L 10 AL 400/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 132/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 400/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.09.2005 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 15.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2005 verurteilt, Arbeitslosenhilfe ab 25.09.2004 in der bisherigen Höhe zu bewilligen.
II. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen Eintritts einer Säumniszeit.

Der 1962 geborene Kläger, der seit 29.06.2003 mit einer ägyptischen Ehefrau verheiratet ist, ist seit Anfang 2003 arbeitslos.

Mit seinem Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom 14.06.2004 bestätigte der Kläger den Erhalt des Merkblattes I für Arbeitslose. Mit Bewilligungsbescheid vom 11.06.2004 wurde ihm auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 530,09 EUR ab 01.06.2004 Alhi bewilligt.

Am 04.08.2004 teilte er der Beklagten telefonisch mit, er wolle verreisen. Bei der persönlichen Vorsprache am 09.08.2004 wurde ihm vom 16.08.2004 bis 05.09.2004 Urlaub bewilligt und das Formblatt II 6b ausgehändigt. Die Einladung zur Rückmeldung gehe per Post zu.

Da sich der Kläger zum vereinbarten Rückmeldetermin am 06.09.2004 nicht meldete, stellte die Beklagte die Zahlung zum 06.09.2004 vorläufig ein und forderte den Kläger auf, sich am 10.09.2004 persönlich zu melden. An diesem Tag stellte sie fest, dass die erste Einladung zum 06.09.2004 am 09.08.2004 und die zweite Einladung zum 10.09.2004 am 06.09.2004 erfolgt sei. Daraufhin erließ sie am 15.09.2004 einen "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid", worin sie die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi mit Wirkung ab 07.09.2004 wegen fehlender Meldung an zwei Terminen für mindestens sechs Wochen aufhob.

Am 17.09.2004 meldete sich der Kläger persönlich arbeitslos und teilte mit, er habe nicht früher aus dem Urlaub zurückkehren können, da er vor dem 16.09.2004 keinen Flug bekommen habe. Ab 19.10.2004 wurde dem Kläger daraufhin Alhi weiter bewilligt.

Gegen den "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid" vom 15.09.2004 legte der Kläger am 06.10.2004 Widerspruch ein. Die Rechtsfolgen versäumter Meldetermine seien ihm sehr wohl bekannt. Er habe alles getan, um rechtzeitig zum 06.09.2004 zurückzukehren, habe aber in K. keinen früheren Rückflugtermin bekommen. Auf die Rückfrage, weshalb er nicht bereits vor der Abreise den Hin- und Rückflug gebucht habe, teilte der Kläger mit, dies sei geschehen, hingegen sei innerhalb des genehmigten Urlaubs kein Termin frei gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Aufhebung der Bewilligung finde ihre Stütze in § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Kläger habe die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, ab 01.01.2005 würden Verstöße bei Meldeversäumnissen lediglich mit einer Woche geahndet, ein Hinweis darauf, welche Wertigkeit im Hinblick auf ein Verschulden der Gesetzgeber derartigen Verstößen zumesse. Bei seiner Rückmeldung habe man ihm mitgeteilt, auch eine Abwesenheit von vier bis fünf Wochen sei möglich gewesen, wenn er damit einverstanden gewesen wäre, für eine oder zwei Wochen keine Leistung zu beziehen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 20.09.2005 abgewiesen. Entscheidend sei die Rechtslage bis Ende 2004. Der Kläger habe zweimal gegen seine Meldepflicht verstoßen und auf einen wichtigen Grund wie eine unvorhergesehene Krankheit könne er sich nicht berufen. Bereits bei der Buchung des Hinflugs habe er keinen rechtzeitigen Rückflug bekommen. Dem Kläger sei auch grobe Fahrlässigkeit vorzuhalten, weil er sich nicht auf seine Erfahrungen 2002 verlassen durfte.

Gegen das am 27.09.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.2005 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Anforderungen an seine Sorgfalt seien vom SG zu hoch angesetzt worden. Die Einladung zur Rückmeldung am 06.09.2004 habe er erst in Händen gehalten, als er am 16.09.2004 aus Ägypten zurückgekehrt sei. Eine Säumniszeit von sechs Wochen sei unverhältnismäßig.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.09.2005 ebenso wie den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2005 abzuändern und Arbeitslosenhilfe ab 25.09.2004 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass die schriftliche Einladung zum 06.09.2004 noch am 09.08.2004 abgesandt worden sei, so dass der Kläger noch vor seinem planmäßigen Abflug am 16.08.2004 über die Folgen der Säumnis unterrichtet worden sei.

Der Senat hat von der Beklagten Muster der 2004 üblicherweise verwendeten Einladungsschreiben, Säumniszeit- und Aufhebungsbescheide sowie des Formblatts II 6b beigezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des SG Nürnberg sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und im Umfang des zuletzt gestellten Antrags voll begründet. Das Urteil des SG Nürnberg vom 20.09.2005 ist abzuändern, soweit es die Rechtmäßigkeit des Säumniszeit- und Aufhebungsbescheides vom 15.09.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2005 für die Zeit ab 25.09.2004 bejaht hat. Der Anspruch auf Alhi ruht allenfalls während einer Säumniszeit von zwei Wochen, die mit dem Tag nach dem Meldeversäumnis am 10.09.2004 begann. Die Wirksamkeit der ersten Meldeaufforderung zum 06.09.2004 ist nicht nachgewiesen.

Strittig war nach der mündlichen Verhandlung am 24.01.2008 lediglich die Bewilligung von Alhi ab 25.09.2004. Der ursprüngliche Antrag auf voll umfängliche Aufhebung des strittigen Bescheides wurde nach dem Hinweis auf die fehlende Verfügbarkeit während der ungenehmigten Ortsabwesenheit vom 07.09.2004 bis 16.09.2004 und der Erörterung der Wirksamkeit der Meldeaufforderungen geändert.

Die Aufhebung der Bewilligung von Alhi kann nicht auf den Eintritt einer sechswöchigen Säumniszeit gestützt werden. Durch eine Säumniszeit iS des § 145 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung - diese Fassung ist weiterhin für Säumniszeiten anzuwenden, die vor dem 01.01.2005 eingetreten sind (§ 435j Abs 4 SGB III) - kann eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen gemäß § 48 SGB X begründet sein. Eine Säumniszeit von zwei Wochen tritt nach § 145 Abs 1 SGB III aF ein, wenn der Arbeitslose einer Meldeaufforderung des Arbeitsamtes ohne wichtigen Grund nicht folgt, obwohl er über die Rechtsfolgen belehrt worden ist. Versäumt der Arbeitslose innerhalb einer Säumniszeit nach Abs 1 von zwei Wochen einen weiteren Meldetermin trotz Belehrung über die Rechtsfolgen und ohne wichtigen Grund, so verlängert sich die Säumniszeit mindestens um vier Wochen (§ 145 Abs 2 SGB III aF). Unstreitig hat der Kläger die bereits am 09.08.2004 mündlich und anschließend schriftlich erteilte Aufforderung zur Meldung am 06.09.2004 versäumt. Die Meldeaufforderung erfolgte rechtmäßig, da sie zu einem zulässigen Zweck erging, nämlich der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch (§ 309 Abs 2 Ziff 5 SGB III). Ob sie allerdings wirksam geworden ist, ist nicht nachgewiesen.

Für den Eintritt einer Säumniszeit iS des § 145 SGB III aF muss die Meldeaufforderung mit einer ausreichenden Belehrung über die Rechtsfolgen versehen sein. Eine Form ist hierfür nicht vorgeschrieben, sie kann mündlich oder schriftlich ergehen. Es muss klar und deutlich erkennbar werden, welche Folgen das Meldeversäumnis hat, mit welchen konkreten Leistungseinschränkungen der Leistungsempfänger zu rechnen hat, wenn er ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung nicht nachkommt (BSG 20.03.1980 - 7 RAr 21/79 - SozR 4100 § 132 Nr 1). Diese Belehrung muss in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Meldeaufforderung zugehen, weil die in § 145 Abs 1 SGB III geregelte besondere Belehrungspflicht über die Anforderungen hinausgeht, die ohnehin im Rahmen von Informationspflicht und Beratungspflicht an die Beklagte zu stellen sind (Winkler in Gagel, SGB III, § 145 RdNr 20).

Der Kläger war zwar bei seiner Antragstellung auf Alhi am 04.06.2004 mit der Aushändigung des Merkblatts I für Arbeitslose über die Folgen einer Meldepflichtverletzung aufgeklärt worden. Ebenso wie bei der Belehrungspflicht in Zusammenhang mit § 144 SGB III (Ruhen des Anspruchs bei Sperrzeit) ist jedoch bei der nach § 145 SGB III aF eine zeitnahe Erteilung gefordert (Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 145 RdNr 7 iVm § 144 RdNr 62 unter Verweis auf BSG 10.12.1981 - 7 RAr 24/81 - SozR 4100 § 119 Nr 18). Eine solche sollte vorliegend entsprechend dem Beratungsvermerk vom 09.08.2004 per Post ergehen, ist also nicht bei der Vorsprache am 09.08.2004 erfolgt. Ausgehändigt worden ist lediglich das Formblatt II 6b, womit der Kläger über die Folgen der Überschreitung des genehmigten auswärtigen Aufenthalts belehrt worden ist.

Wann die schriftliche Meldeaufforderung mit der zum damaligen Zeitpunkt üblichen und als Muster vorliegenden Rechtsfolgenbelehrung bekannt gegeben worden ist, ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nachvollziehbar. Nachdem der Kläger glaubhaft versichert hat, die Meldeaufforderung erst nach der Rückkehr aus Ägypten im Briefkasten vorgefunden zu haben, ist die rechtzeitige Unterrichtung vor dem Meldetermin am 06.09.2004 nicht erwiesen. Rechtzeitig wäre nach den Umständen nur der Zugang der Meldeaufforderung vor dem von der Beklagten genehmigten Urlaub ab 16.08.2004 gewesen, weil der Rückmeldetermin bereits für den Folgetag nach Beendigung des Urlaubs am 05.09.2004 vereinbart war und die Beklagte über die Ortsabwesenheit des Klägers in der Zwischenzeit unterrichtet war. Anders als bei ungenehmigter Ortsabwesenheit (hierzu BSG 25.04.1996 - 11 RAr 180/95 - SozR 3-4100 § 120 Nr 1) kommt es bei einer Meldeaufforderung zur Feststellung der Beendigung einer Ortsabwesenheit für deren Wirksamkeit darauf an, dass der Arbeitslose vor Antritt seines Urlaubs die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Rechtsfolgenbelehrung hat. Nur so wird er in die Lage versetzt, in Kenntnis aller Umstände über die Wahrnehmung des Meldetermins selbstverantwortlich zu entscheiden.

Die Bekanntgabe vor dem 16.08.2004 ist nicht nachgewiesen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt gilt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB X). Die Akten der Beklagten enthalten jedoch keinen Absendevermerk, und die Feststellung der ersten Einladung vom 09.08.2004 durch den Bearbeiter am 10.09.2004 lässt nicht erkennen, ob es sich dabei um die schriftliche oder die mündliche Meldeaufforderung handelt.

Der Zeitpunkt des Zugangs der mit der Rechtsfolgenbelehrung versehenen Meldeaufforderung ist im Streitfall durch die Beklagte zu beweisen, so dass die Folgen der Nichterweislichkeit zu ihren Lasten gehen. Infolge der Säumnis am 06.09.2004 ist daher keine Säumniszeit eingetreten.

Da die Säumnis des zweiten Meldetermins am 10.09.2004 nicht innerhalb einer bereits laufenden Säumniszeit erfolgt ist, ist die Voraussetzung für die Verlängerung der Säumniszeit iS des § 145 Abs 2 SGB III entfallen. Die Folgen der zweiten Säumnis beschränken sich daher auf die einer ersten Säumnis, die ein Ruhen des Anspruchs während einer Säumniszeit von zwei Wochen bedeutet. Nachdem die Säumniszeit mit dem Tag nach dem Meldeversäumnis beginnt (§ 145 Abs 1 SGB III), endet diese am 24.09.2004. Dem Antrag auf Fortzahlung der Alhi ab 25.09.2004 war daher zu entsprechen.

Aus diesen Gründen war die Berufung in vollem Umfang erfolgreich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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