L 4 R 1994/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 226/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 1994/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. November 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1953 geborene Klägerin brach die Schule mit 16 Jahren wegen der Geburt ihrer Tochter ab und arbeitete zunächst als ungelernte Näherin. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit brachte sie Etiketten an und erledigte Schreibarbeiten. Während einer weiteren Zeit der Arbeitslosigkeit im Jahr 1977 absolvierte die Klägerin eine durch das Arbeitsamt geförderte Sekretärinnen-Ausbildung, die sie als "geprüfte Sekretärin DSV" abschloss. Danach arbeitete sie kurzfristig als Sekretärin und wurde dann wieder arbeitslos. Im Sommer 1978 nahm sie im Blumengeschäft ihres zweiten Ehemannes eine Beschäftigung auf. Diese übte sie, unterbrochen durch die Geburt ihres Sohnes im Jahr 1979, bis Ende September 1983 versicherungspflichtig aus. Vom 5. Oktober 1983 bis zum 31. Juli 1991 war die Klägerin als selbständige Floristin tätig; Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden in dieser Zeit nicht entrichtet. Ab 1987 führte die Klägerin ein Blumengeschäft in B-S; im Jahr 1988 erwarb sie noch ein weiteres Blumengeschäft in G und führte auch dieses. Nachdem sie das Geschäft in B-S im Jahr 1991 an ihren geschiedenen Ehemann verkauft hatte, zog sie nach Berlin, wo sie - von einem Zeitraum zwischen dem 1. Juli und dem 13. September 1995 abgesehen - nicht mehr erwerbstätig war. Im Jahr 1997 erwarb die Klägerin ein Haus im Spreewald und zog dorthin. Im Jahr 2007 zog sie zurück nach Berlin, wo sie heute allein lebt und nicht berufstätig ist.

Bei der Klägerin ist seit September 2001 ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt.

Am 16. Mai 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab dabei an, sie halte sich seit 1990 wegen diverser Nervenzusammenbrüche, Depressionen, Diabetes, Psoriasis, grünen Stars, diverser Allergien sowie Wirbelsäulen- und Herzproblemen für erwerbsgemindert.

Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte einen Befundbericht der behandelnden Internistin Dr. K ein, der vom 11. Oktober 2001 datiert und in welchem es heißt, die Klägerin leide unter chronischer Schizophrenie (Borderline-Persönlichkeitsstörung), Diabetes mellitus Typ II mit kombinierter Therapie, chronischem Eisenmangel und Psoriasis mit Arthropathie; arbeitsunfähig sei sie seit zwei Jahren. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Internisten Dr. M und den Psychiater Dr. S mit der Erstellung von Sachverständigengutachten. Dr. M kam in seinem unter dem 9. November 2001 erstellten Gutachten aufgrund der ihm vorliegenden medizinischen Unterlagen und der Untersuchung der Klägerin am 23. Oktober 2001 zu dem Schluss, dass die Klägerin etwa seit dem 30. Lebensjahr an einer endogenen Psychose leide, wobei sich in den letzten 12 Monaten die Symptome in Form von großer Traurigkeit, Angstgefühlen und teilweise Suizidgedanken verstärkt hätten. Die Gedankengänge seien nicht geordnet und sprunghaft, die Klägerin weiche ins Nebensächliche ab. Des Weiteren sei seit einem Jahr ein Diabetes mellitus bekannt, der mittels Insulin und Tabletten eingestellt sei. Schließlich leide die Klägerin seit dem 12. Lebensjahr an einer Schuppenflechte. Befallen seien die Fingernägel, Handrücken und Arme, besonders im Ellenbogenbereich, derzeit nur gering im Handflächengebiet, deutlicher Befall sei auch an den unteren Gliedmaßen festzustellen. Im Sinne der Psoriasis-Arthropathie bestünden Bewegungsschmerzen der Handgelenke, Druckschmerzen der Ellenbogengelenke und des linken Kniegelenks sowie ein Rotationsschmerz des rechten Hüftgelenks. Das Leistungsvermögen sei auf unter drei Stunden täglich gesunken. Die Klägerin sei seit zehn Jahren ohne berufliche Tätigkeit. In Anbetracht der Chronizität der Schizophrenie sei eine Besserung des Leistungsvermögens unwahrscheinlich. Dr. S kam aufgrund des Akteninhalts und der Untersuchung der Klägerin am 29. November 2001 in seinem am 4. Dezember 2001 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die diagnostische Einordnung des Krankheitsbilds, besonders auch wegen des Fehlens objektiver Angaben einer Fremdanamnese, nur grob möglich sei. Ausgehend von der seitens der Klägerin geschilderten biographischen Entwicklung sei am ehesten von einer frühen Persönlichkeitsstörung auszugehen. Aufgrund traumatisierender pathologischer Beziehungen und Entwicklungen habe sich eine Charakterstörung herausgebildet, die am ehesten als Borderline-Störung zu bezeichnen sei, aber auch hysterische Anteile habe. Die Borderline-Störung beschreibe ein Grenzgebiet zwischen Psychose, Persönlichkeitsstörung und psychischer Gesundheit. Relevante psychotische Symptome einer Schizophrenie hätten nicht festgestellt werden können. Da die Störung chronifiziert und tiefgreifend erscheine, sei mehr als die stattfindende "symptomatische" Behandlung, die durch einen niedergelassenen Nervenarzt erfolge, aus therapeutischer Sicht wohl auch nicht mehr möglich. Das Leistungsvermögen sei in zeitlicher Hinsicht auf drei bis unter sechs Stunden gesunken; die Klägerin könne leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend im Sitzen in Tagschicht verrichten, wobei hinsichtlich der geistig/psychischen Belastbarkeit, der Sinnesorgane, des Bewegungs- und Haltungsapparats wie auch von Gefährdungs- und Belastungsfaktoren Einschränkungen zu machen seien. Die getroffenen Feststellungen hätten seit etwa zwei Jahren Gültigkeit, eine Besserung sei unwahrscheinlich. In ihrer vom 14. Februar 2002 datierenden prüfärztlichen Stellungnahme schätzte die Internistin Dr. F das Leistungsvermögen der Klägerin daraufhin als seit Antragstellung dauerhaft aufgehoben ein.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2002 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte zur Begründung aus, sie sei zwar seit Antragstellung voll erwerbsgemindert, erfülle jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht, so dass ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht gewährt werden könne.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin unter dem 17. März 2002 Widerspruch ein. Sie machte geltend, aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen bereits seit der Geburt ihres Sohnes im Jahr 1979, spätestens jedoch seit Ende 1984 nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, auf Dauer einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Nur wegen der ihr hinterlassenen Schulden habe sie sich gezwungen, weiter unternehmerisch tätig zu sein. Als Selbständige habe sie die Beschäftigung nach ihrem Befinden einteilen und regelmäßig leidensbedingt für mehrere Tage vom Geschäft fernbleiben können. In beiden Geschäften seien gelernte Floristinnen beschäftigt gewesen. Da sie selbst nicht in der Lage gewesen sei, auch nur einem der Geschäfte persönlich vorzustehen, sei sie auf diese fachliche Hilfe existenziell angewiesen gewesen. Ansonsten hätte sie die Geschäfte schließen müssen, was dann 1991 tatsächlich auch der Fall gewesen sei.

Nachdem die Prüfärztin Dr. F unter dem 4. Juni 2002 dahingehend Stellung genommen hatte, dass sichere Anhaltspunkte für eine Erwerbsminderung bereits ab 1984 nicht vorlägen, jedoch der Feststellung im Gutachten vom 4. Dezember 2001 gefolgt werden könne, dass das Leistungsvermögen seit etwa zwei Jahren, mithin seit Dezember 1999, eingeschränkt sei, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 29. Juli 2002 zurück.

Daraufhin erhob die Klägerin am 26. August 2002 Klage zum Sozialgericht Cottbus (S 14 RJ 819/02). Dieses holte einen Befundbericht der behandelnden Internistin Dr. K ein, der vom 23. November 2002 datiert. Versuche, von die Klägerin in der Vergangenheit behandelnden Ärzten Stellungnahmen oder Befundberichte zu erhalten, schlugen fehl. Im Erörterungstermin am 27. Mai 2003 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Eintritt eines Versicherungsfalls im Jahr 1984 oder auch zu einem späteren Zeitpunkt, in welchem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt gewesen seien, nicht nachweisbar erscheine und sie wegen der vorgetragenen finanziellen Schwierigkeiten nur auf einen Antrag beim Grundsicherungsamt verwiesen werden könne. Daraufhin nahm die Klägerin die Klage zurück.

Am 21. Juli 2003 beantragte die Klägerin, die wegen der Anrechnung von Vermögen Grundsicherungsleistungen nicht erhalten konnte, bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 22. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2002. Sie machte geltend, da eine Berücksichtigungszeit bis 19. Mai 1989 anerkannt worden sei, müsse der Eintritt eines Versicherungsfalls bis zum 18. Mai 1991 ausreichen. Sie genieße Berufsschutz als Sekretärin wie auch als selbständige Floristin und sei der Auffassung, dass sie seit 1981 erwerbsunfähig, mindestens aber berufsunfähig sei, denn die Beklagte habe auch eine Verweisungstätigkeit nicht benannt.

Unter dem 13. Oktober 2004 teilte die Prüfärztin Dr. F mit, auch in Kenntnis des Vortrags der Klägerin und nach nochmaliger Durchsicht der medizinischen Unterlagen ergebe sich zum Leistungsfall keine geänderte Aussage. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 25. November 2004 ab und führte zur Begründung aus, ausgehend vom 1. Dezember 1999 als Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung seien im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum zwischen dem 1. Dezember 1994 und dem 30. November 1999 lediglich drei Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung vorhanden, so dass der Rentenantrag der Klägerin zu Recht wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt worden sei.

Gegen den am 30. November 2004 abgesandten Bescheid legte die Klägerin an 3. Januar 2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 22. Februar 2005 zurückwies.

Daraufhin hat die Klägerin am 7. März 2005 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben und nochmals vorgetragen, dass sie sich spätestens seit 1984 für erwerbs-, mindestens aber für berufsunfähig halte. Im Übrigen leide sie seit Ende der 80er Jahre unter chronischer Schizophrenie bzw. einer endogenen Psychose, die zumindest seit 1983 inadäquat therapiert werde. Nach ihrem Umzug nach Berlin sei das Geschäft in G noch etwa anderthalb Jahre weiter gelaufen, bevor es dann von einer Mitarbeiterin übernommen worden sei. Seit etwa August 1991 sei sie in G nicht mehr vor Ort tätig gewesen. Die Klägerin hat folgende Unterlagen in Ablichtung zu den Akten gereicht: Eine Bescheinigung der Kurparkklinik in B O vom 18. August 2005 über die Durchführung von zwei Kurmaßnahmen dort in den Jahren 1983 und 1985, ein vom 30. August 2005 datierendes ärztliches Attest des Allgemeinmediziners Dr. S, demzufolge sie vom 1. April 1983 bis 1991/1992 bei ihm wegen der Schuppenflechte in Behandlung war, ihr Anschreiben an Dr. S vom 17. Juli 2005 und schließlich Erklärungen der ehemaligen Mitarbeiterin P H und einer Bekannten, S L, vom 30. September bzw. 13. August 2005. Die ebenfalls angeschriebene Krankenkasse hatte unter dem 9. September 2005 mitgeteilt, keine Auskünfte mehr geben zu können.

Mit Urteil vom 17. November 2005 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Leistungsfall vor dem 1. Juli 1991 habe sich nicht feststellen lassen; zu einem späteren Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Soweit der damals behandelnde Arzt Dr. S in seinem ärztlichen Attest vom 30. August 2005 nunmehr den Behandlungszeitraum April 1983 bis 1991/1992 sowie die Diagnose einer Psoriasis vulgaris bestätigt und Ausführungen dazu gemacht wurde, seien daraus keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich eines Leistungsfalls zu gewinnen, denn er habe auch bestätigt, dass die Klägerin während des Behandlungszeitraums mit Ausnahme von nicht näher bestimmbaren Arbeitsunfähigkeitszeiten tatsächlich als selbständige Floristin gearbeitet habe und permanentem Kundenkontakt unterworfen gewesen sei. Dass die Klägerin tatsächlich bis 1991 zumindest als geschäftsführende Floristin tätig gewesen sei, ergebe sich auch aus den anderen in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Erklärung von Frau P H vom 30. September 2005. Auch der Umstand, dass die Klägerin Frau H für den Zeitraum bis Februar 1993 ein detailliertes Arbeitszeugnis ausgestellt habe, lasse erkennen, dass sie in diesem Zeitraum noch (zumindest) geschäftsführend tätig gewesen sein müsse. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die tatsächliche Arbeitsleistung ein Beweismittel, dass die von medizinischen Sachverständigen angenommene Erwerbsminderung sogar widerlegen könne, so dass der tatsächlichen Ausübung einer Tätigkeit ein stärkerer Beweis zukommen könne als den medizinischen Befunden. Nach dem Vortrag und dem Ergebnis der Ermittlungen lasse sich der Eintritt eines Leistungsfalls bis Juni 1991 mit der notwendigen Sicherheit nicht feststellen. Nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Regeln der objektiven Beweislast gelte der Grundsatz, dass jeder die Tatsachen beweisen müsse, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründeten, wenn das Gericht diese Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen könne. Nichts anderes schließlich gelte für den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit. Die Behauptung der Klägerin, wonach sie ihre Tätigkeit als Sekretärin im Jahre 1978 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, sei durch nichts bewiesen. Aus den im Verfahren S 14 RJ 819/02 eingereichten Arbeitszeugnissen gehe die Beendigung dieser Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht hervor. Ärztliche Feststellungen seien für diesen Zeitraum nicht mehr zu ermitteln. Selbst wenn man aber die Aufgabe der Sektretärinnentätigkeit aus gesundheitlichen Gründen unterstellte, wäre die Klägerin ausgehend von dieser Beschäftigung zumutbar auf ihre bis 1991 tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Floristin oder geschäftsführende Floristin verweisbar, da beide Tätigkeiten der Facharbeiterebene bzw. der Gruppe der Angestellten mit einer länger als zwei Jahre dauernden Ausbildung im Sinne des Mehrstufenschemas zuzuordnen seien. Schließlich sei auch ein Leistungsfall der Berufsunfähigkeit hinsichtlich der letzten Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin und Floristin nicht feststellbar, da sie diese Tätigkeit bis zu einem Zeitpunkt ausgeübt habe, in dem bereits die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vorgelegen hätten.

Gegen das ihr am 7. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Dezember 2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, sie sei nicht bis Juli 1991 als selbständige Floristin tätig gewesen, sondern habe die eigentliche Geschäftsführung auf ihre Angestellten übertragen gehabt. Im Übrigen könne sie auch nicht auf die Tätigkeit als selbständige Floristin verwiesen werden, weil Pflichtbeiträge für ihre Tätigkeit als angestellte Floristin lediglich bis zum 30. September 1983 und dann noch freiwillige Beiträge wegen "familienhafter Mitarbeit" bis 31. Dezember 1984 entrichtet worden seien. Der bisherige Beruf werde aber nur nach Beschäftigungen oder Tätigkeiten bestimmt, für die tatsächlich Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden seien. Auf ihre selbständige Tätigkeit ab 1987 komme es daher nicht an, sondern vielmehr auf die Berufstätigkeit als Sekretärin bzw. angestellte Floristin. Für diese Angestelltenberufe sei der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit lange vor Juli 1990 eingetreten, weil ihre Ausübung schon durch die Psoriasiserkrankung allein ausgeschlossen gewesen sei und Verweisungsberufe nicht ersichtlich seien.

Aufgrund der Beweisanordnung vom 29. November 2007 hat der von der Klägerin als Sachverständiger gewählte Neurologe und Psychiater Dr. v H sie am 19. Dezember 2007 untersucht und unter dem 31. Dezember 2007 ein Gutachten erstellt, in welchem er zu dem Ergebnis kommt, dass aus psychiatrischer Sicht im Wesentlichen eine nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung bestehe. Darüber hinaus fänden sich an mitgeteilten Diagnosen eine Psoriasis, ein Glaukom und ein Diabetes mellitus. Im neurologischen Bereich habe der Diabetes mellitus zu einer distal symmetrischen Polyneuropathie geführt, die im Sinne der Fragestellung des Gutachtens jedoch irrelevant sei. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei als hinreichend für die vollschichtige Verrichtung körperlich leichter Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen einzuschätzen. Letztere begründeten sich zum einen in der Persönlichkeitsstörung, zum anderen aber auch in den Auswirkungen des Diabetes mellitus und der Schuppenflechte. Ein genaues Datum, seit wann die festgestellten qualitativen Einschränkungen bestünden, sei nicht festzumachen. Persönlichkeitsstörungen entwickelten sich langsam im früheren Erwachsenenalter und das Ausmaß der Beeinträchtigungen wechsele in der Regel in Abhängigkeit von den sozialen Belastungen, denen die betreffende Person ausgesetzt sei. Man könne davon ausgehen, dass die Persönlichkeitsstörung der Klägerin sich langsam seit dem jungen Erwachsenenalter entwickelt habe. Der jetzt zu beobachtende Zustand eines weitgehenden sozialen Rückzugs und des Abbruchs aller familiären Kontakte bestehe seit etwa ein bis zwei Jahren. Belegbare Anhaltspunkte dafür, dass eine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin bereits im Juni 1991 gegeben gewesen sei, fänden sich nicht. Dass die Leistungsminderung ganz oder teilweise behoben werden könne, sei unwahrscheinlich. Dies liege auch daran, dass eine psychiatrische Behandlung von der Klägerin nicht gewünscht werde und diesbezüglich kein wesentlicher Leidensdruck bestehe.

Die Klägerin meint, der Sachverständige habe ausschließlich die objektive Erwerbsminderung begutachtet, bei ihr bestehe aber eine subjektive Erwerbsunfähigkeit aufgrund fehlender Krankheitsverarbeitung und -bewältigung. Der Gutachter habe sie nicht für fähig gehalten, die Fehlhaltung, dass heißt die subjektive Leistungsunfähigkeit, bei zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden und zudem eine ärztliche Behandlung für keinen Erfolg versprechend gehalten, weil eine Chronifizierung eingetreten sei. Er habe im Übrigen auch von ihr beschriebene wesentliche Symptome unvollständig wiedergegeben bzw. falsch gewertet. Sie halte eine weitere Begutachtung deshalb für erforderlich.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 22. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2002 zu verpflichten, ihr ab dem 1. Mai 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat gegen das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten keine Einwände.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten () verwiesen, der Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt hatten (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist zwar statthaft (§ 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Cottbus hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat die Beklagte es im Ergebnis des Überprüfungsverfahrens abgelehnt, den die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung versagenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung einer solchen Rente.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind - wie bereits das Sozialgericht Cottbus zutreffend ausgeführt hat - nicht gegeben, denn bei der Ablehnung des Rentenantrags der Klägerin ist die Beklagte weder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht falsch angewandt.

Die rechtlichen Voraussetzungen der in §§ 43 und 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelten Ansprüche sind in dem angefochtenen Urteil zutreffend wiedergegeben; hierauf nimmt der Senat entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Ob die Klägerin derzeit voll oder teilweise erwerbsgemindert ist oder die Voraussetzungen für eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliegen, kann letztlich dahinstehen. Es spricht einiges dafür, dass die Leistungseinschätzung, zu welcher der Sachverständige Dr. v H gekommen ist, noch einmal hinterfragt werden müsste, wenn es darauf ankäme. Dessen bedarf es jedoch nicht, weil die Klägerin, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, die so genannten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt. Ist oder wäre nämlich die Erwerbsminderung erst im Zeitpunkt der Rentenantragstellung oder nur wenige Jahre früher eingetreten, so hätte sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine (mehr als) drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese Voraussetzung wäre, wie sich aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin ergibt, letztmalig am 30. Juni 1991 erfüllt gewesen.

Dass die Klägerin, wie sie meint, bereits im Juni 1991 und seitdem dauerhaft erwerbsgemindert gewesen wäre, hat sich nicht beweisen lassen. Die im Laufe des Verfahrens als Sachverständige tätig gewordenen Mediziner haben nicht bestätigen können, dass rentenrechtlich relevante Einschränkungen des Leistungsvermögens seit so langer Zeit bestehen. Der im Berufungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. v H hat sogar ausdrücklich festgestellt, belegbare Anhaltspunkte dafür, dass eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin bereits im Juni 1991 gegeben gewesen wäre, fänden sich nicht. Die Versuche, die sowohl die Klägerin als auch das Sozialgericht Cottbus unternommen haben, um zu ermitteln, wie sich der Gesundheitszustand der Klägerin im Juni 1991 dargestellt hat, sind zahlreich, aber letztlich erfolglos geblieben. Die Erklärung von Dr. S als damals behandelndem Arzt ist geeignet zu beweisen, dass die Klägerin unter einer ausgeprägten Schuppenflechte litt, deren Behandlung sich schwierig gestaltete. Als Leistungseinschränkung erwähnt er "massive Beeinträchtigung im Sozialkontakt" infolge der zahlreichen eruptiven Psoriasis-Herde am ganzen Körper, besonders aber im Bereich beider Hände und im Gesicht. Dass der Klägerin infolge dessen kein Kundenkontakt mehr möglich gewesen sei, ergibt sich aus dem Attest indessen nicht. Vielmehr heißt es dort, es seien damals "schwierige Zeiten" gewesen, in denen die Klägerin als selbständige Floristin permanenten Kundenkontakten unterworfen gewesen sei. Soweit der Arzt seine Ausführungen mit der Bemerkung beendet, die Klägerin sei sicherlich zu 100% erwerbsunfähig, zeigt dies zum einen, dass er sich der Bedeutung des verwendeten Begriffs nicht bewusst ist, zum anderen aber auch, dass er davon ausgeht, eine Aussage dazu zu machen, wie der Zustand der Klägerin, die er seit über fünfzehn Jahren nicht gesehen hat, jetzt sein müsste. Nach alledem ist der Nachweis, dass die bei der Klägerin unstreitig vorliegenden Erkrankungen im Juni 1991 Leistungseinschränkungen zur Folge hatten, die eine Erwerbsminderung begründen könnten, durch das Attest von Dr. S nicht

erbracht. Auch die übrigen Erklärungen und Bescheinigungen sind dazu nicht geeignet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass und gegebenenfalls welche Ermittlungen hier noch zielführend sein könnten. Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden.

Auch im sozialgerichtlichen Verfahren treffen die Folgen der Nichterweislichkeit von Tatsachen grundsätzlich denjenigen, der mit ihnen einen geltend gemachten Anspruch begründen möchte (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, Az.: B 5 RJ 48/03 R, zitiert nach juris, m.w.N., sowie die bereits vom Sozialgericht Cottbus zitierte Rechtsprechung und Literatur), hier also die Klägerin.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage im § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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