L 20 AY 9/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (32) AY 15/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 9/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.06.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit vor Vollendung des dritten Lebensjahres.

Der einkommens- und vermögenslose Kläger wurde am 00.00.2003 als Sohn türkischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Die Eltern des Klägers reisten mit dem am 00.00.2001 geborenen Bruder des Klägers am 00.10.2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Asylanträge vom 23.10.2003 blieben erfolglos. Der Kläger erhielt ab Mai 2003 (Antrag vom 05.05.2003) wie seine Eltern und sein Bruder Leistungen nach § 3 AsylbLG. Gegen einen entsprechende Leistungen bewilligenden Bescheid vom 12.10.2005 für die Zeit ab 01.10.2005 machte die Familie Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG geltend. In der Folge eines beim Sozialgericht Duisburg anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 31 AY 1/06 ER) bewilligte die Beklagte den Eltern des Klägers und seinem älteren Bruder mit Änderungsbescheid vom 30.01.2006 für die Zeit ab 01.10.2005 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Hinsichtlich des Klägers bewilligte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2006 und weiterem Bescheid vom 12.05.2006 ab 25.04.2006 entsprechende Leistungen. Zur Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen führte die Beklagte aus, der Kläger erfülle für die Zeit vor Vollendung seines dritten Lebensjahres noch nicht die von Gesetzes wegen geforderte 36-monatige Wartefrist.

Am 12.06.2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben und geltend gemacht, er habe bereits vor Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 Abs. 3 AsylbLG. Danach reiche aus, dass ein Elternteil der Haushaltsgemeinschaft entsprechende Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte. Es sei nicht notwendig, dass das Kind selbst 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen habe. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der § 2 Abs. 3 AsylbLG eingefügt habe, um zu gewährleisten, dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern keine anderen Leistungen gewährt würden als den mit ihnen in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern. Die mit der Gewährung geringerer Leistungen nach § 3 AsylbLG verfolgten Ziele (Vermeidung von Asylmissbrauch und Schlepperunwesen sowie Abschreckung vor einer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland) könnten bei einer Leistungskürzung für Kleinkinder bis zum Alter von drei Jahren nicht realisiert werden. Da das AsylbLG nunmehr auch für solche Ausländer anwendbar sei, für die eine freiwillige Ausreise ohnehin nachweislich unmöglich oder unzumutbar sei, sei es verfassungsrechtlich bedenklich, allen Kindern bis zum Alter von drei Jahren nur die erheblich geringeren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Eine Auslegung im Sinne der Beklagten mache § 2 Abs. 3 AsylbLG im Ergebnis überflüssig. Auch das Sozialgericht Hamburg (S 49 AY 11/06 ER) habe entschieden, dass Kinder bei einem entsprechenden Anspruch ihrer Eltern ebenfalls einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG hätten. Die Auslegung der Beklagten verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) sowie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 20 GG und gegen die UN-Kinderrechtskovention. Dass die Vorschrift des § 2 AsylbLG der erweiternden Auslegung zugänglich sei, erkenne auch die sozialgerichtliche Rechtsprechung an. So habe das Sozialgerichts Aachen in einem Urteil vom 30.01.2007 ausgeführt, im Rahmen der Wartezeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG seien auch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung (SGB II) zu berücksichtigen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12.10.2005 und des Änderungsbescheides vom 30.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2006 zu verurteilen, ihm vom 01.10.2005 bis 30.04.2006 Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in Ergänzung ihrer Ausführungen im Widerspruchsbescheid auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen, wonach es keinen allgemeinen Anspruch aller Familienangehörigen auf eine einheitliche Leistungsgewährung gebe. Jede Person habe einen individuellen Leistungsanspruch und müsse deshalb alle Voraussetzungen, hier den dreijährigen Bezug geringerer Leistungen, selbst erfüllen. Soweit die Klägerin auf Rechtsprechung des Sozialgerichts Hamburg verweise, sei darauf hinzuweisen, dass der entsprechende Beschluss vom Landessozialgericht Hamburg (L 4 B 84/06 ER AY) aufgehoben worden sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.02.2007 aufgrund mündlicher Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Erfordernis des 36-monatigen Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG gelte auch für Kinder, die noch keine 36 Monate alt seien, deren Eltern aber einen entsprechenden Leistungsbezug aufwiesen. § 2 Abs. 3 AsylbLG schränke den Anspruch auf Gewährung von Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII ein. Ein Leistungsanspruch des minderjährigen Kindes setzte voraus, dass es die Voraussetzungen sowohl des Absatzes 1 als auch des Absatzes 3 der Vorschrift erfülle. Der Auffassung des Klägers, diese Auslegung führe dazu, dass für § 2 Abs. 3 AsylbLG kein Anwendungsbereich mehr verbliebe, könne nicht beigetreten werden. Denn diese Regelung gelte nicht nur für Kinder unter drei Jahren. Eine Regelungslücke liege nicht vor. Eine Differenzierung zwischen Kindern unter und über drei Jahren sei im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verfassungsrechtlich problematisch. Die 36-monatige Wartefrist diene im Übrigen nicht vorrangig der Bekämpfung des Schlepperunwesens, sondern solle dem Umstand Rechnung trage, dass aufgrund des längeren Aufenthalts der Leistungsberechtigten eine stärkere Angleichung an die Lebensverhältnisse in Deutschland erforderlich sei. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG könne nicht erkannt werden. Die gesetzgeberischen Motive rechtfertigten eine abweichende Auslegung der streitentscheidenden Norm nicht. Die amtliche Begründung erläutere nur den Fall, dass ein minderjähriges Kind leistungsrechtlich besser gestellt werden könnte als seine im selben Haushalt lebenden Eltern. Denn nur für den geduldeten leistungsberechtigten Ausländer sei in der Ausgangsfassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG eine Frist vorgesehen gewesen, nach deren Ablauf Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu erbringen waren. § 2 Abs. 3 AsylbLG solle also die Leistungen für die gesamten Familienangehörigen lediglich auf das Niveau des AsylbLG senken. Das Bestreben leistungsmäßiger Gleichbehandlung solle aber nicht zu einer an einem Familienmitglied ausgerichteten Besserstellung aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen. Ein allgemeiner Anspruch aller Familienangehörigen auf familieneinheitliche Leistungsgewährung bestehe nicht. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 20 GG und gegen die UN-Kinderrechtskonvention sei nicht zu erkennen. Soweit sich die Klägerin auf Rechtsprechung berufe, die zur Erfüllung der Wartefrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG auch einen Leistungsbezug nach dem SGB II oder dem SGB XII ausreichen lasse, ändere dies nichts daran, dass die Wartefrist auch in der Person des Klägers erfüllt sein müsse.

Gegen das ihr am 10.07.2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 13.07.2007. Zur Begründung führt die Berufung aus: Es sei herauszustellen, dass der Kläger nicht privilegiert werden solle. Er solle lediglich die Leistung erhalten, die auch den Familienangehörigen gewährt würden. Auf die Gestzesbegründung zu § 2 Abs. 3 AsylbLG könne daher nicht zurückgegriffen werden. Das Urteil verkenne einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Es liege eine diskriminierende Ungleichbehandlung von Kindern unter drei Jahren und solcher Kinder, die älter seien als drei Jahre, vor. Kinder ab dem Alter von drei Jahren erhielten nämlich derzeit Analogleistungen, während Kinder bis zum Alter von drei Jahren diese allein aufgrund ihres Alters nicht erhalten könnten. Hierfür fehle ein sachlicher Grund. Der Gesetzgeber habe diese Ungleichbehandlung offenbar nicht erkannt, denn es finde sich kein Hinweis darauf, dass ein Eingriff in Art. 3 GG beabsichtigt gewesen sei, geschweige denn eine Begründung hierfür. Eine solche Ungleichbehandlung entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Für Kleinkinder bis zum Alter von drei Jahren sei eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer zunächst einmal regelmäßig auszuschließen. Soweit das Sozialgericht darauf abstelle, dass Gesetz wolle eine stärkere Angleichung an die Lebensverhältnisse in Deutschland gewährleisten, gebiete dies ebenfalls die Gewährung höherer Leistungen an den Kläger. Die Familie des Klägers erhalte seit dem 01.10.2005 die erhöhten Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG, d.h. jedenfalls seit diesem Zeitpunkt habe auch der Kläger einen erhöhten bzw. für deutsche Verhältnisse "normalen" Lebensbedarf. Es mache überhaupt keinen Sinn, den Kläger dennoch bis zu Vollendung seines dritten Lebensjahres auf die erheblich geringeren Grundleistungen des § 3 AsylbLG zu verweisen. Der Gesetzgeber habe diese Fallkonstellation nicht gesehen. Es gebe keinen Ansatz zu einer entsprechenden Auslegung des § 2 Abs. 1 und Abs. 3 AsylbLG. Bei der Schaffung des § 2 AsylbLG sei davon ausgegangen worden, dass die Leistungsberechtigten gemäß § 1 AsylbLG von den Leistungen des BSHG ausgeschlossen sein sollten, weil diese über kein verfestigtes Aufenthaltsrecht verfügten und bei ihnen somit ein sozialer Integrationsbedarf fehle. Nach der durch das Zuwanderungsgesetz geänderten Fassung des § 1 Abs. 1 AsylbLG unterfielen dem Anwendungsbereich des AsylbLG nunmehr aber selbst solche Ausländer, für die eine freiwillige Ausreise ohnehin nachweislich unmöglich oder unzumutbar sei und die deshalb eine Aufenthaltsgenehmigung in Form einer Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten (§§ 24, 25 Abs. 4 oder Abs. 5 Aufenthaltsgesetz). Insoweit zeige sich ein Widerspruch zu der zitierten amtlichen Begründung (BT-Drs. 13/2746 vom 24.10.1995, S. 11). Keinesfalls habe der Gesetzgeber gewollt, dass sämtliche leistungsberechtigten Kinder bis zum Alter von drei Jahren keine Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalten sollten. § 2 Abs. 3 AsylbLG stelle eine Rechtsfolgenverweisung dar und erfasse auch Kinder unter drei Jahren. Es liege eine offensichtliche Regelungslücke vor.

Wegen der Neureglung des § 1 AsylbLG könne auch nicht uneingeschränkt auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Dort sei nämlich damit argumentiert worden, in Ermangelung eines verfestigten Aufenthaltsrechts bestehe kein Integrationsbedarf. Eine verfassungskonforme Auslegung sei geboten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass seit 1993 eine Anpassung der Leistungen nicht erfolgt sei.

Weiterhin werde ein Verstoß gegen Art. 27b der UN-Kinderrechtskonvention gesehen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG für den Zeitraum vom 25.04. bis 30.04.2006 anerkannt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. Im Übrigen haben die Beteiligten Einigkeit erzielt, dass hinsichtlich des Zeitraums November 2005 bis 24.04.2006 Leistungen entsprechend dem Ausgang des rechtskräftigen Urteils im vorliegenden Verfahren zu gewähren sind, und den Rechtsstreit für diesen Zeitraum für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.06.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2006 zu verurteilen, dem Kläger für Oktober 2005 Leistungen gemäß § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (Analogleistungen) unter Anrechnung erbrachter Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist insbesondere nicht dadurch unzulässig geworden, dass der Kläger mit seiner Berufung zuletzt lediglich noch Leistungen für den Monat Oktober 2005 verfolgt hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Statthaftigkeit ist der Zeitpunkt der Einlegung der Berufung; das spätere Sinken des Beschwerdewertes ist, jedenfalls bei nicht willkürlicher Beschränkung, unbeachtlich (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 144 Rn. 19). Beklagter ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Körperschaft und nicht die Behörde (Urteil vom 25.02.2008, L 20 SO 31/07).

II. Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) des Klägers zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 12.10. 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2006 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen entsprechend den Leistungen des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG (sog. Analogleistungen) im streitbefangenen Zeitraum zu Recht abgelehnt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG in der bis zum 27.08.2007 geltenden Fassung war abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben. Durch Artikel 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 ist mit Wirkung vom 28.08.2007 die Dauer der Wartezeit von 36 auf 48 Monate ohne Relevanz für den hier zu entscheidenden Sachverhalt verlängert worden.

1. Die 36-monatige Wartefrist konnte der am 24.04.2003 geborene Kläger vor Vollendung seines dritten Lebensjahres, insbesondere also im streitbefangenen Zeitraum des Oktober 2005, nicht erfüllen. Der Ablauf der Wartefrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auch unabhängig davon Leistungsvoraussetzung, ob der Leistungsberechtigte die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich verursacht hat. Der Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist zudem unabhängig von Familienstand und Alter des Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu beurteilen.

2.Während § 2 Abs. 1 AsylbLG als eigentliche Anspruchsnorm heranzuziehen ist, schränkt § 2 Abs. 3 AsylbLG einen nach Abs. 1 der Vorschrift möglichen Anspruch ein (vgl. Adolph, in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII AsylbLG, Stand August 2007, Rn. 32ff.; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 2 Rn. 34). Diese Auslegung erscheint schon angesichts des Gesetzeswortlauts ("nur") und der Gesetzessystematik zwingend, sie entspricht zur Überzeugung des Senats auch dem Willen des Gesetzgebers. Zwar erläutert die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2746 [15f.]) die gesetzgeberischen Absichten dahingehend, dass innerhalb einer Familie keine unterschiedlichen Leistungen gewährt werden sollen. Diese Passage kann zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs aber nicht mit Erfolg aus dem Kontext gegriffen werden, der für das Verständnis der Norm entscheidende Bedeutung hat. Die Gesetzesbegründung bezieht sich nämlich im Folgenden auf eine im Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und anderer Gesetze (1. ÄndG) vom 24.10.1995 (a.a.O.) ggf. durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG des Entwurfs angelegte Besserstellung minderjähriger Kinder ("Dazu könnte es ohne diese Regelung kommen, wenn beide Elternteile lediglich für sich einen Asylantrag stellen, während die Kinder eine Duldung besitzen") und zielt ersichtlich lediglich auf die Situation unterschiedlicher Asylantragsverhältnisse bei Eltern und Kindern ab.

§ 2 Abs. 3 AsylbLG begründet insoweit auch keine uneingeschränkte Akzessorietät (missverständlich Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 2 Rn. 16) der Ansprüche grundsätzlich nach dem AsylbLG leistungsberechtigter minderjähriger Kinder (vgl. GK-AsylbLG, Stand Februar 2007, § 2 Rn. 228, der von einem akzessorischen Leistungsniveau auf dem abgesenkten Niveau des AsylbLG spricht) zu den Ansprüchen der mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern und erst Recht keine losgelöst von Abs. 1 der Vorschrift zu beurteilende Anspruchsnorm. Vielmehr müssen die Voraussetzungen des Abs. 3 sowie (zusätzlich) diejenigen des Abs. 1 kumulativ erfüllt sein (vgl. auch Hohm, a.a.O., Rn. 34; Fasselt in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 2 Rn. 14; Mergler/Zink, SGB XII, Stand August 2004, § 2 Rn. 49; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 31.05.1999 - 4 L 1884/99). Ansprüche nach dem AsylbLG sind wie solche nach dem SGB XII und dem SGB II als Individualansprüche konzipiert. Mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg, Beschluss vom 21.06.2000 - 12 L 3349/99, bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 28.09.2001 - 5 B 94/00 = FEVS 53, 111-112) ist weiterhin - wie für das Sozialhilferecht anerkannt - von einem eigenständigen Hilfeanspruch jedes Familienangehörigen auszugehen, weil ein Grundsatz familieneinheitlicher Leistungsgewährung nicht existiert. Die zwischenzeitlichen Änderungen des Aufenthalts-, Ausländer- und Asylbewerbereistungsrechts rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht.

3. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst kommt nicht in Betracht. Unabdingbare Voraussetzung des dort normierten Leistungsanspruchs ist der Ablauf der Wartefrist. Soweit in der neueren sozialgerichtlichen Rechtsprechung mit Blick auf dem der Vorschrift zu Grunde liegenden Integrationsgedanken (vgl. BT-Drucks. 12/5008 [15]) auch der Vorbezug etwa von höherwertigen Sozialleistungen berücksichtigt wurde (vgl. etwa LSG NRW, Beschlüsse des erkennenden Senates vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 AY ER, vom 06.08.2007 - L 20 B 50/07 AY ER, vom 27.04.2006 - L 20 B 10/06 AY ER, ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 21.03.2007 - L 7 AY 14/06 ER, SG Aachen, Urteil v. 19.06.2007 - S 20 AY 4/07), ändert dies - unabhängig von der Tatsache, dass die Bestätigung durch ober- und höchstrichterliche Hauptsacheentscheidungen noch aussteht - nichts an der eindeutigen und der Auslegung nicht zugänglichen Regelung, dass zumindest die gesetzlich normierte Wartefrist abgelaufen sein muss. Die Frage der Sinnhaftigkeit des Auseinanderfallens von Ansprüchen innerhalb einer familiären Haushaltsgemeinschaft und des Ausschlusses von in Deutschland geborenen Kindern von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bis zur Vollendung ihres dritten bzw. jetzt vierten Lebensjahres stellt sich angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung nicht.

4. Schließlich vermag der Senat einen Verstoß gegen übergeordnetes Recht nicht nachzuvollziehen. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nicht vor, weil die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG gerade nicht hinsichtlich des Alters differenziert, sondern - wie ausgeführt - vom Individualanspruch eines jeden Leistungsberechtigten ausgehend unterschiedslos den Ablauf der Wartefrist verlangt. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob der Verzicht auf die Wartefrist unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AsylbLG unter Gleichheitsgesichtspunkten sachlich zu rechtfertigen wäre. Eine restriktive Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG dahingehend, dass dieser nicht für in Deutschland geborene Kinder gilt, wenn ein Elternteil bereits leistungsberechtigt nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist, kommt, - wie bereits dargelegt - nicht in Betracht. Die abweichende Auffassung (vgl. Birk in LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 2 Rn. 7) überzeugt nicht. Sie bleibt schon eine tragfähige Begründung der nicht näher angeführten verfassungsrechtlichen Gründe schuldig. Im Übrigen scheint sie, obgleich das grundsätzliche Erfordernis des Ablaufs der 48-monatigen Wartefrist anerkannt wird, zu verkennen, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht als Anspruchsnorm konzipiert ist, Eine Auslegung im vorgeschlagenen - anspruchsbegründenden - Sinn stellte damit auch keine restriktive Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG, sondern genau genommen - in Bezug auf die Wartefrist - eine einschränkende Auslegung des Abs. 1 der Vorschrift dar.

5.Durchgreifende Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der Leistungen nach § 3 AsylbLG, die für das Jahr 2007 mit etwa 35 % unter den Regelsätzen nach dem SGB XII eingestuft werden (vgl. Birk, a.a.O., § 3 AsylbLG Rn. 8; vgl. hinsichtlich der unterbliebenen Anpassungen nach § 3 Abs. 3 AsylbLG seit Inkrafttreten des AsylbLG auch GK-AsylblG, a.a.O., Rn. 94) liegen zur Überzeugung des Senats angesichts des anzuerkennenden weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Allgemeinen nicht vor. Umstände, die die Leistungsgewährung im konkreten Fall des Klägers als nicht ausreichend zur Sicherung des verfassungsrechtlich Gebotenen erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.

Auch ein Verstoß gegen Art. 27b UN-Kinderrechtskonvention ist daher im Ergebnis zu verneinen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Der Senat misst den aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu, so dass die Revision zuzulassen war.
Rechtskraft
Aus
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