L 7 AS 331/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 771/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 331/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 8. November 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Streitig ist, ob und inwieweit der Kläger für den Zeitraum September und Oktober 2006 Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung hat.

Seit 01.08.1990 lebt der 51-jährige, alleinstehende Kläger in einer 66,45 qm großen Mietwohnung (3 Zimmer, Küche, Baujahr 1923) in A. ; diese steht im Eigentum der gemeinnützigen Wohnungsbau mit Gartenstadt e.G. A ... Die Grundmiete (ohne Betriebskosten) belief sich im Zeitraum Mai bis Oktober 2006 auf monatlich 210,41 Euro, die Betriebskosten ("kalte" Nebenkosten) auf monatlich 64,74 Euro, die Kosten für Heizung/Gas auf monatlich 68,00 Euro brutto (56,66 Euro nach Abzug des Warmwasseranteils von einem Sechstel) sowie die Stromkosten für die Gasthermenheizung (die auch Warmwasser erzeugt) auf monatlich 16,65 Euro, nach Abzug des Warmwasseranteils 14,92 Euro. Der Kläger bringt vor, er habe aus eigener Tasche 40.000 DM in die Wohnung investiert.

Der Kläger, dessen Gesundheitszustand es zulässt, dass er un-ter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig ist, bezieht seit 01.01.2005 von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) II. Im streitgegenständlichen Zeitraum verfügte er weder über rele-vantes Einkommen noch Vermögen.

Im Bewilligungsbescheid vom 23.01.2006 findet sich der Passus, die Kosten der vom Kläger bewohnten Wohnung würden die Höchst-grenzen der Angemessenheit im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II übersteigen. Die tatsächliche Miete werde deshalb nur so lange anerkannt, als es nicht möglich oder zumutbar sei, diese auf eine angemessene Höhe zu senken. Zur Senkung auf eine angemessene Höhe, und zwar auf maximal 335,64 Euro pro Monat inclusive Betriebs- und Heizkosten, werde eine Frist bis zum 31.07.2006 eingeräumt. Nach Ablauf dieser Frist erfolge eine Kürzung der Gesamtmiete auf den genannten Höchstbetrag. Die gleiche Information war dem Bescheid nochmals als Anlage 1 beigefügt. Anlage 2 des Bescheids war ein vorgefertigtes Doku-ment, mit dem sich der Kläger äußern sollte, ob er seine Un-terkunfts- und Heizkosten zu senken gedenke. Der Kläger schickte die Anlage 2 jedoch nicht zurück. Statt dessen protestierte sein Prozessbevollmächtigter gegen das Ansinnen der Beklagten. Die Beklagte reagierte darauf mit Bescheid vom 16.02.2006, mit dem sie eine Frist zur Senkung der Kosten für Unterkunft und Heizung (auf 335,64 Euro Gesamtmiete pro Monat) bis 31.08.2006 setzte; nach deren Ablauf erfolge eine Kürzung des Unterkunftsbedarfs auf den genannten Höchstbetrag.

Gegen den Bescheid vom 16.02.2006 legte der Kläger mit Schrei-ben vom 15.03.2006 Widerspruch ein. Er trug vor, der Bescheid der Beklagten sei hinsichtlich der "Höhe der Angemessenheit" nicht hinreichend bestimmt. Über den Widerspruch wurde nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 07.04.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum 01.05. bis 31.10.2006. Für die Mo-nate Mai bis einschließlich August sprach sie monatlich 691,57 Euro zu, für die beiden folgenden Monate jeweils 680,64 Euro. Zur Begründung teilte sie mit, die mit Bescheiden vom 23.01.2006 und 16.02.2006 eingeräumte Frist zur Senkung der Unterkunftskosten auf die angemessene Höhe laufe zum 31.08.2006 aus. Deshalb werde die "Grundmiete" ab September 2006 auf die angemessene Höchstgrenze von 335,64 Euro monatlich gesenkt. Mit Schreiben vom 02.05.2006 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 07.04.2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2006 als unbegründet zurückwies. Für den Folgezeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2007 bewilligte sie mit Bescheid vom 11.09.2006 Leistungen in Höhe von monatlich 680,64 Euro; auch hier hatte sie die von ihr als angemessen erachteten Kosten für Unterkunft und Heizung herangezogen. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20.09.2006 Widerspruch ein.

Klage erhoben zum Sozialgericht Augsburg hat der Kläger am 21.09.2006, mit der er für die Monate September und Oktober 2006 Leistungen für Unterkunft und Heizung auf der Basis der tatsächlichen Kosten begehrt hat. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 08.11.2006 die Beklagte verurteilt, für den Zeitraum September 2006 bis April 2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung auf der Basis der tatsächlichen Kosten zu gewähren. Es ist davon ausgegangen, der Bescheid vom 11.09.2006 sei nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Zwar habe die Beklagte die Grenze der Angemessenheit zutreffend festgesetzt. Auch sei diese in der Lage darzulegen, dass entsprechende Wohnungen tatsächlich verfügbar gewesen seien. Die monatlichen Kosten für Heizung würden sich auf 76,33 Euro belaufen, die Gesamtkosten der Wohnung auf 351,48 Euro. Da die Differenz zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten jedoch nur 15,84 Euro monatlich betrage und eventuelle Umzugskosten außer Verhältnis stehen würden, sei dem Kläger ein Umzug nicht zumutbar. Zudem sei der Quadratmeterpreis (kalt) der Wohnung mit 3,17 Euro außerordentlich günstig. Die geringfügige Überschreitung der Angemessenheitsgrenze resultiere im Wesentlichen aus den gestiegenen Gaskosten. Bis zum voraussichtlichen Renteneintritt würden sich bei Weiterberücksichtigung der tatsächlichen Kosten Mehraufwendungen für die Beklagte ergeben, die hinter den Kosten eines Wohnungswechsels zurückblieben. Die Berufung hat das Sozialgericht zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 13.12.2006 Berufung eingelegt. Der Umzug, so die Beklagte zur Begründung, sei dem Kläger durchaus zumutbar. Zwischen den voraussichtlichen Umzugskosten und dem Mehraufwand der Beklagten bei Weiterzugrundelegung der tatsächlichen Kosten bestehe kein krasses Missverhältnis. Zudem würden in den nächsten Jahren sich die tatsächlichen Kosten noch weiter von den angemessenen entfernen. Der Kläger könne sich auf die Höhe der Umzugskosten ohnehin nicht berufen, weil diese im Ergebnis die Beklagte zu tragen habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 8. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt zur Begründung vor, die Beklagte habe die Angemessen-heitsgrenze falsch ermittelt. Die Beklagte habe weiterhin die tatsächlichen Kosten zu tragen; dabei geht er davon aus, den Unterkunftskosten sei ein weiterer Stromanteil zuzurechnen, welcher den im Regelsatz vorgesehenen Betrag von 20,74 Euro übersteige. Der Kläger habe im Bereich seiner jetzigen Wohnung alle sozialen Kontakte.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwal-tungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Berufungsführerin ist nur die Beklagte. Eine Anschlussberufung des Klägers liegt nicht vor, auch wenn er wiederholt zum Aus-druck gebracht hat, er halte die Leistungen, die ihm das Sozi-algericht zugesprochen hat, noch für zu niedrig, weil auch ein Stromanteil zu den Kosten der Unterkunft und Heizung zählen müsste. Der Antrag des Klägers, den dieser in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, umfasst nur die Zurückweisung der Berufung. Da allerdings Leistungen für Unterkunft und Heizung in ihrer Gesamtheit Streitgegenstand sind, bleibt die vom Kläger aufgeworfene Problematik nicht von vornherein ausgeklammert.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG), woran der Senat gebunden ist (§ 144 Abs. 1 Satz 3 SGG).

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das Sozialgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, im streitgegenständlichen Zeitraum die tatsächli-chen Kosten der Unterkunft und Heizung als Bedarf des Klägers zu berücksichtigen und auf dieser Grundlage Leistungen zu ge-währen.

Streitgegenstand sind die Leistungen für Unterkunft und Hei-zung im Zeitraum September und Oktober 2006 (zur "Streitgegenstandsfähigkeit" der Leistungen für Unterkunft und Heizung vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R). Das Sozialgericht hat zu Unrecht angenommen, der Bescheid vom 11.09.2006 sei nach § 96 SGG in das Klageverfahren einbezogen worden (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R). Es bedarf keiner Erörterung, ob der Zeitraum November 2006 bis April 2007 möglicherweise im Wege der Klageänderung nach § 99 SGG zum Streitgegenstand geworden ist, und wie es sich auswirkt, dass das Sozialgericht die Beklagte auch in Bezug auf diesen Zeitraum zur Erbringung höherer Leistungen verurteilt hat. In der mündlichen Verhandlung ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens jedenfalls durch entsprechende Prozesserklärungen der Parteien auf den Leistungszeitraum September und Oktober 2006 beschränkt worden.

Dem Grunde nach liegen alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II unproblematisch vor. Streitig ist ledig-lich die Leistungshöhe, also in welchem Ausmaß Hilfebedürftig-keit gegeben ist. Dabei geht es nur um die Leistungen für Un-terkunft und Heizung.

Die Regelungen des § 22 Abs. 1 SGB II legen den Schluss nahe, dass zwischen den Kosten der Unterkunft und den Kosten der Heizung differenziert werden muss. So gilt die Billigkeitsregelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nur für die Kosten der Unterkunft; für Kosten der Heizung gilt dagegen § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausnahmslos. Zwangsläufig müssen deshalb zwei verschiedene Angemessenheitsgrenzen festgelegt werden. Hinzu kommt, dass die Angemessenheit der Heizkosten in weitem Umfang eine Einzelfallbewertung erfordert, die sich vor allem an der konkret vorhandenen Wohnung auszurichten hat (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der konkreten Wohnung vgl. Senatsurteil vom 19.01.2007 - L 7 AS 184/06; Senatsbeschlüsse vom 05.12.2006 - L 7 B 735/06 AS ER, vom 12.03.2007 - L 7 B 110/07 AS ER, vom 30.04.2007 - L 7 B 59/07 AS PKH und vom 05.11.2007 - L 7 B 551/07 AS PKH). Wirft man aber Unterkunfts- und Heizkosten undifferenziert in einen Topf, wird diese Einzelfallbetrachtung bezüglich der Heizkosten beträchtlich erschwert. Die Beklagte hat sich für die Praxis entschieden, den Hilfesuchenden einen Höchstbetrag der Gesamtmiete (ohne Differenzierung nach Kostenkomponenten) vorzugeben. Dies mag sich für die Hilfesuchenden sehr oft als vorteilhaft erweisen, weil zwischen den Positionen Unterkunft und Heizung dann ein flexibler Ausgleich möglich ist. Jedoch ändert das nichts daran, dass die Gesamtbetrachtung der Beklagten nicht das gesetzlich angelegte Grundkonzept widerspiegelt. Im Streitfall kann auf eine differenzierte Betrachtung - wobei zunächst die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu beurteilen ist - nicht verzichtet werden.

Die auf diese Weise durchgeführte Berechnung ergibt, dass so-wohl die Kosten der Unterkunft als auch die Kosten der Heizung noch als angemessen zu betrachten sind. Die vom Sozialgericht in den Mittelpunkt gerückte Problematik, inwieweit unangemes-sene Kosten möglicherweise auch länger als sechs Monate akzep-tiert werden müssen (vgl. dazu Senatsurteile vom 21.04.2006 - L 7 AS 44/05 und vom 14.12.2007 - L 7 AS 162/07), stellt sich daher nicht.

1. Kosten/Leistungen für Unterkunft

Grundsätzlich sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur die an-gemessenen Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Davon macht § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II eine Ausnahme; die damit be-wirkte "Schonfrist" soll in der Regel sechs Monate nicht über-steigen. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II stellt eine Billigkeitsre-gel dar, wobei dem Hilfesuchenden ausnahmsweise für eine in der Regel höchstens sechsmonatige Übergangsfrist etwas weiter gewährt wird, worauf er nach der grundsätzlichen Konzeption des Gesetzes (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) an sich keinen Anspruch haben soll (Senatsurteile vom 13.04.2007 - L 7 AS 182/06, vom 15.06.2007 - L 7 AS 164/06 und vom 14.12.2007 - L 7 AS 162/07). Die Frist gewährt dem Hilfesuchenden Aufschub, damit dieser innerhalb vertretbarer Zeit seine Unterkunftskosten auf das angemessene Maß zu senken in der Lage ist. Solange der Hilfesuchende aber nichts von dem Umstand weiß, dass seine Unterkunftskosten zu hoch sind, müssen grundsätzlich die tatsächlichen Kosten weitergewährt werden. In der Regel verschafft der Leistungsträger dem Hilfesuchenden durch einen entsprechenden Hinweis diese Kenntnis (Senatsurteile vom 13.04.2007 - L 7 AS 182/06, vom 15.06.2007 - L 7 AS 164/06 und vom 14.12.2007 - L 7 AS 162/07).

Die Beklagte hat bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze zutreffend auf den räumlichen Bereich der Stadt A. abgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R). Aufgrund der von ihr bevorzugten Gesamtbetrachtung hat sie es jedoch versäumt zu ermitteln, ob die Kosten der Unterkunft sich isoliert noch im Rahmen des Angemessenen halten. Das ist, wie im Folgenden gezeigt wird, der Fall.

Die Prüfung gliedert sich gedanklich in drei Schritte: Zu-nächst ist abstrakt zu bestimmen, welche Beträge je nach Haus-haltsgröße in der Bezugsregion als Unterkunftskosten angemes-sen sind. Dann muss die konkrete Wohnung H.straße , A. , damit verglichen werden. Wird dabei die Unangemes-senheit festgestellt, bleibt zu klären, ob und inwieweit - vor allem wie lange - dem Kläger ein Umzug unzumutbar gewesen sein könnte; im Rahmen dessen müssen insbesondere die vorhandenen angemessenen Wohnungsalternativen herausgefiltert werden.

Was die Wohnungsgröße anbelangt, liegt die Grenze der Angemes-senheit für einen Ein-Personen-Haushalt bei 50 qm Wohnfläche (vgl. Nr. 81.1 der Wohnraumförderungsbestimmungen 2003, AllMBl. 2002 S. 971; Senatsurteile vom 13.04.2007 - L 7 AS 182/06, vom 14.09.2007 - L 7 AS 265/06 und vom 14.12.2007 - L 7 AS 162/07). Die konkrete Angemessenheitsgrenze erhält man, indem man diese Fläche mit dem Wohnstandard, der sich im Quadratmeterpreis niederschlägt, in Beziehung setzt. Bezüglich des Wohnstandards ist zu beachten, dass dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R; Senatsurteile vom 13.04.2007 - L 7 AS 182/06, vom 14.09.2007 - L 7 AS 265/06 und vom 14.12.2007 - L 7 AS 162/07). Jedoch muss der Quadratmeterpreis so bemessen sein, dass es im Regelfall bei hinreichenden Suchbemühungen möglich ist, innerhalb von sechs Monaten eine entsprechende Wohnung zu finden. Ungewöhnlich billige "Ausreißerpreise" dürfen nicht als maßgebend zur Bildung der Grenze der Angemessenheit herangezogen werden (Senatsurteil vom 14.12.2007 - L 7 AS 162/07).

Zur Berechnung des angemessenen Quadratmeterpreises bietet sich an, auf die eigene Erhebung der Beklagten (zum Mietniveau bei Leistungsempfängern ohne vorherigen Sozialhilfebezug) vom 27.06.2005 zurückzugreifen. Im Rahmen dieser Erhebung hatte sie das Mietniveau bei Leistungsempfängern ermittelt, die vor 2005 keine Sozialhilfe bezogen hatten. Das so gewonnene Ergebnis hat sie um einen 25-prozentigen Zuschlag nach oben korrigiert; diese Erhöhung soll dazu dienen, einer hohen Anzahl von Umzügen von solchen Personen vorzubeugen, die in einer unangemessenen Wohnung leben und zum Umzug aufgefordert werden müssten. Aus der Erhebung ergibt sich, dass die Beklagte selbst von einem "kalten" Quadratmeterpreis von 6,71 Euro ausgeht, was nach einer Multiplikation mit 50 qm 335,50 Euro ergibt. Der Quadratmeterpreis von 6,71 Euro lässt sich auch verifizieren. In anderen Verfahren sind dem Senat zwei Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH vorgelegt worden, die eine Auflistung von aktuell vermieteten Wohnungen samt einer Differenzierung nach Grundmiete, Betriebs- und Heizkosten verkörpern (Schreiben vom 08.01. und vom 20.07.2007, in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt). Deren Auswertung zeigt, dass 6,71 Euro/qm Grundmiete inclusive ("kalte") Betriebskosten die Verhältnisse richtig widerspiegeln.

Die "kalten" Kosten der Unterkunft, die dem Kläger tatsächlich entstehen, liegen mit 275,15 Euro monatlich (210,41 Euro + 64,74 Euro) deutlich unterhalb des angemessenen Betrags. Die Wohnung ist also nach der Produkttheorie angemessen, auch wenn sie flächenmäßig zu groß ist.

2. Kosten/Leistungen für Heizung

Auch die tatsächlichen Kosten des Klägers für Heizung müssen als angemessen betrachtet werden.

Nach dem Gesetz (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) dürfen von Anfang an nur die angemessenen Heizkosten bezahlt werden. Eine Bil-ligkeitsregel wie die des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II existiert für Heizkosten nicht.

Deren Angemessenheit darf vom Grundsatz her nicht anhand abs-trakter Kriterien, sondern muss anhand der konkret vorliegen-den Wohnung beurteilt werden (vgl. dazu die oben zitierten Entscheidungen: Senatsurteil vom 19.01.2007 - L 7 AS 184/06; Senatsbeschlüsse vom 05.12.2006 - L 7 B 735/06 AS ER, vom 12.03.2007 - L 7 B 110/07 AS ER, vom 30.04.2007 - L 7 B 59/07 AS PKH und vom 05.11.2007 - L 7 B 551/07 AS PKH). Bei einer Wohnung, die flächenbezogen die Angemessenheitsgrenzen (der Wohnraumförderungsbestimmungen 2003) einhält, können die Heiz-kosten im Regelfall nur dann unangemessen sein, wenn konkret unwirtschaftliches Heizverhalten nachgewiesen wird (vgl. zu extremen Ausnahmefällen, in denen ein schlechter baulicher Zu-stand allein zu exorbitanten Heizkosten führt, Senatsbeschluss vom 05.11.2007 - L 7 B 551/07 AS PKH). Mit Pauschalen oder Durchschnittswerten darf im Prinzip nicht operiert werden. Diese relative Betrachtung, die den baulichen Zustand der konkreten Wohnung zum entscheidenden Maßstab macht, stößt aber mitunter an Grenzen. Das gilt unter anderem für die hier vorliegende Konstellation, dass die Wohnung von der Fläche her zu groß ist, unabhängig davon, ob nach der Produkttheorie die Angemessenheit noch zu bejahen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 05.12.2006 - L 7 B 735/06 AS ER und vom 05.11.2007 - L 7 B 551/07 AS PKH). Es sind verschiedene Wege denkbar, wie unter diesen Umständen die angemessenen Heizkosten berechnet werden können (Senatsurteil vom 14.12.2007 - L 7 AS 162/07):

(a) Zunächst könnte darauf abgestellt werden, welchen Anteil die Heizkosten an den Gesamtmieten durchschnittlich in der betreffenden konkreten Wohngemeinde/Region ausmachen; diesen könnte man dann auf den jeweiligen Einzelfall übertragen. (b) Vorstellbar wäre auch, die tatsächlichen Heizkosten in Relation zum "Flächenüberhang" der Wohnung zu berechnen; die konkret anfallenden tatsächlichen Heizkosten werden um den Faktor gekürzt, den die Wohnung zu groß ist. (c) Sofern vorhanden, böte es sich an, von den Behörden errechnete Heizkosten-Durchschnittswerte pro Quadratmeter mit der jeweils angemessenen Wohnfläche zu multiplizieren.

Der Senat wendet im vorliegenden Fall Methode (b) an. Für die konkrete Berechnung muss das, was die Gastherme an Strom ver-braucht, noch den Heizkosten zugeschlagen werden. Nach Abzug von einem Sechstel für die Warmwasseraufbereitung (dagegen Sächsisches LSG, Urteil vom 29.03.2007 - L 3 AS 101/06) erge-ben sich 71,58 Euro als relevante monatliche Heizkosten (56,66 Euro für Heizung/Gas, 14,92 Euro für Gastherme-Strom). Da die Wohnung aber mit 66,45 qm zu groß ist, wird dieser Wert mit dem Faktor 50/66,45, also dem Maß des "Zu-groß-Seins" der Wohnung, multipliziert; das wiederum ergibt 53,86 Euro.

Anders als verschiedene Sozialgerichte ist der Senat nicht der Meinung, dass man sich bei den Heizkosten im Hinblick auf die Angemessenheit der Wohnfläche an den Verhältnissen des Vermö-gensschutzes zu orientieren hat. Die in die Berechnung einzu-stellende angemessene Wohnfläche beträgt daher 50 qm und nicht 80 qm wie bei der Frage der Angemessenheit im Sinn von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R, RdNr. 22 des Umdrucks). Das diesbezüglich ins Felde geführte Argument, dass das, was nicht als Vermögen zu verwerten ist, auch beheizt werden können muss, überzeugt nicht. Denn bei der hier vorliegenden Problematik geht es nicht darum, dass der Staat dem Hilfeempfänger etwas, was dieser erworben hat, wegnimmt oder belässt. Vom Staat würde auf diese Weise vielmehr abverlangt, dem Hilfeempfänger vorher noch nicht vorhandene Rechtspositionen erst einräumen, nur damit dieser faktisch in der Lage ist, sein Vermögen zu erhalten (vgl. Senatsurteil vom 13.04.2007 - L 7 AS 182/06). Zudem er-schiene es nur schwer vermittelbar, wenn die Angemessenheit der Unterkunftskosten anhand anderer flächenbezogener Maßstäbe zu beurteilen wäre als die der Heizkosten.

Das Ergebnis ist, dass die tatsächlichen Kosten für Heizung isoliert betrachtet zu hoch sind, wenn auch nur deswegen, weil die Wohnung des Klägers von der Wohnfläche her zu groß ist. Addiert liegen die gesamten tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (275,15 Euro + 71,58 Euro = 346,73 Euro) dagegen unter den angemessenen (335,50 Euro + 53,86 Euro = 389,36 Euro). Der Senat ist der Ansicht, dass die Kostenbestandteile Unterkunft und Heizung an dieser Stelle einer Ge-samtbetrachtung zu unterziehen sind: Dem Kläger muss zugestan-den werden, das "Polster", das er sich durch besonders niedri-ge Kosten der Unterkunft geschaffen hat, durch höhere Heizkos-ten aufzuzehren. Die Beklagte vertritt dagegen die Ansicht, es sei inkonsequent, an dieser Stelle der Leistungsberechnung von der vorher praktizierten differenzierten Berechnung abzuwei-chen. Nach dem vom Senat vertretenen Standpunkt, dass bei der Berechnung zwischen Unterkunfts- und Heizkosten klar zu tren-nen sei, müsse man die jeweilige Angemessenheitsgrenze iso-liert zur Anwendung bringen. Im vorliegenden Fall seien als Kosten der Unterkunft die tatsächlich entstandenen in Höhe von 275,15 Euro anzuerkennen, als Heizkosten jedoch nur die ange-messenen in Höhe von 53,86 Euro. Das ergebe monatliche Gesamt-kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 329,01 Euro, was sogar unter dem von der Beklagten zugestandenen Betrag von 335,64 Euro liege.

Der Senat teilt die Ansicht der Beklagten nicht. Zum Einen vermag er keine Systemwidrigkeit darin zu erkennen, dass er grundsätzlich eine nach Unterkunfts- und Heizkosten differen-zierte Berechnung für richtig hält, es dann aber zulassen will, "Ersparnisse" bei den Unterkunftskosten zur Kompensation überhöhter Heizkosten einzusetzen. Vielmehr schließt das eine das andere nicht aus. Ein Indiz dafür mag sein, dass es das Bundessozialgericht ablehnt, Leistungen für Unterkunft einer-seits und Leistungen für Heizung andererseits als eigenständi-ge Streitgegenstände im gerichtlichen Verfahren zuzulassen (Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R). Hinzu kommt, dass günstigere "kalte Kosten" wegen der schlechteren Wohnungsqua-lität zumeist mit erhöhten Heizkosten einhergehen. Von daher erschiene die "Rosinentheorie" der Beklagten - sie will je-weils nur die billigsten Komponenten heranziehen - wenig pra-xisgerecht.

3. Gesamtergebnis

Festzuhalten ist, dass die vom Sozialgericht ausgesprochene Verurteilung, soweit sie den Zeitraum September/Oktober 2006 betrifft, im Ergebnis richtig ist. Da der Senat nicht von geringeren Kosten der Unterkunft und Heizung ausgeht als das Sozialgericht, erübrigt es sich, auf das vom Kläger aufgeworfene Problem einzugehen, ob zu den Kosten der Unterkunft und Heizung möglicherweise eine höherer Stromkostenanteil gehört.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde zugelassen, weil für den Problemkomplex der Heizkosten eine höchstricherliche Klärung noch aussteht.
Rechtskraft
Aus
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