L 3 U 73/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 742/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 73/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung einer Witwenrente.

Die Klägerin ist die Witwe (Eheschließung am 14. März 2001) und langjährige frühere Lebensgefährtin des Versicherten G R der als Dreher, Fassadenmonteur (Zerschneiden und Anbringen von Eternit-Platten), Straßenbauarbeiter, Reparaturarbeiter und Reinigungskraft von 1968 bis 1994 bei verschiedenen Firmen beschäftigt war. Anfang des Jahres 2000 wurde bei dem Versicherten ein bösartiger Lungentumor diagnostiziert. Die Landesversicherungsanstalt Berlin gewährte ihm aus diesem Grund ab dem 01. März 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Mit Bescheid vom 08. September 2000 stellte die Beklagte nach Beiziehung medizinischer Unterlagen des Versicherten und Einholung einer fachtechnischen Stellungnahme durch ihre technische Abteilung zur Asbestgefährdung fest, dass bei dem Versicherten ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards vorliege und dass diese Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannt werde. Wegen der Folgen dieser Berufskrankheit werde eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. als vorläufige Entschädigung, beginnend mit dem 01. März 2000 i. H. v. 2.121,74 DM und ab dem 01. Juli 2000 i. H. v. 2.134,47 DM gewährt. Der Versicherte verstarb am 02. Juni 2001.

Mit Verwaltungsakt vom 11. Juli 2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen habe, da die Ehe erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles am 10. Januar 2000 (erstmaliges Aufsuchen des behandelnden Internisten wegen der Erkrankung) geschlossen worden und der Tod innerhalb des ersten Ehejahres eingetreten sei (§ 65 Abs. 6 7. Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Umstände, die gegen die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sprechen könnten, seien nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom 09. August 2001, welches sie "vorsorglich als Widerspruch" bezeichnete, und mit weiterem Schreiben vom 10. September 2001 trug die Klägerin vor, sie habe Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Der Versicherte und sie hätten seit dem 14. Mai 1988 zusammengelebt und seit 1991 vorgehabt, zu heiraten, dies jedoch immer wieder aus finanziellen Gründen zurückgestellt. So hätten sie zwar für die Hochzeitsfeierlichkeiten ca. 5.000 DM zusammengespart gehabt, dieses Geld jedoch dann dem Sohn des Versicherten für dessen Hochzeitsfeierlichkeiten zur Verfügung gestellt und daher eigene Hochzeitspläne zurückgestellt. Im Jahr 1992 wiederum angesparte 2.500 DM hätten sie für die Hochzeitsfeierlichkeiten der Tochter des Versicherten ausgegeben. Zudem sei im August 1992 ihre Mutter und im Juli 1993 ihre Schwester verstorben, so dass – abgesehen von den finanziellen Verpflichtungen in Form von Beerdigungskosten – die Stimmung nicht nach Hochzeitsfeierlichkeiten gewesen sei. In den Jahren 1993 und 1994 sei der Versicherte arbeitslos gewesen und es habe am Geld gemangelt, zudem habe sich seine weitere, verhaltensauffällige Tochter nicht mehr mit ihrer Mutter verstanden und sei zu ihnen gezogen. Wegen des erhöhten Platzbedarfes durch die Aufnahme der Tochter sei der Umzug in eine größere Wohnung erforderlich geworden, die Miete der im Oktober 1998 bezogenen Wohnung sei doppelt so hoch wie die vorherige gewesen, so dass es am Geld gemangelt habe. Nach einer langwierigen Viruserkrankung des Versicherten habe man sich schließlich Ende 1999 entschlossen, zu heiraten und das Hochzeitsdatum auf den 14. Mai 2000, den Tag des Kennenlernens, zu legen. Wegen der erforderlich gewordenen Operationen und Bestrahlungen des Versicherten habe die Heirat dann doch auf den 14. März 2001 verschoben werden müssen. Nachdem die schwere Erkrankung des Versicherten offenbar geworden sei, sei es für beide selbstverständlich gewesen, dass sie ihn bis zur Genesung pflegen und erforderlichenfalls die Sterbebegleitung leisten würde, wie es dann auch geschehen sei. Um die eventuell notwendig werdende Entscheidungskompetenz inne zu haben, sei es erforderlich gewesen, sich gegenüber den Ärzten als Ehefrau des Patienten und nicht nur als Pflegerin und langjährige Lebensgefährtin auszuweisen. Zum Nachweis bezog sich die Klägerin auf eine beigefügte schriftliche Erklärung einer langjährigen Freundin, Frau M R aus Heiligenhafen vom 27. August 2001 sowie das Zeugnis des Herrn N S.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2001 als unbegründet zurück, da die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe gerade aufgrund des langjährigen Zusammenlebens und des mehrfachen Verschiebens der angeblich geplanten Hochzeit nicht entkräftet worden sei.

Mit ihrer hiergegen bei dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen G R weiter verfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie erklärt, es habe im Jahr 1999 Heiratspläne gegeben, jedoch ohne ein bestimmtes Datum. Weihnachten 1999 sei der Versicherte erkrankt. Sie wisse nicht, ob man darüber gesprochen habe, am 14. Mai 2000, ihrem persönlichen Datum, zu heiraten. Sie hätten die Heirat immer wieder aus verschiedenen Gründen verschoben. Pläne für eine Vereinbarung für einen bestimmten Heiratstermin hätten sie in 1999 nicht getroffen. Das SG hat Herrn N S als Zeugen vernommen. Der Zeuge hat angegeben, er habe den Versicherten seit mindestens 30 Jahren und die Klägerin seit etwa 25 Jahren gekannt und wisse, dass die beiden ca. 14 – 15 Jahre zusammengewohnt hätten. Über Heiratspläne könne er aber keine direkten Auskünfte geben, da er aus beruflichen Gründen den Kontakt zum Versicherten nicht so habe halten können. Bei einem Treffen im Jahr 2000, es könne auch 2001 gewesen sein, habe der Versicherte ihm gesagt, dass er heiraten wolle. Es sei aber nicht über einen bestimmten Heiratstermin gesprochen worden. Zu dem Vortrag der Klägerin, bereits Ende 1999 sei über Heiratspläne gesprochen worden, könne er keine Angaben machen.

Mit Urteil vom 14. Oktober 2004 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe nach § 65 Abs. 6 SGB VII keinen Anspruch auf Witwenrente. Die Ehe der Klägerin und des Versicherten sei nach dem Eintritt des Versicherungsfalles am 10. Januar 2000 geschlossen worden und der Versicherte sei innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstorben. Die gesetzliche Vermutung, der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat sei die Begründung eines Anspruches auf Hinterbliebenenversorgung, sei nicht widerlegt worden. Auch wenn die Klägerin und der Versicherte seit 1988 in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt und möglicherweise seit 1991 Heiratspläne bestanden hätten, seien diese jeweils aus den von der Klägerin geschilderten Gründen gescheitert. Bei ernsthaftem und dringlichem Heiratswunsch seit dem Jahr 1991 wäre eine Verwirklichung früher möglich gewesen. Konkrete Heiratspläne vor dem Ausbruch bzw. der Diagnose der schwerwiegenden Lungenerkrankung seien jedoch nicht bewiesen. Der Vortrag der Klägerin, seit Ende 1999 sei der 14. Mai 2000 als konkreter Heiratstermin vereinbart worden, habe sich nicht bestätigt, vielmehr habe sie selbst ausgesagt, dass es 1999 kein bestimmtes Hochzeitsdatum gegeben habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass dem Versicherten und der Klägerin aufgrund des Mitte Oktober 2000 bekannt gewesenen Tumorprogresses und der ab dem 07. Februar 2001 durchgeführten Chemotherapie das Fortschreiten der Erkrankung bewusst gewesen sein müsse. Die Heirat während der Chemotherapie sei daher vermutlich in dem Bewusstsein erfolgt, dass der Versicherte nur noch eine begrenzte Lebenserwartung habe. Auch hätte sich die finanzielle Situation der Klägerin, die seit 1998 arbeitslos gewesen sei und zunächst Arbeitslosengeld, dann Arbeitslosenhilfe bezogen habe, im Fall einer Heirat verbessert. Das Gericht schließe sich nicht den Ausführungen des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein (Urteil vom 10. Dezember 2003, L 8 U 65/02) an, dass die Dauer einer sehr langjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor der Heirat für sich genommen schon nahe lege, von einer faktisch dem Wesen der Ehe entsprechende Lebens- und Beistandsgemeinschaft auszugehen, die mit der dann folgenden Eheschließung nur noch ihren rechtsförmlichen Vollzug erhalte. Vielmehr sei nach heutigem gesellschaftlichem Verständnis die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine eigenständige Form des Zusammenlebens und die Partner einer langjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft könnten im Einzelfall aus unterschiedlichsten Motiven gerade nicht an einer Eheschließung interessiert sein. Auch sei die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine Vorstufe der Ehe.

Gegen das ihr am 16. November 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Dezember 2004 eingelegte Berufung, mit der die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung der Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen G R weiterverfolgt und ergänzend vorträgt, die Lebensgemeinschaft mit dem Versicherten sei über die Jahre so eng geknüpft und tragfähig gewesen, dass sie dem Wesen einer Ehe voll entsprochen und lediglich die Formalie der standesamtlichen Eheschließung gefehlt habe. Die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe habe nach dem Gesetzeszweck eine ganz andere Zielrichtung, nämlich auszuschließen, dass Versicherte willkürlich entfernte Verwandte oder "versorgungswürdige" Bekannte nach Eintritt des Versicherungsfalles und kurz vor ihrem Ableben rein förmlich heirateten, um diesen Personen eine Versorgung zu sichern, die ihnen unter keinerlei Umständen zustehe. Sie sei nie voll und umfassend über die Erkrankung des Versicherten und ihre Auswirkungen in Kenntnis gesetzt worden, da die ärztlichen Besprechungen nicht in ihrem Beisein statt gefunden hätten. Zudem habe der Versicherte gewusst, dass er pflegebedürftig werden würde und sein Wunsch sei die Absicherung der Pflege durch die Heirat gewesen. Schließlich seien die Ehegatten einander zu Beistand und damit zu gegenseitiger Pflege verpflichtet.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Oktober 2004 sowie den Verwaltungsakt der Beklagten vom 11. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Herrn G R zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 05. November 2007 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte bzw. der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (U.-Nr.), die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die form- und fristgerecht eingelegte Berufung durch Beschluss zurückweisen, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Der Klägerin steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, eine Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen G R nicht zu.

Nach § 65 Abs. 1 SGB VII erhalten Witwen oder Witwer von Versicherten eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben. Keinen Anspruch auf eine derartige Rente haben nach § 65 Abs. 6 SGB VII Witwen oder Witwer, wenn die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Vorschrift des § 65 Abs. 6 SGB VII unterstellt im Sinne einer gesetzlichen Vermutung, dass eine Eheschließung nach Eintritt des Versicherungsfalles und kurz vor dem Ableben des Versicherten innerhalb des ersten Ehejahres im Wesentlichen auf dem Versorgungsgedanken beruht. Sie beschränkt sich damit nicht auf Fallgestaltungen, in denen Versicherte mit Schädigungsabsicht gegenüber der Versichertengemeinschaft "versorgungswürdige" Verwandte oder Bekannte nach Eintritt des Versicherungsfalles und kurz vor ihrem Ableben rein förmlich heiraten. Eine Widerlegung dieser Vermutung nach den besonderen Umständen des Einzelfalls erfordert grundsätzlich nach den §§ 202 SGG, 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils; allerdings kann die Vermutung auch durch entgegenstehende äußere Umstände widerlegt werden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 03. September 1986 zur vergleichbaren Vorschrift des § 38 Abs. 2 2. Halbsatz Bundesversorgungsgesetz [BVG], Az: 9 a RV 8/94, SozR 3100 § 38 Nr. 5).

Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe in diesem Sinn ist der Klägerin nicht gelungen. Der Versicherungsfall der Berufskrankheit war am 10. Januar 2000 eingetreten, als der Versicherte erstmals seinen behandelnden Internisten wegen der Tumorerkrankung aufgesucht hatte. Der Versicherte verstarb am 02. Juni 2001 und damit rund 10 Wochen nach der Eheschließung am 14. März 2001. Es ergeben sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht genügend beweiskräftige Anhaltspunkte gegen die Annahme, dass es zumindest der überwiegende Zweck der Heirat war, die Klägerin durch die Hinterbliebenenrente zu versorgen. Die finanzielle Situation der Klägerin, die seit 1998 arbeitslos war und im Jahr 2001 Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 334,81 DM bezog, hätte sich durch den Bezug der Witwenrente aus der Unfallversicherung erheblich verbessert. Auch lässt sich aus der Tatsache einer langjährig bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht unbedingt der Schluss gegen ein bestehendes Versorgungsmotiv ziehen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, stellt die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine eigenständige Form des Zusammenlebens dar, wobei die Partner aus unterschiedlichen Motiven gerade nicht an einer Eheschließung interessiert sein können. Die Ehe wurde auch nicht in Unkenntnis der lebensbedrohlichen Tumorerkrankung des Versicherten und ihres absehbar ungünstigen Verlaufs geschlossen. Dies lässt sich aus der dokumentierten Krankengeschichte entnehmen. Der Versicherte hatte sich zuvor schon mehreren therapeutischen Eingriffen unterzogen, so am 04. Februar 2000 einer diagnostischen Thorakoskopie und am 14. Februar 2000 einer Pleurektomie und Teilexcision der Lunge. Aus dem Bericht des Universitätsklinikums BF Chirurgische Klinik und Poliklinik vom 24. Februar 2000 über einen stationären Aufenthalt des Versicherten vom 02. bis zum 24. Februar 2000 ergibt sich eindeutig die Diagnose eines malignen Pleuramesothelioms vom biphasischen Typ. Bei einem Hausbesuch am 07. März 2000 durch einen Vertreter der Beklagten, bei dem auch die Klägerin anwesend war, wurde über die Krankengeschichte gesprochen; der Versicherte zeigte sich über seine Erkrankung aufgeklärt. Anlässlich einer Vorstellung des Versicherten im Krankenhaus M am 27. März 2000 wurde mit ihm ausführlich über die Krankheitssituation gesprochen (Bericht vom 28. März 2000). Nach dem Befund- und Behandlungsbericht des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. M vom 23. November 2000 trat Mitte Oktober 2000 ein Tumorprogress auf, so dass dieser am 16. November 2000 ausführlich mit dem Versicherten über das Fortschreiten der Erkrankung und die Prognose sprach. Ab Februar 2001 wurde bei dem Versicherten wegen des rasant fortschreitenden Verlaufes des Pleuramesothelioms eine Chemotherapie durchgeführt. Mit Schreiben vom 19. März 2001 und bei einem Hausbesuch eines Vertreters der Beklagten am 06. April 2001 gab der Versicherte eine starke Verschlechterung seines Gesundheitszustandes als Grund für seinen Antrag auf Pflegegeld und –einrichtungen an. Dass der Versicherte die Klägerin in Unkenntnis der lebensbedrohlichen Tumorerkrankung und deren massiven Fortschreitens gelassen hätte, behauptet diese auch nicht. In Anbetracht des zuvor dargestellten Behandlungsverlaufs und der Schilderung des von der Klägerin auf Grund der langjährigen engen Beziehung zu dem Versicherten gewährten Beistandes ist ihr jetziger Vortrag, sie sei nie vollumfänglich über die lebensbedrohende Erkrankung und ihre Auswirkungen informiert gewesen, nicht glaubhaft. Zudem kann die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht allein durch eine zum Zeitpunkt der Eheschließung bestehende Unkenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten widerlegt werden.

Auch der Umstand, dass vor der Eheschließung eine eheähnliche Beziehung bestanden hat, kann je nach deren Dauer und Ausgestaltung im Einzelfall gegen die Annahme sprechen, der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat sei die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung (vgl. BSG, Beschluss vom 02. Februar 2001, Az.: B 2 U 379/00, juris). So hat die seit 1988 in nichtehelicher Gemeinschaft mit dem Versicherten lebende Klägerin angegeben, sie hätten seit 1991 vorgehabt, zu heiraten. Dass aber bei einem ernsthaften und dringlichen Wunsch eine Heirat innerhalb von zehn Jahren aus verschiedenen Gründen wie Geldmangel und sonstigen persönlichen Umständen nicht möglich gewesen sein sollte, erscheint wenig überzeugend. Die ursprüngliche Angabe der Klägerin, es sei unter Zeugen der 14. Mai 2000 als konkreter Heiratstermin vereinbart worden, hat sich nicht bestätigt. Die Klägerin selbst hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, es habe im Jahre 1999 zwar Heiratspläne gegeben, jedoch kein bestimmtes Heiratsdatum. Ob über einen Heiratstermin für den 14. Mai 2000, den Jahrestag des Kennenlernens, gesprochen worden war, vermochte die Klägerin nicht zu sagen. Der Zeuge S konnte nicht einmal das behauptete Treffen Ende 1999 bestätigen, er war sich auch nicht sicher, ob er den Versicherten im Jahr 2000 oder im Jahr 2001 getroffen hatte. Aus der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestätigung der Frau MR(Schreiben vom 27. August 2001) und der vorgelegten Bescheinigung der behandelnden Ärzte des Versicherten, Drs. V und W vom 26. Juli 2001, ergibt sich zwar, dass der Versicherte und die Klägerin als Lebensgefährten bekannt waren; von konkreten Heiratsplänen ist darin nicht die Rede. Der Vortrag der Klägerin, ausschlaggebend für die Eheschließung sei gewesen, angesichts der Schwere der Erkrankung des Versicherten sich gegenüber den Ärzten als Ehefrau und nicht als Pflegerin und langjährige Lebensgefährtin auszuweisen zu können und die notwendig werdenden Entscheidungskompetenzen inne zu haben, vermag ihrem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des BSG im Allgemeinen nicht vertretbar, eine Ehe als Versorgungsehe zu kennzeichnen, wenn sie offenkundig den Zweck hatte, die häusliche Pflege eines Schwerbeschädigten sicherzustellen (vgl. Urteil vom 03. September 1986 a.a.o). Das BSG hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, eine solche typisierende Betrachtungsweise sei nur dann gerechtfertigt, wenn das Ableben des Beschädigten auf Grund seiner gesundheitlichen Verhältnisse zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen war, mithin die Ehe, wie es ihrem Wesen entspricht, auf unbegrenzte Zeit – auf Lebenszeit – geschlossen worden ist. Diese Voraussetzung kann hier angesichts der dargelegten Entwicklung der bösartigen Erkrankung des Versicherten nicht angenommen werden. Zudem hatten sich die Ehegatten im vom BSG a.a.o entschiedenen Fall zum Zeitpunkt der Eheschließung erst sehr kurz, nämlich nur drei Monate, gekannt; eine frühere Verwirklichung eines behaupteten Heiratswunsches wäre somit gar nicht möglich gewesen.

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2003 (Az.: L 8 U 65/02). Der dortige Sachverhalt unterscheidet sich von dem hier zu beurteilenden in mehrfacher Hinsicht maßgeblich. Zwar hatten auch dort die beiden Partner nach langjährigem nichtehelichen Zusammenleben die Ehe geschlossen. Jedoch war zu diesem Zeitpunkt die Erkrankung des dortigen Versicherten noch nicht als Berufskrankheit anerkannt (Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV "Asbestose"). Er konnte auch nicht unbedingt mit einer Anerkennung rechnen, da sich bei ihm nur eine dreijährige, lange zurück liegende Expositionszeit ergab. Zudem sprach der langsame Verlauf der Erkrankung nicht dafür, dass bei der Eheschließung der Tod des Versicherten unmittelbar bevor gestanden hätte. Zusätzlich war die dortige Klägerin vom Versicherten nicht vollständig über die ungünstige Prognose der Erkrankung informiert worden.

Da die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 65 Abs. 6 SGB VII der Klägerin nicht gelungen ist, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved