L 7 B 354/07 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 299/07 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 354/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Augsburg vom 12. April 2007 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung (im Folgenden: KdU).

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf.) bezieht seit 01.01.2005 von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) Alg II. Sie bewohnt seit 2002 eine Einzimmerwohnung (mit Küche und Bad) mit einer Wohnfläche von 42,45 qm (erstmalige Bezugsfertigkeit 1995). Die monatliche Warmmiete (ohne Warmwasser) beläuft sich auf 413,66 Euro.

Mit Bescheid vom 13.12.2005 forderte die Bg. die Bf. auf, die KdU zu senken. Dazu findet sich auf Seite 2 des Bescheids der Hinweis, die Unterkunftskosten der Bf. würden die Höchstgrenze von 335,64 Euro überschreiten. In einer Anlage zum Bescheid wird erläutert, dass es sich bei diesem Betrag um die Gesamt-miete incl. Betriebskosten und Heizkosten handle. Nach Ablauf des 30.06.2006 erfolge eine Kürzung der entsprechenden Leis-tungen auf diesen Betrag. Mit formblattmäßiger Erklärung vom 19.12.2005 erklärte sich die Bf. bereit, im Rahmen des Mögli-chen und Zumutbaren die KdU auf das angemessene Maß zu senken.

Die Bg. versuchte erstmals ab 01.07.2006, nur noch die ange-messenen KdU für die Bemessung des Alg II heranzuziehen. Wegen - nach damaliger Rechtsauffassung - unzureichender Belehrung sah sie jedoch zunächst davon ab und klärte die Bf. über ihre Obliegenheiten auf (Gespräch vom 27.10.2006). In der Folgezeit legte die Bf. zahlreiche Unterlagen vor, die ihre Bemühungen, ernsthaft eine angemessene Wohnung zu suchen, belegen sollten.

Nachdem die Bf. gegenüber der Bg. reklamierte, aus gesundheit-lichen Gründen sich nur eingeschränkt um eine neue Wohnung be-mühen zu können - sie hatte diverse Arbeitsunfähigkeitsbe-scheidungen/Atteste vorgelegt -, trat die Bg. in medizinische Ermittlungen ein. Auf ihr Geheiß erstellte der ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit A. am 24.01.2007 ein medizinisches Gutachten; nach dessen Ergebnis sei die Bf. in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Mit Bescheid vom 20.03.2007 bewilligte die Bg. der Bf. Leis-tungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2007 in Höhe von monatlich 680,64 Euro. Dabei legte sie die angemessenen KdU zugrunde. Die Anlage 1 zu die-sem Bescheid gibt eine Begründung für die Reduktion auf die angemessenen KdU. Mit Schreiben vom 29.03.2007 legte die Bf. gegen den Bescheid Widerspruch ein.

Am 30.03.2007 hat die Bf. beim Sozialgericht Augsburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, der darauf gerichtet ist, ihr auch nach dem 31.03.2007 die tat-sächlichen KdU zuzugestehen; des weiteren hat sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 12.04.2007 abgelehnt. Eine Notwendigkeit zu einer vorläufigen Regelung fehle schon deswegen, weil es nur um 78,02 Euro monatlich gehe; diese Deckungslücke bedrohe nicht die soziokulturelle Existenz der Bf. Das Sozialgericht weist in diesem Zusammenhang auf die Absenkungsregelung des § 31 Abs. 1 SGB II hin. Obdachlosigkeit drohe nicht. Es lägen keine stichhaltigen Hinweise vor, der Bf. könnte ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sein. An einem Rechtsschutzbedürfnis fehle es, soweit die Bf. die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten sowie eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen beantrage. Mit weiterem Beschluss vom gleichen Tag hat das Sozialgericht den PKH-Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.

Gegen diese beiden Beschlüsse richten sich die Beschwerden der Bf. (Schriftsatz vom 26.04.2007), mit denen sie ihre Begehren weiterverfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Akte der Bg. sowie die Akten des Bayerischen Landessozialge-richts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der Entschei-dungsfindung.

II.

Die zulässigen Beschwerden haben keinen Erfolg. Das Sozialge-richt hat sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen An-ordnung als auch auf PKH zu Recht abgelehnt.

Zwar erscheint die Ansicht des Sozialgerichts, die monatliche Deckungslücke von 78,02 Euro sei zu niedrig, als dass sie eine dringliche Notlage im Sinn eines Anordnungsgrundes begründen könnte, nicht unangreifbar. Des weiteren spricht nicht gegen die Bf., dass möglicherweise keine Obdachlosigkeit droht; denn solche Erwägungen sind vorwiegend dann anzustellen, wenn es um Mietschulden geht. Die Bf. jedoch begehrt Leistungen für einen laufenden Zeitraum; vor diesem Hintergrund erscheint es nicht opportun, der Bf. implizit anzusinnen, ihren mietvertraglichen Zahlungspflichten nicht nachzukommen.

Keiner Erörterung bedarf, ob die Belehrung in der Anlage zum Bescheid vom 13.12.2005 den Anforderungen genügt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R); diese Frage stellt sich deswegen, weil die Bg. die Bf. zunächst nur über die angemessene Gesamtmiete informiert hat, statt zwischen Kosten der Unterkunft und Kosten der Heizung zu differenzieren. Denn die Hinweispflicht der Behörde dient dazu, dass der Hilfeempfänger zum Einen weiß, dass er sich eine preisgünstigere Wohnung suchen muss, zum Anderen dass diese die erforderlichen Vorgaben macht, damit er innerhalb von sechs Monaten eine angemessene Wohnung finden kann. Dieser Schutzzweck ist im vorliegenden Fall nicht mehr einschlägig. Denn die Bf. hätte konkret die Möglichkeit gehabt, angemessene Wohnungen zu anzumieten; es kann keine Rede davon sein, die Bg. hätte der Bf. eine effiziente Wohnungssuche signifikant erschwert. Hinzu kommt, dass die Bg. im Rahmen des Gesprächs am 27.10.2006 der Bf. die "Kalt-Mietkosten" erläutert hat.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist richtig, weil der Bf. ganz konkret zumutbarer Wohnraum zugänglich gewesen wäre. Zwar hat diese umfangreiche Unterlagen vorgelegt, die beweisen sol-len, der Wohnungsmarkt sei ihr verschlossen gewesen. Das trifft jedoch nicht zu. Aus den Akten der Bg. lässt sich entnehmen, dass die Bf. bei mindestens drei Wohnungen mehr oder weniger kurz vor einem Mietvertragsabschluss stand (insbesondere E.straße, D.-Str., B.straße, alle in A.).

Der Senat schließt sich nach Lage der Akten der Auffassung des Sozialgerichts an, dass die Bf. gesundheitlich sehr wohl in der Lage gewesen wäre, sich vor dem 01.04.2007 eine angemessene Wohnung zu suchen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen. Ergänzend wird Folgendes bemerkt: Es erscheint nicht optimal, dass die Bg. die Beweisfragen zum medizinischen Gutachten nicht speziell auf die Fähigkeit zur Wohnungssuche und zur Umzugsfähigkeit ausgerichtet hat; ein Gutachten zur beruflichen Leistungsfähigkeit vermag schwerlich, den medizinischen Sachverhalt restlos aufzuklären. Dennoch liegen zahlreiche, für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hinreichende Indizien vor, welche den Schluss nahe legen, die angeführten gesundheitlichen Probleme seien in erster Linie Vorwand, um den Auszug aus der bisherigen Wohnung verhindern zu können.

Danach spricht sehr viel dafür, dass die Bf. aus welchen Gründen auch immer - beharrlich verhindern will, ihre bisherige Wohnung verlassen zu müssen. Insbesondere der Geschehnisablauf im Zusammenhang mit der Wohnung Elisabethstraße 37, wie ihn die Bf. behauptet und wie er in einem Vermerk der Bg. vom 06.12.2006 festgehalten ist, mutet kaum glaubhaft an. Für den vernünftigen Betrachter drängt sich geradezu auf, dass dabei Beschwerden bewusst vorgetäuscht oder wenigstens übertrieben worden sind; vor allem der Umstand, dass die Bf. sich schließ-lich nicht mehr beim potenziellen Vermieter gemeldet hat, lässt erhebliche Zweifel aufkommen, ob die gezeigten Beschwerden - zweimalige Übelkeit nach jeweils 15 Minuten - den Tatsachen entsprochen haben. Genauso wenig glaubhaft sind die Beschwerden und Hinderungsgründe, welche die Bf. im Zusammenhang mit der Wohnung B.straße geäußert hat (vgl. dazu Vermerke der Wohnungsgenossenschaft A. vom 15.03.2007 und der Bg. vom 19.03.2007).

Es mag sein, dass der drohende Auszug der Bf. durchaus Sorgen und möglicherweise sogar gesundheitliche Beschwerden bereitet. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Rentenversicherungsrecht zur so genannten Rentenneurose (BSG SozR § 1246 RVO Nr. 38; BSGE 21, 189; BSG SozR § 1246 RVO Nr. 76) könnte die Bf. aber nur dann wegen einer "Auszugs-Neurose" vom Auszug verschont bleiben, wenn sie ihre Hemmungen nicht mehr aus eigener Kraft überwinden könnte. Alles spricht jedoch dafür, dass die Bf., wenn sie alle verfügbaren Mittel ihres Willens einsetzt, sehr wohl aus- und umzugsfähig wäre. Dieses Ergebnis erfährt dadurch Bestätigung, dass nach Lage der Akten bei der Bf. keinerlei Antriebshemmungen festzustellen sind. Sie ist vielmehr im Stande, sich gegen alle Regelungen der Bg., mit denen sie nicht einverstanden ist, zeitnah, detailliert, sehr ausführlich und mit erheblichem emotionalen Antrieb zur Wehr zu setzen. Dabei bringt sie sogar die Energie auf, ihre umfangreichen Schriftsätze mit zahlreichen, biswei-len ungewöhnlichen Fremdwörtern zu versehen; wer unter schwe-reren Depressionen leidet, dürfte kaum Wert auf derartige Aus-schmückungen legen.

Hinsichtlich der weiteren Streitgegenstände (medizinische Un-tersuchung, Wohnungsbeschaffungskosten) wird auf die Begrün-dung des Sozialgerichts Bezug genommen und insoweit von einer eigenen Begründung abgesehen.

Angesichts der - von Anfang an absehbar - fehlenden Erfolgsaussicht hat das Sozialgericht den PKH-Antrag zu Recht abgelehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwen- dung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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