Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 214/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 134/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 05. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2002 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Todes ihres am 21. September 2000 verstorbenen Ehemannes R- B zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Ablebens ihres Ehemannes, Herrn R B (im Folgenden: "B."), der während einer betrieblichen Veranstaltung an einem Herzinfarkt verstarb.
Der 1942 geborene B. war seit über 25 Jahren bei seinem Arbeitgeber, der Lebensmittelvertriebsfirma I, tätig gewesen; 1981 war er zum Niederlassungsleiter B befördert worden. Am 22. September 2000 sollte er an einer Außendienstkonferenz seines Arbeitgebers in G, F, teilnehmen. Das Programm sah für den 21. September 2000 die Anreise und bis 14.00 Uhr ein Lunchbuffet vor. Danach begann ein "Aktivprogramm". Hierfür wurden die 119 Teilnehmer in Gruppen à 10 Personen ausgelost, die Fahrräder erhielten und nacheinander starteten. Es sollte eine ca. 23 km lange Wegstrecke bewältigt werden, wobei die Gruppen gemeinsam kleinere Aufgaben zu erledigen hatten. Abgesehen von einem Strohballenrollen handelte es hierbei um körperlich nicht anstrengende Wissenstests und Erinnerungsquiz in Bezug auf die gefahrene Strecke. Nach ca. 15 km gab es eine ca. ein- bis eineinhalbstündige Pause in W. Für die Zeit ab 19.00 Uhr sah das Programm eine Abendveranstaltung vor. Geplant war eine Siegerehrung, wobei der Gewinn jedoch nicht von der Schnelligkeit der Streckenbewältigung abhängen sollte. Nach ca. zwei Dritteln der Fahrstrecke brach B. auf der Dorfstraße in M auf seinem Fahrrad zusammen und konnte auch durch den unverzüglich herbeigeeilten Notarzt nicht mehr wiederbelebt werden. Den Sterbezeitpunkt hielt der Notarzt Dr. B mit 19.30 Uhr fest.
Die Beklagte ermittelte auf eine Unfallanzeige hin durch Befragung der Klägerin und des Bezirksverkaufsleiters des früheren Arbeitgebers des B., den mittlerweile ebenfalls verstorbenen Herrn K, der in der Gruppe des B. gefahren war. Dieser sagte aus, dass B. schon in der Anfangsphase Schwierigkeiten gehabt hätte, der Gruppe zu folgen; auf Nachfrage hätte er angegeben, Probleme mit der Gangschaltung zu haben und das Fahrrad nur mit großem Kraftaufwand treten zu können. Die Beklagte zog ferner Unterlagen des früheren behandelnden Arztes für Innere Medizin Dr. K bei und holte ein Obduktionsgutachten des Prof. Dr. S vom 21. Dezember 2000 ein. Dieser führte aus, dass die Herzbefunde einen akuten Zusammenbruch und Todeseintritt ohne weiteres erklärten. Das Herz sei aufgrund degenerativer Kranzschlagaderveränderungen sowie zahlreicher kleinflächiger Infarktnarben im Bereich der linken Herzkammer massiv vorgeschädigt gewesen. Überdies habe eine ausgeprägte Dickleibigkeit bestanden. Diese Befunde seien für eine ungewöhnliche körperliche Belastung, wie sie z. B. Fahrradfahren über eine Wegstrecke von mehreren Kilometern beim Untrainierten darstellen würde, ausgesprochen ungünstig. Eine nicht gewohnte körperliche Belastung, die über die normalen Lebensgewohnheiten des B. hinausging, sei ohne weiteres geeignet gewesen, einen akuten Herztod wie im vorliegenden Fall zu verursachen. In den Krankenunterlagen hätten sich Hinweise für eine Herzsymptomatik allerdings nicht gefunden. Bei der letztmaligen Vorstellung beim Internisten Dr. K am 09. November 1995 seien Herz und Lunge ohne auffällige Befunde gewesen.
Nach Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2001 den Antrag auf Hinterbliebenenleistungen ab, weil der zum Tode führende Herzinfarkt nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit aufgetreten sei, ohne dass dieser die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen Mitursache zukäme.
Im Widerspruchsverfahren richtete die Beklagte eine Anfrage zu den Abläufen bei der Veranstaltung an die Firma I; die Anfrage beantworteten der Zeuge N S sowie Herr H S mit Schreiben vom 25. Juni 2001. Sie führten aus, dass die Tour gegen 13.00 Uhr begonnen hätte. Gegen 16.00 Uhr sei eine große, 1 ½ Stunden dauernde Pause in W gemacht worden. Gegen 17.30 Uhr sei die Fahrt dann weitergegangen. B. hätte wieder Probleme gehabt, der Gruppe zu folgen; er habe hierfür das Fahrrad bzw. die Gangschaltung verantwortlich gemacht, mit der er nicht zurechtgekommen sei, und über Schmerzen im Knie geklagt. B. hätte mit seiner Gruppe den Tag als Sieger beenden wollen. Im Nachhinein müsse bejaht werden, dass objektive Hinweise für eine zu große Belastung des B. bestanden hätten.
Die Beklagte holte ferner eine Stellungnahme der Internisten Dr. G/Dr. L, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in M, vom 02. Oktober 2001 ein. Diese führten aus, dass aufgrund der zahlreichen Vorinfarkte alltägliche Situationen ausgereicht hätten, um einen weiteren Herzinfarkt auftreten zu lassen. Es hätte bei jeder normalen Verrichtung des privaten Lebens mit dem plötzlichen Herztod gerechnet werden müssen. Nach den Zeugenaussagen der für die Firma I tätigen Herren S und S habe die Aktivität insgesamt keine schwere körperliche Belastung dargestellt; auch hätten die Kollegen des B. nicht den Eindruck gehabt, dass B. körperlich erschöpft gewesen sei. Wie schwerwiegend die Probleme mit der Gangschaltung des Fahrrades und Schmerzen im Knie für den Versicherten gewesen seien, könne ärztlicherseits nicht beurteilt werden. Auch B. hätte offenbar die Gesamtbelastung nicht für zu hoch eingeschätzt, da er Angebote, ihn mit dem begleitenden Versorgungsfahrzeug zu fahren, abgelehnt hätte. Die Annahme der Klägerin, B. habe sich durch eine gewisse Eigendynamik gezwungenermaßen überfordert, sei angesichts des geschilderten Ablaufes nicht zu begründen. Die Stresssituation vom 21. September 2000 sei rechtlich/medizinisch von untergeordneter Bedeutung für die Auslösung des Herzinfarktes.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. G vom 16. September 2005 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass es ohne die außergewöhnlichen Belastungen während der Fahrradtour mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zu dem Sekundenherztod gekommen wäre.
B. sei ausweislich des Obduktionsbefundes nicht an einem Herzinfarkt im eigentlichen Sinne gestorben; vielmehr habe es sich dabei um einen akuten Koronartod, wegen seiner Schnelligkeit auch Sekundenherztod genannt, gehandelt, verursacht durch einen frischen Thrombus, der die linke Kranzarterie verschlossen habe. Unstrittig sei, dass durch eine höhere Belastung schneller eine kritische Durchblutungsstörung des Herzens oder eine kardioelektrische Irritation mit folgender Rhythmusstörung verursacht werden könne als durch eine leichte Belastung. Bei Personen mit koronarer Herzerkrankung sei die Belastbarkeit vermindert, unter Umständen sogar aufgehoben. Werde dies ignoriert, drohten schwere Schäden bis hin zum Tod. Weitgehend unerheblich sei dabei, ob und wie viele Pausen auf der Wegstrecke eingehalten worden seien.
Entscheidendes Kriterium für die Ursachenbeurteilung des plötzlichen Todes sei zunächst die Abschätzung der körperlichen und psychischen Belastung, unter der B. während des nachmittäglichen Motivationstrainings gestanden habe. Fahrradfahren könne für einen Ungeübten durchaus eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Er habe, um den Umfang der Belastungssituation besser einschätzen zu können, die damals zurückgelegte Strecke von G bis M mit dem eigenen Fahrrad zurückzulegen versucht. Die Straßenverhältnisse seien auf der ganzen Strecke gut bis sehr gut gewesen, wobei allerdings zweifelhaft sei, ob einzelne Streckenabschnitte bereits 2000 derart gut ausgebaut gewesen seien. In W habe bei der Ortsdurchfahrt bei ansteigendem Weg ein sehr grober Pflastersteinbelag gelegen. Auf der Strecke K W beständen stärkere und längere Abschnitte (kilometerlang) mit deutlicher Steigung, geschätzt fünf bis sechs Grad. Der Versuch, mit hoher Gangzahl diese Steigungen zu bewältigen, habe die Erkenntnis gebracht, dass dabei im Vergleich zu fahrradergometrischer Belastung etwa 100 bis 150 W Leistung für 15 bis 20 Minuten zu erbringen gewesen seien, wobei die höheren Wattzahlen besonders bei der zwischen W und W liegenden kilometerlangen Steigung zu verzeichnen gewesen seien. Insgesamt sei die Belastung durch das Radfahren für B. nicht als alltagsüblich anzusehen; vielmehr habe es sich um eine für ihn ungewohnte und durch die verschiedenen erschwerenden Umstände technischer und medizinischer Art um eine außergewöhnliche Belastung gehandelt. Beruflich habe sich B. mit rein branchenüblichen Außendiensttätigkeiten, also überwiegend Büroarbeiten und Kundenkontakten, befasst, wobei schwere berufliche und körperlich anstrengende Tätigkeiten nicht zu erfüllen gewesen seien. Auffällig sei, dass er bereits in der Anfangsphase Schwierigkeiten gehabt hätte, der Gruppe zu folgen, und immer dann, wenn die Strecke bergauf geführt hätte, den Anschluss an seine Gruppe verloren hätte. Nach Aussagen der Zeugen habe der Eindruck bestanden, dass die körperliche Belastung während der Fahrt für B. sehr groß gewesen sei. Wie verschiedenen Mitteilungen zu entnehmen sei, sei der stark übergewichtige (Bodymaßindex 32) B. offenbar keiner sportlich-ausgleichenden Tätigkeit nachgegangen. Ferner spiele beim Bergfahren das Gewicht von Körper und Fahrrad eine bedeutsame Rolle, da beide Gewichtsanteile nicht nur horizontal, sondern auch vertikal beschleunigt werden müssten. Bestehe keine Gangschaltung oder sei diese wie bei B. nicht intakt, müsse bei Steigungen die Fortbewegung bei geringer Umdrehung durch erheblichen Kraftaufwand in der Beinmuskulatur kompensiert werden, was sich bei der Arteriosklerose, speziell der koronaren Herzerkrankung, ausgesprochen ungünstig auf die kardiovaskuläre Situation, besonders durch die dabei entstehenden Drucksteigerungen, auswirke und ein wesentliches kardiales Risiko für den Fahrer eines solches Fahrrades darstelle. Die deutliche Zunahme der Druckarbeit des Herzens und des großen Kreislaufes durch verstärkt aufzubringende Muskelspannung sei auch wissenschaftlich untersucht.
Auch psychischen Stressfaktoren müsse über die sympathikotone Wirkung des Adrenalins eine erhebliche Bedeutung bei der Entstehung der koronaren Herzerkrankung und der Auslösung von Herzinfarkten beigemessen werden. Es müsse sehr bezweifelt werden, dass dieser Nachmittag für B. psychisch belastungsfrei verlaufen sei. Die Vorstellung eines stress- und wettkampffreien Motivationstrainings gerate zumindest im Rahmen einer kaum zu steuernden Gruppendynamik deutlich ins Wanken. Eine gewisse Wettbewerbssituation sei unter den Beteiligten thematisiert worden. Spätestens aufgrund der zunehmenden körperlichen Belastung durch die nicht funktionierende Gangschaltung, die wohl ein zentraler Punkt für seine Überlastung gewesen sei, müsse von einer erheblichen zusätzlichen nervlichen Belastung ausgegangen werden.
B. hätte auch nicht bei jeder normalen Verrichtung seines alltäglichen Lebens mit einem plötzlichen Herztod rechnen müssen. Nach dem bisherigen Verlauf und bei weiter gleich bleibenden Lebensverhältnissen und Belastungsbedingungen hätte kein Grund für einen plötzlichen Herztod bestanden. Zwar sei es zuvor bereits zu verschiedenen kleinen Infarkten gekommen. Offenbar sei es bei den zuvor abgelaufenen, aus alltäglicher Belastung heraus entstandenen, stummen Infarkten jedoch nicht zu schwerwiegenden Rhythmusstörungen gekommen. Hieraus folge, dass eine jahre-, vielleicht sogar jahrzehntelange koronare Herzkrankheit langsamer Progression mit immer wieder auftretenden Herzinfarkten vorgelegen habe. Es hätten in Fortführung seiner üblichen täglichen Belastungen weiter kleine Infarkte ablaufen können, ohne dass es zwingend zu einem plötzlichen Todesfall oder auch nur zum klinischen Krankheitsbild eines Infarktes hätte kommen müssen. Gerade die noch nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern gebe Anlass zu der Prognose, dass die Entwicklung der sekundären Herzinsuffizienz noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte. In Anbetracht des mehrjährigen Verlaufes sei davon auszugehen, dass keine rasche Änderung eingetreten wäre. Für ungefähr zwei bis drei Jahre hätte eine noch ausreichende Stabilität erwartet werden dürfen, wenn man die muskulären Herzreserven des Obduktionsbefundes zugrunde lege.
Die Beklagte hat hierzu eine gutachterliche Stellungnahme der Dr. L/Dr. G vom 04. November 2005 beigebracht. Diese führten aus, dass eine 15- bis 20 minütige Dauerbelastung mit 125 bis 150 W nur bei überdurchschnittlich gutem Trainingszustand möglich sei. Eine derartige Belastung sei bei schweren Durchblutungsstörungen der Herzkranzarterien mit herzinfarktnahen und erweiterten Herzhöhlen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Symptome wie hochroter Kopf, Kurzatmigkeit, körperliche Schwäche, Äußerungen, das Fahrradfahren nicht mehr fortzusetzen, hätten den Zeugen unbedingt auffallen müssen. Auf den Zeugen S habe B. jedoch einen gelassenen und ruhigen Eindruck gemacht. Bei den von Dr. G ermittelten Belastungswerten sei im Übrigen davon auszugehen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einigen anderen der ca. 120 teilnehmenden Kollegen Erschöpfungssymptome aufgetreten wären, hiervon werde jedoch nicht berichtet. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass die Belastung auch von B. nicht als zu hoch empfunden worden sei und er auch eine ähnliche Belastung im alltäglichen Leben nicht abgebrochen hätte. Zuzustimmen sei Dr. G insoweit, als die nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern Anlass zu der Prognose gegeben hätte, dass die Entwicklung der sekundären Herzinsuffizienz noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte. Denn Patienten mit schwerer koronarer Herzkrankheit verstürben in der Regel an akuten Durchblutungsstörungen der Herzkranzarterien und nur in seltenen Ausnahmefällen an einer sich als Folge der Herzinfarkte langsam entwickelnden Herzinsuffizienz. Nicht zuzustimmen sei ihm insoweit, als B. nicht bei jeder normalen Verrichtung mit dem plötzlichen Herztod hätte rechnen müssen. Wissenschaftlich könne nicht belegt werden, dass unbemerkt abgelaufene Herzinfarkte eine günstigere Prognose hätten. Bekannt sei lediglich, dass die Sterblichkeit in den ersten 28 Tagen nach einem Herzinfarkt etwa 50 % betrage und dass die Sterblichkeit bei jedem weiteren Herzinfarkt zunehme. Wenn bereits mehrere Herzinfarkte unter alltäglichen Belastungen aufgetreten seien, so hätte mit einem ohne besonderen äußeren Anlass erneut auftretenden Herzinfarkt jederzeit gerechnet werden müssen. Es sei wenig wahrscheinlich, dass die Infarkte bei B. sporadisch im Verlauf von 15 Jahren aufgetreten seien; wesentlich wahrscheinlicher sei es, dass sich die Herzinfarkte in den letzten Jahren ereignet hätten mit ständig zunehmendem Risiko eines erneuten Infarktes und immer größerem Risiko des tödlichen Ausganges eines Herzinfarktes, auch bei normaler Verrichtung des täglichen Lebens. Die berufliche Aktivität vom 21. September 2000 sei daher im Sinne einer Gelegenheitsursache zu werten.
Mit Urteil vom 28. April 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die sportliche Anstrengung beim Betriebsausflug sei zwar eine Ursache des Todes des B. gewesen. Der Anstrengung beim Betriebsausflug käme jedoch im Vergleich zu der vorbestehenden massiven Herzschädigung als weiterer Mitbedingung der Stellenwert einer wesentlichen Mitursache für den Tod des B. dann nicht zu, wenn die Herzerkrankung so schwer, d. h. die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen sei, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher Einwirkungen bedurft hätte. Diese ursächliche Bedeutung habe eine Krankheitsanlage z. B. dann, wenn die akuten Erscheinungen zu derselben Zeit auch ohne äußere Einwirkungen auftreten könnten oder jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Erscheinungen ausgelöst hätte. Hierbei sei zunächst zu fragen, ob an das "alltäglich vorkommende Ereignis" ein objektiver Maßstab anzulegen oder ob hierbei auf die subjektiven Lebensverhältnisse des Versicherten abzustellen sei. Bei Anlage eines subjektiven Maßstabes würde letztlich eine Haftung der Beklagten für den Gesundheitszustand ihrer Versicherten begründet, was mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, die nicht zuletzt in der Ablösung der Unternehmerhaftung liege, nicht in Einklang zu bringen sei. Einer objektiven Sichtweise sei auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Vorzug zu geben. Hier habe Dr. L zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Radtour über vier Stunden mit einer Vielzahl von Pausen und einer geringen Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,5 km nicht als eine ihrer Art nach unersetzliche äußere Einwirkung bezeichnet werden könne. Dies gelte auch dann, wenn auf Streckenabschnitten eine Belastung vorgelegen haben sollte, die Dr. G mit 150 W beschreibe, während Dr. L darauf hingewiesen habe, dass ein untrainierter fast 60 Jähriger eine solche Belastung nur mit erheblichen äußeren Anzeichen toleriere, die hier nach den Bekundungen der Zeugen im Verwaltungsverfahren gefehlt hätten.
Gegen dieses am 18. Mai 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am 12. Juni 2006 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin trägt dafür vor, dass der Arbeitgeber die Verantwortung dafür übernehmen müsse, sportliche Veranstaltungen so zu gestalten, dass keine Gefahr für Leib und Seele der Beschäftigten bestehe. Dr. G habe einleuchtend geschildert, dass die Belastung durch das Radfahren keine alltagsübliche Belastung gewesen sei. Die Beklagte habe sich nicht mit den Einzelheiten der durch die Fahrradtour und ihre technischen Besonderheiten bedingten Belastungen auseinandergesetzt. Begleitfahrzeuge seien nach Auskunft des mittlerweile ebenfalls verstorbenen Zeugen K und weiterer Teilnehmer der Tour nicht angeboten worden. B. hätte nicht zu kreislaufwirksamen Rhythmusstörungen geneigt. Es dürfe angenommen werden, dass dies auch für einige Zeit so geblieben wäre. Auch hätte die noch nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern Anlass zu der Prognose gegeben, dass die Entwicklung der Herzkrankheit noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte. Der erstinstanzlich zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ferner keine zuverlässige Information zu entnehmen, welcher Bewertungsmaßstab (objektiv/subjektiv) denn nun anzusetzen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 05. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ablebens ihres am 21. September 2000 verstorbenen Ehemannes zu gewähren. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist weiter auf die bei B. bestehende Vorschädigung des Herzens durch mehrere kleine Herzinfarkte. Insgesamt sei die körperliche Belastung nicht geeignet gewesen, bei der massiven Vorschädigung des Herzens einen kausalen Zusammenhang zwischen der Fahrradtour und dem Todeseintritt zu begründen. B. habe auf der Fahrtstrecke zwar über Schwierigkeiten mit seiner Gangschaltung geklagt, die Zeugen H S und N S hätten bei ihm jedoch vom Äußeren her keine Besonderheiten feststellen können. Auch habe B. das Angebot abgelehnt, die weitere Fahrt im Begleitbus fortzusetzen. Ferner habe am 21. September 2000 keine schwülwarme Temperatur geherrscht, sondern kühles trockenes Wetter mit leichtem Wind. Dies spreche dafür, dass von einer besonders großen Kraftanstrengung nicht auszugehen sei.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die ehemaligen Kollegen des B. N S und J W als Zeugen vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 19. Juli 2007 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das erstinstanzliche Urteil sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung.
Hinterbliebene haben gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII u. a. Arbeitsunfälle, also Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit, § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Für einen Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 8/06 R, USK 2007- 17).
B. stand im Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen stehen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz, wenn diese allen Beschäftigten des Unternehmens bzw. mindestens allen Beschäftigen einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden (BSG, Urteil vom 07. Dezember 2004, Az.: B 2 U 47/03 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 11). Dies war vorliegend gegeben, es handelte sich nach den Angaben der Firma I und der Zeugen um eine seitens des Arbeitgebers organisierte jährliche Gemeinschaftsveranstaltung im Rahmen einer Außendiensttagung.
B. hat auch einen Unfall erlitten. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Das Erfordernis des Unfallereignisses dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie z. B. Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Obgleich B. an einer derartigen inneren Ursache verstarb, lag doch auch ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vor. Für ein Unfallereignis im Sinne des SGB VII ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg genügt, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Kläger auf dem Weg ausgesetzt war.
Das BSG hat eine äußere Einwirkung z.B. angenommen bei einer als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation zu bewertenden Arbeit (Hausschlachtung) durch den Versicherten, wenn dies zu erheblicher Atemnot führt, der Versicherte zusammenbricht und innerhalb einer Stunde verstirbt (BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987, Az. 2 RU 35/87, SozR 62, 220). Eine Einwirkung wurde auch bejaht bei einem körperlich anstrengenden Heben einer Bohrsonde, währenddessen der Versicherte auf einmal einen Schmerz im Halsbereich verspürte; hier wurde lediglich später der Ursachenzusammenhang mit der anschließend aufgetretenen Subarachnoidalblutung verneint (BSG, Urteil vom 02. Mai 2001, Az.: B 2 U 18/00 R, HVBG-Info 2001, 1713). Im Falle eines Steinmetzes, der beim Abräumen einer Grabstätte versucht hatte, einen etwa 70 kg schweren, festgefrorenen Stein hochzuheben, hat das BSG eine zeitlich begrenzte, äußere Einwirkung auf den Körper im Sinne des Unfallbegriffes aufgrund der unsichtbaren Kraft bejaht, die der schwere und festgefrorene Stein dem Versicherten entgegengesetzt habe (BSG, Urteil vom 12. April 2005, Az.: B 2 U 27/04 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 15). Von einer Einwirkung von außen wurde ferner ausgegangen bei der Aufnahme von Nahrung, die aufgrund des Bestehens einer Nussallergie zu einem anaphylaktischen Schock mit Kreislaufstillstand und aufgrund dessen zum Tod führte. Begründet wurde dies damit, dass durch die Situation während des geschäftlichen Abendessens mit gleichzeitiger Plenarsitzung, die noch dazu in englisch stattgefunden habe, die Aufmerksamkeit des Versicherten auf die Gesprächsinhalte gelenkt und seine Konzentration hinsichtlich der Nahrungsaufnahme herabgesetzt worden sei, weshalb es sich insgesamt gesehen nicht um eine alltägliche Situation und ein alltägliches Geschehen gehandelt habe (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 8/06 R, a.a.O.). Ein Unfallereignis durch geistig-seelische Einwirkungen wurde bejaht im Falle eines plötzlichen Herztodes anlässlich der Vernehmung eines versicherten Selbständigen in einem Zivilprozess; dieser habe in einer außergewöhnlichen Stresssituation gestanden, weil der Zivilprozess für ihn von existenzieller Bedeutung gewesen und er von den Anwälten der Gegenpartei heftig attackiert worden sei (BSG, Urteil vom 18. März 1997, Az.: 2 RU 23/96, SozR 3 2200 § 539 Nr. 39).
Unter Zugrundelegung dieses weiten Unfallbegriffes war vorliegend eine äußere Einwirkung im Sinne der Unfalldefinition zu bejahen. Für B. lagen nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme insgesamt gesehen keine alltägliche Situation und kein alltägliches Geschehen, sondern eine außergewöhnliche körperliche Belastung vor, die zudem mit einer betriebsbezogenen Stresssituation zusammentraf, wie sie in den Fällen der Nussallergie und der Zeugenvernehmung (BSG, a. a. O.) für ein Unfallereignis als ausreichend erachtet worden ist.
Die Fahrradtour der Outdoor-Veranstaltung begann zwischen 13.00 und 14.00 Uhr, wobei die unterschiedlichen Zeitangaben vorliegend damit zu erklären sind, dass die Gruppen zeitversetzt starteten. Selbst wenn man unterstellt, dass die Gruppe des B. zum späteren Termin gegen 14.00 Uhr gestartet ist, war B. mit seiner Gruppe im Zeitpunkt seines Ablebens der herbeigerufene Notarzt stellte den Todeszeitpunkt mit 19.30 Uhr fest 5 ½ Stunden unterwegs gewesen. Für die Frage der Belastung des Körpers durch diese Aktivität hat Dr. G in seinem Gutachten vom 16. September 2005 ausgeführt, dass derart lange Fahrradtouren für Ungeübte durchaus eine außergewöhnliche Belastung darstellen könnten, wobei für B. noch dessen hohes Eigengewicht und Untrainiertheit erschwerend hinzugekommen seien. Die Tour habe erhebliche und andauernde Steigungen von - im Vergleich zu fahrradergometrischer Belastung - etwa 100 bis 150 W Leistung für 15 bis 20 Minuten erfordert, wobei die höheren Wattzahlen besonders bei der zwischen W und W liegenden kilometerlangen Steigung zu verzeichnen gewesen seien; insoweit weitgehend unerheblich sei, ob und wie viele Pausen auf der Wegstrecke eingehalten worden seien. Zudem hatte B. nach den Angaben der Zeugen Probleme mit der Gangschaltung. Die hiergegen für die Beklagte vorgebrachte Argumentation des Dr. L, dass eine derartige Belastung bei schweren Durchblutungsstörungen der Herzkranzarterien mit herzinfarktnahen und erweiterten Herzhöhlen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, ist nicht nachvollziehbar, weil B. diese Belastung schließlich nicht toleriert hat. Auch waren nach den Aussagen der vom Gericht vernommenen Zeugen W und S dem B. bereits während der Tour Symptome für die Belastung deutlich anzusehen. Selbst in der von Dr. L in Bezug genommenen Stellungnahme des Herrn S vom 25. Juni 2001 ist schließlich die Frage nach Anzeichen, dass B. "im roten Bereich" gefahren sei, mit "Im nachhinein betrachtet: Ja" beantwortet worden, weshalb nicht allein auf dessen übrige Angaben zu einem gelassenen ruhigen Eindruck des B. während der Tour abgestellt werden kann.
Weiter ist davon auszugehen, dass B. während der Tour einer Stresssituation ausgesetzt war. Dr. G hat hierzu bereits in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass die Vorstellung eines stress- und wettkampffreien Motivationstrainings zumindest im Rahmen einer kaum zu steuernden Gruppendynamik deutlich ins Wanken gerate und dass psychischen Stressfaktoren über die sympathikotone Wirkung des Adrenalins eine erhebliche Bedeutung bei der Entstehung der koronaren Herzerkrankung und der Auslösung von Herzinfarkten beigemessen werde.
Seine Einschätzung zum Bestehen psychischer Stressfaktoren ist durch die Vernehmung des Zeugen S im Termin vom 19. Juli 2007 in jeder Hinsicht bestätigt worden. Dieser führte zwar einerseits aus, dass keinerlei Zwang zur Teilnahme geherrscht habe und dass die Veranstaltung derart konzipiert war, dass es überhaupt nicht um die Einhaltung irgendwelcher Zeitvorgaben gegangen sei. Dies wurde wiederholt bestätigt durch den Zeugen W, der anschaulich schilderte, dass Sinn und Zweck der Veranstaltung vor allem gewesen sei, die anderen Kollegen kennen zu lernen; es habe kein zeitliches Limit gegeben. Auch war angesichts der langjährigen Tätigkeit des B. für seinen Arbeitgeber in gehobener Position und der übrigen geschilderten Verhältnisse in der Firma nicht davon auszugehen, dass B. beim Erkennen-lassen vermeintlicher "Schwächen" Nachteile für sein berufliches Fortkommen zu erwarten gehabt hätte. Andererseits hat jedoch der Zeuge S nachvollziehbar und in jeder Hinsicht glaubhaft geschildert, dass der in der Gruppe des B. mitfahrende H S gemeint habe, dass es doch nach Zeit gehen müsse, und deshalb ein schnelles Tempo vorgelegt habe. Dies sei eine Besonderheit seiner Gruppe gewesen. Obgleich ihn der Rest der Gruppe darauf hingewiesen hatte, dass es nicht um Zeit ginge, sei es dennoch zu der Situation gekommen, dass man B. verloren hatte und dieser nachgeholt werden musste. Der Zeuge S hat dies auf Befragen dahin gewertet, dieses Vorgehen nachträglich als Fehler zu sehen. Es sei eine "Gruppengeschichte" gewesen, man habe nicht gleich gemerkt, dass jemand gefehlt habe. Der Umstand, dass man B. zeitweise verloren hatte, hat auch dazu geführt, dass in der Zeit, in der dieser nachgeholt wurde, der Rest der Gruppe eine weitere Pause hatte, die B. wiederum fehlte. Zudem war mittlerweile ein gewisser Zeitdruck entstanden. Ausweislich des vom Arbeitgeber des B. übersandten geplanten Tagesablaufes für den 21. September 2000 war das Aktivprogramm lediglich bis 19.00 Uhr und für die Zeit ab 19.00 Uhr die Abendveranstaltung geplant. Im Zeitpunkt seines Ablebens um 19.30 Uhr hatte die Gruppe des B. ebenfalls nach Angaben der Firma I vom 20. Dezember 2000 allerdings erst zwei Drittel der Wegstrecke hinter sich gebracht. In dieser Zusammenschau war B. am Todestag also 5 ½ Stunden körperlich für ihn anstrendender Betätigung an frischer Luft bei gleichzeitigem Vorliegen einer erheblichen Stresssituation ausgesetzt, was als äußeres Ereignis und nicht mehr als alltägliches Geschehen gewertet werden muss.
Die Unfallkausalität ist ebenfalls zu bejahen. Die bei B. bestehende Krankheitsanlage war nicht derart bedeutend, dass aufgrund ihres Vorliegens das Unfallereignis nicht mehr wesentlich gewesen wäre. Das Ableben des B. ist nach den Feststellungen des Dr. G, die dieser in Auswertung des Obduktionsgutachtens getroffen hat, durch einen akuten Koronartod verursacht worden, wobei bei B. zuvor bereits mehrere stumme Infarkte bei koronarer Herzerkrankung als Vorerkrankung abgelaufen waren, die zu einer erheblich herabgesetzten Belastbarkeit geführt hatten. Damit standen konkurrierende Ursachen für das Ableben des B. sicher fest. In einem derartigen Fall ist die so genannte Unfallkausalität näher zu erörtern, die vorliegend von der Beklagten in Abrede gestellt wird. Für diesen Zusammenhang gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, nach der auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis "zu derselben Zeit" die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung und konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a. a. O., (Nussallergie)). Nach früherer Rechtsprechung war hier, je nach Fallgestaltung, auch das Kriterium der so genannten Lebenszeitverkürzung um ein Jahr zu prüfen (BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987, Az.: 2 RU 35/87,a.a.O.).
Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des Dr. G, der mit überzeugender Begründung in Auswertung des Obduktionsgutachtens ausführte, dass die wahrscheinlich bereits seit Jahren bestehende koronare Herzerkrankung unter alltäglichen Belastungen voraussichtlich für einen längeren Zeitraum weiter derart hätte verlaufen können, dass B. durch alltägliche Belastungen nicht beeinträchtigt worden wäre, und dass es nicht zwingend zu einem plötzlichen Todesfall oder auch nur zu einem klinischen Krankheitsbild eines Infarktes hätte kommen müssen. Erst die außergewöhnliche Belastung durch die Fahrradtour habe den Verschluss der linken Kranzarterie verursacht. Ohne die außergewöhnliche Belastung des Fahrradfahrens mit dem technischen Defekt der Gangschaltung, die dem B. die hohe Herz- und Kreisbelastung eingebracht habe, wäre es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zu diesem Sekundenherztod gekommen. Gerade die noch nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern gebe Anlass zur Prognose, dass die Entwicklung der sekundären Herzinsuffizienz noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte und dass ungefähr für zwei bis drei Jahre noch eine ausreichende Stabilität hätte erwartet werden dürfen. Den hiergegen vorgebrachten Einwänden der Dr. L/Dr. G in deren Gutachten vom 02. Oktober 2001 bzw. deren Rückäußerung während des gerichtlichen Verfahrens vom 04. November 2005 war hingegen nicht zu folgen. Bezüglich der koronaren Herzerkrankung stimmten Dr. L/Dr. G dem gerichtlichen Gutachter zu, dass die ausreichenden muskulären Herzreserven für B. noch eine längere Lebensdauer erwarten ließen. Die auf Prozentangaben zur Sterblichkeit nach Herzinfarkt gestützte ungünstige Prognose aufgrund der mehreren alten kleinen Infarktnarben konnte indes nicht zu der Annahme führen, dass jederzeit mit einem ohne besonderen Anlass auftretenden weiteren Herzinfarkt, der dieses Mal tödlich verlaufen würde, zu rechnen war. Die andere Einschätzung des Dr. G, die dieser in Auswertung der bisherigen Krankheitsgeschichte, unter Wertung der noch nicht sehr fortgeschrittenen Erweiterung der Herzkammern und des Umstandes, dass B. nicht zu kreislaufwirksamen Rhythmusstörungen geneigt habe, begründet hat, überzeugte hier mehr. Zudem wies Dr. G darauf hin, dass B. nicht an einem Herzinfarkt, sondern an einem von ihm näher beschriebenen akuten Koronartod gestorben war. Auch legten Dr. L/Dr. G ihrer Einschätzung zugrunde, dass B. beim Radfahren einen ruhigen, nicht erschöpften Eindruck gemacht und sich offensichtlich nicht überfordert gefühlt habe, sowie, dass dem Zeugen S unbedingt Symptome einer Überanstrengung des B. hätten auffallen müssen. Damit gingen diese Gutachter von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Es wurde bereits ausgeführt, dass B. sich während der Fahrradtour in einer sowohl körperlich als auch psychisch belastenden Situation befand und dass er frühzeitig während der Fahrradtour erhebliche Symptome von Überanstrengung gezeigt hat. So führte der Zeuge S aus, B. habe zu erkennen gegeben, dass die Situation für ihn schwierig gewesen sei, er habe ein gerötetes Gesicht gehabt und sei "auch nach der Pause offensichtlich nicht fit" gewesen. Auch der Zeuge W, der sich in der längeren Pause mit B. unterhalten hatte, führte aus, dass dieser einen roten Kopf gehabt habe, der ihm angeschwollen vorgekommen sei. Er habe angegangen ausgesehen und ihm nicht gefallen.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht der Unfallkausalität nicht entgegen, dass das Vorliegen des alltäglich vorkommenden Ereignisses nach objektiven Maßstäben zu beurteilen wäre. Zum einen ist die Frage, ob ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte, hypothetisch zu beantworten, so dass die Reaktion auf das tatsächliche Unfallereignis nur im Rahmen eine Indizes zu würdigen ist. Außerdem handelte es sich aus den oben genannten Gründen bei der Fahrradtour nicht um ein alltägliches Ereignis im Sinne der unfallrechtlichen Kausalität. Vielmehr war die fünfeinhalbstündige sportliche Betätigung bei gleichzeitiger betrieblich bedingter Stresssituation auch bei objektiver Würdigung und Außerachtlassung der zusätzlichen Erschwernisse für B. aufgrund von dessen Vorerkrankung, Übergewicht und mangelnder Trainiertheit kein alltägliches Geschehen im Sinne der Rechtsprechung des BSG, welches z.B. selbst für das Geschäftsessen im Falle der Nussallergie ein alltägliches Ereignis verneint hat. Die Rechtsprechung des BSG, dass ein Unfallereignis nach dem medizinischen Erkenntnisstand allgemein geeignet sein muss, eine zu beurteilende Störung hervorzurufen, beschränkt sich auf den Bereich psychischer Erkrankungen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Ablebens ihres Ehemannes, Herrn R B (im Folgenden: "B."), der während einer betrieblichen Veranstaltung an einem Herzinfarkt verstarb.
Der 1942 geborene B. war seit über 25 Jahren bei seinem Arbeitgeber, der Lebensmittelvertriebsfirma I, tätig gewesen; 1981 war er zum Niederlassungsleiter B befördert worden. Am 22. September 2000 sollte er an einer Außendienstkonferenz seines Arbeitgebers in G, F, teilnehmen. Das Programm sah für den 21. September 2000 die Anreise und bis 14.00 Uhr ein Lunchbuffet vor. Danach begann ein "Aktivprogramm". Hierfür wurden die 119 Teilnehmer in Gruppen à 10 Personen ausgelost, die Fahrräder erhielten und nacheinander starteten. Es sollte eine ca. 23 km lange Wegstrecke bewältigt werden, wobei die Gruppen gemeinsam kleinere Aufgaben zu erledigen hatten. Abgesehen von einem Strohballenrollen handelte es hierbei um körperlich nicht anstrengende Wissenstests und Erinnerungsquiz in Bezug auf die gefahrene Strecke. Nach ca. 15 km gab es eine ca. ein- bis eineinhalbstündige Pause in W. Für die Zeit ab 19.00 Uhr sah das Programm eine Abendveranstaltung vor. Geplant war eine Siegerehrung, wobei der Gewinn jedoch nicht von der Schnelligkeit der Streckenbewältigung abhängen sollte. Nach ca. zwei Dritteln der Fahrstrecke brach B. auf der Dorfstraße in M auf seinem Fahrrad zusammen und konnte auch durch den unverzüglich herbeigeeilten Notarzt nicht mehr wiederbelebt werden. Den Sterbezeitpunkt hielt der Notarzt Dr. B mit 19.30 Uhr fest.
Die Beklagte ermittelte auf eine Unfallanzeige hin durch Befragung der Klägerin und des Bezirksverkaufsleiters des früheren Arbeitgebers des B., den mittlerweile ebenfalls verstorbenen Herrn K, der in der Gruppe des B. gefahren war. Dieser sagte aus, dass B. schon in der Anfangsphase Schwierigkeiten gehabt hätte, der Gruppe zu folgen; auf Nachfrage hätte er angegeben, Probleme mit der Gangschaltung zu haben und das Fahrrad nur mit großem Kraftaufwand treten zu können. Die Beklagte zog ferner Unterlagen des früheren behandelnden Arztes für Innere Medizin Dr. K bei und holte ein Obduktionsgutachten des Prof. Dr. S vom 21. Dezember 2000 ein. Dieser führte aus, dass die Herzbefunde einen akuten Zusammenbruch und Todeseintritt ohne weiteres erklärten. Das Herz sei aufgrund degenerativer Kranzschlagaderveränderungen sowie zahlreicher kleinflächiger Infarktnarben im Bereich der linken Herzkammer massiv vorgeschädigt gewesen. Überdies habe eine ausgeprägte Dickleibigkeit bestanden. Diese Befunde seien für eine ungewöhnliche körperliche Belastung, wie sie z. B. Fahrradfahren über eine Wegstrecke von mehreren Kilometern beim Untrainierten darstellen würde, ausgesprochen ungünstig. Eine nicht gewohnte körperliche Belastung, die über die normalen Lebensgewohnheiten des B. hinausging, sei ohne weiteres geeignet gewesen, einen akuten Herztod wie im vorliegenden Fall zu verursachen. In den Krankenunterlagen hätten sich Hinweise für eine Herzsymptomatik allerdings nicht gefunden. Bei der letztmaligen Vorstellung beim Internisten Dr. K am 09. November 1995 seien Herz und Lunge ohne auffällige Befunde gewesen.
Nach Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2001 den Antrag auf Hinterbliebenenleistungen ab, weil der zum Tode führende Herzinfarkt nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit aufgetreten sei, ohne dass dieser die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen Mitursache zukäme.
Im Widerspruchsverfahren richtete die Beklagte eine Anfrage zu den Abläufen bei der Veranstaltung an die Firma I; die Anfrage beantworteten der Zeuge N S sowie Herr H S mit Schreiben vom 25. Juni 2001. Sie führten aus, dass die Tour gegen 13.00 Uhr begonnen hätte. Gegen 16.00 Uhr sei eine große, 1 ½ Stunden dauernde Pause in W gemacht worden. Gegen 17.30 Uhr sei die Fahrt dann weitergegangen. B. hätte wieder Probleme gehabt, der Gruppe zu folgen; er habe hierfür das Fahrrad bzw. die Gangschaltung verantwortlich gemacht, mit der er nicht zurechtgekommen sei, und über Schmerzen im Knie geklagt. B. hätte mit seiner Gruppe den Tag als Sieger beenden wollen. Im Nachhinein müsse bejaht werden, dass objektive Hinweise für eine zu große Belastung des B. bestanden hätten.
Die Beklagte holte ferner eine Stellungnahme der Internisten Dr. G/Dr. L, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in M, vom 02. Oktober 2001 ein. Diese führten aus, dass aufgrund der zahlreichen Vorinfarkte alltägliche Situationen ausgereicht hätten, um einen weiteren Herzinfarkt auftreten zu lassen. Es hätte bei jeder normalen Verrichtung des privaten Lebens mit dem plötzlichen Herztod gerechnet werden müssen. Nach den Zeugenaussagen der für die Firma I tätigen Herren S und S habe die Aktivität insgesamt keine schwere körperliche Belastung dargestellt; auch hätten die Kollegen des B. nicht den Eindruck gehabt, dass B. körperlich erschöpft gewesen sei. Wie schwerwiegend die Probleme mit der Gangschaltung des Fahrrades und Schmerzen im Knie für den Versicherten gewesen seien, könne ärztlicherseits nicht beurteilt werden. Auch B. hätte offenbar die Gesamtbelastung nicht für zu hoch eingeschätzt, da er Angebote, ihn mit dem begleitenden Versorgungsfahrzeug zu fahren, abgelehnt hätte. Die Annahme der Klägerin, B. habe sich durch eine gewisse Eigendynamik gezwungenermaßen überfordert, sei angesichts des geschilderten Ablaufes nicht zu begründen. Die Stresssituation vom 21. September 2000 sei rechtlich/medizinisch von untergeordneter Bedeutung für die Auslösung des Herzinfarktes.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. G vom 16. September 2005 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass es ohne die außergewöhnlichen Belastungen während der Fahrradtour mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zu dem Sekundenherztod gekommen wäre.
B. sei ausweislich des Obduktionsbefundes nicht an einem Herzinfarkt im eigentlichen Sinne gestorben; vielmehr habe es sich dabei um einen akuten Koronartod, wegen seiner Schnelligkeit auch Sekundenherztod genannt, gehandelt, verursacht durch einen frischen Thrombus, der die linke Kranzarterie verschlossen habe. Unstrittig sei, dass durch eine höhere Belastung schneller eine kritische Durchblutungsstörung des Herzens oder eine kardioelektrische Irritation mit folgender Rhythmusstörung verursacht werden könne als durch eine leichte Belastung. Bei Personen mit koronarer Herzerkrankung sei die Belastbarkeit vermindert, unter Umständen sogar aufgehoben. Werde dies ignoriert, drohten schwere Schäden bis hin zum Tod. Weitgehend unerheblich sei dabei, ob und wie viele Pausen auf der Wegstrecke eingehalten worden seien.
Entscheidendes Kriterium für die Ursachenbeurteilung des plötzlichen Todes sei zunächst die Abschätzung der körperlichen und psychischen Belastung, unter der B. während des nachmittäglichen Motivationstrainings gestanden habe. Fahrradfahren könne für einen Ungeübten durchaus eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Er habe, um den Umfang der Belastungssituation besser einschätzen zu können, die damals zurückgelegte Strecke von G bis M mit dem eigenen Fahrrad zurückzulegen versucht. Die Straßenverhältnisse seien auf der ganzen Strecke gut bis sehr gut gewesen, wobei allerdings zweifelhaft sei, ob einzelne Streckenabschnitte bereits 2000 derart gut ausgebaut gewesen seien. In W habe bei der Ortsdurchfahrt bei ansteigendem Weg ein sehr grober Pflastersteinbelag gelegen. Auf der Strecke K W beständen stärkere und längere Abschnitte (kilometerlang) mit deutlicher Steigung, geschätzt fünf bis sechs Grad. Der Versuch, mit hoher Gangzahl diese Steigungen zu bewältigen, habe die Erkenntnis gebracht, dass dabei im Vergleich zu fahrradergometrischer Belastung etwa 100 bis 150 W Leistung für 15 bis 20 Minuten zu erbringen gewesen seien, wobei die höheren Wattzahlen besonders bei der zwischen W und W liegenden kilometerlangen Steigung zu verzeichnen gewesen seien. Insgesamt sei die Belastung durch das Radfahren für B. nicht als alltagsüblich anzusehen; vielmehr habe es sich um eine für ihn ungewohnte und durch die verschiedenen erschwerenden Umstände technischer und medizinischer Art um eine außergewöhnliche Belastung gehandelt. Beruflich habe sich B. mit rein branchenüblichen Außendiensttätigkeiten, also überwiegend Büroarbeiten und Kundenkontakten, befasst, wobei schwere berufliche und körperlich anstrengende Tätigkeiten nicht zu erfüllen gewesen seien. Auffällig sei, dass er bereits in der Anfangsphase Schwierigkeiten gehabt hätte, der Gruppe zu folgen, und immer dann, wenn die Strecke bergauf geführt hätte, den Anschluss an seine Gruppe verloren hätte. Nach Aussagen der Zeugen habe der Eindruck bestanden, dass die körperliche Belastung während der Fahrt für B. sehr groß gewesen sei. Wie verschiedenen Mitteilungen zu entnehmen sei, sei der stark übergewichtige (Bodymaßindex 32) B. offenbar keiner sportlich-ausgleichenden Tätigkeit nachgegangen. Ferner spiele beim Bergfahren das Gewicht von Körper und Fahrrad eine bedeutsame Rolle, da beide Gewichtsanteile nicht nur horizontal, sondern auch vertikal beschleunigt werden müssten. Bestehe keine Gangschaltung oder sei diese wie bei B. nicht intakt, müsse bei Steigungen die Fortbewegung bei geringer Umdrehung durch erheblichen Kraftaufwand in der Beinmuskulatur kompensiert werden, was sich bei der Arteriosklerose, speziell der koronaren Herzerkrankung, ausgesprochen ungünstig auf die kardiovaskuläre Situation, besonders durch die dabei entstehenden Drucksteigerungen, auswirke und ein wesentliches kardiales Risiko für den Fahrer eines solches Fahrrades darstelle. Die deutliche Zunahme der Druckarbeit des Herzens und des großen Kreislaufes durch verstärkt aufzubringende Muskelspannung sei auch wissenschaftlich untersucht.
Auch psychischen Stressfaktoren müsse über die sympathikotone Wirkung des Adrenalins eine erhebliche Bedeutung bei der Entstehung der koronaren Herzerkrankung und der Auslösung von Herzinfarkten beigemessen werden. Es müsse sehr bezweifelt werden, dass dieser Nachmittag für B. psychisch belastungsfrei verlaufen sei. Die Vorstellung eines stress- und wettkampffreien Motivationstrainings gerate zumindest im Rahmen einer kaum zu steuernden Gruppendynamik deutlich ins Wanken. Eine gewisse Wettbewerbssituation sei unter den Beteiligten thematisiert worden. Spätestens aufgrund der zunehmenden körperlichen Belastung durch die nicht funktionierende Gangschaltung, die wohl ein zentraler Punkt für seine Überlastung gewesen sei, müsse von einer erheblichen zusätzlichen nervlichen Belastung ausgegangen werden.
B. hätte auch nicht bei jeder normalen Verrichtung seines alltäglichen Lebens mit einem plötzlichen Herztod rechnen müssen. Nach dem bisherigen Verlauf und bei weiter gleich bleibenden Lebensverhältnissen und Belastungsbedingungen hätte kein Grund für einen plötzlichen Herztod bestanden. Zwar sei es zuvor bereits zu verschiedenen kleinen Infarkten gekommen. Offenbar sei es bei den zuvor abgelaufenen, aus alltäglicher Belastung heraus entstandenen, stummen Infarkten jedoch nicht zu schwerwiegenden Rhythmusstörungen gekommen. Hieraus folge, dass eine jahre-, vielleicht sogar jahrzehntelange koronare Herzkrankheit langsamer Progression mit immer wieder auftretenden Herzinfarkten vorgelegen habe. Es hätten in Fortführung seiner üblichen täglichen Belastungen weiter kleine Infarkte ablaufen können, ohne dass es zwingend zu einem plötzlichen Todesfall oder auch nur zum klinischen Krankheitsbild eines Infarktes hätte kommen müssen. Gerade die noch nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern gebe Anlass zu der Prognose, dass die Entwicklung der sekundären Herzinsuffizienz noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte. In Anbetracht des mehrjährigen Verlaufes sei davon auszugehen, dass keine rasche Änderung eingetreten wäre. Für ungefähr zwei bis drei Jahre hätte eine noch ausreichende Stabilität erwartet werden dürfen, wenn man die muskulären Herzreserven des Obduktionsbefundes zugrunde lege.
Die Beklagte hat hierzu eine gutachterliche Stellungnahme der Dr. L/Dr. G vom 04. November 2005 beigebracht. Diese führten aus, dass eine 15- bis 20 minütige Dauerbelastung mit 125 bis 150 W nur bei überdurchschnittlich gutem Trainingszustand möglich sei. Eine derartige Belastung sei bei schweren Durchblutungsstörungen der Herzkranzarterien mit herzinfarktnahen und erweiterten Herzhöhlen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Symptome wie hochroter Kopf, Kurzatmigkeit, körperliche Schwäche, Äußerungen, das Fahrradfahren nicht mehr fortzusetzen, hätten den Zeugen unbedingt auffallen müssen. Auf den Zeugen S habe B. jedoch einen gelassenen und ruhigen Eindruck gemacht. Bei den von Dr. G ermittelten Belastungswerten sei im Übrigen davon auszugehen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einigen anderen der ca. 120 teilnehmenden Kollegen Erschöpfungssymptome aufgetreten wären, hiervon werde jedoch nicht berichtet. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass die Belastung auch von B. nicht als zu hoch empfunden worden sei und er auch eine ähnliche Belastung im alltäglichen Leben nicht abgebrochen hätte. Zuzustimmen sei Dr. G insoweit, als die nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern Anlass zu der Prognose gegeben hätte, dass die Entwicklung der sekundären Herzinsuffizienz noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte. Denn Patienten mit schwerer koronarer Herzkrankheit verstürben in der Regel an akuten Durchblutungsstörungen der Herzkranzarterien und nur in seltenen Ausnahmefällen an einer sich als Folge der Herzinfarkte langsam entwickelnden Herzinsuffizienz. Nicht zuzustimmen sei ihm insoweit, als B. nicht bei jeder normalen Verrichtung mit dem plötzlichen Herztod hätte rechnen müssen. Wissenschaftlich könne nicht belegt werden, dass unbemerkt abgelaufene Herzinfarkte eine günstigere Prognose hätten. Bekannt sei lediglich, dass die Sterblichkeit in den ersten 28 Tagen nach einem Herzinfarkt etwa 50 % betrage und dass die Sterblichkeit bei jedem weiteren Herzinfarkt zunehme. Wenn bereits mehrere Herzinfarkte unter alltäglichen Belastungen aufgetreten seien, so hätte mit einem ohne besonderen äußeren Anlass erneut auftretenden Herzinfarkt jederzeit gerechnet werden müssen. Es sei wenig wahrscheinlich, dass die Infarkte bei B. sporadisch im Verlauf von 15 Jahren aufgetreten seien; wesentlich wahrscheinlicher sei es, dass sich die Herzinfarkte in den letzten Jahren ereignet hätten mit ständig zunehmendem Risiko eines erneuten Infarktes und immer größerem Risiko des tödlichen Ausganges eines Herzinfarktes, auch bei normaler Verrichtung des täglichen Lebens. Die berufliche Aktivität vom 21. September 2000 sei daher im Sinne einer Gelegenheitsursache zu werten.
Mit Urteil vom 28. April 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die sportliche Anstrengung beim Betriebsausflug sei zwar eine Ursache des Todes des B. gewesen. Der Anstrengung beim Betriebsausflug käme jedoch im Vergleich zu der vorbestehenden massiven Herzschädigung als weiterer Mitbedingung der Stellenwert einer wesentlichen Mitursache für den Tod des B. dann nicht zu, wenn die Herzerkrankung so schwer, d. h. die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen sei, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher Einwirkungen bedurft hätte. Diese ursächliche Bedeutung habe eine Krankheitsanlage z. B. dann, wenn die akuten Erscheinungen zu derselben Zeit auch ohne äußere Einwirkungen auftreten könnten oder jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Erscheinungen ausgelöst hätte. Hierbei sei zunächst zu fragen, ob an das "alltäglich vorkommende Ereignis" ein objektiver Maßstab anzulegen oder ob hierbei auf die subjektiven Lebensverhältnisse des Versicherten abzustellen sei. Bei Anlage eines subjektiven Maßstabes würde letztlich eine Haftung der Beklagten für den Gesundheitszustand ihrer Versicherten begründet, was mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, die nicht zuletzt in der Ablösung der Unternehmerhaftung liege, nicht in Einklang zu bringen sei. Einer objektiven Sichtweise sei auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Vorzug zu geben. Hier habe Dr. L zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Radtour über vier Stunden mit einer Vielzahl von Pausen und einer geringen Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,5 km nicht als eine ihrer Art nach unersetzliche äußere Einwirkung bezeichnet werden könne. Dies gelte auch dann, wenn auf Streckenabschnitten eine Belastung vorgelegen haben sollte, die Dr. G mit 150 W beschreibe, während Dr. L darauf hingewiesen habe, dass ein untrainierter fast 60 Jähriger eine solche Belastung nur mit erheblichen äußeren Anzeichen toleriere, die hier nach den Bekundungen der Zeugen im Verwaltungsverfahren gefehlt hätten.
Gegen dieses am 18. Mai 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am 12. Juni 2006 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin trägt dafür vor, dass der Arbeitgeber die Verantwortung dafür übernehmen müsse, sportliche Veranstaltungen so zu gestalten, dass keine Gefahr für Leib und Seele der Beschäftigten bestehe. Dr. G habe einleuchtend geschildert, dass die Belastung durch das Radfahren keine alltagsübliche Belastung gewesen sei. Die Beklagte habe sich nicht mit den Einzelheiten der durch die Fahrradtour und ihre technischen Besonderheiten bedingten Belastungen auseinandergesetzt. Begleitfahrzeuge seien nach Auskunft des mittlerweile ebenfalls verstorbenen Zeugen K und weiterer Teilnehmer der Tour nicht angeboten worden. B. hätte nicht zu kreislaufwirksamen Rhythmusstörungen geneigt. Es dürfe angenommen werden, dass dies auch für einige Zeit so geblieben wäre. Auch hätte die noch nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern Anlass zu der Prognose gegeben, dass die Entwicklung der Herzkrankheit noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte. Der erstinstanzlich zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ferner keine zuverlässige Information zu entnehmen, welcher Bewertungsmaßstab (objektiv/subjektiv) denn nun anzusetzen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 05. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ablebens ihres am 21. September 2000 verstorbenen Ehemannes zu gewähren. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist weiter auf die bei B. bestehende Vorschädigung des Herzens durch mehrere kleine Herzinfarkte. Insgesamt sei die körperliche Belastung nicht geeignet gewesen, bei der massiven Vorschädigung des Herzens einen kausalen Zusammenhang zwischen der Fahrradtour und dem Todeseintritt zu begründen. B. habe auf der Fahrtstrecke zwar über Schwierigkeiten mit seiner Gangschaltung geklagt, die Zeugen H S und N S hätten bei ihm jedoch vom Äußeren her keine Besonderheiten feststellen können. Auch habe B. das Angebot abgelehnt, die weitere Fahrt im Begleitbus fortzusetzen. Ferner habe am 21. September 2000 keine schwülwarme Temperatur geherrscht, sondern kühles trockenes Wetter mit leichtem Wind. Dies spreche dafür, dass von einer besonders großen Kraftanstrengung nicht auszugehen sei.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die ehemaligen Kollegen des B. N S und J W als Zeugen vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 19. Juli 2007 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das erstinstanzliche Urteil sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung.
Hinterbliebene haben gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII u. a. Arbeitsunfälle, also Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit, § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Für einen Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 8/06 R, USK 2007- 17).
B. stand im Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen stehen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz, wenn diese allen Beschäftigten des Unternehmens bzw. mindestens allen Beschäftigen einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden (BSG, Urteil vom 07. Dezember 2004, Az.: B 2 U 47/03 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 11). Dies war vorliegend gegeben, es handelte sich nach den Angaben der Firma I und der Zeugen um eine seitens des Arbeitgebers organisierte jährliche Gemeinschaftsveranstaltung im Rahmen einer Außendiensttagung.
B. hat auch einen Unfall erlitten. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Das Erfordernis des Unfallereignisses dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie z. B. Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Obgleich B. an einer derartigen inneren Ursache verstarb, lag doch auch ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vor. Für ein Unfallereignis im Sinne des SGB VII ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg genügt, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Kläger auf dem Weg ausgesetzt war.
Das BSG hat eine äußere Einwirkung z.B. angenommen bei einer als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation zu bewertenden Arbeit (Hausschlachtung) durch den Versicherten, wenn dies zu erheblicher Atemnot führt, der Versicherte zusammenbricht und innerhalb einer Stunde verstirbt (BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987, Az. 2 RU 35/87, SozR 62, 220). Eine Einwirkung wurde auch bejaht bei einem körperlich anstrengenden Heben einer Bohrsonde, währenddessen der Versicherte auf einmal einen Schmerz im Halsbereich verspürte; hier wurde lediglich später der Ursachenzusammenhang mit der anschließend aufgetretenen Subarachnoidalblutung verneint (BSG, Urteil vom 02. Mai 2001, Az.: B 2 U 18/00 R, HVBG-Info 2001, 1713). Im Falle eines Steinmetzes, der beim Abräumen einer Grabstätte versucht hatte, einen etwa 70 kg schweren, festgefrorenen Stein hochzuheben, hat das BSG eine zeitlich begrenzte, äußere Einwirkung auf den Körper im Sinne des Unfallbegriffes aufgrund der unsichtbaren Kraft bejaht, die der schwere und festgefrorene Stein dem Versicherten entgegengesetzt habe (BSG, Urteil vom 12. April 2005, Az.: B 2 U 27/04 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 15). Von einer Einwirkung von außen wurde ferner ausgegangen bei der Aufnahme von Nahrung, die aufgrund des Bestehens einer Nussallergie zu einem anaphylaktischen Schock mit Kreislaufstillstand und aufgrund dessen zum Tod führte. Begründet wurde dies damit, dass durch die Situation während des geschäftlichen Abendessens mit gleichzeitiger Plenarsitzung, die noch dazu in englisch stattgefunden habe, die Aufmerksamkeit des Versicherten auf die Gesprächsinhalte gelenkt und seine Konzentration hinsichtlich der Nahrungsaufnahme herabgesetzt worden sei, weshalb es sich insgesamt gesehen nicht um eine alltägliche Situation und ein alltägliches Geschehen gehandelt habe (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 8/06 R, a.a.O.). Ein Unfallereignis durch geistig-seelische Einwirkungen wurde bejaht im Falle eines plötzlichen Herztodes anlässlich der Vernehmung eines versicherten Selbständigen in einem Zivilprozess; dieser habe in einer außergewöhnlichen Stresssituation gestanden, weil der Zivilprozess für ihn von existenzieller Bedeutung gewesen und er von den Anwälten der Gegenpartei heftig attackiert worden sei (BSG, Urteil vom 18. März 1997, Az.: 2 RU 23/96, SozR 3 2200 § 539 Nr. 39).
Unter Zugrundelegung dieses weiten Unfallbegriffes war vorliegend eine äußere Einwirkung im Sinne der Unfalldefinition zu bejahen. Für B. lagen nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme insgesamt gesehen keine alltägliche Situation und kein alltägliches Geschehen, sondern eine außergewöhnliche körperliche Belastung vor, die zudem mit einer betriebsbezogenen Stresssituation zusammentraf, wie sie in den Fällen der Nussallergie und der Zeugenvernehmung (BSG, a. a. O.) für ein Unfallereignis als ausreichend erachtet worden ist.
Die Fahrradtour der Outdoor-Veranstaltung begann zwischen 13.00 und 14.00 Uhr, wobei die unterschiedlichen Zeitangaben vorliegend damit zu erklären sind, dass die Gruppen zeitversetzt starteten. Selbst wenn man unterstellt, dass die Gruppe des B. zum späteren Termin gegen 14.00 Uhr gestartet ist, war B. mit seiner Gruppe im Zeitpunkt seines Ablebens der herbeigerufene Notarzt stellte den Todeszeitpunkt mit 19.30 Uhr fest 5 ½ Stunden unterwegs gewesen. Für die Frage der Belastung des Körpers durch diese Aktivität hat Dr. G in seinem Gutachten vom 16. September 2005 ausgeführt, dass derart lange Fahrradtouren für Ungeübte durchaus eine außergewöhnliche Belastung darstellen könnten, wobei für B. noch dessen hohes Eigengewicht und Untrainiertheit erschwerend hinzugekommen seien. Die Tour habe erhebliche und andauernde Steigungen von - im Vergleich zu fahrradergometrischer Belastung - etwa 100 bis 150 W Leistung für 15 bis 20 Minuten erfordert, wobei die höheren Wattzahlen besonders bei der zwischen W und W liegenden kilometerlangen Steigung zu verzeichnen gewesen seien; insoweit weitgehend unerheblich sei, ob und wie viele Pausen auf der Wegstrecke eingehalten worden seien. Zudem hatte B. nach den Angaben der Zeugen Probleme mit der Gangschaltung. Die hiergegen für die Beklagte vorgebrachte Argumentation des Dr. L, dass eine derartige Belastung bei schweren Durchblutungsstörungen der Herzkranzarterien mit herzinfarktnahen und erweiterten Herzhöhlen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, ist nicht nachvollziehbar, weil B. diese Belastung schließlich nicht toleriert hat. Auch waren nach den Aussagen der vom Gericht vernommenen Zeugen W und S dem B. bereits während der Tour Symptome für die Belastung deutlich anzusehen. Selbst in der von Dr. L in Bezug genommenen Stellungnahme des Herrn S vom 25. Juni 2001 ist schließlich die Frage nach Anzeichen, dass B. "im roten Bereich" gefahren sei, mit "Im nachhinein betrachtet: Ja" beantwortet worden, weshalb nicht allein auf dessen übrige Angaben zu einem gelassenen ruhigen Eindruck des B. während der Tour abgestellt werden kann.
Weiter ist davon auszugehen, dass B. während der Tour einer Stresssituation ausgesetzt war. Dr. G hat hierzu bereits in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass die Vorstellung eines stress- und wettkampffreien Motivationstrainings zumindest im Rahmen einer kaum zu steuernden Gruppendynamik deutlich ins Wanken gerate und dass psychischen Stressfaktoren über die sympathikotone Wirkung des Adrenalins eine erhebliche Bedeutung bei der Entstehung der koronaren Herzerkrankung und der Auslösung von Herzinfarkten beigemessen werde.
Seine Einschätzung zum Bestehen psychischer Stressfaktoren ist durch die Vernehmung des Zeugen S im Termin vom 19. Juli 2007 in jeder Hinsicht bestätigt worden. Dieser führte zwar einerseits aus, dass keinerlei Zwang zur Teilnahme geherrscht habe und dass die Veranstaltung derart konzipiert war, dass es überhaupt nicht um die Einhaltung irgendwelcher Zeitvorgaben gegangen sei. Dies wurde wiederholt bestätigt durch den Zeugen W, der anschaulich schilderte, dass Sinn und Zweck der Veranstaltung vor allem gewesen sei, die anderen Kollegen kennen zu lernen; es habe kein zeitliches Limit gegeben. Auch war angesichts der langjährigen Tätigkeit des B. für seinen Arbeitgeber in gehobener Position und der übrigen geschilderten Verhältnisse in der Firma nicht davon auszugehen, dass B. beim Erkennen-lassen vermeintlicher "Schwächen" Nachteile für sein berufliches Fortkommen zu erwarten gehabt hätte. Andererseits hat jedoch der Zeuge S nachvollziehbar und in jeder Hinsicht glaubhaft geschildert, dass der in der Gruppe des B. mitfahrende H S gemeint habe, dass es doch nach Zeit gehen müsse, und deshalb ein schnelles Tempo vorgelegt habe. Dies sei eine Besonderheit seiner Gruppe gewesen. Obgleich ihn der Rest der Gruppe darauf hingewiesen hatte, dass es nicht um Zeit ginge, sei es dennoch zu der Situation gekommen, dass man B. verloren hatte und dieser nachgeholt werden musste. Der Zeuge S hat dies auf Befragen dahin gewertet, dieses Vorgehen nachträglich als Fehler zu sehen. Es sei eine "Gruppengeschichte" gewesen, man habe nicht gleich gemerkt, dass jemand gefehlt habe. Der Umstand, dass man B. zeitweise verloren hatte, hat auch dazu geführt, dass in der Zeit, in der dieser nachgeholt wurde, der Rest der Gruppe eine weitere Pause hatte, die B. wiederum fehlte. Zudem war mittlerweile ein gewisser Zeitdruck entstanden. Ausweislich des vom Arbeitgeber des B. übersandten geplanten Tagesablaufes für den 21. September 2000 war das Aktivprogramm lediglich bis 19.00 Uhr und für die Zeit ab 19.00 Uhr die Abendveranstaltung geplant. Im Zeitpunkt seines Ablebens um 19.30 Uhr hatte die Gruppe des B. ebenfalls nach Angaben der Firma I vom 20. Dezember 2000 allerdings erst zwei Drittel der Wegstrecke hinter sich gebracht. In dieser Zusammenschau war B. am Todestag also 5 ½ Stunden körperlich für ihn anstrendender Betätigung an frischer Luft bei gleichzeitigem Vorliegen einer erheblichen Stresssituation ausgesetzt, was als äußeres Ereignis und nicht mehr als alltägliches Geschehen gewertet werden muss.
Die Unfallkausalität ist ebenfalls zu bejahen. Die bei B. bestehende Krankheitsanlage war nicht derart bedeutend, dass aufgrund ihres Vorliegens das Unfallereignis nicht mehr wesentlich gewesen wäre. Das Ableben des B. ist nach den Feststellungen des Dr. G, die dieser in Auswertung des Obduktionsgutachtens getroffen hat, durch einen akuten Koronartod verursacht worden, wobei bei B. zuvor bereits mehrere stumme Infarkte bei koronarer Herzerkrankung als Vorerkrankung abgelaufen waren, die zu einer erheblich herabgesetzten Belastbarkeit geführt hatten. Damit standen konkurrierende Ursachen für das Ableben des B. sicher fest. In einem derartigen Fall ist die so genannte Unfallkausalität näher zu erörtern, die vorliegend von der Beklagten in Abrede gestellt wird. Für diesen Zusammenhang gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, nach der auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis "zu derselben Zeit" die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung und konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a. a. O., (Nussallergie)). Nach früherer Rechtsprechung war hier, je nach Fallgestaltung, auch das Kriterium der so genannten Lebenszeitverkürzung um ein Jahr zu prüfen (BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987, Az.: 2 RU 35/87,a.a.O.).
Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des Dr. G, der mit überzeugender Begründung in Auswertung des Obduktionsgutachtens ausführte, dass die wahrscheinlich bereits seit Jahren bestehende koronare Herzerkrankung unter alltäglichen Belastungen voraussichtlich für einen längeren Zeitraum weiter derart hätte verlaufen können, dass B. durch alltägliche Belastungen nicht beeinträchtigt worden wäre, und dass es nicht zwingend zu einem plötzlichen Todesfall oder auch nur zu einem klinischen Krankheitsbild eines Infarktes hätte kommen müssen. Erst die außergewöhnliche Belastung durch die Fahrradtour habe den Verschluss der linken Kranzarterie verursacht. Ohne die außergewöhnliche Belastung des Fahrradfahrens mit dem technischen Defekt der Gangschaltung, die dem B. die hohe Herz- und Kreisbelastung eingebracht habe, wäre es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zu diesem Sekundenherztod gekommen. Gerade die noch nicht sehr fortgeschrittene Erweiterung der Herzkammern gebe Anlass zur Prognose, dass die Entwicklung der sekundären Herzinsuffizienz noch einige Zeit in Anspruch genommen hätte und dass ungefähr für zwei bis drei Jahre noch eine ausreichende Stabilität hätte erwartet werden dürfen. Den hiergegen vorgebrachten Einwänden der Dr. L/Dr. G in deren Gutachten vom 02. Oktober 2001 bzw. deren Rückäußerung während des gerichtlichen Verfahrens vom 04. November 2005 war hingegen nicht zu folgen. Bezüglich der koronaren Herzerkrankung stimmten Dr. L/Dr. G dem gerichtlichen Gutachter zu, dass die ausreichenden muskulären Herzreserven für B. noch eine längere Lebensdauer erwarten ließen. Die auf Prozentangaben zur Sterblichkeit nach Herzinfarkt gestützte ungünstige Prognose aufgrund der mehreren alten kleinen Infarktnarben konnte indes nicht zu der Annahme führen, dass jederzeit mit einem ohne besonderen Anlass auftretenden weiteren Herzinfarkt, der dieses Mal tödlich verlaufen würde, zu rechnen war. Die andere Einschätzung des Dr. G, die dieser in Auswertung der bisherigen Krankheitsgeschichte, unter Wertung der noch nicht sehr fortgeschrittenen Erweiterung der Herzkammern und des Umstandes, dass B. nicht zu kreislaufwirksamen Rhythmusstörungen geneigt habe, begründet hat, überzeugte hier mehr. Zudem wies Dr. G darauf hin, dass B. nicht an einem Herzinfarkt, sondern an einem von ihm näher beschriebenen akuten Koronartod gestorben war. Auch legten Dr. L/Dr. G ihrer Einschätzung zugrunde, dass B. beim Radfahren einen ruhigen, nicht erschöpften Eindruck gemacht und sich offensichtlich nicht überfordert gefühlt habe, sowie, dass dem Zeugen S unbedingt Symptome einer Überanstrengung des B. hätten auffallen müssen. Damit gingen diese Gutachter von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Es wurde bereits ausgeführt, dass B. sich während der Fahrradtour in einer sowohl körperlich als auch psychisch belastenden Situation befand und dass er frühzeitig während der Fahrradtour erhebliche Symptome von Überanstrengung gezeigt hat. So führte der Zeuge S aus, B. habe zu erkennen gegeben, dass die Situation für ihn schwierig gewesen sei, er habe ein gerötetes Gesicht gehabt und sei "auch nach der Pause offensichtlich nicht fit" gewesen. Auch der Zeuge W, der sich in der längeren Pause mit B. unterhalten hatte, führte aus, dass dieser einen roten Kopf gehabt habe, der ihm angeschwollen vorgekommen sei. Er habe angegangen ausgesehen und ihm nicht gefallen.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht der Unfallkausalität nicht entgegen, dass das Vorliegen des alltäglich vorkommenden Ereignisses nach objektiven Maßstäben zu beurteilen wäre. Zum einen ist die Frage, ob ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte, hypothetisch zu beantworten, so dass die Reaktion auf das tatsächliche Unfallereignis nur im Rahmen eine Indizes zu würdigen ist. Außerdem handelte es sich aus den oben genannten Gründen bei der Fahrradtour nicht um ein alltägliches Ereignis im Sinne der unfallrechtlichen Kausalität. Vielmehr war die fünfeinhalbstündige sportliche Betätigung bei gleichzeitiger betrieblich bedingter Stresssituation auch bei objektiver Würdigung und Außerachtlassung der zusätzlichen Erschwernisse für B. aufgrund von dessen Vorerkrankung, Übergewicht und mangelnder Trainiertheit kein alltägliches Geschehen im Sinne der Rechtsprechung des BSG, welches z.B. selbst für das Geschäftsessen im Falle der Nussallergie ein alltägliches Ereignis verneint hat. Die Rechtsprechung des BSG, dass ein Unfallereignis nach dem medizinischen Erkenntnisstand allgemein geeignet sein muss, eine zu beurteilende Störung hervorzurufen, beschränkt sich auf den Bereich psychischer Erkrankungen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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