L 7 AS 4555/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 6197/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 4555/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Juli 2007 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des Zugunstenverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, unter Aufhebung des Bescheids vom 8. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2006 ihre Bescheide vom Bescheide vom 17. Januar 2006, 8. März 2006 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 8. November 2006, 4. April 2006 und 3. Mai 2006 zurückzunehmen und dem Kläger Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1. November 2005 bis 30. September 2006 als Zuschuss zu gewähren.

Der am 1979 geborene Kläger studierte zunächst in Karlsruhe mit dem Abschlussziel staatlich anerkannter Sport- und Gynmastiklehrer. Dieses Studium wurde von der Agentur für Arbeit gefördert. Nachdem der Kläger aufgrund eines Unfalls lange Zeit nicht oder nicht vollständig am Unterricht teilgenommen konnte, bestand er die Abschlussprüfung des vierten Semesters zum zweiten Mal nicht und wechselte daraufhin zum Wintersemester 2005/2006 an die Sportschule W. ; Ausbildungsförderung hierfür wurde durch die Beklagte nicht mehr gewährt.

Am 10. Oktober 2005 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er teilte mit, dass er für eine Ausbildung zum Sport- und Gymnastiklehrer eingeschrieben sei und bis 9. Oktober 2005 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 25,61 EUR täglich erhalten habe. Er zahle Miete in einer Wohngemeinschaft in Höhe von 150,- EUR (warm) und habe außerdem einen Bildungskredit bei der K.Bank abgeschlossen. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 23. September 2005 abgelehnt mit der Begründung, der Kläger habe zweimal die Abschlussprüfung des vierten Semesters nicht bestanden, weshalb die Erreichung des Ausbildungsziels nicht mehr erwartet werden könne.

Einen weiteren Leistungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Dezember 2005 ab unter Hinweis darauf, dass der Kläger als Auszubildender nach § 60 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Dagegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 13. Dezember 2005, den er damit begründete, die BAföG-Bewilligung sei abgelehnt worden sei. Das 5. Semester werde wieder von der Umschulungskasse bezahlt. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Daraufhin beantragte der Kläger die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II als Darlehen, welches die Beklagte mit Bescheid vom 17. Januar 2006 für die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. Mai 2006 zinslos bewilligte in Höhe von 345,- EUR monatlich mit der Maßgabe, das Darlehen sei am 1. Juni 2006 zurückzuzahlen. Am 6. März 2006 stellte der Kläger einen weiteren Leistungsantrag. Mit Bescheid vom 8. März 2006 bewilligte die Beklagte ihm daraufhin ein zinsloses Darlehen in Höhe von 345,- EUR monatlich für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2006 mit der Maßgabe, das Darlehen sei am 1. November 2006 zurückzuzahlen.

Am 3. April 2006 beantragte der Kläger die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung. Am 4. April 2006 erteilte ihm die Beklagte einen Bildungsgutschein, mit dem sie die Lehrgangskosten für die Weiterbildung zum staatlich geprüften Sport- und Gymnastiklehrer ab dem 5. Semester (3. April bis 29. September 2006) übernahm.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 77 Abs. 3 SGB III in Höhe von 1.132,20 EUR für Lehrgangskosten und 3.988,20 EUR für Fahrkosten. Am 22. September 2006 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Dabei legte er eine Beitragsrechnung der D.K. AG vom 20. Juni 2006 über einen monatlichen Beitrag von 116,- EUR für Kranken- und Pflegeversicherung sowie verschiedene weitere Rechnungen von Versicherungen (Kfz, Unfall, Rechtsschutz, Hausrat ...) vor. Mit als "Widerspruch" bezeichnetem Schreiben vom 29. August 2006 wandte sich der Kläger dagegen, dass ihm Alg II nur auf Darlehensbasis bewilligt worden sei. Sein Antrag auf BAföG sei abgelehnt worden. Der Bildungsgutschein habe ihn nur zu Lehrgangs- und Fahrtkosten berechtigt. Deshalb sei er nicht mehr krankenversichert, obwohl er Leistungen nach dem SGB II bekommen habe. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Antrag auf Überprüfung der bisher ergangenen Bescheide.

Am 23. Oktober 2006 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und teilte mit, dass er das Studium zum Sport- und Gymnastiklehrer inzwischen erfolgreich abgeschlossen habe.

Mit Bescheid vom 8. November 2006 lehnte die Beklagte eine Änderung des Bescheids vom 3. Mai 2006 ab. Eine Umstellung auf die Gewährung von Alg II als Zuschuss sei erst ab Ende der Ausbildung ab 1. Oktober 2006 möglich. Mit weiterem Bescheid vom 8. November 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II vom 1. Mai bis 30. September 2006 als zinsloses Darlehen mit der Maßgabe, dieses ab 1. Februar 2007 in monatlichen Raten von 150,- EUR zurückzuzahlen. Mit Widerspruch vom 30. November 2006 wandte sich der Kläger gegen beide Bescheide vom 8. November 2006 und begehrte die Umstellung auf Alg II als Zuschuss ab dem 5. Semester seiner Ausbildung. Der Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2006 zurückgewiesen.

Am 29. Dezember 2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Mit Urteil vom 24. Juli 2007 hat das SG aufgrund mündlicher Verhandlung, an welcher der Kläger teilnahm, die Klage abgewiesen; wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das dem Kläger durch Postzustellungsurkunde am 9. August 2007 zugestellte Urteil verwiesen.

Am 12. September 2007 hat der Kläger beim SG angerufen und nachgefragt, ob seine Berufung gegen das Urteil vom 24. Juli 2007 eingegangen sei und - nachdem dies von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach entsprechender Überprüfung verneint wurde - dazu ausgeführt, er habe die Berufungsschrift mit einfachem Brief abgeschickt und diesen in den Briefkasten eingeworfen. Das Schreiben sei aber im PC gespeichert und er werde es noch einmal übersenden. Noch am selben Tag hat der Kläger per Telefax beim SG Berufung eingelegt und einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Beigefügt war ein vom 23. Juli 2007 datierendes, an das SG gerichtetes Schreiben, in welchem Berufung gegen das Urteil vom 24. Juli 2007 eingelegt wird.

Am 17. September 2007 hat der Kläger unter Verwendung des vom 23. Juli 2007 datierenden Schreibens nochmals direkt beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Durch gerichtliche Verfügung vom 4. Oktober 2007 ist der Kläger auf die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen worden. Am selben Tag sind die Beteiligten auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung durch Beschluss als unzulässig hingewiesen worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 8. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2006 ihre Bescheide vom Bescheide vom 17. Januar 2006, 8. März 2006 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 8. November 2006, vom 4. April 2006 und vom 3. Mai 2006 zurückzunehmen und ihm Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1. November 2005 bis 30. September 2006 als Zuschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig.

Nach § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Die Entscheidung kann nach Satz 2 der Bestimmung durch Beschluss ergehen; der Senat hat hiervon nach dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Die Beteiligten haben im Rahmen des rechtlichen Gehörs Gelegenheit erhalten, sich zur beabsichtigten Verwerfung der Berufung durch Beschluss zu äußern. Die Berufung des Kläger ist zwar formgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 und 2 SGG eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig eingelegt wurde.

Nach § 151 Absatz 1 SGG ist die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Urteile, die - wie hier - verkündet worden sind, sind zuzustellen (§ 135 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG); zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO - (vgl. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG). Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach der Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt - hier also die Zustellung - fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG); fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (Abs. 3 a.a.O.). Vorliegend ist die Berufungsfrist versäumt, ohne dass Wiedereinsetzungsgründe gegeben sind.

Das mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 7 SGG i.V.m. § 66 SGG) versehene Urteil des SG vom 24. Juli 2007 ist dem Kläger am 9. August 2007 durch Postzustellungsurkunde wirksam zugestellt worden. Damit endete die Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1 SGG) für den Kläger am Montag, den 10. September 2007. Seine Berufung ist jedoch ausweislich des Eingangsstempels erst am 12. September 2007 beim SG eingegangen; ein Zugang eines früher abgesandten, weiteren Berufungsschreibens ließ sich beim SG nicht feststellen.

Wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung kann dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Wiedereinsetzung ist (nur) zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 67 Rdnr. 3 m.w.N.). Gründe, welche den Kläger schuldlos an einer rechtzeitigen Einlegung der Berufung gehindert haben, sind von diesem zwar angegeben, aber nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden i. S. des § 67 Abs. 2 Satz 2 GG. Glaubhaftmachung setzt zwar keine volle richterliche Überzeugung, aber eine überwiegend Wahrscheinlichkeit der behaupteten Tatsache voraus (vgl. BVerfGE 38, 39). Hinreichend ausgehend hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, die Berufung gegen das angefochtene Urteil des SG rechtzeitig verfasst und auf dem Postweg per einfachem Brief abgesandt zu haben, wo diese zu keinem Zeitpunkt angekommen ist. Hiergegen sprechen Ungereimtheiten im zeitlichen Ablauf. So datiert das Berufungsschreiben des Klägers, welches er am 12. September 2007 dem SG per Telefax übersandt hat, vom 23. Juli 2007, also von einem Zeitpunkt, zu welchem das angefochtene Urteil noch gar nicht ergangen war. Wenn der Kläger aber - wofür die (angebliche) Verfassung der Berufungsschrift schon am 23. Juli 2007 sprechen könnte - sichergehen wollte, dass die Berufungsschrift des SG auf jeden Fall rechtzeitig das SG erreicht hat, so hätte er ohne Weiteres innerhalb der Berufungsfrist beim SG hinsichtlich des dortigen Berufungseinganges nachfragen können und nicht erst nach Ablauf der Berufungsfrist am 12. September 2007. Zudem fällt auf, dass auch das dem SG nach telefonischer Nachfrage am 12. September 2007 gefaxte Anschreiben vordatiert ist auf den 10. September 2007. All dies - in Verbindung mit seiner telefonischen Aussage gegenüber dem Berichterstatter, ob denn ein um ein oder zwei Tage verspäteter Berufungseingang beim SG so schlimm sei - lässt das erkennende Gericht nicht mit der gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Kläger ohne sein Verschulden an einer Wahrung der Berufungsfrist gehindert war.

Eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache ist dem Senat mithin verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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