von Vertragsverstößen regelt (§ 2 Abs. 1 RV).

Die Klägerin Ziffer 2 ist aufgrund einer Zulassung nach § 124 SGB V berechtigt, als Physiotherapeutin Leistungen der Physikalischen Therapie an gesetzlich Krankenversicherte der Beklagten abzugeben. Sie ist Mitglied des Klägers Ziffer 1.

Die Beklagte hat nach eigenen Angaben zu Beginn des Jahres 2005 eine Prüfliste für Leistungserbringer erstellt, um die - ihrer Ansicht nach - Vielzahl unvollständiger und fehlerhafter Verordnungen im Sinne einer Qualitätsverbesserung bei der Versorgung der Versicherten zu verbessern. Diese insgesamt 26 Punkte umfassende Liste "Rechnungsprüfung unvollständiger und inhaltlich fehlerhafter Heilmittelverordnungen sowie falscher Abrechnung" war Gegenstand eines umfangreichen Schriftwechsels und zahlreicher Gespräche zwischen der Beklagten und unter anderem dem Kläger Ziffer 1. Auf die von den Klägern vorgelegte Prüfliste sowie den von der Beklagten im Verfahren S 10 KR 5996/05 ER vorgelegten umfangreichen Schriftwechsel wird Bezug genommen. Die Beklagte brachte hierbei zum Ausdruck, dass ihrer Auffassung nach physiotherapeutische Leistungserbringer verpflichtet sind, die ihnen vorgelegten vertragsärztlichen Verordnungen auf die in der Prüfliste aufgeführten "Fehler" zu überprüfen und diese "Fehler", gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem verordnenden Vertragsarzt, zu beheben.

Zu einer diesbezüglichen Einigung zwischen der Beklagten und dem Kläger Ziffer 1 kam es ebenso wenig wie zu einer Einigung der Beklagten mit den übrigen an den Verhandlungen beteiligten Berufsverbänden. Auf die hierzu von der Beklagten im Verfahren S 10 KR 5996/05 ER vorgelegten Schreiben dieser Berufsverbände wird verwiesen. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 04.05.2005 ihre Prüfliste an Abrechnungszentren übersandt hatte, wurden mit Schreiben vom 22.07.2005 von den durch die Klägerin Ziffer 2 zur Bezahlung eingereichten Rechnungen von der Beklagten in insgesamt 14 Fällen Absetzungen mit einem Gesamtbetrag von 1.189,92 EUR vorgenommen. Die Absetzungen wurden damit begründet, dass die Verordnung einen offensichtlichen Verstoß gegen die Heilmittel-Richtlinien enthalte und/oder auf der Verordnung eine Frequenzempfehlung fehle.

Gegen diese Vorgehensweise der Beklagten wenden sich die Kläger mit ihrer am 20.09.2005 schriftlich beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Beklagte unternehme mit ihrem Verhalten den Versuch, die Leistungserbringer quasi als "Vorprüfstelle und Zensor" des ärztlichen Therapieverhaltens zu missbrauchen. Sie verlange nicht mehr und nicht weniger, als dass die Leistungserbringer in die Therapiehoheit der Vertragsärzte eingriffen. Dies sei unzulässig. In § 4 Abs. 3 RV sei ausdrücklich normiert, dass hinsichtlich der Verordnungen keine Prüfpflicht beim Leistungserbringer liege. Diese Regelung entspreche dem historisch gewachsenen Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Arzt und nachgeordneten Berufsgruppen. Auf die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Heilmittel-Richtlinien könne sich die Beklagte bei ihrer Forderung an physiotherapeutische Leistungserbringer nicht berufen, da diese Heilmittel-Richtlinien für die Heilmittelerbringer keine Gültigkeit hätten. Hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Herausgabe der Heilmittelverordnungen gelte zunächst, dass die Originalverordnung eine Urkunde sei. Die Frage, wer Eigentümer des Verordnungsblattes sei, sei ihres Wissens nach in der Rechtsprechung bisher nicht geklärt. Wer nach Ausstellung der vertragsärztlichen Verordnung Eigentümer dieser Verordnung werde, sei nicht unmittelbar gesetzlich geregelt. Jedenfalls sei § 952 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzuwenden, und zwar unmittelbar oder analog. Der vom Patienten auf der Verordnung quittierte Leistungsempfang sei Grundlage für die Forderung der Praxis. Daher müsse das Verordnungsblatt als ein die Forderung legitimierendes sonstiges Papier nach § 952 Abs. 1 BGB behandelt werden, über das die Kasse nicht beliebig verfügen könne, solange der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers nicht abschließend geregelt sei. Diesen rechtlichen Anforderungen genüge das Verhalten der Beklagten nicht. Sie weigere sich, gar nicht vergütete Verordnungsblätter zurückzugeben und teilweise vergütete Verordnungsblätter mit einem bezifferten und begründeten Absetzungsvermerk an den Leistungserbringer zurückzureichen.

Die Kläger beantragen,

1. der Beklagten zu untersagen,

a) die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel, von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen,

hilfsweise

die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel, von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer dahingehend abhängig zu machen, ob der Vertragsarzt

aa) eine Frequenzempfehlung ausgesprochen hat;

bb) nur Heilmittel verordnet hat, die nach den Heilmittel-Richtlinien bei der gegebenen Indikation und der entsprechenden Leitsymptomatik als im Regelfall verordnungsfähig benannt sind.

b) gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen,

hilfsweise

gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer auf Frequenzempfehlung und Verordnungsfähigkeit im Regelfall bedürfen.

2. die Beklagte zu verurteilen, abgeleistete Heilmittelverordnungen, die ihr zur Bezahlung vorgelegt werden, im Original an den Leistungserbringer zurückzureichen, wenn die Bezahlung vollständig verweigert wird,

3. die Beklagte zu verurteilen, abgeleistete Heilmittelverordnungen, die ihr zur Bezahlung vorgelegt werden, in Ablichtung und mit einem bezifferten und begründeten Absetzungsvermerk versehen an den Leistungserbringer zurückzureichen, wenn die Bezahlung teilweise verweigert wird,

4. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1. ausgesprochene Untersagung bzw. im Fall der Nichterfüllung der unter 2. und 3. ausgesprochenen Verpflichtungen auf Antrag eines Klägers ein Ordnungsgeld bis zu EUR 50.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an einem Mitglied des Vorstands der Beklagten, festgesetzt werden kann.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Kläger hätten weder einen Anspruch auf die beantragten Unterlassungen noch auf die begehrten Verpflichtungen. Sie stimme den Klägern insoweit zu, als die Leistungserbringer selbstverständlich keine Fachaufsicht über den Vertragsarzt zu führen hätten. Eine solche fachliche Prüfungspflicht der Leistungserbringer fordere sie auch nicht. Was sie von den Leistungserbringern einfordere sei eine formale Überprüfung der Verordnung auf Vollständigkeit und Plausibilität. Dass damit ein Vergütungsverlust verbunden sein könne, sei ihrer Auffassung nach rechtmäßig. Hier sei darauf hingewiesen, dass es in den meisten Fällen zu keinem Vergütungsverlust komme, wenn der Leistungserbringer vom Vertragsarzt bestätigt erhalte, dass dieser an seiner ausgestellten Verordnung festhalte und der Leistungserbringer diese Mitteilung handschriftlich auf der Verordnung vermerke. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes - BSG - (Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 2/05 R) anerkannt, dass es für Leistungserbringer eine Überprüfungsverpflichtung von vertragsärztlichen Verordnungen gebe, auch wenn sie grundsätzlich formal ordnungsgemäß ausgestellt worden seien. Auch das SG Darmstadt komme in seinem Urteil vom 11.03.2005 ebenso wie das Hessische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 19.10.2006 zu dem Ergebnis, dass eine Leistung nur dann erbracht werden dürfe, wenn die Verordnung den jeweils gültigen Heilmittel-Richtlinien entspreche. Die Leistungserbringer seien nicht berechtigt, die Leistung aufgrund einer ungültigen Verordnung zu erbringen. Sie seien ausdrücklich verpflichtet, die Verordnung auf die Vereinbarkeit mit den Heilmittel-Richtlinien zu überprüfen. Die Heilmittel-Richtlinien würden auch für den gemäß dem Sachleistungsprinzip zwischengeschalteten weiteren Leistungserbringer gelten und insoweit diesem gegenüber verbindliche Wirkung entfalten. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wolle, ergebe sich eine Verpflichtung zur Beachtung der Heilmittel-Richtlinien nach dem abgeschlossenen RV. In § 3 Abs. 1 dieses Vertrages sei vorgesehen, dass der Leistungserbringer nur im Rahmen der Leistungsbeschreibung (Anlage 3) zur Abgabe der vom Vertragsarzt verordneten physiotherapeutischen Leistungen berechtigt und verpflichtet sei. Anlage 3 RV nehme aber Bezug auf die Heilmittel-Richtlinien. Diese rahmenvertragliche Regelung korrespondiere mit § 30 Abs. 8 des Bundesmantelvertrages-Ärzte, in dem geregelt sei, dass die Abgabe von Heilmitteln keiner Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfe. Dass insoweit zwangsläufig eine gesteigerte Kommunikation zwischen Leistungserbringer und Vertragsarzt erforderlich sei, ergebe sich im RV an mehreren Stellen. Für die Praxis gehe sie davon aus, dass die Physiotherapeuten die Heilmittel-Richtlinien eher besser kennen würden, wie die verordnenden Vertragsärzte selbst. Deshalb stelle die Anforderung, die Therapeuten sollten Verordnungen im Hinblick auf die Heilmittel-Richtlinien-Konformität überprüfen, rein tatsächlich nur einen geringen Aufwand dar. § 4 Abs. 3 Satz 3 RV sei daher nur so zu verstehen, dass der Leistungserbringer nicht verpflichtet sei, medizinische Inhalte der Verordnung zu überprüfen. Eine generelle Freistellung von jeglicher Prüfpflicht, die auch eine formale Überprüfung auf die Konformität mit den Heilmittel-Richtlinien beinhalte, könne dieser Vorschrift nicht entnommen werden. Darüber hinaus regle § 18 der Gemeinsamen Rahmenempfehlungen, dass die vertragsärztliche Verordnung nur dann ausgeführt werden könne, wenn die dort im Einzelnen aufgeführten, für die Behandlung erforderlichen Informationen enthalten seien. Zur Abgabe sei der Leistungserbringer deshalb nur dann berechtigt und verpflichtet, wenn er diese Essenzialia einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung vor Behandlungsbeginn überprüft habe. Die Bindung der Physiotherapeuten an die Heilmittel-Richtlinien und damit auch eine entsprechende Prüfpflicht ergebe sich überdies unmittelbar aus dem SGB V. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V könnten Versicherte Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, nicht beanspruchen, dürften die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Über diese Vorschrift entfalteten die Heilmittel-Richtlinien, die unzweifelhaft für Versicherte und Krankenkassen gelten, auch für die Kläger als Leistungserbringer unmittelbare bindende Wirkung. Darüber hinaus bestehe für sie keine Herausgabeverpflichtung bezüglich der Heilmittelverordnung. Der Heilmittelverordnung, deren Kosten sie trage, sei Urkundsqualität beizumessen. Diese sei für sie Grundlage der Prüfung ihrer Kosteneinstandsverpflichtung. Nach Durchführung dieser Überprüfung erfolge entweder eine Kostenübernahme oder eine (gegebenenfalls auch teilweise) Ablehnung. Sie dürfe Mittel nur für gesetzlich vorgeschriebene oder zugelassene Aufgaben verwenden. Diese Mittelverwendung sei Gegenstand aufsichtsrechtlicher Überprüfungen. Insoweit müssten ärztliche Verordnungen zum Nachweis rechtmäßigen Verhaltens auch aufbewahrt werden, wobei die Aufbewahrungsfrist bei Heilmittelverordnungen auf mindestens zwei Jahre festgelegt worden sei.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des SG Stuttgart S 10 KR 5996/05 ER und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die beim sachlich und örtlich zuständigen SG Stuttgart erhobene Klage ist zulässig.

Als Partner des unter anderem mit der Beklagten nach § 125 Abs. 2 SGB V geschlossenen RV reklamiert der Kläger Ziffer 1 hier ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten und macht mit seinem Begehren daher eine Verletzung des mit ihm geschlossenen Vertrages geltend. Er ist daher berechtigt, diese Vertragsverletzung in eigenem Namen geltend zu machen und im Wege des Untersagungsbegehrens auf Einhaltung der mit ihm vereinbarten vertraglichen Regelungen und Pflichten durch die Beklagte zu dringen. Auch sein Herausgabeverlangen ist Ausfluss der zwischen ihm und der Beklagten bestehenden vertraglichen Rechtsbeziehungen, so dass auch insoweit eine Klagebefugnis gegeben ist. Zudem ist der Kläger als Vertreter der Interessen der Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten im Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Verbandes der Physiotherapie, verbandsextern und -intern (www.zvk-Lvbw.de) berechtigt, neben seinen eigenen Rechten auch die Rechte seiner Mitglieder, also der als Heilmittelerbringer zugelassenen Personen, im Gerichtswege geltend zu machen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24.11.2004 - B 3 KR 16/03 = SozR 4-2500 § 36 Nr. 1; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 54 Rz. 13).

Der Zulässigkeit der Klageerhebung steht die in § 20 RV vorgesehene Möglichkeit, Meinungsverschiedenheiten durch einen Vertragsausschuss klären zu lassen, nicht entgegen, da nach § 20 Abs. 2 RV dieser Vertragsausschuss lediglich auf Antrag eines Vertragspartners einzuberufen ist. Eine Verpflichtung zur Einberufung des Vertragsausschusses ist dieser Vorschrift ebenso wenig zu entnehmen, wie ein Verbot, ohne Anrufung des Vertragsausschusses gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Während das Untersagungsbegehren in vollem Umfang auch begründet ist, besteht kein Anspruch der Kläger gegenüber der Beklagten auf Herausgabe abgeleisteteter Heilmittelversorgungen, weder im Original noch in Ablichtung.

1. Untersagungsbegehren

Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht für Erbringer von physiotherapeutischen Heilmitteln keine Verpflichtung, entsprechende vertragsärztliche Verordnungen einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung oder einer Prüfung auf formale Richtigkeit hin zu unterziehen. Mangels einer entsprechenden Prüfpflicht darf daher die Beklagte die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel nicht von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig machen und Entsprechendes gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern behaupten. Ein solches Verhalten ist daher der Beklagten zu untersagen. Die von der Beklagten behauptete Prüfpflicht der Physiotherapeuten ergibt sich weder aus dem RV noch aus den Gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß § 125 Abs. 1 SGB V über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer auf Bundesebene (Gemeinsame Rahmenempfehlungen) in der Fassung vom 17.01.2005. Auch aus den Heilmittel-Richtlinien vom 01.12.2003/16.03.2004 (Bundesanzeiger 2004 Nr. 106a S. 1), geändert durch Bekanntmachung vom 21.12.2004 (Bundesanzeiger 2005 Nr. 61 S. 4995), in Kraft ab 02.04.2005 lässt sich ebensowenig wie unmittelbar aus dem SGB V eine entsprechende Prüfpflicht der Erbringer von physiotherapeutischen Leistungen begründen.

Wie sich aus dem auf der Grundlage des § 125 Abs. 2 SGB V geschlossenen RV, der für die Klägerin Ziffer 2 aufgrund ihrer Eigenschaft als Mitglied des Klägers Ziffer 1 nach § 1 Abs. 1 Buchstabe f RV verbindlich ist, ergibt, ist der nach § 124 SGB V zugelassene Physiotherapeut an die Verordnung physiotherapeutischer Leistungen durch den Vertragsarzt gebunden. So bestimmt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RV Art und Umfang der Leistungen der Vertragsarzt. Zur Abgabe dieser Leistungen ist der Leistungserbringer berechtigt und verpflichtet (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RV). Diagnose, Art und Anzahl der Leistungen ergeben sich aus der vom Vertragsarzt ausgestellten Verordnung (§ 4 Abs. 3 Satz 1 RV). Diese Regelungen können nur dahingehend verstanden werden, dass der Physiotherapeut an die Verordnungen des Vertragsarztes gebunden ist. Eine vergleichbare Regelung enthalten die Heilmittel-Richtlinien in Ziffer 9 Sätze 1 und 2. Danach setzt die Abgabe von Heilmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen eine Verordnung durch einen Vertragsarzt voraus. Der Therapeut ist grundsätzlich an die Verordnung gebunden, es sei denn, im Rahmen dieser Richtlinien ist etwas anderes bestimmt. Aus diesen Regelungen wird deutlich, dass hinsichtlich der Erbringung physiotherapeutischer Leistungen ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Vertragsarzt und Heilmittelerbringer besteht. Ein Abweichen des Heilmittelerbringers von der vertragsärztlichen Verordnung wäre ein Eingriff in die ärztliche Therapiefreiheit, die dem Physiotherapeuten nach den dargestellten Regelungen untersagt ist. Dementsprechend besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass der Physiotherapeut nicht verpflichtet - und auch nicht berechtigt - ist, eine vertragsärztliche Verordnung "medizinisch", beispielsweise auf ihre Notwendigkeit hin, zu überprüfen.

Auch für die von der Beklagten geforderte Verpflichtung von Physiotherapeuten zur formalen Überprüfung vertragsärztlicher Verordnungen findet sich in dem hier maßgebenden RV keine Rechtsgrundlage. Dies zeigt bereits die Regelung in § 4 Ziffer 3 RV. Wie bereits dargestellt ergeben sich Diagnose, Art und Anzahl der Leistungen aus der vom Vertragsarzt ausgestellten Verordnung. Die vertragsärztliche Verordnung kann nur ausgeführt werden, wenn diese für die Behandlung erforderlichen Informationen enthalten sind. Dem Leistungserbringer obliegt insoweit jedoch keine Prüfpflicht (§ 4 Abs. 3 Satz 3 RV). Während Diagnose und Art der zu erbringenden physiotherapeutischen Leistungen nach Überzeugung der Kammer unstreitig dem medizinischen Bereich zuzuordnen sind und daher eine Prüfpflicht bzw. -berechtigung des Physiotherapeuten von vorne herein ausscheidet, ist die Anzahl der Leistungen durchaus einer Überprüfung durch den Physiotherapeuten zugänglich. Dies ergibt sich aus der Regelung in Ziffer 11.2.3 der Heilmittel-Richtlinien sowie aus dem Heilmittel-Katalog. Nach den dort enthaltenen Regelungen beträgt die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen bis zum Erreichen der Gesamtverordnungsmenge jedes Regelfalls in der physikalischen Therapie bis zu sechs Einheiten. Ausnahmen von der maximalen Verordnungsmenge finden sich dann im Heilmittel-Katalog. Aufgrund der Angaben in den Heilmittel-Richtlinien und im Heilmittel-Katalog ist der Physiotherapeut - ungeachtet einer etwaigen Bindung an die Heilmittel-Richtlinien - durchaus in der Lage, eine vertragsärztliche Verordnung dahin zu überprüfen, ob die maximale Verordnungsmenge vom Vertragsarzt bei seiner Verordnung eingehalten wurde. Die Verordnung der Anzahl physiotherapeutischer Leistungen ist daher einer formalen Überprüfung durchaus zugänglich, ohne dass hierbei in die ärztliche Therapiefreiheit - wie dies bei einer Überprüfung von Diagnose und Art der verordneten Leistung der Fall wäre - eingegriffen wird. Trotz dieser formalen Überprüfungsmöglichkeit bestimmt jedoch § 4 Abs. 3 Satz 3 RV, dass auch insoweit, also hinsichtlich der Anzahl der verordneten physiotherapeutischen Leistungen, keine Prüfpflicht des Leistungserbringers besteht. Dies zeigt, dass entgegen der Ansicht der Beklagten eine Verpflichtung physiotherapeutischer Leistungserbringer zur formalen Überprüfung vertragsärztlicher Verordnungen nicht besteht.

Weiter ist der Physiotherapeut nach § 3 Abs. 1 Satz 2 RV zur Abgabe der (vom Vertragsarzt verordneten) Leistungen (nur) im Rahmen der Leistungsbeschreibung (Anlage 3) berechtigt und verpflichtet. Bei der Erbringung der von einem Vertragsarzt verordneten physiotherapeutischen Leistungen hat sich somit der Physiotherapeut im Rahmen der Leistungsbeschreibung nach Anlage 3 zum RV zu halten. Erbringt er außerhalb dieses Rahmens Leistungen, so besteht insoweit kein Vergütungsanspruch. Nicht zuletzt aus eigenem Interesse ist daher der Physiotherapeut gehalten, vertragsärztliche Verordnungen daraufhin zu überprüfen, ob die dort verordneten Leistungen sich im Rahmen der Leistungsbeschreibung nach Anlage 3 zum RV halten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Physiotherapeut - wie dies die Beklagte meint - verpflichtet ist, die vertragsärztliche Verordnung physiotherapeutischer Leistungen auf ihre Vereinbarkeit mit den Heilmittel-Richtlinien zu überprüfen. Nach Anlage 3 zum RV "1. Grundsätze" berücksichtigt die Leistungsbeschreibung die Heilmittel-Richtlinien. Aus der Formulierung "berücksichtigt" ist zu ersehen, dass die Leistungsbeschreibung sich zwar an den Heilmittel-Richtlinien orientiert. Keinesfalls werden jedoch in der Leistungsbeschreibung die Heilmittel-Richtlinien in vollem Umfang übernommen oder auf die Heilmittel-Richtlinien im Sinne einer vollständigen Übernahme verwiesen. Wäre dies von den Vertragspartnern des RV beabsichtigt gewesen, so hätte dies in einer anderen Formulierung zum Ausdruck kommen müssen. Der Verweis der Beklagten auf das Urteil des SG Darmstadt und auf das dieses Urteil bestätigende Urteil des Hessischen Landessozialgerichtes, gegen das nach Mitteilung der klägerischen Prozessbevollmächtigten Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG eingelegt wurde, geht ins Leere. Sowohl das SG Darmstadt als auch das Hessische Landessozialgericht haben ihre Entscheidung, die Leistungserbringer seien verpflichtet, die vertragsärztliche Verordnung auf die Vereinbarkeit mit den Heilmittel-Richtlinien zu überprüfen, maßgebend auf § 2 Ziffer 1 der in Hessen geltenden Vereinbarung über die Vergütungssätze für physiotherapeutische Leistungen gestützt. Nach dieser Vorschrift dürfen Leistungen nach diesem Vertrag nur aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung erbracht werden; die Verordnung ist nur gültig gemäß den jeweils geltenden Heilmittel-Richtlinien und deren Anlagen. Diese in Hessen geltende Vereinbarung verweist hinsichtlich der Gültigkeit einer Verordnung damit hinsichtlich der Befugnis des Leistungserbringers, entsprechende physiotherapeutische Leistungen erbringen und abrechnen zu dürfen, auf die Heilmittel-Richtlinien in der jeweils geltenden Fassung sowie deren Anlagen. Eine solche eindeutige Bezugnahme auf die Heilmittel-Richtlinien fehlt jedoch gerade in dem hier maßgebenden RV. Die Rechtsprechung des SG Darmstadt kann daher ebenso wenig wie die Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichtes auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden. Auch das von der Beklagten zur Begründung ihres Verlangens herangezogene Urteil des BSG vom 17.03.2005 (B 3 KR 2/05 R) vermag ihr Begehren nicht zu stützen. Soweit das BSG in diesem Urteil darauf hinweist, dass gesetzliche und vertragliche Regelungen im Rahmen des SGB V abschließend sind, stützt dies gerade die Ansicht der Kläger, da nach § 4 Abs. 3 Satz 3 RV gerade keine Prüfpflicht der Leistungserbringer besteht. Maßgebend für den Physiotherapeuten ist damit allein die Leistungsbeschreibung, die durchaus von den Heilmittel-Richtlinien abweichen kann. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass sich in Abweichung zu den Heilmittel-Richtlinien in der Leistungsbeschreibung keine Angaben zur Anzahl der bei Erst- und Folgeverordnungen maximal zulässigen Verordnungsmengen finden. Insbesondere besteht für den Physiotherapeuten keine Prüfpflicht hinsichtlich der Frequenzempfehlung und der nach den Heilmittel-Richtlinien gegebenen Indikation. In der Leistungsbeschreibung, die insoweit allein für den Physiotherapeuten maßgebend ist, finden sich keine Angaben zur Frequenz, so dass insoweit keine Prüfpflicht des Physiotherapeuten besteht. Ausweislich der Anlage 3 zum RV "1. Grundsätze" werden in der Leistungsbeschreibung die wesentlichen Indikationen und Therapieziele für die einzelnen Maßnahmen beispielhaft benannt. Die Leistungsbeschreibung ist somit hinsichtlich der Indikationen nicht vollständig und nicht abschließend. Erfolgt daher die Verordnung physiotherapeutischer Leistungen durch einen Vertragsarzt aufgrund einer in der Leistungsbeschreibung nicht enthaltenen Indikation ist dies für den Physiotherapeuten kein Anlass zur Prüfung und Nachfrage beim verordnenden Vertragsarzt.

Auch den Gemeinsamen Rahmenempfehlungen lässt sich die von der Beklagten geforderte Prüfpflicht nicht entnehmen. Zwar bestimmt § 18 Abs. 1 der Gemeinsamen Rahmenempfehlungen, dass Diagnose, Leitsymptomatik, Art, Anzahl, soweit erforderlich die Therapiezeit und Frequenz der Leistungen sich aus der vom Vertragsarzt ausgestellten Verordnung ergeben. Die vertragsärztliche Verordnung kann ausgeführt werden, wenn diese für die Behandlung erforderlichen Informationen enthalten sind. Zur Abgabe dieser Leistungen ist der zugelassene Heilmittelerbringer dann entsprechend der Leistungsbeschreibung berechtigt und verpflichtet. Auch wenn diese Regelung auf eine Prüfpflicht der Physiotherapeuten zumindest hinsichtlich der Frequenzangabe hindeutet, bleibt festzuhalten, dass ausweislich der Präambel zu den Gemeinsamen Rahmenempfehlungen sich diese lediglich an die Partner dieser Rahmenempfehlungen richtet. Ausweislich der Präambel verpflichten sich die Partner dieser Rahmenempfehlungen, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für eine gewissenhafte Umsetzung der Rahmenempfehlungen Sorge zu tragen. Sie wirken darauf hin, dass diese Empfehlungen in den Verträgen nach § 125 Abs. 2 SGB V - also dem RV - umgehend berücksichtigt werden. Zudem handelt es sich, wie bereits aus dem Wortlaut zu ersehen ist, lediglich um Empfehlungen, die zumindest für die erkennende Kammer rechtlich unverbindlich sind (vgl. BSG, Terminsbericht 62/06 zur Sitzung am 29.11.2006 im Verfahren B 6 KA 7/06 R; Knittel in Krauskopf, Kommentar zur Krankenversicherung, Loseblattsammlung, § 125 SGB V Rz. 2f.). Eine Bindung der Beteiligten an diese Gemeinsamen Rahmenempfehlungen würde erst dann entstehen, wenn entsprechend der Präambel die dort enthaltenen Empfehlungen in den RV übernommen worden wären, was jedoch ausweislich des Wortlautes des RV, insbesondere ausweislich des Wortlautes des § 4 RV, nicht erfolgt ist.

Die von der Beklagten geforderte Prüfpflicht der Erbringer physiotherapeutischer Leistungen kann auch nicht unmittelbar auf die Heilmittel-Richtlinien gestützt werden, die der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassen hat. Diese Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind nach § 92 Abs. 8 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge und geltend damit unmittelbar nur für Vertragsärzte. Über § 91 Abs. 9 SGB V sind die Heilmittel-Richtlinien darüber hinaus für die Versicherten, die Krankenkasse und für die an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer und die zugelassenen Krankenhäuser verbindlich. Nach Ziffer 1 3. Absatz der Heilmittel-Richtlinien sind diese Richtlinien für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen und deren Verbände verbindlich. Aus den dargestellten Regelungen, insbesondere aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Regelungen wird gefolgert, dass die Heilmittel-Richtlinien für die Erbringer physiotherapeutischer Leistungen keine unmittelbare Wirkung entfalten und daher für diese nicht verbindlich sind. Die Richtlinien, so auch die Heilmittel-Richtlinien, würden Handlungsanweisungen an ihre Adressaten, insbesondere an die Ärzte enthalten. Auf Leistungserbringer - wie die Physiotherapeuten - hätten sie nur eine mittelbare tatsächliche Wirkung. Für diese hätten die Heilmittel-Richtlinien allenfalls wirtschaftliche Auswirkungen, ohne Rechtspositionen zu begründen oder zu beseitigen. Dementsprechend wird die Auffassung vertreten, dass zu den "an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnahmeberechtigten Leistungserbringern" die Erbringer physiotherapeutischer Leistungen gerade nicht gehören (BSG, Urteile vom 01.10.1990 - 6 RKa 22/88 = BSGE 67, 251 ff. - und 6 RKa 3/90; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.06.2004 - L 11 KR 116/03 -; BSG, Urteil vom 31.05.2006 - B 6 KA 69/04 R; Hess im Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Loseblattsammlung, § 91 SGB V Rz. 30; Henke in Peters, "Handbuch der Krankenversicherung", Loseblattsammlung, Stand März 2005, § 91 SGB V Rz. 21-23). Ungeachtet des nach Auffassung der Kammer insoweit eindeutigen Wortlautes wird jedoch auch die Auffassung vertreten, dass aufgrund des Charakters von Richtlinien, also auch der Heilmittel-Richtlinien, als untergesetzlicher Rechtsnorm diese auch für nicht ärztliche Leistungserbringer maßgebend und verbindlich sind (so BSG in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.07.2003 - L 5 KR 212/02).

Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der oben dargestellten Regelungen, insbesondere aufgrund der Regelung in den Heilmittel-Richtlinien selbst, dass diese (nur) für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen und deren Verbände verbindlich sind und daher gerade für die nichtärztlichen Leistungserbringer keine unmittelbare verbindliche Wirkung entfalten, ist die Kammer der Überzeugung, dass die Heilmittel-Richtlinien für Physiotherapeuten allenfalls mittelbare Wirkung entfalten können. Eine rechtsverbindliche Wirkung kommt den Heilmittel-Richtlinien für diese jedoch insoweit nicht zu, so dass sich aus den Heilmittel-Richtlinien die von der Beklagten geforderte Prüfpflicht nicht ergeben kann.

Selbst wenn man jedoch - der Auffassung der Beklagten folgend - den Heilmittel-Richtlinien eine verbindliche Wirkung für die Physiotherapeuten beimisst, ergibt sich hieraus keine Pflicht der Physiotherapeuten zur Prüfung vertragsärztlicher Verordnungen auf deren inhaltliche Richtigkeit. Wie oben bereits dargestellt ist nach Ziffer 9 Satz 2 der Heilmittel-Richtlinien der Therapeut grundsätzlich an die vertragsärztliche Verordnung gebunden, es sei denn, im Rahmen dieser Richtlinien ist etwas anderes bestimmt. Der Heilmittelverordnung nach den Richtlinien liegt nach Ziffer 11 der Heilmittel-Richtlinien in den jeweiligen Abschnitten des Heilmittel-Kataloges ein definierter Regelfall zugrunde. Dieser Regelfall geht von der Vorstellung aus, dass mit dem der Indikation zugeordneten Heilmittel im Rahmen der Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls das angestrebte Therapieziel erreicht werden kann. Die Gesamtverordnungsmenge und die Anzahl der Behandlungen (Einheiten) je Verordnung im Regelfall ergeben sich aus dem Heilmittel-Katalog. Die Verordnungsmenge richtet sich nach dem medizinischen Erfordernis des Einzelfalls; nicht jede Schädigung/Funktionsstörung bedarf der Behandlung mit der Höchstverordnungsmenge je Verordnung bzw. der Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls. Nach Ziffer 16 der Heilmittel-Richtlinien hängt die Auswahl und die Anwendung (insbesondere Einheiten pro Verordnung, Gesamtverordnungsmenge, Empfehlung zur Behandlungsfrequenz) des Heilmittels von der Ausprägung und Schweregrad der Erkrankung (Schädigung/Funktionsstörung/Fähigkeitsstörung) sowie von dem mit dieser Verordnung angestrebten Ziel (Therapieziel) ab. Diese Regelungen zeigen, dass die Heilmittel-Richtlinien insbesondere in der Festlegung des Heilmittel-Kataloges stets vom Regelfall ausgehen, von dem jedoch dann im Einzelfall durchaus abgewichen werden kann. Nach Ziffer 22 der Heilmittel-Richtlinien sind in der Heilmittelverordnung nach Maßgabe der vereinbarten Vordrucke die Heilmittel eindeutig zu bezeichnen. Ferner sind alle für die individuelle Therapie erforderlichen Einzelangaben zu machen. Anzugeben sind insbesondere unter anderem die Frequenzempfehlung, der vollständige Indikationsschlüssel sowie die Diagnose mit Therapieziel(en) nach Maßgabe des jeweiligen Heilmittel-Kataloges. Die Regelung in Ziffer 22 der Heilmittel-Richtlinien scheint die Ansicht der Beklagten zu bestätigen, es bestehe zumindest hinsichtlich der Frequenzempfehlung sowie hinsichtlich der Indikation eine Prüfpflicht des Physiotherapeuten. Allerdings wird diese Auffassung durch Ziffer 29.1 der Heilmittel-Richtlinien widerlegt. Diese Regelung hat folgenden Wortlaut: "Sind auf dem Verordnungsvordruck Angaben zur Frequenz der Heilmittelbehandlung gemacht, ist eine Abweichung davon nur zulässig, wenn zuvor zwischen Vertragsarzt und Therapeut ein abweichendes Vorgehen verabredet wurde. Die einvernehmliche Änderung ist vom Therapeuten auf dem Verordnungsvordruck zu dokumentieren". Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 4 Abs. 8 Buchst. b 2. Absatz RV. Der Wortlaut dieser beiden Regelungen zeigt, dass Angaben zur Frequenzempfehlung auf der vertragsärztlichen Verordnung durchaus fehlen können, da anderenfalls der Wortlaut in Ziffer 29.1 der Heilmittel-Richtlinien und in § 4 Abs. 8 Buchst. b 2. Absatz RV nicht verständlich ist. Wäre die Angabe einer Frequenzempfehlung auf der vertragsärztlichen Verordnung unbedingt erforderlich mit der Folge einer entsprechenden Prüfpflicht für den Physiotherapeuten, so hätte der Wortlaut dieser Regelungen anders lauten müssen, beispielsweise dahingehend "von den Angaben zur Frequenz der Heilmittelbehandlung auf dem Verordnungsvordruck kann nur dann abgewichen werden ...". Zur Überzeugung der Kammer steht aufgrund des Wortlauts der dargestellten Regelungen somit fest, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bei Schaffung der Heilmittel-Richtlinien selbst davon ausgehen, dass Angaben zur Frequenzempfehlung auf der vertragsärztlichen Verordnung entbehrlich sind. Hinsichtlich der Angabe von Diagnosen und Indikationen gehen die Heilmittel-Richtlinien wie oben bereits dargestellt stets vom Regelfall aus, so dass Abweichungen beispielsweise vom Heilmittel-Katalog angesichts der vertragsärztlichen Therapiefreiheit ohne weiteres möglich sind. Auch den Heilmittel-Richtlinien kann daher eine Prüfpflicht der Physiotherapeuten - sollte man von einer Verbindlichkeit für sie ausgehen - nicht entnommen werden.

Ebensowenig ergibt sich eine Prüfpflicht aus den Regelungen des SGB V. Soweit die Beklagte insoweit auf die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V verweist, wonach nicht notwendige oder unwirtschaftliche Leistungen die Leistungsbringer nicht bewirken dürfen, verkennt die Beklagte den Regelungsgehalt dieser Vorschrift. Mit der Begrenzung der dem Versicherten zu gewährenden Leistungen auf das ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Maß gewährleistet § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V einerseits den notwendigen Leistungsstandard, verhindert andererseits aber auch Leistungen im Übermaß. Die sich hieraus ergebenden konkreten Folgerungen aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB II finden sich in § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V für Versicherte, Krankenkassen und Leistungserbringer. Die sich aus § 12 SGB V ergebenden Vorgaben zur Bestimmung der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden und zur erbringenden Leistungen wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Heilmittel-Richtlinien, insbesondere in dem dort als Anlage beigefügten Heilmittel-Katalog umgesetzt. Wie bereits dargestellt ergibt sich jedoch - selbst bei verbindlicher Geltung der Heilmittel-Richtlinien für Physiotherapeuten - hieraus keine Prüfpflicht in dem von der Beklagten begehrten Umfang.

Mangels hierfür vorhandener Grundlage darf daher die Beklagte die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel nicht von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig machen. Insoweit ist auch die Behauptung, ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel bedürften einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer, nicht zulässig. Ein solches Verhalten ist daher der Beklagten zu untersagen, der Klaganspruch Ziffer 1 ist somit begründet.

Die unter Ziffer 2 des Urteilstenors ausgesprochene Androhung der Festsetzung von Ordnungsgeld bzw. Ordnunghaft im Falle der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes ergibt sich aus § 198 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 890 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (BSG, Urteil vom 20.04.1988 - 3/8 RK 4/87 = SozR 2200 § 517 Nr. 11).

2. Herausgabeverlangen

Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Herausgabe abgeleisteter Heilmittelverordnungen im Original bzw. in Ablichtung besteht nicht. Nach § 69 Satz 1 SGB V regeln dieses Kapitel (§§ 69 - 140 h SGB V) sowie die §§ 63 und 64 abschließend die Rechtsbeziehungen unter anderem der Krankenkassen und ihrer Verbände zu sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Für diese Rechtsbeziehungen gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und der übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Durch diese zum 01.01.2000 erfolgte Neuregelung ist klargestellt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und nichtärztlichen Leistungserbringern dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Ob vor diesem Hintergrund § 952 Abs. 1 BGB entweder unmittelbar oder analog Anwendung finden kann, wie dies die Kläger meinen, erscheint äußerst zweifelhaft. Selbst wenn man sich der Auffassung der Kläger insoweit anschließen sollte, also eine Anwendbarkeit des § 952 Abs. 1 BGB bejahen würde, würde gleichwohl kein Herausgabeanspruch der Kläger gegeben sein. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Kosten für die Vordrucke, auf denen die vertragsärztliche Verordnung von Heilmitteln erfolgt (Muster 13), nach § 34 Abs. 2 Satz 1 des Bundesmantelvertrages - Ärzte von den Krankenkassen getragen werden. Nach § 16 Abs. 2 RV erfolgt die Abrechnung unter Vorlage der Originalverordnung, wobei nach § 16 Abs. 11 RV eventuell die Abrechnung sachlich-rechnerisch zu prüfen ist. Die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse hat nach § 30 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) die ihr zugewiesenen Mittel nur für "gesetzliche" Aufgaben zu verwenden und unterliegt insoweit nach den §§ 87 ff. SGB IV der staatlichen Aufsicht mit der Folge einer mindestens alle 5 Jahre stattfindenden Prüfung ihrer Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung. Um diese Prüfung zu ermöglichen, hat die Beklagte nach § 88 Abs. 2 SGB IV der Aufsichtsbehörde oder ihren Beauftragten auf Verlangen alle Unterlagen vorzulegen und alle Auskünfte zu erteilen, die zur Ausübung des Aufsichtsrechts aufgrund pflichtgemäßer Prüfung der Aufsichtsbehörde gefordert werden (vgl. hierzu Graeff in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB IV, Loseblattsammlung, § 88 Rz. 4). Hierbei sind entgegen der Ansicht der Kläger nicht nur die Originalverordnungen aufzubewahren, bei denen eine Vergütung erfolgt ist, sondern auch die Originalverordnungen, bei denen gerade keine Vergütung vorgenommen wurde, da nur bei Vorlage auch dieser Verordnungen die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Beklagten von der Aufsichtsbehörde umfassend geprüft werden kann. Um ihre sich aus § 88 Abs. 2 SGB IV ergebende Pflicht zur Vorlage aller prüfrelevanten Unterlagen erfüllen zu können, ist die Beklagte darauf angewiesen, die Originalverordnungen bei sich aufzubewahren. Eine Herausgabe an einzelne Leitungserbringer scheidet damit aus. Zudem besteht auch kein Bedürfnis der Leistungserbringer auf Herausgabe der ganz oder teilweise nicht vergüteten Originalverordnungen. Sollte es zu einer (teilweisen oder völligen) Nichtvergütung erbrachter Leistungen kommen, besteht jederzeit die Möglichkeit, die streitigen Originalverordnungen im Wege der Akteneinsicht bei der Beklagten anzufordern. Mit der Verneinung des Herausgabeverlangens entsteht daher den Klägern kein Rechtsnachteil.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung des sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001 (Bundesgesetzblatt I S. 2144). Hierbei hat die Kammer den Anteil des Obsiegens und Unterliegens der Kläger in dem sich aus dem Tenor ersichtlichen Umfang berücksichtigt.
Rechtskraft
Aus
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