L 18 B 526/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 30 AS 3453/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 526/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Dezember 2007 werden zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landessozialgericht wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerden des Antragstellers, mit denen er bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) sein erstinstanzlich geltend gemachtes Begehren weiter verfolgt, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung iS von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ab 1. Oktober 2007 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, und mit denen er sich zugleich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt B B, wendet sowie PKH für das gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Beschwerdeverfahren begehrt, sind nicht begründet.

Ein Anordnungsanspruch für den Erlass der begehrten gerichtlichen Anordnung besteht nicht. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung als Arbeitslosengeld II. Hilfebedürftig ist jedoch gemäß § 9 Abs. 1 SGB II nicht, wer die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Diese Konkretisierung des Grundsatzes der Subsidiarität korrespondiert mit dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB II festgelegten Nachrang der Leistungen nach dem SGB II gegenüber anderen Sozialleistungen (vgl. Mecke, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 9 Rdnr. 6). Leistungen der Jugendhilfe gehören zu den vorrangigen Sozialleistungen im Sinne der angeführten Vorschrift (siehe Dauber, in Mergler/Zink, SGB II, Stand: Januar 2005, § 9 Rdnr. 23). Arbeitslosengeld II ist - ebenso wie unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes die Sozialhilfe (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1983 – 5 C 112/81 - = BVerwGE 67,163ff.) - nach seinem Grundgedanken Hilfe in einer Notlage. Arbeitslosengeld II erhält derjenige nicht, der sich selbst helfen kann. Es steht dabei nicht im Belieben eines Arbeitsuchenden, zwischen der Selbsthilfe und der Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes zu wählen. Zur Selbsthilfe gehört es, dass zugunsten des Hilfebedürftigen bestehende Forderungen gegen andere Sozialleistungsträger geltend gemacht und durchgesetzt werden. Soweit diese Forderungen in angemessener Zeit durchgesetzt werden können, handelt es sich um für die Behebung der Notlage "bereite Mittel", die für den Lebensunterhalt eingesetzt werden müssen (vgl. Dauber, a.a.O. Rdnr. 25; ferner zum Sozialhilferecht: BVerwG, a.a.O.). Dem Antragsteller stehen vorrangige Sozialleistungen im dargelegten Sinne zur Verfügung, denn seinem mit Beschluss des Amtsgerichts L –Familiengericht- vom 30. Januar 2003 - – bestellten Vormund ist mit Bescheid vom 22. September 2003 Hilfe zu seiner Erziehung bewilligt und zuletzt durch Bescheid vom 26. Oktober 2006 ein "Pflegegeld" in Höhe von monatlich 711,- EUR bis 24. Februar 2009 gewährt worden. Die aus diesen Bescheiden des Landkreises T-F sich ergebenden Zahlungsansprüche können auch in angemessener Zeit vorläufig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt werden. Zwar hat der Landkreis T-F mit Bescheid vom 27. September 2007, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 7. April 2008, "die mit Bescheid vom 22. September 2003 bewilligte Hilfe eingestellt" und seit Oktober 2007 keine Zahlungen mehr geleistet. Selbst wenn damit auch der Bescheid vom 26. Oktober 2006 aufgehoben worden sein sollte, so kommt doch dem gegen den Bescheid vom 27. September 2007 erhobenen Widerspruch bzw. einer nunmehr zu erhebenden Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu. Effektiven Rechtschutz gegen eine Missachtung des Suspensiveffektes kann durch einen in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO statthaften Antrag auf vorläufige Vollziehung des bzw. der begünstigenden Verwaltungsakte(s) erlangt werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, § 80 Rdnr. 181). Da Gegenstand eines solchen Eilverfahrens allein der - offensichtlich gegebene und vom Landkreis T-F auf eine entsprechende Anfrage des Berichterstatters bestätigte - Suspensiveffekt des gegen den Bescheid vom 27. September 2007 gerichteten Widerspruchs bzw. der anschließenden Anfechtungsklage ist, kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers für den Erfolg des vorläufigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzverfahrens nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einstellung der bewilligten Hilfe an. Soweit die Pflegeeltern mit dem Jugendamt des Landkreises T-F aufgrund der bestehenden Zwistigkeiten nichts mehr zu tun haben möchten, liegen darin angesichts der entgegenstehenden öffentlichen Interessen und des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers keine hinreichend gewichtigen persönlichen Gründe (vgl. BVerwG, a.a.O.), die einen "Verzicht" der kraft ihrer Stellung als mit der elterlichen Sorge beauftragter Vormund rechtlich und tatsächlich für den Antragsteller verantwortlichen Pflegeeltern auf die dem Antragsteller nach den angeführten Bescheiden zustehenden Leistungen bzw. auf die gerichtliche Durchsetzung seiner verfahrensrechtlichen Rechtspositionen rechtfertigen könnten.

Schließlich ergibt sich ein Anordnungsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auch nicht aus § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I). Danach hat der zuerst angegangene Leistungsträger bei Bestehen eines Anspruchs auf Sozialleistungen vorläufig Leistungen zu erbringen, wenn streitig ist, welcher Leistungsträger zur Leistung verpflichtet ist. Dabei kann offen bleiben, ob angesichts des Umstandes, dass die angeführten Bescheide des Landkreises T-F formal nicht den Antragsteller, sondern seinen Vormund begünstigen, hier überhaupt anwendbar ist. Selbst wenn § 43 Abs. 1 SGB I in der vorliegenden Konstellation anwendbar sein sollte, so wäre die Antragsgegnerin angesichts der seit Jahren bestehenden Leistungsbeziehung zwischen dem Landkreis T-F und dem (Vormund des) Antragsteller(s) nicht zuerst angegangener Leistungsträger im Sinne dieser Vorschrift.

Mangels ausreichender Erfolgsaussichten des Begehrens hat das Sozialgericht die Gewährung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt B B für das erstinstanzliche einstweilige Rechtsschutzverfahren zu Recht abgelehnt (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -). Aus denselben Gründen war auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landessozialgericht abzulehnen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Im PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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