Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 163/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1656/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Februar 2008 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers zu 1 gegen den Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 (S 9 AS 164/08) wird angeordnet, soweit die Leistungsbewilligung für die Zeit ab 1. Januar 2008 zurückgenommen wurde. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu 1 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 312,00 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2008 auszuzahlen. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin zu 2 einstweilen für die Zeit vom 15. Januar bis 31. März 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 312,00 Euro monatlich - für den Monat Januar 2008 anteilig - zu gewähren.
Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1 in beiden Rechtszügen zu drei Vierteln, diejenigen der Antragstellerin zu 2 zu drei Fünfteln zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ab 23. April 2008 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt B., Stuttgart beigeordnet.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtesgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden der Antragsteller sind zulässig. Dies gilt nicht nur für das Rechtsmittel des Antragstellers zu 1, sondern auch für das der Antragstellerin zu 2, die im Beschwerdeverfahren als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ihre Beteiligung am Verfahren erklärt hat (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; ferner Senatsbeschlüsse vom 21. Juli 2006 - L 7 AS 2129/06 ER-B - (juris) sowie vom 16. August 2007 - L 7 AS 3646/07 ER-B -). Die Antragstellerin zu 2 ist durch den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 19. Februar 2008 ebenfalls beschwert, obgleich sie im Rubrum des Beschlusses und in den Gründen nicht genannt ist. Das SG hätte bei sachdienlicher Auslegung der gestellten Anträge (vgl. § 123 SGG) auch die Antragstellerin zu 2 von Anfang an in das Verfahren einbeziehen müssen; schon in der Begründung des zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 15. Januar 2008 gestellten einstweiligen Rechtsschutzbegehrens hatte der Antragsteller zu 1 nicht nur seine, sondern auch die Hilfebedürftigkeit seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 2, ferner sinngemäß seine Bevollmächtigung durch diese (§ 73 Abs. 2 Satz 2 SGG) geltend gemacht. Der Senat ist auch sonst an einer Sachentscheidung nicht gehindert, obgleich das SG im Beschluss vom 28. März 2008 allein dem Rechtsmittel des Antragstellers zu 1 nicht abgeholfen hat (vgl. § 174 Satz 1 1. Halbs. SGG a.F.); diese Entscheidung reicht indes aus, weil das SG auch das Beschwerdebegehren unzutreffend ausgelegt hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 28. März 2008 - L 7 AS 1214/07 ER-B - (juris) und vom 16. August 2007 a.a.O.). Die Beschwerden der Antragstellers sind jedoch nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die Anträge nach § 86b Abs. 1 und 2 SGG sind auch schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Prozessrechtliche Grundlage für den vom Antragsteller zu 1 begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist, was das SG übersehen hat, die Bestimmung des § 86b Abs. 1 SGG, während die Antragstellerin zu 2 vorläufigen Rechtsschutz über die einstweilige Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) zu suchen hat. Denn der - in die durch die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. März 2008 (Bescheid vom 8. November 2007) erlangte Rechtsposition eingreifende - Rücknahmebescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 war nur an den Antragsteller zu 1 gerichtet und, wie unter 1.) noch ausgeführt wird, allein für ihn bestimmt (§ 39 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)), während eine Rücknahmeentscheidung gegenüber der Antragstellerin zu 2, obgleich von der Antragsgegnerin bereits angekündigt, noch nicht ergangen ist und damit der Bewilligungsbescheid vom 8. November 2007 ihr gegenüber weiterhin Bestand hat. Demgegenüber war der vom SG angenommene Rechtsbehelf der einstweiligen Anordnung beim Antragsteller zu 1 nicht statthaft, weil in Anfechtungssachen - wie hier die gegen den Bescheid vom 23. November 2007 (Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008) gerichtete Klage zum SG (S 9 AS 164/08) - die Regelung des § 86b Abs. 1 SGG vorrangig ist. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist der vom Antragsteller zu 1 am 15. Januar 2008 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gestellte Antrag indes ebenfalls sachdienlich auszulegen, um dem erkennbar gewordenen Rechtsschutzziel zum Erfolg zu verhelfen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2006 - L 7 SO 3313/06 ER-B - (juris; LS in NZS 2007, 224) und vom 16. August 2007 a.a.O.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 8; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, § 80 Rdnr. 68, § 123 Rdnr. 49). Da der Klage des Antragstellers zu 1 gegen den Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II; ferner Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 39 Rdnr. 12), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur gerichtlichen Korrektur die Regelung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG heranzuziehen; hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend geht es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, nachdem dieser Rechtsbehelf vom Antragsteller zu 1 bereits am 15. Januar 2008, und damit rechtzeitig, erhoben worden ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 16. April 2008 - L 7 AS 1398/08 ER-B - (juris)). Die vom Antragsteller zu 1 ferner sinngemäß begehrte Auszahlung der Leistungen kann über den unselbstständigen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch des § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG erreicht werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2006 und 16. April 2008 a.a.O.; Krodel, a.a.O. Rdnr. 179; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 10).
1.) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung verlangt der Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 und 17. August 2005 a.a.O.; Binder in Lüdtke u.a., SGG, 2. Auflage, § 86b Rdnr. 33; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., §123 Rdnr. 62; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 1245). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 259 ).
Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen bei der Antragstellerin zu 2 für die Zeit vom 15. Januar 2008 (Tag der Antragstellung) bis 31. März 2008 vor. Insoweit ist sowohl ein Anordnungsanspruch als ein Anordnungsgrund gegeben. Die Antragstellerin zu 2 ist aus dem Bewilligungsbescheid vom 8. November 2007 unmittelbar berechtigt, die dort gewährten Leistungen in Anspruch zu nehmen. Eine Rücknahmeentscheidung ihr gegenüber lässt sich dem Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 nicht entnehmen; dies räumt die Antragsgegnerin mittlerweile indirekt selbst ein. Die vorgenannten Bescheide sind allein an den Antragsteller zu 1 als Adressaten gerichtet. Ansprüche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sind jedoch Individualansprüche der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, Leistungen dürfen daher nicht der Bedarfsgemeinschaft als solcher gewährt werden, sondern nur den jeweiligen Mitgliedern (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; ferner Senatsbeschlüsse vom 21. Juli 2006 und 16. August 2007 a.a.O.). Umgekehrt muss auch die Aufhebung oder Rücknahme der Bewilligung gegenüber jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfolgen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2007 a.a.O.; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2006 - L 5 B 549/06 AS ER - info also 2006, 268; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 515 f.; Gerlach, ZFF 2007, 121, 127; Schwabe ZFF 2006, 145, 150). Der Antragsgegner hat indes die auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme der Leistungsbewilligung allein dem Antragsteller zu 1 gegenüber vorgenommen und ihn so behandelt, als hätte ihm der Anspruch allein zugestanden. Im Wege der Auslegung ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungsbewilligung im Bescheid vom 23. November 2007 auch der Antragstellerin zu 2 gegenüber zurückgenommen werden sollte; denn dort ist in der Anrede allein der Antragsteller zu 1 angesprochen, nur ihm gegenüber wird im Verfügungssatz verlautbart, dass "die Entscheidung über die Bewilligung ab dem 01.12.2007 ( ...) ganz zurückgenommen" werde, während die Antragstellerin zu 2 lediglich in der Begründung des Bescheids bezüglich der dort verneinten Hilfebedürftigkeit beider auftaucht. Da es an einer Rücknahmeentscheidung gegenüber der Antragstellerin zu 2 fehlt, bedarf es eines näheren Eingehens auf die Vertretungsregelung des § 38 SGB II nicht. Diese normiert freilich lediglich eine gesetzliche Vermutung hinsichtlich der Bevollmächtigung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, Leistungen nach dem SGB II auch für eine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Person zu beantragen und entgegenzunehmen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 Rdnr. 29); eine weitergehende Rechtswirkung ist der Bestimmung schon nach ihrem Wortlaut nicht zu entnehmen, sodass sich über diese Vorschrift eine Empfangsbevollmächtigung nicht fingieren lässt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2007 a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2006 - a.a.O.; Udsching/Link, a.a.O.; Gerlach, a.a.O.; Schwabe, a.a.O.).
Es besteht im Rahmen der existenzsichernden Leistungen des SGB II auch ein Anordnungsgrund. In diesem Zusammenhang kommt dem verfassungsrechtlichen Gebot der Menschenwürde besondere Bedeutung zu (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Januar 2006 - L 7 AS 108/06 ER-B - (juris) und vom 16. August 2007 a.a.O.).
Für die aufgrund des Tags der Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz maßgebliche Zeit ab 15. Januar 2008 ist die Antragsgegnerin sonach einstweilen verpflichtet, der Antragstellerin zu 2 die bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums am 31. März 2008 bewilligten Leistungen zu gewähren. Insoweit war ihrem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen, nicht jedoch für die bis zur Antragstellung verstrichene Zeit.
2.) Der Senat hat ferner dem bereits erstinstanzlich sinngemäß gestellten Antrag des Antragstellers zu 1 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung teilweise, und zwar für die Zeit ab 1. Januar 2008, stattgegeben. Da § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG selbst keinen Maßstab vorgibt, wann die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, ist diese Lücke durch eine entsprechende Anwendung des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu schließen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. April 2008 a.a.O.). Erforderlich ist mithin eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Senatsbeschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris)). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs; dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, a.a.O., Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, sodass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. April 2006 -, 16. August 2007 und 16. April 2008 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 8. April 2008 - L 7 AS 1161/08 ER-B -).
Unter Beachtung dieser Grundsätze vermag der Senat die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs - nämlich die sinngemäß nach § 54 Abs. 1 SGG erhobene Anfechtungsklage des Antragstellers zu 1 gegen den Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 - nicht hinreichend zu beurteilen. Zwar war die ihm gegenüber ergangene Rücknahmeentscheidung hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X); indessen erscheint die vom Antragsteller erhobene Klage zum SG (S 9 AS 164/08) gegenwärtig weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet. Die Antragsgegnerin hat die im Klageverfahren angefochtenen Bescheide auf die fehlende Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu 1 und seiner Ehefrau (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 und 2 SGB II) gestützt. Ob sie deshalb dem Antragsteller zu 1 materiell-rechtlich zu Unrecht ab 1. Oktober 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 312,00 Euro monatlich (vgl. hierzu § 20 Abs. 3 SGB II i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Zeit ab 1. Juli 2007 vom 18. Juli 2007 (BGBl. I S. 1139)) bewilligt hatte und sie ferner zu der nach § 45 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch) verfügten kassatorischen Entscheidung berechtigt war, bedarf indessen einer weiteren Abklärung sowie ggf. Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren, wobei zu beachten ist, dass die objektive Beweislast insoweit grundsätzlich bei der Antragsgegnerin liegt (vgl. BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1 S. 11), allerdings umgekehrt sein kann, wenn in der Sphäre des Leistungsempfängers liegende Vorgänge nicht aufklärbar sind (vgl. BSG SozR 4-4200 § 6 Nr. 4). Hier könnte für eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu 1 sprechen, dass nach den am 21. Mai 2008 dem Senat vorgelegten Erklärungen verschiedener Freunde und Bekannter jedenfalls ab Januar 2008 zunehmend Unterstützungsleistungen von diesen Personen - im April 2008 auch vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart - in Anspruch genommen worden sind, zudem bereits seit Februar 2008 die Wohnungsmiete nicht mehr gezahlt worden ist (vgl. Schreiben der Vermieter des Antragstellers zu 1 vom 11. April 2008) und auch die von den Energieversorgungsbetrieben der Stadt Heilbronn geforderten Abfallgebühren bislang nicht bezahlt worden sind (vgl. Mahnung vom 11. April 2008). Andererseits hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass die Einzahlungen auf die Konten des Sohnes der Antragsteller in Höhe von 5.000,00 Euro, 1.000,00 Euro, 4.500 Euro und 5.500,00 Euro bis heute nicht plausibel erklärt und belegt sein dürften. Hinzukommt, dass der Antragsteller zu 1 jedenfalls in der Zeit vom 10. bis 30. Dezember 2007 in Tunesien war, wobei er gegenüber der Antragsgegnerin am 2. Januar 2008 angegeben hat, sich dort "selbst verpflegt" zu haben. Ob die Antragsgegnerin dieser Abwesenheit zugestimmt hatte (vgl. § 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Erreichbarkeits-Anordnung), lässt sich nach Aktenlage nicht beurteilen.
Dem vorstehend beschriebenen Aufklärungsbedarf kann der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht nachkommen. Es ist deshalb eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, die hier für die Zeit ab 1. Januar 2008 zu Gunsten des Antragstellers zu 1 den Ausschlag gibt. Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Hauptsacherechtsbehelf aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht erlassen würde, der Hauptsachebehelf dagegen erfolglos bliebe (vgl. Senatsbeschluss vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 2006 - L 13 AS 510/06 ER-B - (beide juris)). Im Rahmen dieser Abwägung vorrangig zu berücksichtigen ist, dass mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts das grundgesetzlich garantierte menschenwürdige Dasein sichergestellt werden soll. Würde der Antrag nicht erlassen, hätte aber der Hauptsacherechtsbehelf Erfolg, so wären dem Antragsteller zu 1 Leistungen in Höhe von monatlich nahezu 312,00 Euro vorenthalten worden; bei dieser Größenordnung kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine Rechtsverletzung nur in Randbereichen drohe. Würde der Antrag dagegen erlassen, während der Hauptsacherechtsbehelf erfolglos bliebe, hätte der Antragsteller zu 1 zwar Leistungen erhalten, die ihm nicht zustünden. Der Nachteil bestünde alsdann für die Antragsgegnerin ggf. darin, dass der Antragsteller zu 1. u.U. seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkommen würde und die Forderung damit uneinbringlich wäre. Zu berücksichtigen ist bei der Güter- und Folgenabwägung weiter, dass der Antragsteller zu 1 und seine Ehefrau zumindest seit Januar 2008 zunehmend die oben angesprochenen Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen haben und seit Februar 2008 die Wohnungsmiete nicht mehr gezahlt worden ist. Demgegenüber konnte der Antragsteller zu 1, der jedenfalls vom 10. bis 30. Dezember 2007 in Tunesien war, seinen Lebensunterhalt offenkundig im Dezember 2007 einigermaßen sicherstellen. All diese Umstände führen hier zu der Entscheidung, die aufschiebende Wirkung der Klage für die Zeit ab 1. Januar 2008 anzuordnen. Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch (Auszahlung der Leistungen vom 1. Januar bis 31. März 2008) ergibt sich aus § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2006 und 16. April 2008 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 1093 Nr. 6).
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergibt sich aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 117, 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung, wobei die Bewilligung erst ab 23. April 2008 auszusprechen war, weil die Antragsteller erst zu diesem Zeitpunkt ein ordnungsgemäß begründetes und vervollständigtes Gesuch vorgelegt haben.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1 in beiden Rechtszügen zu drei Vierteln, diejenigen der Antragstellerin zu 2 zu drei Fünfteln zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ab 23. April 2008 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt B., Stuttgart beigeordnet.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtesgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden der Antragsteller sind zulässig. Dies gilt nicht nur für das Rechtsmittel des Antragstellers zu 1, sondern auch für das der Antragstellerin zu 2, die im Beschwerdeverfahren als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ihre Beteiligung am Verfahren erklärt hat (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; ferner Senatsbeschlüsse vom 21. Juli 2006 - L 7 AS 2129/06 ER-B - (juris) sowie vom 16. August 2007 - L 7 AS 3646/07 ER-B -). Die Antragstellerin zu 2 ist durch den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 19. Februar 2008 ebenfalls beschwert, obgleich sie im Rubrum des Beschlusses und in den Gründen nicht genannt ist. Das SG hätte bei sachdienlicher Auslegung der gestellten Anträge (vgl. § 123 SGG) auch die Antragstellerin zu 2 von Anfang an in das Verfahren einbeziehen müssen; schon in der Begründung des zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 15. Januar 2008 gestellten einstweiligen Rechtsschutzbegehrens hatte der Antragsteller zu 1 nicht nur seine, sondern auch die Hilfebedürftigkeit seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 2, ferner sinngemäß seine Bevollmächtigung durch diese (§ 73 Abs. 2 Satz 2 SGG) geltend gemacht. Der Senat ist auch sonst an einer Sachentscheidung nicht gehindert, obgleich das SG im Beschluss vom 28. März 2008 allein dem Rechtsmittel des Antragstellers zu 1 nicht abgeholfen hat (vgl. § 174 Satz 1 1. Halbs. SGG a.F.); diese Entscheidung reicht indes aus, weil das SG auch das Beschwerdebegehren unzutreffend ausgelegt hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 28. März 2008 - L 7 AS 1214/07 ER-B - (juris) und vom 16. August 2007 a.a.O.). Die Beschwerden der Antragstellers sind jedoch nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die Anträge nach § 86b Abs. 1 und 2 SGG sind auch schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Prozessrechtliche Grundlage für den vom Antragsteller zu 1 begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist, was das SG übersehen hat, die Bestimmung des § 86b Abs. 1 SGG, während die Antragstellerin zu 2 vorläufigen Rechtsschutz über die einstweilige Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) zu suchen hat. Denn der - in die durch die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. März 2008 (Bescheid vom 8. November 2007) erlangte Rechtsposition eingreifende - Rücknahmebescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 war nur an den Antragsteller zu 1 gerichtet und, wie unter 1.) noch ausgeführt wird, allein für ihn bestimmt (§ 39 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)), während eine Rücknahmeentscheidung gegenüber der Antragstellerin zu 2, obgleich von der Antragsgegnerin bereits angekündigt, noch nicht ergangen ist und damit der Bewilligungsbescheid vom 8. November 2007 ihr gegenüber weiterhin Bestand hat. Demgegenüber war der vom SG angenommene Rechtsbehelf der einstweiligen Anordnung beim Antragsteller zu 1 nicht statthaft, weil in Anfechtungssachen - wie hier die gegen den Bescheid vom 23. November 2007 (Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008) gerichtete Klage zum SG (S 9 AS 164/08) - die Regelung des § 86b Abs. 1 SGG vorrangig ist. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist der vom Antragsteller zu 1 am 15. Januar 2008 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gestellte Antrag indes ebenfalls sachdienlich auszulegen, um dem erkennbar gewordenen Rechtsschutzziel zum Erfolg zu verhelfen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2006 - L 7 SO 3313/06 ER-B - (juris; LS in NZS 2007, 224) und vom 16. August 2007 a.a.O.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 8; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, § 80 Rdnr. 68, § 123 Rdnr. 49). Da der Klage des Antragstellers zu 1 gegen den Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II; ferner Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 39 Rdnr. 12), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur gerichtlichen Korrektur die Regelung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG heranzuziehen; hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend geht es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, nachdem dieser Rechtsbehelf vom Antragsteller zu 1 bereits am 15. Januar 2008, und damit rechtzeitig, erhoben worden ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 16. April 2008 - L 7 AS 1398/08 ER-B - (juris)). Die vom Antragsteller zu 1 ferner sinngemäß begehrte Auszahlung der Leistungen kann über den unselbstständigen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch des § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG erreicht werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2006 und 16. April 2008 a.a.O.; Krodel, a.a.O. Rdnr. 179; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 10).
1.) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung verlangt der Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 und 17. August 2005 a.a.O.; Binder in Lüdtke u.a., SGG, 2. Auflage, § 86b Rdnr. 33; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., §123 Rdnr. 62; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 1245). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 259 ).
Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen bei der Antragstellerin zu 2 für die Zeit vom 15. Januar 2008 (Tag der Antragstellung) bis 31. März 2008 vor. Insoweit ist sowohl ein Anordnungsanspruch als ein Anordnungsgrund gegeben. Die Antragstellerin zu 2 ist aus dem Bewilligungsbescheid vom 8. November 2007 unmittelbar berechtigt, die dort gewährten Leistungen in Anspruch zu nehmen. Eine Rücknahmeentscheidung ihr gegenüber lässt sich dem Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 nicht entnehmen; dies räumt die Antragsgegnerin mittlerweile indirekt selbst ein. Die vorgenannten Bescheide sind allein an den Antragsteller zu 1 als Adressaten gerichtet. Ansprüche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sind jedoch Individualansprüche der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, Leistungen dürfen daher nicht der Bedarfsgemeinschaft als solcher gewährt werden, sondern nur den jeweiligen Mitgliedern (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; ferner Senatsbeschlüsse vom 21. Juli 2006 und 16. August 2007 a.a.O.). Umgekehrt muss auch die Aufhebung oder Rücknahme der Bewilligung gegenüber jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfolgen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2007 a.a.O.; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2006 - L 5 B 549/06 AS ER - info also 2006, 268; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 515 f.; Gerlach, ZFF 2007, 121, 127; Schwabe ZFF 2006, 145, 150). Der Antragsgegner hat indes die auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme der Leistungsbewilligung allein dem Antragsteller zu 1 gegenüber vorgenommen und ihn so behandelt, als hätte ihm der Anspruch allein zugestanden. Im Wege der Auslegung ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungsbewilligung im Bescheid vom 23. November 2007 auch der Antragstellerin zu 2 gegenüber zurückgenommen werden sollte; denn dort ist in der Anrede allein der Antragsteller zu 1 angesprochen, nur ihm gegenüber wird im Verfügungssatz verlautbart, dass "die Entscheidung über die Bewilligung ab dem 01.12.2007 ( ...) ganz zurückgenommen" werde, während die Antragstellerin zu 2 lediglich in der Begründung des Bescheids bezüglich der dort verneinten Hilfebedürftigkeit beider auftaucht. Da es an einer Rücknahmeentscheidung gegenüber der Antragstellerin zu 2 fehlt, bedarf es eines näheren Eingehens auf die Vertretungsregelung des § 38 SGB II nicht. Diese normiert freilich lediglich eine gesetzliche Vermutung hinsichtlich der Bevollmächtigung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, Leistungen nach dem SGB II auch für eine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Person zu beantragen und entgegenzunehmen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 Rdnr. 29); eine weitergehende Rechtswirkung ist der Bestimmung schon nach ihrem Wortlaut nicht zu entnehmen, sodass sich über diese Vorschrift eine Empfangsbevollmächtigung nicht fingieren lässt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2007 a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2006 - a.a.O.; Udsching/Link, a.a.O.; Gerlach, a.a.O.; Schwabe, a.a.O.).
Es besteht im Rahmen der existenzsichernden Leistungen des SGB II auch ein Anordnungsgrund. In diesem Zusammenhang kommt dem verfassungsrechtlichen Gebot der Menschenwürde besondere Bedeutung zu (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Januar 2006 - L 7 AS 108/06 ER-B - (juris) und vom 16. August 2007 a.a.O.).
Für die aufgrund des Tags der Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz maßgebliche Zeit ab 15. Januar 2008 ist die Antragsgegnerin sonach einstweilen verpflichtet, der Antragstellerin zu 2 die bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums am 31. März 2008 bewilligten Leistungen zu gewähren. Insoweit war ihrem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen, nicht jedoch für die bis zur Antragstellung verstrichene Zeit.
2.) Der Senat hat ferner dem bereits erstinstanzlich sinngemäß gestellten Antrag des Antragstellers zu 1 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung teilweise, und zwar für die Zeit ab 1. Januar 2008, stattgegeben. Da § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG selbst keinen Maßstab vorgibt, wann die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, ist diese Lücke durch eine entsprechende Anwendung des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu schließen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. April 2008 a.a.O.). Erforderlich ist mithin eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Senatsbeschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris)). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs; dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, a.a.O., Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, sodass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. April 2006 -, 16. August 2007 und 16. April 2008 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 8. April 2008 - L 7 AS 1161/08 ER-B -).
Unter Beachtung dieser Grundsätze vermag der Senat die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs - nämlich die sinngemäß nach § 54 Abs. 1 SGG erhobene Anfechtungsklage des Antragstellers zu 1 gegen den Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2008 - nicht hinreichend zu beurteilen. Zwar war die ihm gegenüber ergangene Rücknahmeentscheidung hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X); indessen erscheint die vom Antragsteller erhobene Klage zum SG (S 9 AS 164/08) gegenwärtig weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet. Die Antragsgegnerin hat die im Klageverfahren angefochtenen Bescheide auf die fehlende Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu 1 und seiner Ehefrau (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 und 2 SGB II) gestützt. Ob sie deshalb dem Antragsteller zu 1 materiell-rechtlich zu Unrecht ab 1. Oktober 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 312,00 Euro monatlich (vgl. hierzu § 20 Abs. 3 SGB II i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Zeit ab 1. Juli 2007 vom 18. Juli 2007 (BGBl. I S. 1139)) bewilligt hatte und sie ferner zu der nach § 45 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch) verfügten kassatorischen Entscheidung berechtigt war, bedarf indessen einer weiteren Abklärung sowie ggf. Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren, wobei zu beachten ist, dass die objektive Beweislast insoweit grundsätzlich bei der Antragsgegnerin liegt (vgl. BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1 S. 11), allerdings umgekehrt sein kann, wenn in der Sphäre des Leistungsempfängers liegende Vorgänge nicht aufklärbar sind (vgl. BSG SozR 4-4200 § 6 Nr. 4). Hier könnte für eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu 1 sprechen, dass nach den am 21. Mai 2008 dem Senat vorgelegten Erklärungen verschiedener Freunde und Bekannter jedenfalls ab Januar 2008 zunehmend Unterstützungsleistungen von diesen Personen - im April 2008 auch vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart - in Anspruch genommen worden sind, zudem bereits seit Februar 2008 die Wohnungsmiete nicht mehr gezahlt worden ist (vgl. Schreiben der Vermieter des Antragstellers zu 1 vom 11. April 2008) und auch die von den Energieversorgungsbetrieben der Stadt Heilbronn geforderten Abfallgebühren bislang nicht bezahlt worden sind (vgl. Mahnung vom 11. April 2008). Andererseits hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass die Einzahlungen auf die Konten des Sohnes der Antragsteller in Höhe von 5.000,00 Euro, 1.000,00 Euro, 4.500 Euro und 5.500,00 Euro bis heute nicht plausibel erklärt und belegt sein dürften. Hinzukommt, dass der Antragsteller zu 1 jedenfalls in der Zeit vom 10. bis 30. Dezember 2007 in Tunesien war, wobei er gegenüber der Antragsgegnerin am 2. Januar 2008 angegeben hat, sich dort "selbst verpflegt" zu haben. Ob die Antragsgegnerin dieser Abwesenheit zugestimmt hatte (vgl. § 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Erreichbarkeits-Anordnung), lässt sich nach Aktenlage nicht beurteilen.
Dem vorstehend beschriebenen Aufklärungsbedarf kann der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht nachkommen. Es ist deshalb eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, die hier für die Zeit ab 1. Januar 2008 zu Gunsten des Antragstellers zu 1 den Ausschlag gibt. Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Hauptsacherechtsbehelf aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht erlassen würde, der Hauptsachebehelf dagegen erfolglos bliebe (vgl. Senatsbeschluss vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 2006 - L 13 AS 510/06 ER-B - (beide juris)). Im Rahmen dieser Abwägung vorrangig zu berücksichtigen ist, dass mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts das grundgesetzlich garantierte menschenwürdige Dasein sichergestellt werden soll. Würde der Antrag nicht erlassen, hätte aber der Hauptsacherechtsbehelf Erfolg, so wären dem Antragsteller zu 1 Leistungen in Höhe von monatlich nahezu 312,00 Euro vorenthalten worden; bei dieser Größenordnung kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine Rechtsverletzung nur in Randbereichen drohe. Würde der Antrag dagegen erlassen, während der Hauptsacherechtsbehelf erfolglos bliebe, hätte der Antragsteller zu 1 zwar Leistungen erhalten, die ihm nicht zustünden. Der Nachteil bestünde alsdann für die Antragsgegnerin ggf. darin, dass der Antragsteller zu 1. u.U. seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkommen würde und die Forderung damit uneinbringlich wäre. Zu berücksichtigen ist bei der Güter- und Folgenabwägung weiter, dass der Antragsteller zu 1 und seine Ehefrau zumindest seit Januar 2008 zunehmend die oben angesprochenen Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen haben und seit Februar 2008 die Wohnungsmiete nicht mehr gezahlt worden ist. Demgegenüber konnte der Antragsteller zu 1, der jedenfalls vom 10. bis 30. Dezember 2007 in Tunesien war, seinen Lebensunterhalt offenkundig im Dezember 2007 einigermaßen sicherstellen. All diese Umstände führen hier zu der Entscheidung, die aufschiebende Wirkung der Klage für die Zeit ab 1. Januar 2008 anzuordnen. Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch (Auszahlung der Leistungen vom 1. Januar bis 31. März 2008) ergibt sich aus § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2006 und 16. April 2008 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 1093 Nr. 6).
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergibt sich aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 117, 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung, wobei die Bewilligung erst ab 23. April 2008 auszusprechen war, weil die Antragsteller erst zu diesem Zeitpunkt ein ordnungsgemäß begründetes und vervollständigtes Gesuch vorgelegt haben.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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