L 8 AL 363/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 190/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 363/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. September 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zusteht.

Am 16.03.2005 beantragte der Kläger unter Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle die Gewährung von Überbrückungsgeld. Er werde ab sofort bzw. bald möglichst eine selbständige Tätigkeit als Dienstleister für Ärzte in A. aufnehmen. Als Ziel des Unternehmens gab er die Optimierung der Leistungs- und Kostenstrukturen von Krankenversicherern zum Zwecke der langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Kundenbindung an. Der Kläger war bereits in der Zeit vom 01.01.2003 bis 29.02.2004 selbständig in der Unternehmensberatung tätig, die entsprechende Existenzgründung war mit Überbrückungsgeld gefördert worden.

Mit Bescheid vom 18.03.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Förderung sei ausgeschlossen, da der Kläger bereits in dem Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.06.2003 Überbrückungsgeld bezogen habe und nach Beendigung der Förderung noch nicht 24 Monate vergangen seien.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe zwar den im Gesetz genannten 24-Monatszeitraum noch nicht erfüllt. Es fehlten aber lediglich vier Monate. Er habe gebeten zu erfahren, ob die Überschätzung der persönlichen Überzeugungskraft bezüglich der ehemaligen Unternehmensberatung als Grund in der Person anerkannt und deshalb von der 24-Monatsfrist abgesehen werden könne. Dies sei verneint worden. Die Härtefallregelung in der vorliegenden Fassung verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Agentur für Arbeit sei ihrer Verpflichtung zur Aufklärung und Beratung nicht in genügender Weise nachgekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger habe im Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2003 bereits Überbrückungsgeld erhalten. Die entsprechende Tätigkeit sei aus betriebsbedingten Gründen (wegen der Aufträge) wieder aufgegeben worden. Seit der Beendigung der Förderung (30.06.2003) seien noch nicht 24 Monate vergangen. Ein Absehen von dieser Frist sei auch nicht möglich, da keine besonderen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe vorlägen. Eine Beratung sei erfolgt. Der Kläger habe wiederholt in persönlichem Kontakt mit der Agentur für Arbeit A. gestanden. Ziel einer Beratung könne keinesfalls sein, dem Arbeitnehmer die zielgerichtete Herbeiführung persönlicher Gründe zu ermöglichen.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und im Wesentlichen die Gründe seines Widerspruchs wiederholt.

Mit Urteil vom 27.09.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Wartefrist sei noch nicht erfüllt gewesen. Besondere Gründe in der Person des Selbständigen für ein Abweichen von dieser Frist seien nicht ersichtlich. Auch liege die Entscheidung hierüber im Ermessen der Beklagten; eine Ermessensreduzierung auf Null läge nicht vor. Der allgemeine Gleichheitssatz werde durch die gesetzliche Härtefallregelung nicht verletzt. Eine Pflichtverletzung, die einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen könnte, sei nicht gegeben.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht - LSG - eingelegt und insbesondere nochmals dargelegt, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben sei. Auch sei die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Aufklärung und Beratung nicht in genügender Weise nachgekommen. Der organisationsinterne Informationsprozess sei seinem persönlich vorgebrachten konkreten Anliegen (Leistungsantragsprozess) zeitlich vorgelagert gewesen und habe in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit seinem persönlich vorgebrachten konkreten Anliegen gestanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.09.2006 sowie den Bescheid vom 18.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 25.02.2005 sechs Monate Überbrückungsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Förderung sei ausgeschlossen, weil nach der Beendigung einer vorherigen Förderung zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit noch nicht 24 Monate vergangen seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, insbesondere auf die zahlreichen Vermerke über Beratungen des Klägers (vom 07.04.2004, 22.07.2004, 04.08.2004, 06.12.2004, 13.12.2004, 11.02.2005, 16.02.2005, 17.02.2005, 22.02.2005, 25.02.2005, 28.02.2005 und 17.03.2005) und der Akten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung (§ 144 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs.1, 87 Abs.1 Satz 2 SGG). Die Berufung hat keinen Erfolg, da das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Denn die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, da die Voraussetzungen für eine Bewilligung des begehrten Überbrückungsgeldes zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht vorlagen.

Streitgegenstand sind die Ablehnungsbescheide vom 18.03.2005 und 24.03.2005 (Widerspruchsbescheid) sowie das Begehren des Klägers auf Bewilligung von Überbrückungsgeld ab 25.02.2005. Statthaft ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, da bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auf den Anspruch nach § 57 Abs.1 SGB III ein Rechtsanspruch besteht.

Die Voraussetzungen der einschlägigen Rechtsgrundlage des § 57 Abs.1 SGB III in der hier anwendbaren, ab 01.01.2004 geltenden Fassung sind nicht erfüllt.

Die Anwendung einer früheren Fassung des § 57 SGB III war nicht möglich. Diese Überlegung könnte deshalb eine Rolle spielen, weil die bis zum 31.12.2003 geltenden Fassungen der genannten Vorschrift die Wartefrist von 24 Monaten noch nicht enthielten (und allerdings auch keinen Rechtsanspruch auf Überbrückungsgeld vorsahen). Maßgeblich ist hier jedoch die Rechtslage zum 16.03.2005, dem Zeitpunkt der Antragstellung (so stillschweigend auch Urteile des BSG vom 01.06.2006, B 7a AL 34/05 R; vom 21.03.2007, B 11a AL 11/06 R). Eine spezielle Übergangsvorschrift für den § 57 Abs. 4 gibt es nicht (vgl. insbesondere § 434j SGB III). Die Geltung des § 57 SGB III richtet sich mithin nach den allgemeinen Grundsätzen. Die hier fragliche Änderung dieser Vorschrift erfolgte durch Art. 1 Nr. 45 des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl. 2848; "Hartz III"). Artikel 124 dieses Gesetzes enthält zum Inkrafttreten des § 57 SGB III keine Besonderheiten. Damit bleibt es bei dem Grundsatz der Geltung des § 57 SGB III in der Fassung zum Zeitpunkt der Antragstellung, so dass die mit Wirkung ab 01.01.2005 in Kraft getretene Vorschrift, die ebenso schon wie die ab 01.01.2004 geltende Fassung die 24-monatige Wartefrist sowie einen Rechtsanspruch auf Überbrückungsgeld vorsieht, anzuwenden ist. Das Rechtsstaatsangebot (Art. 20 Grundgesetz) und daraus etwa abzuleitende des Vertrauensschutzes verlangen auch keine Übergangsregelung. Zwar liegt eine unechte Rückwirkung für Antragstellungen bis zum 01.01.2006, sofern die erste Förderung in Zeiträume nach dem 01.01.2004 hineinreicht. Einen derartigen Eingriff in die Erwartungshaltung von Leistungsbeziehern nach § 57 SGB III alter Fassung ist aber zulässig, da die Möglichkeit einer zweiten Förderung weder früher durch den Gesetzgeber noch vorliegend im konkreten Sozialversicherungsverhältnis zugesagt gewesen war. Zudem hat der Gesetzgeber in der Neufassung von § 57 Abs. 4 SGB III mittels Einfügung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "in der Person des Antragstellers liegende Gründe" ein Korrektiv für die Einzelfallgerechtigkeit hinsichtlich des starren Tatbestanderfordernisses einer Wartezeit von 24 Monaten geschaffen. Damit hat er auch für die geschilderten Übergangsfälle die Option einer zeitlich früheren, d.h. vor Ablauf von 24 Monaten zu gewährenden zweiten Förderung offen gelassen.

Nach § 57 Abs.1 SGB III dieser Fassung haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. Nach § 57 Abs. 4 SGB III ist die Förderung ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach dem SGB III noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

Nach Beendigung der letzten Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach dem SGB III waren am 16.03.2005 noch nicht 24 Monate vergangen. Die letzte Förderung endete am 30.06.2003, der neue Antrag wurde am 16.03.2005 gestellt. Die Wartefrist war daher - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - eindeutig noch nicht abgelaufen.

Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 57 Abs.4 HS. 2 SGB III waren nicht erfüllt. Denn ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund war nicht gegeben.

Was unter "in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen" zu verstehen ist, erschließt sich vom Zweck des § 57 Abs. 4 SGB III her. Mit dieser Vorschrift soll eine Mehrfachförderung ausgeschlossen werden, die bis 31.12.2003 denkbar war. So kam eine Mehrfachförderung beispielsweise in Betracht, wenn die erneute Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit aus Arbeitslosigkeit auf der Grundlage eines neuen Geschäftskonzepts erfolgen sollte (Bundestags-Drucksache 15/1515, S.81). Durch die ab 01.01.2004 in § 57 Abs.4 SGB III normierte Wartezeit soll die Beklagte in die Lage versetzt werden, einen erneuten Antrag auf Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ohne weitere Begründung abzulehnen. Die Vorschrift kann daher im Sinne einer Mitwirkungsobliegenheit als Korrektiv zu der zum 01.01.2004 erfolgten Ausgestaltung des Überbrückungsgeldes als Pflichtleistung verstanden werden (Link in: Eicher/Schlegel, § 57 Rdnr.70). Die Beklagte soll - entgegen der Grundnormierung in § 57 Abs.1 und Abs.2 SGB III - nicht verpflichtet sein, Existenzgründer fördern zu müssen, die in der Vergangenheit bereits mit ihrer Selbständigkeit gescheitert waren und somit gezeigt haben, dass sie ihre Arbeitslosigkeit durch die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht auf Dauer haben beenden oder vermeiden können. Dies ergibt sich ferner aus der Gesetzesbegründung zu § 57 Abs. 4 SGB III, wonach in Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Folgen einer zuvor nicht erfolgreichen Gründung und der zweiten Chance für den Selbständigen die Beklagte nur dann zur erneuten Förderung verpflichtet sein soll, wenn ein gewisser Zeitraum seit der letzten geförderten Erwerbstätigkeit verstrichen ist (Bundestags-Drucksache 15/1515, a.a.O.). Eine Frist von 24 Monaten wird als angemessen betrachtet, damit der Arbeitslose die wirtschaftlichen und sonstigen Voraussetzungen für eine erneute Unternehmung klären kann.

Wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt, soll also durch die mit Wirkung vom 01.01.2004 erfolgte Einführung des § 57 Abs. 4 SGB III nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine Mehrfachförderung ausgeschlossen werden, die bis dahin denkbar war. Durch die nunmehr normierte Wartezeit soll die Beklagte in die Lage versetzt werden, einen erneuten Antrag auf Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ohne weitere Begründung abzulehnen. Die Beklagte soll - entgegen der Grundregel in § 57 Abs. 1 und 2 SGB III - nicht verpflichtet sein, Existenzgründer fördern zu müssen, die - wie der Kläger - in der Vergangenheit bereits mit ihrer Selbstständigkeit gescheitert waren und somit gezeigt haben, dass sie ihre Arbeitslosigkeit durch die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit nicht auf Dauer haben beenden oder vermeiden können.

Besondere Gründe liegen unter Berücksichtigung dieses Zwecks des § 57 SGB III mithin nur vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Wartefrist von 24 Monaten im Hinblick auf den Grund der Beendigung der selbständigen Tätigkeit objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist, die besonderen Gründe in der Person des Antragstellers liegen und ihm nicht anzulasten sind (Niesel, SGB III, 3. Auflage § 57 Rdnr.12, Link, § 57 Rdnr.70i; BayLSG vom 07.06.2005, Az.: L 8 B 156/05 AL ER). Außerhalb der Person liegende Umstände, die zur Beendigung der selbständigen Tätigkeit geführt haben, wie z.B. mangelnde Aufträge, können die Wartefrist - schon nach dem Wortlaut des Gesetzes - nicht verkürzen (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.12.2005, Az.: L 3 AL 79/05).

Vor diesem Hintergrund sind besondere Gründe in der Person des Klägers im Sinne des § 57 Abs.4 2. Halbsatz vorliegend nicht gegeben. Die frühere Tätigkeit als Unternehmensberater wurde aus betriebsbedingten Gründen (Auftragsmangel) aufgegeben. Dies räumt er selbst ein. In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe wie eine Erkrankung oder eine sonstige Verhinderung des Arbeitnehmers aus persönlichen Gründen wie z.B. eine unfallbedingte Verhinderung werden weder vorgetragen noch sind solche Gründe sonst ersichtlich. Die auch nach dem klägerischen Vorbringen erfolgte Aufgabe der Tätigkeit wegen fehlender Aufträge ist durch die wirtschaftliche Entwicklung bedingt und stellt keinen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund dar.

Da somit der Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 4 SGB III gegeben ist, brauchte der Senat keine Entscheidung mehr darüber zu treffen, ob die weiteren Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 bis 3 SGB III für das vom Kläger begehrte Überbrückungsgeld dem Grunde, der Höhe und der Dauer nach vorliegen.

Der Kläger ist auch nicht im Wege des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er den Anspruch nach Ablauf der Wartefrist des § 57 SGB III geltend gemacht. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene Nebenpflicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. dazu allgemein Funk, DAngVers 1981, 26: Bierback, BVBl 1983, 159). In solchen Fällen können gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen, wie etwa eine verspätete Antragstellung, eine verspätete Beitragsentrichtung, eine verspätete Vorlage von Unterlagen als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung gerade auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht. Allerdings gilt dies nicht für außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände, die nach materiellem Recht für das Entstehen des Sozialrechtsanspruchs erforderlich sind (BSG SozR 2200 § 1233 Nr. 17; SozR 4100 § 56 Nr. 18). Andernfalls verpflichtete der Herstellungsanspruch den Sozialleistungsträger zu einer gesetz- und rechtswidrigen Handlung, was unzulässig wäre (BSGE 44, 114, 121 = SozR 2200 § 886 Nr. 1; BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr. 14; BSGE 51, 89, 92 = SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSGE 60, 43, 48 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; SozR 4100 § 102 Nr. 6). Hier scheitert die Anwendung der Rechtsfigur des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedenfalls schon daran, dass eine ihre Anwendung voraussetzende Verletzung von Nebenpflichten der Beklagten nicht vorzuwerfen ist. Die Beklagte hätte den Kläger bei der Antragstellung insbesondere nicht auf die Nichterfüllung der Wartfrist hinweisen müssen, um ihn in die Lage zu versetzen, durch Unterbrechung des Arbeitslosengeldbezugs die Voraussetzungen für eine erneute Förderung zu schaffen.

Eine Pflichtverletzung, die einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen könnte, ist nicht gegeben. Insbesondere hat die Beklagte ihre Beratungspflichten erfüllt. Wie die zahlreichen Beratungsvermerke zeigen, stand der Kläger in ständigem Kontakt mit der Beklagten, und zwar insbesondere im hier fraglichen Zeitraum. Am 16.02.2005, also noch während des Alg-Bezugszeitraums, wurde der Kläger über die selbständige Tätigkeit beraten und auf den Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 4 SGB III hingewiesen. Im Fall des Klägers bestand auch kein Anlass dazu, auf die Möglichkeit der Unterbrechung des Bezugs von Arbeitslosengeld hinzuweisen, um gegebenenfalls die in § 57 Abs.4 SGB III normierte Wartefrist erfüllen zu können. Denn der Kläger hatte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst vorgetragen, aufgrund seiner Geschäftsidee sei der frühe Markteintritt von existenzieller Bedeutung für das Gelingen des Vorhabens. Eine Beratung dahingehend, die Aufnahme dieser geplanten Selbständigkeit um mehr als vier Monate zu verschieben, war schon aus diesem Grunde nicht angezeigt.

Davon unabhängig war - wie das SG zu Recht ausführt - die vom Kläger beanspruchte Beratung gar nicht geeignet, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Denn nach § 57 Abs.1 SGB III setzt die Leistungsgewährung voraus, dass durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitslosigkeit beendet oder vermieden wird. Dieser Kausalzusammenhang wäre unter Berücksichtigung des Zwecks der Neuregelung in der ab 01.01.2004 bzw. ab 01.01.2005 geltenden Fassung des § 57 SGB III bei einem gezielten Hinauszögern der Beendigung der Arbeitslosigkeit vorliegend nicht mehr gegeben gewesen. Denn die gesetzgeberische Wertung, die in der 24-Monatsfrist und der genannten Ausnahmeregelung ihren rechtsnormativen Niederschlag gefunden hat, würde unterlaufen, wenn durch ein willkürliches Hinausschieben des Alg-Bezugszeitraums die Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 SG B III n.F. "herbeigeführt" werden könnten. Darüber hinaus kann der Beklagten keine Beratung abverlangt werden, die erkennbar dem Zweck des einschlägigen marteriellen Geschehens zuwiderläuft (BSG SozR 3-4100 § 125 Nr. 1 S. 10 m.w.N.). Nach dem Zweck des § 57 Abs.4 SGB III n.F. soll - wie bereits ausgeführt - eine Mehrfachförderung ausgeschlossen werden, die bis 31.12.2003 denkbar war. Nach alter Rechtslage war eine mehrfach aufeinander folgende Förderung mit Überbrückungsgeld nicht ausgeschlossen, sofern die erneute Aufnahme einer Selbständigkeit aus Arbeitslosigkeit auf der Grundlage eines neuen Geschäftskonzepts erfolgte. Eine Förderung mit dem Existenzgründungszuschuss nach § 421l nach zuvor geleistetem Überbrückungsgeld war ebenfalls möglich. § 421l Abs. 4 sieht nur einen Förderausschluss vor, wenn die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit im gleichen Zeitraum durch Überbrückungsgeld gefördert wird. In Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Folgen einer zuvor nicht erfolgreichen Gründung und der "zweiten Chance" für den Selbständigen sollte die Arbeitsförderung nur dann zur erneuten Förderung verpflichtet sein, wenn ein gewisser Zeitraum seit der letzten geförderten selbständigen Erwerbstätigkeit verstrichen ist. Eine Frist von 24 Monaten nach Beendigung der letzten Förderung der selbständigen Erwerbsaufnahme erschien dem Gesetzgeber u. a. deshalb angemessen, damit der Arbeitslose die wirtschaftlichen und sonstigen Voraussetzungen für eine erneute Unternehmung klären kann. Nur im Einzelfall soll von dieser Frist abgesehen werden können, wenn Gründe vorliegen, die in der Person des Existenzgründers liegen und ihm nicht anzulasten sind (z. B. Krankheit, Unfall; BT-Drucksache 15/1515). Diesem gesetzlichen Zweck hätte ein Hinausschieben des Endes der Arbeitslosigkeit offensichtlich widersprochen.

Es bestand mithin keine Pflicht der Beklagten, darauf hinzuwirken, dass der Kläger den Antrag hinauszögert, um die Wartefrist zu erfüllen. Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, da der Kläger in dem bereits erwähnten Eilverfahren, dessen Akten der Senat beigezogen hat, selbst vorgetragen hat, dass seine Firmengründung aus Marktgründen keinen Aufschub duldet. Insofern ist das Vorbringen des Klägers auch in sich widersprüchlich.

Der Senat hat auch seine Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) nicht verletzt, indem er dem klägerischen Antrag auf Einvernahme der namentlich benannten Mitarbeiterin der Beklagten nicht gefolgt ist. Dabei ist sich der Senat bewusst, dass die Wendung "ohne hinreichende Begründung" in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen ist (vgl. BSG vom 31.07.1975 - 5 BJ 28/75 = SozR 1500 § 160 Nr.5). Es kommt daher darauf an, ob der Senat objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten Beweis zu erheben. Die Amtsermittlungspflicht ist aber nur verletzt, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen offen geblieben sind. Das ist hier nicht der Fall.

Das Gericht konnte auf eine Vernehmung der benannten Zeugin verzichten, weil die unter Beweis gestellte Tatsache zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden konnte. Auch wenn - was die Beklagte bestreitet - der Kläger die behaupteten Auskünfte erhalten hat, nämlich dass sich die bei der Beklagten beschäftigte Frau G. äußerst wohlwollend über das vorgelegte Geschäftskonzept geäußert habe, dass sie die gesetzliche Regelung für bedenklich halte, oder dass sie bereits bei der übergeordneten Behörde Bedenken hinsichtlich der Härtefallregelung angemeldet und Nachbesserungen angemahnt habe, spielt dies für die Beurteilung der an die Bewilligung von Überbrückungsgeld zu stellenden rechtlichen Voraussetzungen, die oben ausführlich dargelegt und erläutert wurden, offensichtlich keine Rolle. Die behaupteten Äußerungen weisen weder einen Zusammenhang zu den in Abs.1 des § 57 SGB III normierten Voraussetzungen (insbesondere der 24-Monatsfrist) noch zu den in Abs.4 der Vorschrift enthaltenen Merkmalen auf. Insofern kann die behauptete Tatsache ohne Auswirkungen auf die getroffene Entscheidung als wahr unterstellt werden.

Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere ist die gesetzliche Regelung in Halbsatz 2 des § 57 Abs.4 SGB III, wonach nur im Einzelfall aufgrund besonderer personenbezogener, dem jeweiligen Antragsteller nicht anzulastende Gründe (wie z.B. Krankheit und Unfall), von der Wartefrist abgewichen werden könne, angesichts des beschriebenen Gesetzeszwecks auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Aufgrund des Unterliegens des Klägers in beiden Rechtszügen war die Beklagte nicht zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu verpflichten, § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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