L 8 AL 3045/07 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 1799/07 A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3045/07 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Vollstreckung einer auf der Grundlage von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ergangenen
Regelungsanordnung richtet sich nach § 201 SGG.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Androhung bzw. Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin zur Vollstreckung eines Gerichtsbeschlusses.

Der 1954 geborene Antragsteller beantragte am 24.11.2006 bei der Agentur für Arbeit Weinheim (AA) die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld (Alg), nachdem ihm die Deutsche Rentenversicherung Bund ab 01.10.2005 befristet bis 30.09.2008 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt und er bis 23.11.2006 Übergangsgeld bezogen hatte. Die Rente kam wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze durch das Alg ab 01.12.2006 nicht zur Auszahlung.

Mit Bescheid vom 05.12.2006 und Widerspruchsbescheid vom 08.02.2007 lehnte die AA den Antrag auf Weiterzahlung von Alg ab, da der Antragsteller laut ärztlichem Gutachten täglich unter drei Stunden leistungsfähig sei, weshalb er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe und er mangels Arbeitslosigkeit keinen Leistungsanspruch habe. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 9 AL 860/07), über die noch nicht entschieden wurde.

Auf den Antrag des Antragstellers vom 01.02.2007 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte das SG mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.03.2007 (S 9 AL 413/07 ER) die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 01.02.2007 Alg in gesetzlicher Höhe als Darlehen zu gewähren; im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen. Das SG stützte seine Entscheidung auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III. Die Antragsgegnerin zahlte daraufhin dem Antragsteller - im Anschluss auf den Antrag des Antragstellers gemäß § 201 SGG, der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld anzudrohen - am 03.04.2007 Alg für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis 31.03.2007 in Höhe von insgesamt 3559,20 EUR.

Am 11.04.2007 teilte der Antragsteller der AA telefonisch mit, dass er sich ab 12.04.2007 in stationäre Krankenhausbehandlung begebe. Die AA ging aufgrund dieser Mitteilung von einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers vom 12.04.2007 bis 24.05.2007 aus.

Mit Bescheid vom 12.04.2007 stellte die AA den Eintritt einer Sperrzeit vom 06.04.2007 bis 12.04.2007 fest, da der Antragsteller der Aufforderung zur Meldung zum 05.04.2007 ohne Mitteilung eines wichtigen Grundes nicht nachgekommen sei. Weiter wurde dem Antragsteller in diesem Bescheid mitgeteilt, dass auch nach Ablauf der Sperrzeit keine Leistungen gezahlt würden, da er arbeitsunfähig erkrankt sei und keinen Anspruch auf Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall habe. Hiergegen erhob der Antragsteller am 20.04.2007 Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde. Im Widerspruchsschreiben bat der Antragsteller außerdem um klarstellende Bestätigung, dass die Leistungen ab dem 13.04.2007 weitergezahlt würden.

Am 21.05.2007 stellte der Antragsteller beim SG den vorliegend streitgegenständlichen Antrag gemäß § 201 SGG auf Androhung eines Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin zur Zwangsvollstreckung des Beschlusses des SG vom 05.03.2007 (S 9 AL 413/07 ER). Er machte zur Begründung geltend, obwohl er jedenfalls gemäß § 126 SGB III einen Anspruch auf Fortzahlung für die Dauer von sechs Wochen habe, habe die Antragsgegnerin die Zahlung von Alg nicht wieder aufgenommen. In dem Beschluss vom 05.03.2007 habe das SG die Frage bejaht, dass ihm Alg nach § 125 SGB III zu zahlen sei. Die Sperrzeit vom 06.04.2007 bis 12.04.2007 sei hier unerheblich. Gegenstand des erneuten Antrags sei die Tatsache, dass die Antragsgegnerin nach Ablauf der Sperrzeit (13.04.2007) wiederum die Zahlung des Alg nicht aufgenommen habe, obgleich keine endgültige Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vorliege. Er habe damit immer noch einen Anspruch auf Zahlung von Alg gem. § 125 SGB III, zu deren Bewilligung die Antragsgegnerin mit dem Beschluss des SG vom 05.03.2007 verpflichtet worden sei.

Mit Beschluss vom 11.06.2007 lehnte das SG den Antrag ab. Es führte zur Begründung aus, da ein neuer Sachverhalt gegeben sei, könne der frühere Beschluss keine Rechtskraft entfalten, weshalb sich der Vollstreckungsantrag als unbegründet erweise.

Gegen den am 15.06.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 18.06.2007 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zur Entscheidung vorgelegt hat. Der Antragsteller hat zur Begründung ausgeführt, Gegenstand des Zwangsgeldantrages sei nicht der die Sperrzeit betreffende Zeitraum vom 06.04.2007 bis 12.04.2007. Der Antrag betreffe die weitere Zahlung von Alg nach Ablauf der Sperrzeit, die seitens der Antragsgegnerin nicht wieder aufgenommen worden sei. Er habe nach wie vor einen Anspruch nach § 125 SGB III. Der Antrag betreffe genau diejenige Sachlage, die Grundlage der einstweiligen Anordnung gewesen sei.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag unter Bezugnahme auf die den Beschluss tragenden Gründe entgegen getreten. Sie hat dem Antragsteller mit Bescheid vom 20.06.2007 Alg mit einem täglichen Leistungsbetrag von 59,32 EUR als Vorschussleistung für die Zeit vom 11.06.2007 bis 15.12.2007 gewährt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie zwei Band Akten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des SG ist nicht zu beanstanden. Das SG hat mit zutreffender Begründung die vom Antragsteller beantragte Androhung und ggf. Festsetzung von Zwangsgeld gegen die Antragsgegnerin abgelehnt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis.

Eine einstweilige Anordnung ist gemäß § 199 Absatz 1 Nr. 2 SGG vollstreckbar. Die Vollstreckung einer auf der Grundlage von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ergangenen Regelungsanordnung richtet sich nach § 201 SGG. Diese Vorschrift bezieht sich ihrem Wortlaut nach zwar nur auf Urteile, die eine Verpflichtung iSd § 131 SGG enthalten. Sie ist aber nach zutreffender Auffassung auch auf Bescheidungsurteile und Grundurteile iSd § 130 Satz 1 SGG iVm § 54 Abs. 4 SGG (vgl. zu Letzterem Beschluss des erkennenden Senats vom 27.04.2007 - L 8 AS 1503/07 ER - ) anwendbar (ausführlich hierzu Ruppelt in Hennig, SGG, § 201 RdNr. 5f). Gleiches gilt für Regelungsanordnungen nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Diese enthalten - ähnlich wie das Bescheidungs- oder das Grundurteil nach § 54 Abs. 4 SGG - eine durch unvertretbare Handlung eines Sozialleistungsträgers zu erfüllende Verpflichtung. Damit war das SG für die Entscheidung über den Antrag des Antragstellers zuständig.

Die Voraussetzungen des § 201 SGG für die Androhung und ggf. Festsetzung eines Zwangsgeldes hat das SG im angefochtenen Beschluss zu Recht verneint. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtskraft des Beschlusses vom 05.03.2007, auf den sich der vorliegend streitige Antrag des Antragstellers bezieht, durch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse durchbrochen wurde. Beschlüsse der Sozialgerichte, die eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zum Inhalt haben, erwachsen in Rechtskraft mit der Folge, dass sie z. B. der Stellung eines neuen Antrages mit gleichem Rechtsschutzziel bei unveränderter Sach- und Rechtslage entgegenstehen (vgl. zu einstweiligen Anordnungen nach § 123 VwGO Hamburgisches OVG, Beschluss vom 17.10.1997 - Bs VI 93/97 - veröffentlicht in juris). Die Rechtskraft einer auf eine vorläufige Erweiterung der Rechtsposition (hier: Zahlung von Arbeitslosengeld) gerichteten Regelungsanordnung wird aber durchbrochen, wenn nach Erlass der gerichtlichen Entscheidung eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, die - hätte sie bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über das vorläufige Rechtsschutzbegehren bestanden - zu einer Ablehnung des Rechtsschutzantrages geführt hätte. Eine in diesem Sinne entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage ist hier eingetreten.

Gegenstand der Regelungsanordnung im Beschluss vom 05.03.2007 ist ein Anspruch des Antragstellers auf Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg). Das SG hat die Regelungsanordnung erlassen, weil es der Ansicht war, dass der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III glaubhaft gemacht hatte. Nach dem Ergehen dieses Beschlusses stellte die Antragsgegnerin beim Antragsteller wegen eines Meldeversäumnisses gemäß § 309 SGB III mit Bescheid vom 12.04.2007 eine Sperrzeit vom 06.04.2007 bis 12.04.2007 (1 Woche) sowie das Ruhen des Anspruches während dieser Zeit fest. Damit war für diese Zeit - unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 125 SGB III - ein Zahlungsanspruch des Antragstellers auf Alg nicht (mehr) gegeben. Die mit dem Bescheid vom 12.04.2007 getroffene Regelung hat dazu geführt, dass die Regelungsanordnung aus dem Beschluss des SG vom 05.03.2007 ab dem 06.04.2007 gegenstandslos geworden ist.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers bestand aufgrund des Bescheides vom 12.04.2007 aber auch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers nach dem Ende der Sperrfrist ab 13.04.2007 kein Anspruch auf Alg. Zwar sieht § 126 SGB III einen Anspruch auf Leistungsfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen vor. Dies setzt jedoch voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Alg eintritt (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 126 RdNr. 4), was beim Antragsteller jedoch nicht der Fall war. Er war ab 12.04.2007 wegen einer stationären Krankenhausbehandlung arbeitsunfähig erkrankt, wie er der AA am 11.04.2007 telefonisch mitgeteilt hatte. Die Arbeitsunfähigkeit ist danach zu einem Zeitpunkt eingetreten, als der Anspruch auf Alg aufgrund der verhängten Sperrzeit geruht hat. Dass der Antragsteller gegen den Bescheid vom 12.04.2007 Widerspruch eingelegt hat, steht dem nicht entgegen, da dieser Widerspruch gemäß § 86a Absatz 2 Nr. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Aufgrund der vom Antragsteller geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit fehlt es nicht nur an einer objektiven Verfügbarkeit, sondern auch an der subjektiven Verfügbarkeit des Antragstellers. Letztere wird nicht über §125 SGB III fingiert, sodass die Ansicht des Antragstellers, der vorliegend streitige Antrag habe nach Ablauf der Sperrzeit genau diejenige Sachlage betroffen, die Grundlage des Beschlusses des SG vom 05.03.2007 gewesen sei, nicht zutrifft. Durch die dargestellte nachträglich geänderte Sach- und Rechtslage wird die (materielle) Rechtskraft des Beschlusses des vom 05.03.2007 durchbrochen, ohne dass es einer Abänderung dieses Beschlusses - auf Antrag der Antragsgegnerin - durch das SG bedurfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved