Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 577/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 B 168/07 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2007 aufgehoben und der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Ausschreibung seines bisherigen Vertragsarztsitzes "Sstraße, B" im nächsten KV-Blatt.
Der Antragsteller nahm zunächst vom 17. Januar 1977 bis zum 31. März 1983 als Facharzt für Nerven- und Gemütskrankheiten bzw. ab Oktober 1981 als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in B an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Ab 1. April 1982 wurde ihm die Genehmigung erteilt, im Rahmen seiner kassenärztlichen Tätigkeit auch Leistungen der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie zu erbringen. Nach dem Verzicht auf seine Zulassung zum 31. März 1983 nahm er ab dem 1. April 1983 im Rahmen einer Ermächtigung für die Erbringung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie an der kassenärztlichen Versorgung teil. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24. Juni 1986 wurde er ab dem 1. Juli 1986 erneut als Facharzt für Nervenheilkunde zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, die er bis zum 11. Juli 2007 in der W Straße in B und ab 12. Juli 2007 in der Praxis Sstraße in B ausübte.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2007 verzichtete der Antragsteller zum 30. September 2007 auf seine Zulassung. Mit Beschluss vom 14. März 2007 stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte das Ende der Zulassung des Antragstellers mit Ablauf des 30. September 2007 wegen Erreichens der Altersgrenze fest.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2007 beantragte er zum 1. Juli 2007 die Führung einer örtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit den Fachärzten für Neurologie BKK in der S , und am 3. Juli 2007 die Verlegung seines Praxissitzes in die Sstraße; diesem Antrag entsprach die Zulassungsausschuss mit Bescheid vom 11. Juli 2007 mit Wirkung zum 12. Juli 2007. Am 29. Mai 2007 beantragte er die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes in der W Straße in B unter der Arztgruppe Nervenarzt.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Ausschreibung ab, da nach einem Vorstandsbeschluss Ausschreibungen bei Abrechnung von weniger als 50 Fällen pro Quartal in den letzten Quartalen abzulehnen seien. Dies treffe auf den Antragsteller zu. Mit seinem Widerspruch begehrte der Antragsteller aufgrund der Genehmigung der Praxisverlegung in die Sstraße in B nunmehr die Ausschreibung dieses Praxissitzes. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Antragsteller sei seit dem 1. Juli 1986 als Facharzt für Nervenheilkunde niedergelassen, jedoch ausschließlich psychotherapeutisch tätig gewesen. Aufgrund der rein psychotherapeutischen Tätigkeit sei daher von einem Patientenstamm in Größe einer durchschnittlichen Vertragspsychotherapeutenpraxis mit ca. 30 Fällen auszugehen. Die von ihm tatsächlich abgerechneten Scheine entsprächen nicht annähernd der Fallzahl des Fachgruppendurchschnittes der Nervenärzte (ca. 570). Ein nennenswerter Patientenumfang liege daher nicht vor, so dass eine Fortführung der Praxis durch einen Nervenarzt nicht in Betracht komme. Denn eine Ausschreibung sei nur zulässig, wenn die Praxis einen nennenswerten materiellen und immateriellen Vermögenswert besitze. Da für ärztliche Psychotherapeuten Zulassungsbeschränkungen nicht bestünden, komme eine Ausschreibung der Praxis in dieser Hinsicht nicht in Betracht.
Mit seinem am 8. Oktober 2007 beim Sozialgericht Berlin eingereichten Antrag hat der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, seinen Praxissitz im nächsten KV-Blatt auszuschreiben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er als Facharzt für Nervenheilkunde zugelassen gewesen sei und lediglich die Zusatzbezeichnung Psychotherapie geführt habe. Deshalb habe er auch diese Fälle als Facharzt für Nervenheilkunde abrechnen können. Allein im III. Quartal 2007 habe er 64 neurologische Fälle abgerechnet, so dass er damit über einen kleinen Patientenstamm als Facharzt für Nervenheilkunde verfügt habe. Da die Praxis somit fortführungsfähig sei, könne sie von einem nervenheilkundlichen Nachfolger fortgeführt werden. Mit Erreichen der Altersgrenze habe er zum 30. September 2007 seine vertragsärztliche Zulassung verloren, so dass er nicht länger mit der Ausschreibung des Vertragsarztsitzes warten könne, da sich mit Zeitablauf die Chancen für einen Verkauf stark verringerten. Ihm sei es gelungen, einen Kaufvertrag über seine Praxis mit den Dres. B, K und K zu einem Kaufpreis von 35.000,00 Euro abzuschließen.
Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass nach ihrer Auffassung der Antragsteller ausschließlich psychotherapeutisch tätig gewesen sei, so dass das Ausschreibungsverfahren hier keine Anwendung finde. Er könne seine Praxis frei verkaufen mit der Maßgabe, dass der von ihm selbst gewählte Nachfolger eine Zulassung als überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Arzt erhalte. Die im III. Quartal 2007 abgerechnete größere Anzahl von Behandlungsfällen weise einige Auffälligkeiten auf, so dass zu vermuten sei, dass diese Leistungen tatsächlich nicht von dem Antragsteller erbracht worden seien.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Vertragsamtssitz des Antragstellers in der Sstraße, B im nächsten KV-Blatt auszuschreiben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Ausschreibungsverfahren seien gegeben. Dem Gericht sei es nicht möglich, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nachzuprüfen, ob die vom Antragsteller im III. Quartal 2007 abgerechneten neurologischen Fälle tatsächlich von ihm betreut worden seien. Da der Antragsteller seit dem 1. Oktober 2007 jedoch nicht mehr als Vertragsarzt zugelassen sei, sei der Verkauf der Praxis bald nicht mehr zu dem gegenwärtig erzielbaren Preis zu veräußern, was zu Einkommensverlusten und einer Verletzung seiner grundrechtlichen Belange führen könne.
Gegen diesen ihr am 5. November 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 29. November 2007 Beschwerde eingelegt. Zu Unrecht habe das Gericht den Vortrag des Antragstellers ohne weitere Prüfung als richtig unterstellt. Insbesondere habe das Gericht auch auf Ermittlungen für die vorhergehenden Quartale zur Abrechnung nervenärztlicher Fälle verzichtet. Hinsichtlich der für das III. Quartal 2007 abgerechneten 64 Behandlungsfälle habe deren Überprüfung ergeben:
1. Von den 64 Behandlungsfällen handele es sich bei 22 Behandlungsfällen um psychotherapeutische Behandlungsfälle. 2. Bei den eingereichten 44 neurologischen Überweisungsfällen fehle im Feld "Vertragsarztstempel des abrechnenden Arztes" der Stempel des Antragstellers. Es finde sich ausschließlich die Vertragsarztnummer des Antragstellers, die mit dem Kugelschreiber in das betreffende Feld eingetragen worden sei. 3. Bei den 44 neurologischen Überweisungsfällen habe es sich ausschließlich um die Durchführung von EMG´s als Auftragsleistung gehandelt. Es habe nicht ermittelt werden können, ob der Antragsteller überhaupt ein EMG-Gerät habe, da die Abrechnung der entsprechenden EBM-Nummern 16310 und 16322 für Neurologen nicht genehmigungspflichtig sei. Anhand der bei den Überweisungsärzten angeforderten Befundberichte, die dem Gericht übergeben werden, sei festzustellen, dass alle Befundberichte auf dem Briefkopf der neurologischen Gemeinschaftspraxis B, K und Dr. K erstellt worden seien. Zwar seien die Befunde von dem Antragsteller unterschrieben worden, jedoch sei dieser nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis gewesen.
Danach seien hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme gegeben, dass der Antragsteller lediglich versucht habe, den Eindruck zu erwecken eine nervenärztliche neurologische Praxis zu betreiben. Nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden. Darüber hinaus habe das Gericht in seinem Beschluss nicht beachtet, dass damit eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolge, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2007 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beschluss sei nicht zu beanstanden. Die Einwendungen der Antragsgegnerin seien nicht erheblich. Der Zulassungsausschuss für Ärzte habe mit bestandskräftigen Beschluss noch im Juli 2007 die Verlegung seines Praxissitzes genehmigt. Bereits hieraus ergebe sich, dass eine verlegungsfähige Praxis vorhanden gewesen sei. Am neuen Praxisstandort habe er mit der neurologischen Gemeinschaftspraxis BK und K, die auch über ein EMG -Gerät verfügt habe, eine Praxisgemeinschaft gebildet. Aufgrund des bevorstehenden Endes seiner Zulassung habe er keine Investitionen mehr getätigt und habe daher auch die Briefbögen der Gemeinschaftspraxis genutzt, sie aber selbst geschrieben und auch abgerechnet. Insbesondere habe er die Leistungen selbst erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.
II. Die statthafte Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung erlassen. Die Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile für den Antragsteller entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Voraussetzung ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, insbesondere mangelt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.
Nach § 103 Abs. 4 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch (SGB V) hat die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (KV) auf Antrag des Vertragsarztes seinen Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben, wenn die Zulassung des Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, u. a. durch Erreichen der Altersgrenze endet und die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll.
Die zum 30. September 2007 endende Zulassung des Antragstellers als Nervenarzt unterlag Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 SGB V. Dies allein erfüllt jedoch nicht die Anforderungen nach § 103 Abs. 4 SGB V. Denn Voraussetzung für eine Ausschreibung ist, dass eine nicht nur formal bestehende Kassenzulassung, sondern eine tatsächlich existierende und betriebene Kassenpraxis durch den Antragsteller an einen Praxisnachfolger weitergegeben werden soll. Sofern dieser Tatbestand einer Praxisfortführung im Sinne des § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht erfüllt ist, weil es keine fortführungsfähige Praxis gibt, ist weder ein Vertragsarztsitz auszuschreiben noch eine Zulassung im Nachbesetzungsverfahren zu erteilen (BSG, SozR 3-2500 § 103 Nr. 5). Nach den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen der Antragsgegnerin geht der Senat davon aus, dass hier mangels einer fortführungsfähigen nervenärztlichen Praxis mit einem nennenswerten Patientenumfang keine Ausschreibung eines Zulassungsbeschränkungen unterliegenden Vertragsarztsitzes in Betracht kam.
Nach den von der Antragsgegnerin genannten - vom Antragsteller nicht bestrittenen - abgerechneten Fällen der Quartale I/2006 bis I/2007 hat der Antragsteller nicht annähernd die Fallzahl des Fachgruppendurchschnitts der Nervenärzte (ca. 500) erreicht, sondern war überwiegend psychotherapeutisch tätig. Nach der Rücknahme seines Antrages auf Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis mit den Dres. B, K und K arbeitete er ab dem 12. Juli 2007 mit diesen in einer Praxisgemeinschaft, die zwar nicht genehmigungspflichtig war, jedoch der Mitteilungspflicht an den Zulassungsausschuss unterlag. Erstmals nach dieser zum 12. Juli 2007 erfolgten Verlegung seiner Praxis an den bestehenden neurologischen Gemeinschaftspraxissitz der Dres. BK und K hat er im III. Quartal 2007 64 neurologische Scheine abgerechnet, wobei es sich nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen tatsächlich nur um 44 vom Antragsteller unter Angabe seiner Vertragsarztnummer abgerechnete neurologische Behandlungsfälle handelte, konkret um die Durchführung von EMGs als Auftragsleistung nach Überweisung. Der Antragsteller war jedoch nur aufgrund der Praxisverlegung tatsächlich in der Lage, diese Untersuchungen durchzuführen, da er selbst nicht über ein EMG-Gerät in seiner Praxis verfügte. In den dem Gericht vorliegenden Unterlagen für 23 dieser Fälle sind die Befundberichte unter Verwendung des Kopfbogens der neurologischen Gemeinschaftspraxis der Dres. BK und K, deren Mitglied er nicht war, erstellt und in 21 Fällen vom Antragsteller unterschrieben worden. Tatsächlich ist damit eine Gemeinschaftspraxis ohne Genehmigung vollzogen worden. Der Antragsteller hat somit zum Ende seiner Zulassung am 30. September 2007 selbst über keine nervenvertragsärztliche Praxis mehr verfügt, die von einem Nachfolger nach § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V hätte fortgeführt werden können. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass er zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Zulassung tatsächlich unter der Praxisanschrift in nennenswertem Umfang (noch) vertragsärztlich tätig gewesen wäre, Besitz bzw. Mitbesitz an Praxisräumen gehabt, Sprechzeiten angekündigt, eine (nerven)-ärztliche Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen entfaltet sowie über die für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit erforderliche Praxisinfrastruktur in apparativ-technischer Hinsicht verfügt hätte, was nicht der Fall war. Daran ändert auch die Entscheidung des Zulassungsausschusses zur Verlegung seines Praxissitzes nichts, weil damit keine Entscheidung über das Bestehen eines neurologischen Vertragsarztsitzes getroffen worden ist. Da schon kein Anordnungsanspruch vorliegt, bedarf es keiner weiteren Prüfung eines Anordnungsgrundes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Ausschreibung seines bisherigen Vertragsarztsitzes "Sstraße, B" im nächsten KV-Blatt.
Der Antragsteller nahm zunächst vom 17. Januar 1977 bis zum 31. März 1983 als Facharzt für Nerven- und Gemütskrankheiten bzw. ab Oktober 1981 als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in B an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Ab 1. April 1982 wurde ihm die Genehmigung erteilt, im Rahmen seiner kassenärztlichen Tätigkeit auch Leistungen der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie zu erbringen. Nach dem Verzicht auf seine Zulassung zum 31. März 1983 nahm er ab dem 1. April 1983 im Rahmen einer Ermächtigung für die Erbringung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie an der kassenärztlichen Versorgung teil. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24. Juni 1986 wurde er ab dem 1. Juli 1986 erneut als Facharzt für Nervenheilkunde zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, die er bis zum 11. Juli 2007 in der W Straße in B und ab 12. Juli 2007 in der Praxis Sstraße in B ausübte.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2007 verzichtete der Antragsteller zum 30. September 2007 auf seine Zulassung. Mit Beschluss vom 14. März 2007 stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte das Ende der Zulassung des Antragstellers mit Ablauf des 30. September 2007 wegen Erreichens der Altersgrenze fest.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2007 beantragte er zum 1. Juli 2007 die Führung einer örtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit den Fachärzten für Neurologie BKK in der S , und am 3. Juli 2007 die Verlegung seines Praxissitzes in die Sstraße; diesem Antrag entsprach die Zulassungsausschuss mit Bescheid vom 11. Juli 2007 mit Wirkung zum 12. Juli 2007. Am 29. Mai 2007 beantragte er die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes in der W Straße in B unter der Arztgruppe Nervenarzt.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Ausschreibung ab, da nach einem Vorstandsbeschluss Ausschreibungen bei Abrechnung von weniger als 50 Fällen pro Quartal in den letzten Quartalen abzulehnen seien. Dies treffe auf den Antragsteller zu. Mit seinem Widerspruch begehrte der Antragsteller aufgrund der Genehmigung der Praxisverlegung in die Sstraße in B nunmehr die Ausschreibung dieses Praxissitzes. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Antragsteller sei seit dem 1. Juli 1986 als Facharzt für Nervenheilkunde niedergelassen, jedoch ausschließlich psychotherapeutisch tätig gewesen. Aufgrund der rein psychotherapeutischen Tätigkeit sei daher von einem Patientenstamm in Größe einer durchschnittlichen Vertragspsychotherapeutenpraxis mit ca. 30 Fällen auszugehen. Die von ihm tatsächlich abgerechneten Scheine entsprächen nicht annähernd der Fallzahl des Fachgruppendurchschnittes der Nervenärzte (ca. 570). Ein nennenswerter Patientenumfang liege daher nicht vor, so dass eine Fortführung der Praxis durch einen Nervenarzt nicht in Betracht komme. Denn eine Ausschreibung sei nur zulässig, wenn die Praxis einen nennenswerten materiellen und immateriellen Vermögenswert besitze. Da für ärztliche Psychotherapeuten Zulassungsbeschränkungen nicht bestünden, komme eine Ausschreibung der Praxis in dieser Hinsicht nicht in Betracht.
Mit seinem am 8. Oktober 2007 beim Sozialgericht Berlin eingereichten Antrag hat der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, seinen Praxissitz im nächsten KV-Blatt auszuschreiben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er als Facharzt für Nervenheilkunde zugelassen gewesen sei und lediglich die Zusatzbezeichnung Psychotherapie geführt habe. Deshalb habe er auch diese Fälle als Facharzt für Nervenheilkunde abrechnen können. Allein im III. Quartal 2007 habe er 64 neurologische Fälle abgerechnet, so dass er damit über einen kleinen Patientenstamm als Facharzt für Nervenheilkunde verfügt habe. Da die Praxis somit fortführungsfähig sei, könne sie von einem nervenheilkundlichen Nachfolger fortgeführt werden. Mit Erreichen der Altersgrenze habe er zum 30. September 2007 seine vertragsärztliche Zulassung verloren, so dass er nicht länger mit der Ausschreibung des Vertragsarztsitzes warten könne, da sich mit Zeitablauf die Chancen für einen Verkauf stark verringerten. Ihm sei es gelungen, einen Kaufvertrag über seine Praxis mit den Dres. B, K und K zu einem Kaufpreis von 35.000,00 Euro abzuschließen.
Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass nach ihrer Auffassung der Antragsteller ausschließlich psychotherapeutisch tätig gewesen sei, so dass das Ausschreibungsverfahren hier keine Anwendung finde. Er könne seine Praxis frei verkaufen mit der Maßgabe, dass der von ihm selbst gewählte Nachfolger eine Zulassung als überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Arzt erhalte. Die im III. Quartal 2007 abgerechnete größere Anzahl von Behandlungsfällen weise einige Auffälligkeiten auf, so dass zu vermuten sei, dass diese Leistungen tatsächlich nicht von dem Antragsteller erbracht worden seien.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Vertragsamtssitz des Antragstellers in der Sstraße, B im nächsten KV-Blatt auszuschreiben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Ausschreibungsverfahren seien gegeben. Dem Gericht sei es nicht möglich, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nachzuprüfen, ob die vom Antragsteller im III. Quartal 2007 abgerechneten neurologischen Fälle tatsächlich von ihm betreut worden seien. Da der Antragsteller seit dem 1. Oktober 2007 jedoch nicht mehr als Vertragsarzt zugelassen sei, sei der Verkauf der Praxis bald nicht mehr zu dem gegenwärtig erzielbaren Preis zu veräußern, was zu Einkommensverlusten und einer Verletzung seiner grundrechtlichen Belange führen könne.
Gegen diesen ihr am 5. November 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 29. November 2007 Beschwerde eingelegt. Zu Unrecht habe das Gericht den Vortrag des Antragstellers ohne weitere Prüfung als richtig unterstellt. Insbesondere habe das Gericht auch auf Ermittlungen für die vorhergehenden Quartale zur Abrechnung nervenärztlicher Fälle verzichtet. Hinsichtlich der für das III. Quartal 2007 abgerechneten 64 Behandlungsfälle habe deren Überprüfung ergeben:
1. Von den 64 Behandlungsfällen handele es sich bei 22 Behandlungsfällen um psychotherapeutische Behandlungsfälle. 2. Bei den eingereichten 44 neurologischen Überweisungsfällen fehle im Feld "Vertragsarztstempel des abrechnenden Arztes" der Stempel des Antragstellers. Es finde sich ausschließlich die Vertragsarztnummer des Antragstellers, die mit dem Kugelschreiber in das betreffende Feld eingetragen worden sei. 3. Bei den 44 neurologischen Überweisungsfällen habe es sich ausschließlich um die Durchführung von EMG´s als Auftragsleistung gehandelt. Es habe nicht ermittelt werden können, ob der Antragsteller überhaupt ein EMG-Gerät habe, da die Abrechnung der entsprechenden EBM-Nummern 16310 und 16322 für Neurologen nicht genehmigungspflichtig sei. Anhand der bei den Überweisungsärzten angeforderten Befundberichte, die dem Gericht übergeben werden, sei festzustellen, dass alle Befundberichte auf dem Briefkopf der neurologischen Gemeinschaftspraxis B, K und Dr. K erstellt worden seien. Zwar seien die Befunde von dem Antragsteller unterschrieben worden, jedoch sei dieser nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis gewesen.
Danach seien hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme gegeben, dass der Antragsteller lediglich versucht habe, den Eindruck zu erwecken eine nervenärztliche neurologische Praxis zu betreiben. Nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden. Darüber hinaus habe das Gericht in seinem Beschluss nicht beachtet, dass damit eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolge, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2007 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beschluss sei nicht zu beanstanden. Die Einwendungen der Antragsgegnerin seien nicht erheblich. Der Zulassungsausschuss für Ärzte habe mit bestandskräftigen Beschluss noch im Juli 2007 die Verlegung seines Praxissitzes genehmigt. Bereits hieraus ergebe sich, dass eine verlegungsfähige Praxis vorhanden gewesen sei. Am neuen Praxisstandort habe er mit der neurologischen Gemeinschaftspraxis BK und K, die auch über ein EMG -Gerät verfügt habe, eine Praxisgemeinschaft gebildet. Aufgrund des bevorstehenden Endes seiner Zulassung habe er keine Investitionen mehr getätigt und habe daher auch die Briefbögen der Gemeinschaftspraxis genutzt, sie aber selbst geschrieben und auch abgerechnet. Insbesondere habe er die Leistungen selbst erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.
II. Die statthafte Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung erlassen. Die Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile für den Antragsteller entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Voraussetzung ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, insbesondere mangelt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.
Nach § 103 Abs. 4 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch (SGB V) hat die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (KV) auf Antrag des Vertragsarztes seinen Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben, wenn die Zulassung des Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, u. a. durch Erreichen der Altersgrenze endet und die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll.
Die zum 30. September 2007 endende Zulassung des Antragstellers als Nervenarzt unterlag Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 SGB V. Dies allein erfüllt jedoch nicht die Anforderungen nach § 103 Abs. 4 SGB V. Denn Voraussetzung für eine Ausschreibung ist, dass eine nicht nur formal bestehende Kassenzulassung, sondern eine tatsächlich existierende und betriebene Kassenpraxis durch den Antragsteller an einen Praxisnachfolger weitergegeben werden soll. Sofern dieser Tatbestand einer Praxisfortführung im Sinne des § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht erfüllt ist, weil es keine fortführungsfähige Praxis gibt, ist weder ein Vertragsarztsitz auszuschreiben noch eine Zulassung im Nachbesetzungsverfahren zu erteilen (BSG, SozR 3-2500 § 103 Nr. 5). Nach den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen der Antragsgegnerin geht der Senat davon aus, dass hier mangels einer fortführungsfähigen nervenärztlichen Praxis mit einem nennenswerten Patientenumfang keine Ausschreibung eines Zulassungsbeschränkungen unterliegenden Vertragsarztsitzes in Betracht kam.
Nach den von der Antragsgegnerin genannten - vom Antragsteller nicht bestrittenen - abgerechneten Fällen der Quartale I/2006 bis I/2007 hat der Antragsteller nicht annähernd die Fallzahl des Fachgruppendurchschnitts der Nervenärzte (ca. 500) erreicht, sondern war überwiegend psychotherapeutisch tätig. Nach der Rücknahme seines Antrages auf Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis mit den Dres. B, K und K arbeitete er ab dem 12. Juli 2007 mit diesen in einer Praxisgemeinschaft, die zwar nicht genehmigungspflichtig war, jedoch der Mitteilungspflicht an den Zulassungsausschuss unterlag. Erstmals nach dieser zum 12. Juli 2007 erfolgten Verlegung seiner Praxis an den bestehenden neurologischen Gemeinschaftspraxissitz der Dres. BK und K hat er im III. Quartal 2007 64 neurologische Scheine abgerechnet, wobei es sich nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen tatsächlich nur um 44 vom Antragsteller unter Angabe seiner Vertragsarztnummer abgerechnete neurologische Behandlungsfälle handelte, konkret um die Durchführung von EMGs als Auftragsleistung nach Überweisung. Der Antragsteller war jedoch nur aufgrund der Praxisverlegung tatsächlich in der Lage, diese Untersuchungen durchzuführen, da er selbst nicht über ein EMG-Gerät in seiner Praxis verfügte. In den dem Gericht vorliegenden Unterlagen für 23 dieser Fälle sind die Befundberichte unter Verwendung des Kopfbogens der neurologischen Gemeinschaftspraxis der Dres. BK und K, deren Mitglied er nicht war, erstellt und in 21 Fällen vom Antragsteller unterschrieben worden. Tatsächlich ist damit eine Gemeinschaftspraxis ohne Genehmigung vollzogen worden. Der Antragsteller hat somit zum Ende seiner Zulassung am 30. September 2007 selbst über keine nervenvertragsärztliche Praxis mehr verfügt, die von einem Nachfolger nach § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V hätte fortgeführt werden können. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass er zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Zulassung tatsächlich unter der Praxisanschrift in nennenswertem Umfang (noch) vertragsärztlich tätig gewesen wäre, Besitz bzw. Mitbesitz an Praxisräumen gehabt, Sprechzeiten angekündigt, eine (nerven)-ärztliche Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen entfaltet sowie über die für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit erforderliche Praxisinfrastruktur in apparativ-technischer Hinsicht verfügt hätte, was nicht der Fall war. Daran ändert auch die Entscheidung des Zulassungsausschusses zur Verlegung seines Praxissitzes nichts, weil damit keine Entscheidung über das Bestehen eines neurologischen Vertragsarztsitzes getroffen worden ist. Da schon kein Anordnungsanspruch vorliegt, bedarf es keiner weiteren Prüfung eines Anordnungsgrundes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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