L 7 AS 256/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 AS 213/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 256/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 21/07 AR
Datum
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch die Rücknahme vom 27. Juli 2007 erledigt ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weiterbewilligung von Einstiegsgeld (ESG) und die Anfechtung der Rücknahme der Berufung streitig.

Die 1945 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II. Mit Bescheid vom 18.03.2005 bewilligte die Beklagte zusätzlich für die Zeit vom 25.01. bis 24.07.2005 ESG in Höhe von monatlich 172,50 EUR.

Den Fortzahlungsantrag vom 06.06.2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.07.2005, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25.01.2006, ab. Die hiergegen erhobene Klage S 42 AS 213/06 hat das Sozialgericht München (SG) mit Urteil vom 14.11.2006 abgewiesen. Die Prognoseentscheidung der Beklagten über den zukünftigen Maßnahmeerfolg sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe auf die bisherige Geschäftsentwicklung im ersten Jahr sowie die Entwicklung des Geschäftes in absehbarer Zeit abgestellt. Die Klägerin habe in den ersten zwölf Monaten ihrer selbständigen Tätigkeit nur in sechs Monaten überhaupt Einnahmen erzielt. Die Einschätzung, dass in absehbarer Zeit keine positive Entwicklung des Geschäfts der Klägerin zu erwarten sei, sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie verhandle derzeit mit Internet-Providern und werde versuchen, mit einer eigenen Website im Internet Umsatz zu machen.

In der mündlichen Verhandlung am 27.07.2007 hat sie zu Protokoll den Antrag bei der Beklagten gestellt, ihr erneut ESG für die Zukunft zu bewilligen, weil sie Aussicht habe, ein Online-Versandgeschäft über das Internet aufzubauen. Anschließend hat sie erklärt: "Ich nehme die Berufung zurück." Die Vertreterin der Beklagten hat zugesagt, der Klägerin die entsprechenden Antragsformulare zuzusenden.

Mit einem am 14.08.2007 eingegangenen Schreiben hat die Klägerin die "Wiederaufnahme" des Verfahrens beantragt. Statt ihr die Antragsformulare zuzusenden, habe die Beklagte sie zur Vorsprache für den 16. und 22.08.2007 eingeladen. Gleichzeitig hat sie ein Schreiben der Beklagten vom 09.08.2007 vorgelegt, mit dem ihr der Antrag auf ESG rückwirkend ab 27.07.2007 übersandt worden ist. Weiterhin führt die Beklagte in diesem Schreiben aus, man habe eine Einladung zum 22.08.2007 zugesandt; in diesem Gespräch möchte man die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährung von ESG erläutern.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 14.11.2006 und des Bescheides vom 21.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2006 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 06.06.2005 Einstiegsgeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, festzustellen, dass die Berufung durch Rücknahme erledigt ist, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Unmittelbar nach den Terminen 27.07.2007 seien die entsprechenden Formulare an die Klägerin versandt worden. Diese habe bei der persönlichen Vorsprache am 22.08.2007 die ausgefüllten Antragsformulare vollständig selbst abgegeben. Der Vorgang sei somit in Bearbeitung, die eine angemessene Zeit in Anspruch werde.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gegen das Urteil vom 14.11.2006 eingelegte Berufung war zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) lag nicht vor.

Eine Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch, nämlich die Weiterbewilligung von ESG über den 24.07.2005 hinaus, ist dem Senat verwehrt, weil die Klägerin die Berufung am 27.07.2007 zurückgenommen hat. Die diesbezügliche Erklärung ist eindeutig; sie wurde zu Protokoll genommen, der Klägerin vorgelesen und von ihr genehmigt.

Die Zurücknahme der Berufung bewirkt gemäß § 156 Abs.2 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels.

Die Erklärung der Berufungsrücknahme ist eine Prozesshandlung, die grundsätzlich nicht angefochten oder widerrufen werden kann. Gründe für eine Anfechtung nach den §§ 119, 123 BGB liegen zudem nicht vor und werden auch nicht geltend gemacht. Die Klägerin behauptet selbst nicht, eine Erklärung dieses Inhalts in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2007 nicht abgegeben zu haben bzw., dass sie eine solche Erklärung nicht habe abgeben wollen.

Ausnahmsweise kommt eine Anfechtung bzw. ein Widerruf allenfalls in Betracht, wenn im Falle eines ergangenen rechtskräftigen Urteils die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 179 Abs.1 SGG i.V.m. §§ 579, 580 ZPO gegeben wären. Jedoch liegen auch die diesbezüglichen Voraussetzungen hier nicht vor und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Anlass für den Antrag auf "Wiederaufnahme" des Verfahrens war für die Klägerin die Tatsache, dass sie von der Beklagten zu Vorsprachen für den 16. und 22.08.2007 eingeladen wurde. Dies ist jedoch kein Grund, der Anlass geben könnte, an der Wirksamkeit der Berufungsrücknahme zu zweifeln. Zum Einen ist die Klägerin schon als Bezieherin von Alg II gemäß § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III verpflichtet, sich bei der Beklagten zu melden, wenn sie dazu aufgefordert wird. Zum Anderen diente die Vorladung, der die Klägerin am 22.08.2007 schließlich auch nachgekommen ist, offensichtlich gerade dazu, mit ihr die Voraussetzungen für die Bewilligung des ESG aufgrund des Antrages vom 27.07.2007 zu erörtern. Dies liegt gerade im objektiven Interesse der Klägerin, da dadurch die Bearbeitung des Antrages beschleunigt werden kann. Jedenfalls kann aus diesem Vorgang kein Grund abgeleitet werden, aufgrund dessen die Rücknahme der Berufung und die dadurch eingetretene Bestandskraft der Ablehnung einer Weiterbewilligung ab 25.07.2005 rückgängig gemacht werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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