Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4283/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 672/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist die Gewährung von Hinterbliebenenrente (Elternrente) aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Sohn L. B. S. S. (L. S.) der Klägerin erlitt am 06.02.1996 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich schwerste Verletzungen im Sinne eines Polytraumas mit Schädelhirntrauma zuzog. Er befand sich deshalb seit dem Arbeitsunfall mit geringfügigen Unterbrechungen bis 12.12.1996 in stationärer Behandlung. Am 12.12.1996 ließ er sich in sein Heimatland Tunesien zurückbringen, um sich dort von seiner Familie pflegen zu lassen. Mit Bescheid vom 14.01.1997 bewilligte ihm die Beklagte Verletztenrente in Höhe der Vollrente, mit Bescheid vom 10.03.1997 außerdem Pflegegeld gem. § 44 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ab 12.12.1996.
Am 04.06.1997 teilte der Bruder und bisherige Vormund von L. S., S. S. der Beklagten mit, dass L. S. an diesem Tag verstorben sei. Er legte ferner die Übersetzung einer notariellen Vollmacht vom 22.07.1997 vor, mit der die Klägerin sowie sechs weitere Familienangehörige S. S. beauftragten, sie in allen mit dem Nachlass von L. S. zusammenhängenden Fragen zu vertreten. Außerdem wurde die Sterbeurkunde des Amtsgerichts Siliana vom 17.06.1997 vorgelegt, in der nicht nur der Tod von L. S. bescheinigt, sondern auch festgestellt wurde, dass die Klägerin sowie sieben im Einzelnen aufgeführte Geschwister Erben seien. Ferner wurde vorgelegt die "Unterhaltsbescheinigung" vom 03.07.1996, in welcher der als Schwager bezeichnete L. B. M. B. H. H. sowie ein Bekannter bestätigten, L. S. komme für den Unterhalt seiner Mutter, der Klägerin, allein auf. Seit dem Tode ihres Mannes im Jahre 1979 sorge er für den Unterhalt bzw. für die ärztliche Versorgung und sämtliche Lebensbedürfnisse. Mit Bescheid vom 17.10.1997 bewilligte die Beklagte S. S. Sterbegeld in Höhe von 7.320 DM, da L. S. an den Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.02.1996 verstorben sei.
Mit Schreiben vom 30.01.1998 beantragte S. S. im Namen der Klägerin, dieser Elternrente zu bewilligen, da L. S. ihre einzige Unterstützung gewesen sei. In dem von der Beklagten übersandten Fragebogen gab S. S. unter dem 05.02.1998 an, die Klägerin habe keine Einkünfte, da sie bereits 80 Jahre alt sei. Sie beziehe auch keine Rente, Pension oder andere Leistungen aus der Sozialversicherung und keine Unterstützung von Stellen der öffentlichen Fürsorge. Für L. S. sei keine Lebens- oder Sterbegeldversicherung abgeschlossen gewesen. Anlässlich des Arbeitsunfalls seien nur von der Beklagten Leistungen erbracht worden. An Vermögensgegenständen besitze die Klägerin nur ein Haus, für das jährlich 189 Dinar Grundsteuer zu zahlen seien. Bisher habe sie auf Kosten von L. S. gelebt. Für eine ausreichende Lebenshaltung benötige sie monatlich 600 Dinar. Mit ihr im Haushalt lebten die Großmutter und eine von Geburt an blinde Tochter. Diese bezögen vom Ministerium für Soziales eine Unterstützung in Höhe von 70 Dinar. Er sowie M. T. S. unterstützten die Klägerin körperlich, moralisch und materiell je nach Möglichkeiten mit etwa 100 Dinar. Man könne jedoch sagen, dass L. S. nach den familiären Verpflichtungen der Brüder und Schwestern die einzige Unterstützung der Klägerin gewesen sei. Er habe bei jedem Aufenthalt in Tunesien im Haus der Klägerin gewohnt und ihr für ihren Unterhalt eine zufriedenstellende "Ausgabe" erbracht, deren Höhe nicht bekannt sei. Vor seinem Unfall habe L. S. seine Mutter mit 7.000 - 8.000 Dinar im Jahr unterstützt. Nach seinem Tod habe sie vom Geld des Verstorbenen zuzüglich Sterbegeld gelebt. Auf die Frage, wie der Nachweis für die geleisteten Zahlungen erbracht werden könne (z. B. Postquittungen, Überweisungsbelege) gab S. S. an, es gebe keine Unterlagen. Das Geld sei über Freunde und nahe Verwandte übersandt worden oder direkt durch L. S. bei seinen regelmäßigen Besuchen übergeben worden.
Die Beklagte nahm Ermittlungen zu den finanziellen Verhältnissen von L. S. auf. Die CIV Lebensversicherung AG teilte der Beklagten mit Schreiben vom 11.08.1998 mit, aus einer Unfallversicherung seien anlässlich des Unfalls vom 06.02.1996 folgende Leistungen erbracht wurden: 11.000,- DM Sofortleistung bei Schwerverletzungen, 1.400,- DM Schmerzensgeld, Krankenhaustagegeld in Höhe von insgesamt 7.540,- DM sowie Invaliditätsleistungen in Höhe von insgesamt 168.000,- DM. Anlässlich des Todes sei aus einer Lebensversicherung eine Auszahlung der Todesfallleistung von 21.385,88 DM erfolgt. Die City-Bank S.- B. C. teilte mit Schreiben vom 30.06. und 14.08.1998 mit, L. S. habe dort ein Girokonto, ein Kreditkonto, zwei Vorsorgeplansparkonten und einen vermögenswirksamen Sparvertrag unterhalten. Von dem seit April 1992 bestehenden Girokonto seien bis zum Unfallzeitpunkt keine Überweisungen nach Tunesien vorgenommen worden.
Mit Bescheid vom 26.11.1998 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin Elternrente zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung für den begehrten Anspruch sei u. a. ein Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit. Nach ihren Ermittlungen habe die Klägerin jedoch nach dem Ableben von L. S. Zahlungen aus bestehenden Versicherungen in beträchtlicher Höhe erhalten. Auch habe L. S. neben der Verletztenrentenzahlung aus einer privaten Versicherung eine Invaliditätsleistung in Höhe von 156.000,- DM ausgezahlt bekommen. Es sei anzunehmen, dass dieses Geld zum Zeitpunkt des Ablebens von L. S. am 04.06.1997 noch nicht vollständig verbraucht gewesen sei. Da die Klägerin durch das Ableben ihres Sohnes dessen Vermögen geerbt habe, liege zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich keine Unterhaltsbedürftigkeit vor. Unter diesen Voraussetzungen könne dahingestellt bleiben, ob die übrigen Leistungsvoraussetzungen überhaupt vorlägen. Dieser Bescheid wurde bindend.
Mit Schreiben vom 06.06.2002 wandte sich S. S. an das Sozialministerium Baden-Württemberg u. a. mit dem Ziel der Gewährung einer Elternrente. Die Beklagte erklärte sich unter dem 28.11.2002 bereit, dieses Schreiben als Antrag auf Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu werten und lehnte es mit Bescheid vom 06.02.2003 ab, den Bescheid vom 26.11.1998 zurückzunehmen und der Klägerin Elternrente zu gewähren. Neue Erkenntnisse oder Tatsachen lägen nicht vor. Die Klägerin sei auch nicht wegen fehlender Sprachkenntnisse benachteiligt worden. Den hiergegen sinngemäß erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.07.2003 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 14.08.2003 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG). Nach Aufforderung des SG, Unterlagen zum Nachweis ihrer Unterhaltsbedürftigkeit vorzulegen, legte die Klägerin u. a. vor: - Bescheinigung der regionalen Dienststelle S. der nationalen Sozialversicherungsanstalt vom 14.11.2003, dass die Klägerin keine "Versicherungsbeträge" (gemeint wohl: Leistungen aus der Sozialversicherung) beziehe, - Bedürftigkeitsbescheinigung der Gemeinde S. vom 01.12.2003, die Klägerin bedürfe wegen ihrer Sozialverhältnisse der Sozialhilfe, - eidesstattliche Erklärung der Krankenschwester G., - notarieller Kaufvertrag vom 02.06.1997 über den Ankauf eines unbebauten Grundstücks durch die Klägerin, - Kostenvoranschlag des Bauunternehmers H. vom 03.06.1997 für den Bau eines Hauses für L. S. über insgesamt 56.930,- Dinar, - Sozialbericht über Krankenbetreuung des Regionaldirektors für Sozialangelegenheiten und Solidarität vom 10.02.2003, - "Forderungserklärung" des Lebensmittelhändlers I. B. A. B. F., L. S. schulde ihm 1.700,- Dinar für Lebensmittel, die er bei ihm im Zeitraum vom 12.12.1995 bis 12.12.1996 für Rechnung seiner alten Mutter gekauft habe, - Kontoauszüge der Klägerin und der Tochter Mna. zum Nachweis dafür, dass diese aus der Erbschaft Anteile von 10.000,- Dinar (Klägerin) bzw. 6.000,- Dinar (Mna.) erhalten hätten, - Kopien aus dem Pass von L. S. zum Nachweis seiner Besuche bei seiner Mutter in Tunesien, - Antrag auf Unfallversicherung von L. S. vom 02.09.1993, in dem als Bezugsberechtigter im Todesfall S. S. benannt worden ist, - Auszahlungsquittung der City-Bank über 143.000,- DM vom 13.05.1997, - Kontoauszüge von S. S., - Überweisungsdurchschriften zum Nachweis dafür, dass von der Erbschaft S. S. 56.000,- Dinar, die Klägerin, A. und T. jeweils 10.000,- Dinar, S., R. und M. jeweils 6.000,- Dinar und Y. 8.000,- Dinar erhalten habe.
Die Klägerin trug vor, sie lebe von der Erbschaft von ihrem Sohn mit Hilfe der Mitglieder der Familie, soweit ihnen dies möglich sei. L. S. habe sich um sie persönlich gekümmert und ihr jedes Mal, wenn er nach Tunesien gekommen sei (1-2 Mal jährlich) Geld für Medikamente, Arztbesuche und Lebensmittel gegeben. Das Geld aus der Unfallversicherung habe S. S. zunächst bei einer tunesischen Bank hinterlegt und nach dem Tode von L. S. in die Erbschaft eingebracht. Bei der Aufteilung der Erbschaft habe S. S. den größten Teil des Geldes bekommen, weil dieser sich um seine Mutter gekümmert habe und ihr die Medikamente, die Nahrungsmittel und alles was für sie nötig sei, gekauft habe.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug vor, im Falle der Klägerin sei der Nachweis nicht geführt, dass ihr L. S. vor seinem Tode mit einer gewissen Regelmäßigkeit in erheblichem Umfang tatsächlich Unterhalt geleistet habe. Da die Klägerin, wie sie selbst angebe, Erbin ihres verstorbenen Sohnes sei, sei davon auszugehen, dass sie auch einen Großteil von dessen Versicherungsleistungen geerbt habe. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin ausgegangen werden.
Mit Schreiben vom 06.06.2005 wies das SG die Klägerin darauf hin, für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente sei es erforderlich, dass L. S. sie zu seinen Lebzeiten unterhalten habe. Hierfür seien Nachweise in Form von Überweisungen nach Tunesien oder Ähnliches erforderlich. Hierauf erfolgte kein weiterer Vortrag der Klägerin.
Nach entsprechendem Hinweis wies das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 07.12.2005 ab. In den Entscheidungsgründen legte es dar, es sei nicht nachgewiesen, dass L. S. die Klägerin vor dem Versicherungsfall tatsächlich wesentlich aus seinem Arbeitseinkommen unterhalten habe. Der Vortrag von S. S. sei in sich widersprüchlich und in wesentlichen Teilen nicht glaubwürdig. Die Klägerin sei ferner auch nicht unterhaltsbedürftig. Sie sei aufgrund der ihr nach dem Tod ihres Sohnes zugeflossenen Zahlungen in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Da sich die Erbschaft auf insgesamt 109.599,35 Euro belaufe, was umgerechnet 172.070,99 tunesischen Dinar entspreche, sei es nicht glaubhaft, dass die Klägerin hiervon nur 16.000,- Dinar erhalten haben solle.
Gegen den ihr am 15.12.2005 in Tunesien zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit ihrem am 11.01.2006 bei dem SG eingegangenen Schreiben vom 31.12.2005 sinngemäß Berufung eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, die Erbschaft habe 219.198,71 DM betragen. Tatsächlich habe der Wert der Erbschaft 187.940,- DM entsprechend 120.657,- tunesischen Dinar betragen. Hiervon seien 56.000,- an die Erben gegangen, 15.000,- für das angekaufte Grundstück, 25.000,- für die Erneuerung des Hauses und 25.000,- an S. S. Sie habe einen Anspruch auf Elternrente unter dem Gesichtspunkt, dass L. S. durch die Beklagte in sein Heimatland Tunesien überführt worden sei. Alles, was man ihm dort bewilligt habe (Rente, Zuschüsse, Pflege, Medikamente und die Unterbringung in einem Krankenhaus) sei viel niedriger bzw. billiger als das, was ein Versicherter erhalte, der in Deutschland lebe. Kurz: Man wende die Regeln und Gesetze Tunesiens auf L. S. an und nach diesen Gesetzen stehe ihr eine Elternrente zu. Soweit sich die Beklagte auf Leistungen aus einer privaten Versicherung berufe, handle es sich nur um einen Vorwand, um ihren Verpflichtungen zu entgehen. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag aus dem Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 07.12.2005 und den Bescheid vom 06.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26.11.1998 zurückzunehmen und ihr eine Hinterbliebenenrente (Elternrente) aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der angefochtene Gerichtsbescheid sei weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG hat die Klage abgewiesen, die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 26.11.1998 und die Gewährung von Elternrente abgelehnt.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern der Verstorbenen, die von den Verstorbenen zur Zeit des Todes aus deren Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen wesentlich unterhalten worden sind, oder ohne den Versicherungsfall wesentlich unterhalten worden wären, erhalten eine Rente, solange sie ohne den Versicherungsfall gegen die Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können (§ 69 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VII). Bei der ersten Alternative (tatsächliche Unterhaltsgewährung zur Zeit des Todes) kommt es auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand an (Hauck-Keller, Randziff. 7 zu § 69 SGB VII; Kasskomm-Ricke, Randziff. 4 zu § 69 SGB VII). Der Unterhalt muss ferner aus dem Arbeitsentgelt, worunter gem. § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) alle Einnahmen aus einer Beschäftigung zu verstehen sind, oder aus Arbeitseinkommen, worunter nach § 15 SGB IV Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit verstanden wird, erzielt worden sein. Einkünfte, die nicht das Ergebnis einer Arbeitstätigkeit sind, wie z. B. Kapitaleinkünfte, Miet- oder Pachteinnahmen und insbesondere auch Renten, zählen nicht zum Arbeitseinkommen (Lauterbach, Unfallversicherung, Anmerkung 5 zu § 596 RVO i.V.m. Anmerkung 2e zu § 571 RVO). Im Zeitraum vom 06.02.1996 bis 04.06.1997 stand L.S. aber wegen seines Unfalls nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis und war auch nicht selbständig tätig. Ob die Klägerin im genannten Zeitraum Zuwendungen von seiten des L. S. aus dessen Verletztenrente, aus Kapitaleinkünften oder aus der ihm zugeflossenen Versicherungsleistung wegen der eingetretenen Invalidität erhalten hat, ist unerheblich, weil es sich dabei wie dargelegt weder um Arbeitsentgelt noch um Arbeitseinkommen gehandelt hat. Die erste Alternative des § 69 SGB VII scheidet deshalb aus.
Auch die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 69 Abs. 1 SGB VII sind nicht erfüllt. Von dieser Alternative, dass der Versicherte zur Zeit seines Todes keinen wesentlichen Unterhalt geleistet hat, ihn jedoch ohne den Versicherungsfall erbracht hätte, wird nicht nur der Fall erfasst, dass der wesentliche Unterhalt erst von einem Zeitpunkt an geleistet worden wäre, der nach dem durch den Versicherungsfall verursachten Tod liegt, sondern auch der Fall, dass nach dem Versicherungsfall und vor dem Tod die Unterhaltsleistung infolge des Versicherungsfalles unterbleibt (zutreffend Kater/Leube, SGB VII, 1997, Randziff. 10 zu § 69; Hauck-Keller, Randziff. 7 zu § 69 SGB VII; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Randziff. 8 zu § 69 SGB VII; anderer Ansicht KassKomm-Ricke, Randziff. 4 zu § 69 SB VII). Die Annahme, der Versicherte hätte ohne seinen Unfall bis zum Todeszeitpunkt Unterhalt aus seinem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen geleistet, ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn eine solche Unterhaltsleistung vor dem Unfall tatsächlich erfolgt ist. Aufgrund der Auskunft der City-Bank vom 14.08.1998 hat sich der Senat jedoch davon überzeugt, dass L. S. in der Zeit von April 1992 (Eröffnung seines Girokontos bei der City-Bank) bis zum Unfall am 06.02.1996 keine Überweisungen nach Tunesien getätigt hat. Der Senat konnte sich ferner nicht davon überzeugen, die Klägerin sei von L. S. in der Weise regelmäßig wesentlich unterhalten worden, indem dieser ihr bei seinen ein- bis zweimal im Jahr unternommenen Reisen nach Tunesien jeweils Geldbeträge in bar übergeben habe und zusätzlich Geld durch Bekannte, die nach Tunesien gereist seien, habe aushändigen lassen. Die entsprechenden Angaben der Klägerin sind weder frei von Widersprüchen noch hinreichend substantiiert. Im Fragebogen vom 05.02.1998 hat S. S. im Namen der Klägerin angegeben, L. S. habe ihr im Jahr etwa 7000 - 8000 Dinar zukommen lassen, während er (S. S.) und M. T. S. die Mutter mit etwa 100 Dinar pro Monat unterstützt hätten. In seinem Schreiben an das SG vom 04.11.2004 hat S. S. dagegen - ebenfalls im Namen der Klägerin - vorgetragen, er habe den größten Teil der Erbschaft deshalb erhalten, weil er sich um seine Mutter gekümmert und ihr die Medikamente, die Nahrungsmittel und alles was für sie nötig gewesen sei, gekauft habe. Die Klägerin hat ferner - auch auf die gezielte Rückfrage des SG vom 06.06.2005 - weder substantiiert dargelegt, in welcher Häufigkeit und Regelmäßigkeit ihr welche Geldbeträge ausgehändigt wurden, noch durch welche Personen ihr diese übergeben wurden, wenn sie durch Bekannte überbracht worden seien. Soweit die Klägerin sinngemäß den Bezug von Naturalleistungen geltend gemacht hat, hat sie sich dadurch unglaubwürdig gemacht, dass sie die "Forderungserklärung" eines tunesischen Lebensmittelhändlers vorgelegt hat, wonach L. S. im Zeitraum vom 12.12.1995 bis 12.12.1996 eingekauft haben solle und diesem noch das Geld dafür schulde. Im Zeitraum vom 06.02. bis 12.12.1996 hat sich L. S. nämlich durchgehend in stationärer Behandlung in Deutschland befunden und war aufgrund der außerordentlich schweren Unfallfolgen überhaupt nicht in der Lage, Kontakte zu einem Lebensmittelhändler in Tunesien aufzunehmen und bei ihm Lebensmittel für seine Mutter einzukaufen. Ebenso wie das SG wertet der Senat die "Forderungserklärung" als Gefälligkeitsbescheinigung. Auch die vorgelegte Erklärung eines Bekannten und eines Schwagers von L. S. vom 03.07.1996, wonach L. S. allein für den Unterhalt seiner Mutter aufkomme, überzeugt den Senat nicht, weil auch diese Erklärung zu einem Zeitpunkt abgegeben wurde, in dem sich L. S. noch nicht in Tunesien befand und aus medizinischen Gründen gar nicht in der Lage war, Unterhaltsleistungen an seine Mutter zu veranlassen.
Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die der Klägerin infolge des Todes von L. S. zugeflossenen Vermögensvorteile in Anlehnung an die Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 844 Abs. 2 BGB im Wege des Vorteilsausgleichs hier anrechenbar wären (vgl. BSG SozR 2200 § 596 Nr. 8) und ob die Klägerin bejahendenfalls aufgrund der Erbschaft in der Lage war und ist, sich selbst zu unterhalten.
Entgegen dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 19.10.2006 ist im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, ob ihr - einen vergleichbaren, in Tunesien erlittenen Arbeitsunfall von L. S. unterstellt - nach tunesischem Recht eine Elternrente zustehen würde. Da die Klägerin eine Hinterbliebenenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung begehrt, ist dieser Anspruch ausschließlich nach den Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts zu beurteilen. Hieran ändert auch nichts, dass L. A. am 12.12.1996 in seine tunesische Heimat zurücktransportiert worden ist und dass er während seines Aufenthalts in Tunesien bis zum Tod am 04.06.1997 die ihm bewilligten Geldleistungen der Verletztenrente und des Pflegegeldes in einer wegen der unterschiedlichen Verbrauchergeldparität niedrigeren Höhe erhalten hat als ein in Deutschland lebender Unfallverletzter. Ebenso wenig kommt der Frage Bedeutung zu, ob der Beklagten für ärztliche Behandlung, Medikamente und Krankenhausaufenthalte in Tunesien geringere Kosten entstanden sind, als sie in Deutschland angefallen wären.
Nach alledem konnte die Berufung nicht zu Erfolg führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist die Gewährung von Hinterbliebenenrente (Elternrente) aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Sohn L. B. S. S. (L. S.) der Klägerin erlitt am 06.02.1996 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich schwerste Verletzungen im Sinne eines Polytraumas mit Schädelhirntrauma zuzog. Er befand sich deshalb seit dem Arbeitsunfall mit geringfügigen Unterbrechungen bis 12.12.1996 in stationärer Behandlung. Am 12.12.1996 ließ er sich in sein Heimatland Tunesien zurückbringen, um sich dort von seiner Familie pflegen zu lassen. Mit Bescheid vom 14.01.1997 bewilligte ihm die Beklagte Verletztenrente in Höhe der Vollrente, mit Bescheid vom 10.03.1997 außerdem Pflegegeld gem. § 44 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ab 12.12.1996.
Am 04.06.1997 teilte der Bruder und bisherige Vormund von L. S., S. S. der Beklagten mit, dass L. S. an diesem Tag verstorben sei. Er legte ferner die Übersetzung einer notariellen Vollmacht vom 22.07.1997 vor, mit der die Klägerin sowie sechs weitere Familienangehörige S. S. beauftragten, sie in allen mit dem Nachlass von L. S. zusammenhängenden Fragen zu vertreten. Außerdem wurde die Sterbeurkunde des Amtsgerichts Siliana vom 17.06.1997 vorgelegt, in der nicht nur der Tod von L. S. bescheinigt, sondern auch festgestellt wurde, dass die Klägerin sowie sieben im Einzelnen aufgeführte Geschwister Erben seien. Ferner wurde vorgelegt die "Unterhaltsbescheinigung" vom 03.07.1996, in welcher der als Schwager bezeichnete L. B. M. B. H. H. sowie ein Bekannter bestätigten, L. S. komme für den Unterhalt seiner Mutter, der Klägerin, allein auf. Seit dem Tode ihres Mannes im Jahre 1979 sorge er für den Unterhalt bzw. für die ärztliche Versorgung und sämtliche Lebensbedürfnisse. Mit Bescheid vom 17.10.1997 bewilligte die Beklagte S. S. Sterbegeld in Höhe von 7.320 DM, da L. S. an den Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.02.1996 verstorben sei.
Mit Schreiben vom 30.01.1998 beantragte S. S. im Namen der Klägerin, dieser Elternrente zu bewilligen, da L. S. ihre einzige Unterstützung gewesen sei. In dem von der Beklagten übersandten Fragebogen gab S. S. unter dem 05.02.1998 an, die Klägerin habe keine Einkünfte, da sie bereits 80 Jahre alt sei. Sie beziehe auch keine Rente, Pension oder andere Leistungen aus der Sozialversicherung und keine Unterstützung von Stellen der öffentlichen Fürsorge. Für L. S. sei keine Lebens- oder Sterbegeldversicherung abgeschlossen gewesen. Anlässlich des Arbeitsunfalls seien nur von der Beklagten Leistungen erbracht worden. An Vermögensgegenständen besitze die Klägerin nur ein Haus, für das jährlich 189 Dinar Grundsteuer zu zahlen seien. Bisher habe sie auf Kosten von L. S. gelebt. Für eine ausreichende Lebenshaltung benötige sie monatlich 600 Dinar. Mit ihr im Haushalt lebten die Großmutter und eine von Geburt an blinde Tochter. Diese bezögen vom Ministerium für Soziales eine Unterstützung in Höhe von 70 Dinar. Er sowie M. T. S. unterstützten die Klägerin körperlich, moralisch und materiell je nach Möglichkeiten mit etwa 100 Dinar. Man könne jedoch sagen, dass L. S. nach den familiären Verpflichtungen der Brüder und Schwestern die einzige Unterstützung der Klägerin gewesen sei. Er habe bei jedem Aufenthalt in Tunesien im Haus der Klägerin gewohnt und ihr für ihren Unterhalt eine zufriedenstellende "Ausgabe" erbracht, deren Höhe nicht bekannt sei. Vor seinem Unfall habe L. S. seine Mutter mit 7.000 - 8.000 Dinar im Jahr unterstützt. Nach seinem Tod habe sie vom Geld des Verstorbenen zuzüglich Sterbegeld gelebt. Auf die Frage, wie der Nachweis für die geleisteten Zahlungen erbracht werden könne (z. B. Postquittungen, Überweisungsbelege) gab S. S. an, es gebe keine Unterlagen. Das Geld sei über Freunde und nahe Verwandte übersandt worden oder direkt durch L. S. bei seinen regelmäßigen Besuchen übergeben worden.
Die Beklagte nahm Ermittlungen zu den finanziellen Verhältnissen von L. S. auf. Die CIV Lebensversicherung AG teilte der Beklagten mit Schreiben vom 11.08.1998 mit, aus einer Unfallversicherung seien anlässlich des Unfalls vom 06.02.1996 folgende Leistungen erbracht wurden: 11.000,- DM Sofortleistung bei Schwerverletzungen, 1.400,- DM Schmerzensgeld, Krankenhaustagegeld in Höhe von insgesamt 7.540,- DM sowie Invaliditätsleistungen in Höhe von insgesamt 168.000,- DM. Anlässlich des Todes sei aus einer Lebensversicherung eine Auszahlung der Todesfallleistung von 21.385,88 DM erfolgt. Die City-Bank S.- B. C. teilte mit Schreiben vom 30.06. und 14.08.1998 mit, L. S. habe dort ein Girokonto, ein Kreditkonto, zwei Vorsorgeplansparkonten und einen vermögenswirksamen Sparvertrag unterhalten. Von dem seit April 1992 bestehenden Girokonto seien bis zum Unfallzeitpunkt keine Überweisungen nach Tunesien vorgenommen worden.
Mit Bescheid vom 26.11.1998 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin Elternrente zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung für den begehrten Anspruch sei u. a. ein Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit. Nach ihren Ermittlungen habe die Klägerin jedoch nach dem Ableben von L. S. Zahlungen aus bestehenden Versicherungen in beträchtlicher Höhe erhalten. Auch habe L. S. neben der Verletztenrentenzahlung aus einer privaten Versicherung eine Invaliditätsleistung in Höhe von 156.000,- DM ausgezahlt bekommen. Es sei anzunehmen, dass dieses Geld zum Zeitpunkt des Ablebens von L. S. am 04.06.1997 noch nicht vollständig verbraucht gewesen sei. Da die Klägerin durch das Ableben ihres Sohnes dessen Vermögen geerbt habe, liege zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich keine Unterhaltsbedürftigkeit vor. Unter diesen Voraussetzungen könne dahingestellt bleiben, ob die übrigen Leistungsvoraussetzungen überhaupt vorlägen. Dieser Bescheid wurde bindend.
Mit Schreiben vom 06.06.2002 wandte sich S. S. an das Sozialministerium Baden-Württemberg u. a. mit dem Ziel der Gewährung einer Elternrente. Die Beklagte erklärte sich unter dem 28.11.2002 bereit, dieses Schreiben als Antrag auf Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu werten und lehnte es mit Bescheid vom 06.02.2003 ab, den Bescheid vom 26.11.1998 zurückzunehmen und der Klägerin Elternrente zu gewähren. Neue Erkenntnisse oder Tatsachen lägen nicht vor. Die Klägerin sei auch nicht wegen fehlender Sprachkenntnisse benachteiligt worden. Den hiergegen sinngemäß erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.07.2003 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 14.08.2003 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG). Nach Aufforderung des SG, Unterlagen zum Nachweis ihrer Unterhaltsbedürftigkeit vorzulegen, legte die Klägerin u. a. vor: - Bescheinigung der regionalen Dienststelle S. der nationalen Sozialversicherungsanstalt vom 14.11.2003, dass die Klägerin keine "Versicherungsbeträge" (gemeint wohl: Leistungen aus der Sozialversicherung) beziehe, - Bedürftigkeitsbescheinigung der Gemeinde S. vom 01.12.2003, die Klägerin bedürfe wegen ihrer Sozialverhältnisse der Sozialhilfe, - eidesstattliche Erklärung der Krankenschwester G., - notarieller Kaufvertrag vom 02.06.1997 über den Ankauf eines unbebauten Grundstücks durch die Klägerin, - Kostenvoranschlag des Bauunternehmers H. vom 03.06.1997 für den Bau eines Hauses für L. S. über insgesamt 56.930,- Dinar, - Sozialbericht über Krankenbetreuung des Regionaldirektors für Sozialangelegenheiten und Solidarität vom 10.02.2003, - "Forderungserklärung" des Lebensmittelhändlers I. B. A. B. F., L. S. schulde ihm 1.700,- Dinar für Lebensmittel, die er bei ihm im Zeitraum vom 12.12.1995 bis 12.12.1996 für Rechnung seiner alten Mutter gekauft habe, - Kontoauszüge der Klägerin und der Tochter Mna. zum Nachweis dafür, dass diese aus der Erbschaft Anteile von 10.000,- Dinar (Klägerin) bzw. 6.000,- Dinar (Mna.) erhalten hätten, - Kopien aus dem Pass von L. S. zum Nachweis seiner Besuche bei seiner Mutter in Tunesien, - Antrag auf Unfallversicherung von L. S. vom 02.09.1993, in dem als Bezugsberechtigter im Todesfall S. S. benannt worden ist, - Auszahlungsquittung der City-Bank über 143.000,- DM vom 13.05.1997, - Kontoauszüge von S. S., - Überweisungsdurchschriften zum Nachweis dafür, dass von der Erbschaft S. S. 56.000,- Dinar, die Klägerin, A. und T. jeweils 10.000,- Dinar, S., R. und M. jeweils 6.000,- Dinar und Y. 8.000,- Dinar erhalten habe.
Die Klägerin trug vor, sie lebe von der Erbschaft von ihrem Sohn mit Hilfe der Mitglieder der Familie, soweit ihnen dies möglich sei. L. S. habe sich um sie persönlich gekümmert und ihr jedes Mal, wenn er nach Tunesien gekommen sei (1-2 Mal jährlich) Geld für Medikamente, Arztbesuche und Lebensmittel gegeben. Das Geld aus der Unfallversicherung habe S. S. zunächst bei einer tunesischen Bank hinterlegt und nach dem Tode von L. S. in die Erbschaft eingebracht. Bei der Aufteilung der Erbschaft habe S. S. den größten Teil des Geldes bekommen, weil dieser sich um seine Mutter gekümmert habe und ihr die Medikamente, die Nahrungsmittel und alles was für sie nötig sei, gekauft habe.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug vor, im Falle der Klägerin sei der Nachweis nicht geführt, dass ihr L. S. vor seinem Tode mit einer gewissen Regelmäßigkeit in erheblichem Umfang tatsächlich Unterhalt geleistet habe. Da die Klägerin, wie sie selbst angebe, Erbin ihres verstorbenen Sohnes sei, sei davon auszugehen, dass sie auch einen Großteil von dessen Versicherungsleistungen geerbt habe. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin ausgegangen werden.
Mit Schreiben vom 06.06.2005 wies das SG die Klägerin darauf hin, für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente sei es erforderlich, dass L. S. sie zu seinen Lebzeiten unterhalten habe. Hierfür seien Nachweise in Form von Überweisungen nach Tunesien oder Ähnliches erforderlich. Hierauf erfolgte kein weiterer Vortrag der Klägerin.
Nach entsprechendem Hinweis wies das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 07.12.2005 ab. In den Entscheidungsgründen legte es dar, es sei nicht nachgewiesen, dass L. S. die Klägerin vor dem Versicherungsfall tatsächlich wesentlich aus seinem Arbeitseinkommen unterhalten habe. Der Vortrag von S. S. sei in sich widersprüchlich und in wesentlichen Teilen nicht glaubwürdig. Die Klägerin sei ferner auch nicht unterhaltsbedürftig. Sie sei aufgrund der ihr nach dem Tod ihres Sohnes zugeflossenen Zahlungen in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Da sich die Erbschaft auf insgesamt 109.599,35 Euro belaufe, was umgerechnet 172.070,99 tunesischen Dinar entspreche, sei es nicht glaubhaft, dass die Klägerin hiervon nur 16.000,- Dinar erhalten haben solle.
Gegen den ihr am 15.12.2005 in Tunesien zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit ihrem am 11.01.2006 bei dem SG eingegangenen Schreiben vom 31.12.2005 sinngemäß Berufung eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, die Erbschaft habe 219.198,71 DM betragen. Tatsächlich habe der Wert der Erbschaft 187.940,- DM entsprechend 120.657,- tunesischen Dinar betragen. Hiervon seien 56.000,- an die Erben gegangen, 15.000,- für das angekaufte Grundstück, 25.000,- für die Erneuerung des Hauses und 25.000,- an S. S. Sie habe einen Anspruch auf Elternrente unter dem Gesichtspunkt, dass L. S. durch die Beklagte in sein Heimatland Tunesien überführt worden sei. Alles, was man ihm dort bewilligt habe (Rente, Zuschüsse, Pflege, Medikamente und die Unterbringung in einem Krankenhaus) sei viel niedriger bzw. billiger als das, was ein Versicherter erhalte, der in Deutschland lebe. Kurz: Man wende die Regeln und Gesetze Tunesiens auf L. S. an und nach diesen Gesetzen stehe ihr eine Elternrente zu. Soweit sich die Beklagte auf Leistungen aus einer privaten Versicherung berufe, handle es sich nur um einen Vorwand, um ihren Verpflichtungen zu entgehen. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag aus dem Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 07.12.2005 und den Bescheid vom 06.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26.11.1998 zurückzunehmen und ihr eine Hinterbliebenenrente (Elternrente) aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der angefochtene Gerichtsbescheid sei weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG hat die Klage abgewiesen, die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 26.11.1998 und die Gewährung von Elternrente abgelehnt.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern der Verstorbenen, die von den Verstorbenen zur Zeit des Todes aus deren Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen wesentlich unterhalten worden sind, oder ohne den Versicherungsfall wesentlich unterhalten worden wären, erhalten eine Rente, solange sie ohne den Versicherungsfall gegen die Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können (§ 69 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VII). Bei der ersten Alternative (tatsächliche Unterhaltsgewährung zur Zeit des Todes) kommt es auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand an (Hauck-Keller, Randziff. 7 zu § 69 SGB VII; Kasskomm-Ricke, Randziff. 4 zu § 69 SGB VII). Der Unterhalt muss ferner aus dem Arbeitsentgelt, worunter gem. § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) alle Einnahmen aus einer Beschäftigung zu verstehen sind, oder aus Arbeitseinkommen, worunter nach § 15 SGB IV Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit verstanden wird, erzielt worden sein. Einkünfte, die nicht das Ergebnis einer Arbeitstätigkeit sind, wie z. B. Kapitaleinkünfte, Miet- oder Pachteinnahmen und insbesondere auch Renten, zählen nicht zum Arbeitseinkommen (Lauterbach, Unfallversicherung, Anmerkung 5 zu § 596 RVO i.V.m. Anmerkung 2e zu § 571 RVO). Im Zeitraum vom 06.02.1996 bis 04.06.1997 stand L.S. aber wegen seines Unfalls nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis und war auch nicht selbständig tätig. Ob die Klägerin im genannten Zeitraum Zuwendungen von seiten des L. S. aus dessen Verletztenrente, aus Kapitaleinkünften oder aus der ihm zugeflossenen Versicherungsleistung wegen der eingetretenen Invalidität erhalten hat, ist unerheblich, weil es sich dabei wie dargelegt weder um Arbeitsentgelt noch um Arbeitseinkommen gehandelt hat. Die erste Alternative des § 69 SGB VII scheidet deshalb aus.
Auch die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 69 Abs. 1 SGB VII sind nicht erfüllt. Von dieser Alternative, dass der Versicherte zur Zeit seines Todes keinen wesentlichen Unterhalt geleistet hat, ihn jedoch ohne den Versicherungsfall erbracht hätte, wird nicht nur der Fall erfasst, dass der wesentliche Unterhalt erst von einem Zeitpunkt an geleistet worden wäre, der nach dem durch den Versicherungsfall verursachten Tod liegt, sondern auch der Fall, dass nach dem Versicherungsfall und vor dem Tod die Unterhaltsleistung infolge des Versicherungsfalles unterbleibt (zutreffend Kater/Leube, SGB VII, 1997, Randziff. 10 zu § 69; Hauck-Keller, Randziff. 7 zu § 69 SGB VII; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Randziff. 8 zu § 69 SGB VII; anderer Ansicht KassKomm-Ricke, Randziff. 4 zu § 69 SB VII). Die Annahme, der Versicherte hätte ohne seinen Unfall bis zum Todeszeitpunkt Unterhalt aus seinem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen geleistet, ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn eine solche Unterhaltsleistung vor dem Unfall tatsächlich erfolgt ist. Aufgrund der Auskunft der City-Bank vom 14.08.1998 hat sich der Senat jedoch davon überzeugt, dass L. S. in der Zeit von April 1992 (Eröffnung seines Girokontos bei der City-Bank) bis zum Unfall am 06.02.1996 keine Überweisungen nach Tunesien getätigt hat. Der Senat konnte sich ferner nicht davon überzeugen, die Klägerin sei von L. S. in der Weise regelmäßig wesentlich unterhalten worden, indem dieser ihr bei seinen ein- bis zweimal im Jahr unternommenen Reisen nach Tunesien jeweils Geldbeträge in bar übergeben habe und zusätzlich Geld durch Bekannte, die nach Tunesien gereist seien, habe aushändigen lassen. Die entsprechenden Angaben der Klägerin sind weder frei von Widersprüchen noch hinreichend substantiiert. Im Fragebogen vom 05.02.1998 hat S. S. im Namen der Klägerin angegeben, L. S. habe ihr im Jahr etwa 7000 - 8000 Dinar zukommen lassen, während er (S. S.) und M. T. S. die Mutter mit etwa 100 Dinar pro Monat unterstützt hätten. In seinem Schreiben an das SG vom 04.11.2004 hat S. S. dagegen - ebenfalls im Namen der Klägerin - vorgetragen, er habe den größten Teil der Erbschaft deshalb erhalten, weil er sich um seine Mutter gekümmert und ihr die Medikamente, die Nahrungsmittel und alles was für sie nötig gewesen sei, gekauft habe. Die Klägerin hat ferner - auch auf die gezielte Rückfrage des SG vom 06.06.2005 - weder substantiiert dargelegt, in welcher Häufigkeit und Regelmäßigkeit ihr welche Geldbeträge ausgehändigt wurden, noch durch welche Personen ihr diese übergeben wurden, wenn sie durch Bekannte überbracht worden seien. Soweit die Klägerin sinngemäß den Bezug von Naturalleistungen geltend gemacht hat, hat sie sich dadurch unglaubwürdig gemacht, dass sie die "Forderungserklärung" eines tunesischen Lebensmittelhändlers vorgelegt hat, wonach L. S. im Zeitraum vom 12.12.1995 bis 12.12.1996 eingekauft haben solle und diesem noch das Geld dafür schulde. Im Zeitraum vom 06.02. bis 12.12.1996 hat sich L. S. nämlich durchgehend in stationärer Behandlung in Deutschland befunden und war aufgrund der außerordentlich schweren Unfallfolgen überhaupt nicht in der Lage, Kontakte zu einem Lebensmittelhändler in Tunesien aufzunehmen und bei ihm Lebensmittel für seine Mutter einzukaufen. Ebenso wie das SG wertet der Senat die "Forderungserklärung" als Gefälligkeitsbescheinigung. Auch die vorgelegte Erklärung eines Bekannten und eines Schwagers von L. S. vom 03.07.1996, wonach L. S. allein für den Unterhalt seiner Mutter aufkomme, überzeugt den Senat nicht, weil auch diese Erklärung zu einem Zeitpunkt abgegeben wurde, in dem sich L. S. noch nicht in Tunesien befand und aus medizinischen Gründen gar nicht in der Lage war, Unterhaltsleistungen an seine Mutter zu veranlassen.
Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die der Klägerin infolge des Todes von L. S. zugeflossenen Vermögensvorteile in Anlehnung an die Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 844 Abs. 2 BGB im Wege des Vorteilsausgleichs hier anrechenbar wären (vgl. BSG SozR 2200 § 596 Nr. 8) und ob die Klägerin bejahendenfalls aufgrund der Erbschaft in der Lage war und ist, sich selbst zu unterhalten.
Entgegen dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 19.10.2006 ist im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, ob ihr - einen vergleichbaren, in Tunesien erlittenen Arbeitsunfall von L. S. unterstellt - nach tunesischem Recht eine Elternrente zustehen würde. Da die Klägerin eine Hinterbliebenenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung begehrt, ist dieser Anspruch ausschließlich nach den Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts zu beurteilen. Hieran ändert auch nichts, dass L. A. am 12.12.1996 in seine tunesische Heimat zurücktransportiert worden ist und dass er während seines Aufenthalts in Tunesien bis zum Tod am 04.06.1997 die ihm bewilligten Geldleistungen der Verletztenrente und des Pflegegeldes in einer wegen der unterschiedlichen Verbrauchergeldparität niedrigeren Höhe erhalten hat als ein in Deutschland lebender Unfallverletzter. Ebenso wenig kommt der Frage Bedeutung zu, ob der Beklagten für ärztliche Behandlung, Medikamente und Krankenhausaufenthalte in Tunesien geringere Kosten entstanden sind, als sie in Deutschland angefallen wären.
Nach alledem konnte die Berufung nicht zu Erfolg führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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