L 10 AL 127/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 450/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 127/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.12.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) wegen verspäteter Meldung streitig.

Der 1978 geborene Kläger beantragte am 25.08.2003 Alg und versicherte dabei unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Am 15.03.2004 meldete er der Beklagten die Aufnahme einer Tätigkeit als Fischschlachter bei der Firma B ...

Am 16.03.2006 meldete sich der Kläger wiederum arbeitslos. Aus der Arbeitsbescheinigung der Firma B. vom 28.03.2006 ist ersichtlich, dass der Kläger dort als Metzgerhelfer im Zeitraum vom 15.03.2004 bis 15.03.2006 beschäftigt war. Das Arbeitsverhältnis sei bei Abschluss des Arbeitsvertrages bis zum 15.03.2006 befristet gewesen. Der befristete Arbeitsvertrag sei am 16.03.2004 geschlossen worden. Mit Bewilligungsbescheid vom 06.04.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 16.03.2006 und teilte ihm mit Erläuterungsschreiben vom 06.04.2006 mit, dass sich sein Anspruch auf Leistungen um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage) nach § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mindere. Es errechne sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.050,00 EUR. Der Kläger sei seiner Pflicht nach § 37b SGB III nicht rechtzeitig nachgekommen. Den hiergegen vom Kläger am 18.04.2005 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2006 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 16.08.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 14 iVm § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sei ohne Angabe weiterer sachlicher Gründe eine Befristung für höchstens zwei Jahre möglich. Daher habe sein damaliger Arbeitgeber nur eine Befristung bis einschließlich 14.03.2006 vereinbaren können. Aus diesem Grunde sei am 29.05.2006 Klage zum Arbeitsgericht N. erhoben worden. § 37b Satz 3 SGB III regele nur den Fall, dass der Arbeitnehmer gerichtlich den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellen lassen wolle. Da die Befristungshöchstdauer von zwei Jahren überschritten worden sei, sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sei § 37b Satz 2 SGB III nicht zu beachten; vielmehr komme es auf § 37b Satz 1 SGB III an. Seiner Pflicht, unverzüglich, also innerhalb der 7-Tages-Frist, das Ende seiner Tätigkeit bei der Beklagten anzuzeigen, sei er nachgekommen.

Mit Urteil vom 13.12.2006 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg nach den §§ 37b, 140 SGB III hätten entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorgelegen. Der Kläger sei weder durch den Arbeitgeber noch von anderer Seite über das Erfordernis einer frühzeitigen Meldung informiert worden. Ein Kennenmüssen könne auch nicht aus einer vorangehenden Arbeitslosigkeit hergeleitet werden (BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11 AL 81/04 R). In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger glaubhaft aufgezeigt, dass er einen Aufhebungsbescheid vom 17.03.2004 mit einer entsprechenden Belehrung nach § 37b SGB III nicht erhalten habe. Im Übrigen sei insoweit festzuhalten, dass ein Aufhebungsbescheid in den Verwaltungsakten nicht vermerkt sei. Im vorgelegten Arbeitsvertrag vom 16.02.2005 sei der Kläger hinsichtlich eines befristeten Arbeitsvertrages indes fehlerhaft belehrt worden. Die Belehrung in § 9 des Arbeitsvertrages habe nur eine Entlassung, Eigenkündigung, einen Auflösungsvertrag und eine Beendigungsmitteilung erfasst. Mit dieser konkreten Belehrung im Arbeitsvertrag sei auch eine möglicherweise zugegangene abstrakte Belehrung durch einen Aufhebungsbescheid verdrängt worden. Nach den eigenen glaubhaften Angaben des Klägers im Verhandlungstermin sei er vom Arbeitgeber erst kurz vor dem Ende der Befristung entgegen bisherigem Vorbringen des Arbeitgebers darauf hingewiesen worden, dass der Arbeitsvertrag nicht verlängert werde.

Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 12.04.2007 eingegangene Berufung der Beklagten. Dass der Kläger dem SG mitgeteilt habe, den Aufhebungsbescheid vom 17.03.2004 mit einer entsprechenden Belehrung nach § 37b SGB III nicht erhalten zu haben, widerspreche der Erklärung seines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, wonach er den Aufhebungsbescheid vom 17.03.2004 mit einer entsprechenden Belehrung nach § 37b SGB III erhalten habe. Die Akte weise unter Blatt 51 aus, dass dem Kläger am 17.03.2004 ein Aufhebungsbescheid wegen Arbeitsaufnahme zugesandt worden sei. Der Kläger habe bei seiner vorherigen Arbeitslosmeldung am 25.08.2003 das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen (vgl. unterschriftliche Erklärung vom 06.10.2003). Unter Punkt 1.7 - Seite 16 - weise das Merkblatt darauf hin, dass ab 01.07.2003 eine Verpflichtung zur frühzeitigen Arbeitsuche auch bei befristeten Beschäftigungen drei Monate vor dessen Beendigung bestehe.

Auch § 9 des Arbeitsvertrages habe den Kläger darauf hingewiesen, dass zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Alg eine unverzügliche Arbeitsuchendmeldung vorzunehmen sei. Bei näherer Überlegung hätte der Kläger subsumieren können, dass auch im Falle einer befristeten Beschäftigung eine unverzügliche Meldepflicht bestanden habe. Sofern hierbei Zweifel aufgekommen wären, hätte der Kläger sich bei der Beklagten über seine Meldepflicht konkret informieren können.

Auch könne der gegnerischen Argumentation nicht gefolgt werden, dass aufgrund der mehr als zweijährigen Befristung ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen sei. Gerade weil der Kläger gegen die vereinbarte Befristung bis 15.03.2006 nicht fristgerecht Klage beim Arbeitsgericht erhoben habe, habe das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Frist am 15.03.2006 geendet.

Der Kläger sei offensichtlich selbst davon ausgegangen, dass sein Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des 15.03.2006 geendet habe, weil er klaglos den Ablauf der Befristung gegenüber dem Arbeitgeber hingenommen habe, nicht mehr zur Arbeit erschienen sei bzw. seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber nicht weiterhin angeboten habe und sich am 16.03.2006 persönlich arbeitslos gemeldet habe. Da die Pflicht zur persönlichen Meldung nach § 37b SGB III unabhängig davon bestehe, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt werde, sei das Urteil des Landesarbeitsgerichts für das vorliegende Berufungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Der Kläger habe nicht davon ausgehen können, dass er mit dem Arbeitsvertrag vom 16.02.2005 ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis eingegangen sei und hätte daher zu dem Schluss kommen können und müssen, dass ihn eine Obliegenheit zur Meldung bereits am 16.12.2005 treffe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Arbeitgeber ihm keine verbindliche Zusage erteilt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.12.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.

Bis zum letzten Tag seines Arbeitsverhältnisses habe er davon ausgehen müssen, dass das zunächst befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis münde. Herr B. habe ihm bei einer Besprechung persönlich mitgeteilt, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche. Auch in der Folgezeit sei er in dem Glauben gelassen worden, dass er weiter beschäftigt werde. Ihn treffe keinerlei Verschulden wegen einer vermeintlichen verspäteten Meldung. Aus der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gehe hervor, dass bereits am 16.02.2005 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und ihm begründet worden sei. Der Arbeitsvertrag habe keine Pflicht zu einer vorzeitigen Meldung begründet. § 9 des Arbeitsvertrages erfasse nur eine Entlassung, Eigenkündigung, einen Auflösungsvertrag oder eine Beendigungsmitteilung. Diese habe er nicht erhalten. Unstreitig habe er am 15.03.2006 Arbeitsleistungen erbracht, so dass ab diesem Tag von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen sei. Auch aus der Tatsache, dass die Beklagte selbst nicht die Rechtslage erkannt habe, könne nicht geschlossen werden, dass er die Rechtslage hätte erkennen müssen. Angesichts seiner Berufsausbildung sei dies von ihm nicht zu erwarten gewesen, zumal die Beklagte mit ihrem fundierten juristischen background dazu auch nicht in der Lage gewesen sei.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten, des SG, des Finanzamts F. und des Arbeitsgerichts N. beigezogen. In der nichtöffentlichen Sitzung des Gerichts vom 23.07.2007 hat das Gericht den Kläger befragt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Berichterstatterin anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 155 Absätze 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 124 Abs 2 SGG erteilt. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 aufgehoben. Denn der Bescheid vom 06.04.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bewilligungsbescheid vom 06.04.2006 iVm dem Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 06.04.2006, die eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides über die Bewilligung des Alg und damit auch über die Höhe des Alg-Anspruchs darstellen (Bundessozial- gericht -BSG-, Urteile vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R, B 11a/11 AL 47/04 R und vom 18.08.2005 B 7a AL 4/05 R und B 7a/7 AL 94/04 R). Die Einheit ergibt sich hier bereits daraus, dass zum einen das Schreiben vom 06.04.2006 ergänzend auf den späteren, gesondert zugehenden Bewilligungsbescheid Bezug nimmt, zum anderen daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 06.04.2006 seinerseits hinsichtlich der Minderung selbst wieder auf das Schreiben vom 06.04.2006 verweist (s. BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05R -).

Bei einem Rechtsstreit über die Minderung des Alg handelt es sich zwar um einen sogenannten Höhenstreit, bei dem nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sind (BSG, Urteile vom 25.05.2005, aaO). Dieser Überprüfung und der des bei der Alg-Bewilligung zugrunde gelegten Bemessungsentgelts bedarf es aber dann nicht, wenn der Kläger seine Klage ausdrücklich auf die Anfechtung der Minderung selbst beschränkt (BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R). Dieses folgt - wie das BSG im Urteil vom 18.08.2005 (aaO) zutreffend dargelegt hat - aus dem Charakter des Bewilligungsbescheides. Dieser besteht insgesamt aus zwei Teilen, nämlich der Verfügung über die Höhe des ungeminderten Alg und derjenigen über den Minderungsbetrag. Diese Trennung erlaubt es, entgegen der bei Klagen auf höhere Leistung üblicherweise vorzunehmenden vollen Überprüfung aller die Leistungshöhe und auch den Leistungsgrund bestimmenden Faktoren einen beschränkten Streitgegenstand des Verfahrens anzunehmen, wenn der Kläger eine solche Beschränkung will (BSG, Urteil vom 18.08.2005, Az: B 7a/7 AL 80/04 R). Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit seinem Klagebegehren ausdrücklich klargestellt, dass er die Klage auf die Beseitigung der Minderung des Alg beschränkt.

Die Beklagte hat zu Recht eine Minderung des Leistungsanspruchs des Klägers gemäß §§ 140 in der Fassung vom 23.12.2003 (gültig vom 01.01.2005 bis 30.12.2005) iVm 37b Satz 2 SGB III in der Fassung vom 23.12.2003 (gültig vom 01.01.2004 bis 30.12.2005) angenommen, denn der Kläger hat sich nicht spätestens drei Monate vor Beendigung des letzten befristeten Arbeitsverhältnisses, d.h. nicht spätestens am 15.12.2005, bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet.

Nach § 37b SGB III (aaO) sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, Satz 1. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen, Satz 2. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird, Satz 3.

Hierbei handelt es sich um eine typische versicherungsrechtliche Obliegenheit (BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R). Zu deren Konkretisierung ist auf die Legaldefinition des § 121 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- ("ohne schuldhaftes Zögern") zurückzugreifen (BSG aaO). Im Rahmen des Kriteriums "ohne schuldhaftes Zögern" ist zu prüfen, ob der Leistungsempfänger zumindest fahrlässig in Unkenntnis war (BSG aaO), wobei - wie in anderen Bereichen des Sozialrechts auch - anders als nach dem BSG ein subjektiver Maßstab anzuwenden ist (BSG aaO). Zu prüfen ist, ob der Leistungsempfänger nach seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war. Dabei ist insbesondere zu beachten, von welchem Zeitpunkt an der Arbeitslose von der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses iSd § 37b SGB III ausgehen musste (BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R -).

Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 37b Satz 2 SGB III ist die Norm bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten so auszulegen, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat (s. BSG, Urteil vom 20.10.2005, Az: B 7a AL 50/05 R; s. auch Brand in Niesel, SGB III, 4.Aufl, § 37b Rdnr 15).

Zu Unrecht wendet der Kläger gegen die Anwendbarkeit des § 37b Satz 2 SGB III (aaO) ein, der am 16.02.2005 geschlossene Arbeitsvertrag sei nicht wirksam befristet, vielmehr sei von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen, weshalb § 37b Satz 1 SGB III (aaO) anwendbar sei; er habe sich am 16.03.2006 unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet. Zwar ist dem Kläger insoweit zuzugeben, dass - worauf das Landesarbeitsgericht N. in seinem Urteil vom 26.07.2007 zutreffend hinweist - der am 16.02.2005 geschlossene Arbeitsvertrag nicht wirksam befristet war. Gemäß § 14 Abs 2 Satz 1 TzBfG ist eine kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Da mit Vertrag vom 16.03.2004 bereits ein erster befristeter Arbeitsvertrag ab 15.03.2004 "für ein Jahr" begründet worden ist, hätte der zweite befristete Arbeitsvertrag mit Ablauf des 14.03.2006 enden müssen, um die Vorgabe des § 14 Abs 2 TzBfG einzuhalten. Eine wirksame Befristung liegt nicht vor, denn die zeitliche Grenze des § 14 Abs 2 Satz 1 TzBfG ist bei einem Befristungsende vom 15.03.2006 überschritten worden. Der Arbeitgeber des Klägers hatte keinen Sachgrund gemäß § 14 TzBfG für eine wirksame Befristung zum 15.03.2006.

Entgegen dem Wortlaut des § 37b Satz 2 SGB III (aaO) ist jedoch nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich (Winkler in Gagel, SGB III Arbeitsförderung, § 37b Rdnr 8). Nur die Anknüpfung an das Ende des Beschäftigungsverhältnisses sichert nämlich den Gesetzeszweck, durch frühzeitige Vermittlung Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grüne zu § 140 SGB III (vgl. BT-Drs 15/25 S 31) stellt die genannte Vorschrift einen pauschalen Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft dar. Geregelt werden sollten hiermit die leistungsrechtlichen Konsequenzen für Bezieher von Alg, die ihre Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung beim Arbeitsamt verletzt haben. Denn Arbeitnehmer, die das Arbeitsamt nicht rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie der beruflichen Wiedereingliederung bedürfen, erhöhen das Risiko der Arbeitslosenversicherung, verzögern die Einleitung von Vermittlungsbemühungen und nehmen dem Arbeitsamt insoweit die Möglichkeit, den Eintritt des Schadensfalles zu vermeiden bzw. den Umfang des Versicherungsschadens zu reduzieren. Auch in der Gesetzesbegründung zu § 37b SGB III (BT-Drs 15/25 S 27) wird das Ziel betont, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen.

Arbeitslosigkeit ist aber nicht abhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts, wie § 143 Abs 1 SGB III zeigt, sie tritt bereits mit dem Ende der tatsächlichen Beschäftigung ein. Wird der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeit freigestellt, endet das Beschäftigungsverhältnis (BSG, Urteil vom 26.04.2002 - B 11 AL 67/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 8) und die Meldepflicht tritt ein, selbst wenn das Arbeitsverhältnis noch mehr als drei Monate fortbestehen sollte.

Die Auslegung, dass für § 37b Satz 2 SGB III (aaO) die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich ist, ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 37b Satz 3 SGB III, wonach die Pflicht zur Meldung unabhängig davon besteht, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses kommt es somit auch bei einem befristeten Arbeitsvertrag nach § 37b Satz 3 SGB III gerade nicht an.

Der Kläger hat sich hier nicht "unverzüglich", d.h. ohne schuldhaftes Zögern, spätestens drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet, sondern die Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung zumindest fahrlässig verletzt. Obwohl ihm das Ende der Befristung des Arbeitsvertrags am 15.03.2006 bekannt war, hat er sich dennoch nicht spätestens drei Monate zuvor, d.h. spätestens am 15.12.2005, bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet.

Die fahrlässige Verletzung der Obliegenheit ergibt sich schon daraus, dass er den Bescheid vom 17.03.2004, mit dem die Entscheidung über die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 15.03.2004 aufgehoben worden ist, erhalten hat und er durch die eindeutigen Erläuterungen im Aufhebungsbescheid über seine Obliegenheit hinreichend aufgeklärt worden ist. Dass der Kläger den Aufhebungsbescheid vom 15.03.2004 erhalten hat, wird durch die vom Gericht beigezogene Einkommensteuerakte des Finanzamtes F. belegt und durch den Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung des SG vom 13.12.2006 eingeräumt. Der Aufhebungsbescheid enthielt folgende Belehrung: "Ab dem 01.03.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z.B. bei einem befristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden. Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres künftigen Leistungsanspruches führen kann."

Somit ist der Kläger aufgrund der eindeutigen Erläuterungen im Aufhebungsbescheid, wonach er sich im befristeten Arbeitsverhältnis drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden muss, von der Beklagten hinreichend über seine Obliegenheit aufgeklärt worden.

Darüber hinaus hatte der Kläger bei Arbeitslosmeldung am 25.08.2003 das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen, wie er am 06.10.2003 unterschriftlich bestätigte. Unter Punkt 1.7 auf Seite 16 des Merkblattes für Arbeitslose wurde der Kläger nämlich darauf hingewiesen, dass er ab dem 01.07.2003 verpflichtet sei, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald er den Zeitpunkt der Beendigung seines Versicherungspflichtverhältnisses kenne. Stehe er in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müsse er sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden.

Aus den dargelegten Gründen hat der Kläger die Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung zumindest fahrlässig verletzt. Daher kommt es weder darauf an, ob im Arbeitsvertrag eine Pflicht zur Meldung begründet worden ist, noch, ob der Kläger durch den Arbeitsvertrag über seine Obliegenheit hinreichend aufgeklärt worden ist. Der Einwand des Klägers, § 9 des Arbeitsvertrages erfasse nur eine Entlassung, Eigenkündigung, einen Auflösungsvertrag oder eine Beendigungsmitteilung, ist daher ohne rechtliche Relevanz. Im Übrigen verdrängt die Belehrung in § 9 des Arbeitsvertrags - entgegen der Auffassung des SG - nicht die eindeutige Belehrung, die im Aufhebungsbescheid vom 17.03.2004 enthalten ist. Überdies war es aufgrund der Belehrung in § 9 des Arbeitsvertrages nahe gelegen, dass auch im Falle eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses eine unverzügliche Meldepflicht bestand. Bei Zweifeln hierüber, insbesondere über den Zeitpunkt der Meldepflicht, hätte sich der Kläger bei der Beklagten entsprechend informieren können und müssen.

Der Vorwurf der Fahrlässigkeit kann auch nicht mit der Behauptung des Klägers widerlegt werden, sein damaliger Arbeitgeber habe ihn bis zum 15.03.2006 in dem Glauben gelassen, dass das Arbeitsverhältnis verlängert werde. Herr B. habe ihm bei einer Besprechung persönlich mitgeteilt, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche. Auch in der Folgezeit sei er in dem Glauben gelassen worden, dass er weiterbeschäftigt werde.

Der Kläger hätte nämlich damit rechnen müssen, dass die Befristung tatsächlich greift und sämtliche ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen müssen, damit Beschäftigungslosigkeit nicht eintritt bzw. die Dauer der Beschäftigungslosigkeit möglichst gering wird. Insoweit hat das BSG mit Urteil vom 18.08.2005 (Az: B 7a/7 AL 80/04 R) ausgeführt: " ... Für die Feststellung des Fahrlässigkeitsvorwurfes hinsichtlich der Obliegenheitsverletzung gemäß § 37b SGB III dürfte es hingegen keine Rolle spielen, dass der Kläger ab Februar 2004 fest mit einer Wiedereinstellung bei seinem bisherigen Arbeitgeber rechnen konnte". In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG kann es im vorliegenden Fall - erst recht - nicht erheblich sein, wenn eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses (hier über den 15.03.2005 hinaus) durch den Arbeitgeber lediglich unverbindlich in Aussicht gestellt worden sein soll. Eine Erörterung, ob die Obliegenheit aufgrund einer verbindlichen Wiedereinstellungszusage für den Anschlusszeitraum nach Beendigung des befristeten Beschäftigungsverhältnisses entfallen ist, erübrigt sich daher.

Entgegen der Auffassung des Klägers bestand somit seine Verpflichtung zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung spätestens am 15.12.2005, also drei Monate vor Ende seines befristeten Arbeitsverhältnisses am 15.03.2006, und nicht erst am 16.03.2006.

Die Meldung erfolgte nach alledem um mehr als 30 Tage zu spät. Hierbei handelt es sich um die Kalendertage nach dem Tag, an dem die unverzügliche Meldung hätte erfolgen müssen, bis zum Tag vor dem Tag, an dem die Meldung tatsächlich erfolgte.

Der Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.050,00 EUR ist gemäß § 140 SGB III (aaO) nicht zu beanstanden. Zwar wurde mit dem 5. Änderungsgesetz zum SGB III die Minderung des Arbeitslosengeldes bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung durch eine Sperrzeit ersetzt. Das Alg wird jedoch weiterhin gemindert, wenn sich die Meldepflicht nach alter Rechtslage richtet. Dies ist der Fall bei befristeten Arbeitsverhältnissen, wenn diese vor dem 01.01.2006 vereinbart wurden und vor dem 01.04.2006 - wie im vorliegenden Fall - geendet haben.

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich das Alg, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist, § 140 Satz 1 SGB III (aaO). Die Minderung beträgt 1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 60,00 EUR 7,00 EUR, 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 100,00 EUR 35,00 EUR und 3. bei einem Bemessungsentgelt über 100,00 EUR 50,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, Satz 2. Die Minderung ist auf den Tag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet, Satz 3. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Alg angerechnet wird, Satz 4.

Dem Kläger wurde eine Entgeltersatzleistung nach einem Bemessungsentgelt von täglich 76,92 EUR bewilligt. Die Minderung beträgt damit für jeden Verspätungstag 35,00 EUR. Es errechnet sich bei der Zahl der genannten Verspätungstage ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.050,00 EUR.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 13.12.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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