Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 127 AS 20649/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 282/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2007 aufgehoben. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit ab dem 31. August 2007 bis zu einer Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II) zu erbringen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht abgelehnt, auf den am 31. August 2007 bei ihm eingegangenen Antrag hin den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.
Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gegeben.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch SGB II -. Der mittlerweile 26 Jahre alte Antragsteller hat vorgetragen, dass er seit August 2005 seinen Aufenthalt in Deutschland hat und hilfebedürftig ist. Es gibt keine Anhaltspunkte, an dem Wahrheitsgehalt dieser Angaben oder daran zu zweifeln, dass der Antragsteller erwerbsfähig ist. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erscheinen damit als erfüllt.
Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts steht die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wonach ausgenommen (von der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II) Ausländer sind, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, einer Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Anzuwenden ist § 7 SGB II in der ab dem 28. August 2007 geltenden Fassung der Vorschrift, die indessen für Unionsbürger nach dem dritten Monat ihres Aufenthaltes keine Änderung gegenüber der vorigen Rechtslage beinhaltet (vgl. BT-Drucks. 16/5065 S. 234).
Zwar spricht einiges dafür, dass dem Antragsteller ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche zukommt. Da er italienischer Staatsangehöriger ist, findet auf ihn das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG-EU) Anwendung. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich als Arbeitnehmer oder zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass sich der Arbeitnehmerbegriff in § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU am Europäischen Recht orientiert und auch (im Sinne des deutschen Sozialversicherungsrechts) geringfügige Beschäftigungen umfasst, sofern sie nicht nur völlig untergeordnete und unwesentliche Bedeutung haben (Beschluss vom 14. November 2006 – L 14 B 963/06 AS ER ). Das ist nach dem bereits zitierten Beschluss zumindest dann nicht der Fall, wenn die Tätigkeit einen Umfang von wöchentlich 10 Stunden aufweist und tariflich entlohnt wird. Vorliegend hat der Antragsteller zwar einen Arbeitsvertrag über 10 Stunden wöchentlich geschlossen, tatsächlich aber regelmäßig weniger gearbeitet, wie sich aus den von ihm vorgelegten Lohnabrechnungen ergibt. Indessen kann dahingestellt bleiben, ob gleichwohl auch die vom Antragsteller nach seinen Angaben in dem Zeitraum vom 15. Juli 2007 bis Anfang Dezember 2007 ausgeübte Aushilfstätigkeit in einer Bäckerei noch die Eigenschaft eines Arbeitnehmers im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU begründet. Denn den sich daraus ergebenden Arbeitnehmerstatus hätte der Antragsteller jedenfalls mit Aufgabe der Tätigkeit im Dezember 2007 verloren. Gegen die Anwendung des § 2 Abs. 3 FreizügG-EU, wonach bei unfreiwilliger durch die Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung der Arbeitnehmerstatus für die Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt, spricht, dass der Antragsteller sich offenbar bei der Agentur für Arbeit nicht arbeitsuchend gemeldet hat. Dazu ist jedenfalls trotz Nachfrage des Senats zu den Bemühungen um Arbeit nichts vorgetragen worden. Ob die Beantragung von Leistungen beim JobCenter ausreicht, kann offen bleiben.
Es ist nämlich fraglich, ob der Antragsteller als Arbeitsuchender dauerhaft von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden darf. Der Senat verweist insoweit auf beachtliche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, wonach die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform dahingehend eingeschränkt ausgelegt werden muss, dass sie für Bürger der Europäischen Union nur gilt, wenn diese bereits zur Ausreise aufgefordert worden sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 - L 19 B 116/07 AS ER - ; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 17, 24, 25; Schreiber, info also 2008, 7/8; offen gelassen im Beschluss des erkennenden Senats vom 14. November 2006 – L 14 B 963/06 AS ER -, anderer Ansicht dagegen Hessisches LSG, Beschluss v. 13. September 2007 – L 9 AS 44/07 ER -). Hintergrund dieser einschränkenden Auslegung ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach sich aus Art. 12 des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft (EGV) ergibt, dass ein Unionsbürger, der sich rechtmäßig in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union aufhält, nicht vom Bezug von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen werden darf, und dass allein der Bezug von Sozialhilfe nicht regelmäßig zur Beendigung des Aufenthaltes führen darf (Urteil v. 7. September 2004 - C-456/02 – Trojani). Da nach der deutschen Gesetzgebung schon die Fortdauer der Arbeitsuche, welche der Antragsteller durch seine entsprechenden Angaben in dem vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht hat, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU ein Aufenthaltsrecht begründet – was im Übrigen auch durch die erteilte Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG belegt wird – darf der Antragsteller nach der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht wegen seiner Staatsangehörigkeit von dem Bezug von Sozialleistungen ausgeschlossen werden. Die Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Richtlinie soll die Arbeitsuche zwar ausreichen, um ein dauerndes Aufenthaltsrecht zu begründen (Artikel 14 Abs. 4 Buchst. b.), aber keine Verpflichtung bestehen, den betroffenen Personen auch Sozialhilfeleistungen zu gewähren (Art. 24 Abs. 2). Da der EG-Vertrag als Primärrecht indessen höherrangiger ist als eine auf seiner Grundlage erlassene Richtlinie (vgl. nur Oppermann, Europarecht, 3. Aufl., § 6 Rdnr. 116), können die sich aus Art. 12 EGV ergebenden Rechte nicht durch eine Richtlinie geschmälert werden. Auch der Hinweis des Sozialgerichts auf das fiskalisches Interesse an der Beschränkung von Leistungen, das einen objektiven Grund für eine Ungleichbehandlung abgeben soll, überzeugt nicht, weil mit der Beschränkung von Sozialleistungen auf Inländer gerade kein von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängiger Zweck verfolgt wird und deswegen die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung fraglich ist (Schreiber, info also 2008, 7). Im Übrigen wird auch aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (v. 11. Dezember 1953), das sowohl von der Bundesrepublik Deutschland als auch von Italien ratifiziert wurde, hergeleitet, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht auf die Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates des Abkommens angewandt werden kann (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Januar 2008 – L 8 SO 88/07 ER - ).
Entsprechend den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts über den vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. Beschluss v. 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -) reichen die Zweifel an der Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf den vorliegenden Sachverhalt aus, um über den Weg der Folgenabwägung die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Es kann nicht mit Sicherheit verneint werden, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erfüllt. In dem noch anhängigen Hauptsacheverfahren wird Gelegenheit sein, das Vorliegen von Bedürftigkeit und den Fortbestand der Arbeitsuche weiter aufzuklären und gegebenenfalls eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes nach Art. 234 EGV über die Auslegung von Art. 12 EGV einzuholen.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts auf die Beschwerde des Antragstellers hin aufzuheben und die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Diese bezieht sich – entsprechend der Antragstellung - nur auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und nicht auch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Sie ist beschränkt bis zu einer Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache. Bei einer Veränderung der zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände (Bedürftigkeit, Arbeitsuche) kann aber schon vorher bei dem Gericht der Hauptsache eine Änderung dieser Anordnung begehrt werden (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 86b Rdnr. 45).
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht abgelehnt, auf den am 31. August 2007 bei ihm eingegangenen Antrag hin den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.
Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gegeben.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch SGB II -. Der mittlerweile 26 Jahre alte Antragsteller hat vorgetragen, dass er seit August 2005 seinen Aufenthalt in Deutschland hat und hilfebedürftig ist. Es gibt keine Anhaltspunkte, an dem Wahrheitsgehalt dieser Angaben oder daran zu zweifeln, dass der Antragsteller erwerbsfähig ist. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erscheinen damit als erfüllt.
Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts steht die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wonach ausgenommen (von der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II) Ausländer sind, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, einer Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Anzuwenden ist § 7 SGB II in der ab dem 28. August 2007 geltenden Fassung der Vorschrift, die indessen für Unionsbürger nach dem dritten Monat ihres Aufenthaltes keine Änderung gegenüber der vorigen Rechtslage beinhaltet (vgl. BT-Drucks. 16/5065 S. 234).
Zwar spricht einiges dafür, dass dem Antragsteller ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche zukommt. Da er italienischer Staatsangehöriger ist, findet auf ihn das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG-EU) Anwendung. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich als Arbeitnehmer oder zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass sich der Arbeitnehmerbegriff in § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU am Europäischen Recht orientiert und auch (im Sinne des deutschen Sozialversicherungsrechts) geringfügige Beschäftigungen umfasst, sofern sie nicht nur völlig untergeordnete und unwesentliche Bedeutung haben (Beschluss vom 14. November 2006 – L 14 B 963/06 AS ER ). Das ist nach dem bereits zitierten Beschluss zumindest dann nicht der Fall, wenn die Tätigkeit einen Umfang von wöchentlich 10 Stunden aufweist und tariflich entlohnt wird. Vorliegend hat der Antragsteller zwar einen Arbeitsvertrag über 10 Stunden wöchentlich geschlossen, tatsächlich aber regelmäßig weniger gearbeitet, wie sich aus den von ihm vorgelegten Lohnabrechnungen ergibt. Indessen kann dahingestellt bleiben, ob gleichwohl auch die vom Antragsteller nach seinen Angaben in dem Zeitraum vom 15. Juli 2007 bis Anfang Dezember 2007 ausgeübte Aushilfstätigkeit in einer Bäckerei noch die Eigenschaft eines Arbeitnehmers im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU begründet. Denn den sich daraus ergebenden Arbeitnehmerstatus hätte der Antragsteller jedenfalls mit Aufgabe der Tätigkeit im Dezember 2007 verloren. Gegen die Anwendung des § 2 Abs. 3 FreizügG-EU, wonach bei unfreiwilliger durch die Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung der Arbeitnehmerstatus für die Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt, spricht, dass der Antragsteller sich offenbar bei der Agentur für Arbeit nicht arbeitsuchend gemeldet hat. Dazu ist jedenfalls trotz Nachfrage des Senats zu den Bemühungen um Arbeit nichts vorgetragen worden. Ob die Beantragung von Leistungen beim JobCenter ausreicht, kann offen bleiben.
Es ist nämlich fraglich, ob der Antragsteller als Arbeitsuchender dauerhaft von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden darf. Der Senat verweist insoweit auf beachtliche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, wonach die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform dahingehend eingeschränkt ausgelegt werden muss, dass sie für Bürger der Europäischen Union nur gilt, wenn diese bereits zur Ausreise aufgefordert worden sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 - L 19 B 116/07 AS ER - ; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 17, 24, 25; Schreiber, info also 2008, 7/8; offen gelassen im Beschluss des erkennenden Senats vom 14. November 2006 – L 14 B 963/06 AS ER -, anderer Ansicht dagegen Hessisches LSG, Beschluss v. 13. September 2007 – L 9 AS 44/07 ER -). Hintergrund dieser einschränkenden Auslegung ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach sich aus Art. 12 des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft (EGV) ergibt, dass ein Unionsbürger, der sich rechtmäßig in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union aufhält, nicht vom Bezug von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen werden darf, und dass allein der Bezug von Sozialhilfe nicht regelmäßig zur Beendigung des Aufenthaltes führen darf (Urteil v. 7. September 2004 - C-456/02 – Trojani). Da nach der deutschen Gesetzgebung schon die Fortdauer der Arbeitsuche, welche der Antragsteller durch seine entsprechenden Angaben in dem vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht hat, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG-EU ein Aufenthaltsrecht begründet – was im Übrigen auch durch die erteilte Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG belegt wird – darf der Antragsteller nach der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht wegen seiner Staatsangehörigkeit von dem Bezug von Sozialleistungen ausgeschlossen werden. Die Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Richtlinie soll die Arbeitsuche zwar ausreichen, um ein dauerndes Aufenthaltsrecht zu begründen (Artikel 14 Abs. 4 Buchst. b.), aber keine Verpflichtung bestehen, den betroffenen Personen auch Sozialhilfeleistungen zu gewähren (Art. 24 Abs. 2). Da der EG-Vertrag als Primärrecht indessen höherrangiger ist als eine auf seiner Grundlage erlassene Richtlinie (vgl. nur Oppermann, Europarecht, 3. Aufl., § 6 Rdnr. 116), können die sich aus Art. 12 EGV ergebenden Rechte nicht durch eine Richtlinie geschmälert werden. Auch der Hinweis des Sozialgerichts auf das fiskalisches Interesse an der Beschränkung von Leistungen, das einen objektiven Grund für eine Ungleichbehandlung abgeben soll, überzeugt nicht, weil mit der Beschränkung von Sozialleistungen auf Inländer gerade kein von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängiger Zweck verfolgt wird und deswegen die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung fraglich ist (Schreiber, info also 2008, 7). Im Übrigen wird auch aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (v. 11. Dezember 1953), das sowohl von der Bundesrepublik Deutschland als auch von Italien ratifiziert wurde, hergeleitet, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht auf die Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates des Abkommens angewandt werden kann (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Januar 2008 – L 8 SO 88/07 ER - ).
Entsprechend den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts über den vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. Beschluss v. 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -) reichen die Zweifel an der Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf den vorliegenden Sachverhalt aus, um über den Weg der Folgenabwägung die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Es kann nicht mit Sicherheit verneint werden, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erfüllt. In dem noch anhängigen Hauptsacheverfahren wird Gelegenheit sein, das Vorliegen von Bedürftigkeit und den Fortbestand der Arbeitsuche weiter aufzuklären und gegebenenfalls eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes nach Art. 234 EGV über die Auslegung von Art. 12 EGV einzuholen.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts auf die Beschwerde des Antragstellers hin aufzuheben und die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Diese bezieht sich – entsprechend der Antragstellung - nur auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und nicht auch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Sie ist beschränkt bis zu einer Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache. Bei einer Veränderung der zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände (Bedürftigkeit, Arbeitsuche) kann aber schon vorher bei dem Gericht der Hauptsache eine Änderung dieser Anordnung begehrt werden (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 86b Rdnr. 45).
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved