Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2429/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2013/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.4.2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Umrüstung des vorhandenen Rollfiets von manuellem Antrieb auf Elektrobetrieb hat bzw. ob die Klägerin für den zwischenzeitlich auf eigene Kosten erfolgten Einbau Anspruch auf Erstattung von 3.857,- EUR hat.
Die am 08.03.1990 geborene Klägerin wohnt in N. im N.Schw ... Sie leidet an einer psychomotorischen Entwicklungsverzögerung bei infantiler Cerebralparese mit gemischt spastisch/athetotischer linksbetonter Tetraparese und Hüftluxation rechts bei Zustand nach Aduktorentenotomie und Obturartoriusneurotomie beiderseits. Sie kann weder laufen, stehen, sitzen oder sprechen, nicht einmal eine Fernbedienung bedienen und ist in Pflegestufe III eingestuft. Sie kann aktiv nur über Wimpernschläge ihrer Augen kommunizieren. Trotz dieser körperlich schweren Behinderungen hat die Klägerin keine geistigen Defizite.
Die Klägerin verfügt (vgl. Aufstellung Bl. 33 SG-Akte) über einen Rollstuhl für zu Hause und einen Rollstuhl für die Schule bzw. für Spaziergänge. Der letztgenannte Rollstuhl ist im Gegensatz zu dem Rollstuhl für zu Hause luftbereift. Über einen Elektroantrieb verfügen diese Rollstühle nicht. Die Beklagte hat darüber hinaus sich an den Kosten für eine Hebebühne für den Transport des Rollstuhls mit einem Pkw beteiligt. Gezahlt wurden von ihr weiterhin (für den Außenbereich) ein Reha-Buggy mit Winterschlupfsack und Fixationsweste mit für Waldwege geeigneten Lenkrollen sowie ein Rollfiets mit passendem Sitz; die Sitzschalen für Rollstühle wurden regelmäßig nach Maß angefertigt und mit fortschreitendem Wachstum der Klägerin erneuert.
Bei einem Rollfiets handelt es sich um eine Rollstuhl-Fahrrad-Kombination. Diese Kombination besteht aus einem Selbstfahrerrollstuhl mit Kunststoffsitzschale und verstellbaren Nacken- und Beinstützen sowie einem ankoppelbaren Fahrradhinterteil. Das Fahrradhinterteil ist mit dem Rollstuhl verbunden, der dann als lenkbarer Vorderteil fungiert. Das Kind sitzt im Rollstuhl, der Vater oder die Mutter auf dem Fahrradteil (vgl. auch Prospekte Bl. 24 SG-Akte bzw. 22 bis 25 LSG-Akte - L 5 KR 2013/07 -).
Die Klägerin beantragte am 25.11.2003 durch ihre Eltern die Elektrifizierung des vorhandenen Rollfiets und legte den Kostenvoranschlag der Firma Schai. GmbH-Reha-Team vom 6.11.2003 über 3.857,- EUR für die Umrüstung des Rollfiets auf E-Bike mit Bewegungssensor und Tempogriff, Heinzmannschiebeantrieb und Kreuzrahmen ohne Strebe. Nachdem Dr. K. vom MDK in dem Sozialmedizinischen Gutachten vom 11.12.2003 die Auffassung vertreten hatte, das Rollfiets, ob mit oder ohne Elektroantrieb, diene nur dem passiven Transport des Kindes durch die Familie per Rad, was aber weder ein Grundbedürfnis sei noch der Integration in die Gruppe Altersgleicher diene, weswegen die Sicherstellung des Passivtransports zur längeren Wegstreckenbewältigung nicht mehr zu den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung gehöre, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 7.1.2004 ab. Hiergegen erhob der Vater der Klägerin unter Vorlage eines Attests des Orthopäden Dr. W. vom 19.1.2004 (durch die Benutzung des Hilfsmittels werde ein größerer Aktionskreis erschlossen, die Sinne würden durch Wahrnehmen der Umgebung, Balancesicherheit und das Training der Stütz- und Gleichgewichtsreaktion stimuliert) Widerspruch und machte geltend, das Rollfiets werde im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt und trage entscheidend zu einer besseren Rumpf- und Kopfkontrolle der Klägerin bei. Wegen der schweren Behinderung der Klägerin seien ihre Freizeitmöglichkeiten und sozialen Kontakte sehr begrenzt. Es verblieben der Familie allein Ausflüge mit dem Auto, die oft am Ausflugsziel durch Treppen oder unebene Wege schnell beendet seien, Spaziergänge am Wohnort und die Ausflüge mit dem Rollfiets. Diese Ausflüge seien die einzige Möglichkeit, gemeinsam mit Freunden oder Verwandten etwas zu unternehmen ohne "behindert" zu sein. In der Vergangenheit seien oft schon Tagestouren mit 30 bis 40 km durchgeführt worden. Der Transport der Klägerin auf dem Rollfiets werde jedoch zunehmend schwieriger, sie nehme an Gewicht zu, während er, der Vater, wegen eines Innenmeniskusschadens zunehmend Schwierigkeiten habe, die bei Steigungen verbundenen Extrembelastungen ohne Elektroantrieb zu bewältigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2004, zugestellt am 04.06.2004, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der beantragte Elektroantrieb für das Rollfiets ermögliche zwar der Klägerin im Kreise der Familie sonntägliche Ausflüge mit dem Fahrrad zu unternehmen, dies sei jedoch eindeutig dem Freizeitbereich zuzuordnen und demzufolge kein elementares Grundbedürfnis der Behinderten. Es handele sich deshalb nicht um eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Unabhängig davon habe die Kasse ihre Leistungspflicht durch die Übernahme der Kosten für zwei Rollstühle in vollem Umfange bereits erfüllt.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21.6.2004 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe. Die Klägerin benötige das Gerät zur Integration in den Kreis der etwa gleichaltrigen Kinder und Jugendlichen, wozu der ältere, nicht behinderte Bruder sowie insbesondere auch die beiden Cousins zählten. Gemeinsame Familienunternehmungen außer Hauses seien außer bei Spaziergängen ansonsten nicht möglich. Der Elektroantrieb ermögliche es nicht nur dem Vater, sondern auch dem Bruder und der Mutter mit der Klägerin Ausfahrten zu unternehmen. Darüber hinaus habe das Rollfiets auch therapeutischen Nutzen, die Klägerin müsse mit ihrem Kopf aktiv einen Ausgleich vornehmen und Gleichgewicht halten. Die Rumpfkontrolle der Klägerin sei jedenfalls deutlich besser geworden, nach einer Fahrt mit dem Rollfiets sei die Muskulatur gelockert, besser als dies durch eine (passive) Krankengymnastik erreicht werden könne.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass das Rollfiets nicht der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unter Jugendlichen und der Kommunikation unter Gleichaltrigen diene. Die Kommunikation mit dem Bruder, der im gleichen Hause wie die Klägerin wohne, sei gesichert, außerhalb der Schule habe die Klägerin aber keinerlei Kontakte zu Gleichaltrigen innerhalb des Ortes. Die Ausflüge fänden nicht regelmäßig statt sondern nur ab und zu mit befreundeten Familien.
In der mündlichen Verhandlung des SG gab der Vater der Klägerin an, die Klägerin sei pro Jahr ca. 160 Schultage in der körperbehinderten Schule in Langensteinbach. An den Wochenenden und während der Ferien sei die Tochter zu Hause. Sie könne allerdings nicht länger als 10 Min. allein gelassen werden, weswegen bei der gegebenen Situation ein Wochenende mit Rundumbetreuung sehr lang sei. Man sehne deshalb bessere Witterungen herbei, um zusätzlich etwas mit der Tochter unternehmen zu können.
Mit Urteil vom 14.4.2005 hob das SG den Bescheid vom 7.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.6.2004 auf und verurteilte die Beklagte, die Kosten für den beantragten Elektroantrieb für das Rollfiets zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG könne ein Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Therapietandem für den Fall zugesprochen werden, dass eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorliege und in der konkreten Familiensituation den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung zukomme. Ein solcher Einzelfall liege hier vor, die in ihrer Kommunikationsfähigkeit erheblichst eingeschränkte Klägerin könne sich einen eigenständigen Umgang mit gleichaltrigen Jugendlichen nicht selbst erschließen. Der erheblich eingeschränkte körperliche Freiraum erfahre eine entscheidende Erweiterung dadurch, dass sie an den für die Familien wichtigen Fahrradausflügen mitgenommen werden könne. Ohne Elektroantrieb seien wegen des zwischenzeitlichen Gewichtes der Klägerin Fahrradausflüge aber nicht mehr möglich. Die Möglichkeit der Fortbewegung mit dem Fahrrad und damit die Möglichkeit der Teilnahme an Unternehmungen diene der Befriedigung eines Grundbedürfnisses.
Gegen das ihr am 27.4.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.5.2005 Berufung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, das Rollfiets diene nicht dem Kontakt mit Gleichaltrigen, weil es im Vergleich zu den Kontakten der Klägerin in der Schule zu Gleichaltrigen im Rahmen der gelegentlichen Sonntagsausflüge eine nur untergeordnete Rolle spiele. Gemeinsamen Fahrradausflügen komme nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich keine überragende Bedeutung für die soziale Integration und Kommunikation zu, da sie nur einen geringen Ausschnitt familiärer Aktivitäten darstellten. Mit den Hilfsmitteln Rollstuhl für den Außenbereich, der Hebebühne für den Transport des Rollstuhls und dem Pkw könne die Klägerin jederzeit in dem gleichen Umfang wie mit einem elektrobetriebenen Rollfiets zusammen mit ihrer Familie Kontakt zu Gleichaltrigen, Freunden und Verwandten aufnehmen und pflegen. Bei der durch ein elektrobetriebenes Rollfiets zusätzlich geschaffenen Möglichkeit würde es sich um eine Doppelausstattung von Hilfsmitteln handeln, die jedes für sich gesehen den gleichen Zweck erfüllen würden; dies würde gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstoßen. Entgegen der Auffassung des SG erfahre der erheblich eingeschränkte körperliche Freiraum keine entscheidende Erweiterung durch die witterungsabhängigen sonntäglichen Ausflüge von begrenzter zeitlicher Dauer.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.4.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie sieht die Wichtigkeit des Rollfiets gerade darin, dass sie wegen ihrer erheblich eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten keine Gelegenheit habe, sich einen gewissen Freiraum zu erschließen, der ihr die Kommunikation mit Gleichaltrigen ermögliche. Selbst wenn in anderen Fällen gemeinsamen Fahrradausflügen im Familienkreis keine Bedeutung für die soziale Integration und Kommunikation zukomme, sei dies angesichts ihrer Behinderung gerade anders. Zu den durch ein Hilfsmittel auszugleichenden Grundbedürfnissen gehöre auch die Lebensgestaltung durch aktive Fortbewegung außer Haus. Sie müsse den Behinderten ebenfalls zur Verfügung gestellt werden (Hinweis auf BSG vom 29.9.1997 - 8 RKn 27/96 - ). Die Beklagte habe dies in der Vergangenheit ebenso gesehen, denn sie habe der Klägerin ein Rollfiets bewilligt. Konsequenter Weise müsse sie deshalb die Umrüstung auf Elektroantrieb ebenfalls bewilligen. Nach dem Urteil des SG habe sie sich inzwischen den Elektroantrieb für das Rollfiets auf eigene Kosten angeschafft.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch statthaft. Berufungsausschlussgründe im Sinne des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor, da der Rechtsstreit um die Erstattung von 3.857, - EUR geht.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Sie hat zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom 7.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.5.2004 die Übernahme der Kosten für die Umrüstung des vorhandenen Rollfiets auf elektrischen Antrieb abgelehnt. Die Klägerin kann diese Leistung nicht beanspruchen.
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V besteht Anspruch auf Erstattung der Kosten für vom Versicherten selbst beschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der nach dieser Vorschrift in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtssprechung, vgl. z.B. BSG 79,125,126 oder BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R -). Die Umrüstung des vorhandenen Rollfiets auf elektrischen Antrieb muss die Krankenkasse im Falle der Klägerin nicht erbringen. Die Leistungsvoraussetzung einer vorherigen "Ablehnung des Antrags zu Unrecht" liegt hier nicht vor. Der Klägerin steht deshalb auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für den erst nach positiver sozialgerichtlicher Entscheidung privat beschafften Elektroantrieb zu.
Die Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass der Klägerin von der Beklagten im Jahre 1996 ein Rollfiets bewilligt worden war und für die Nachrüstung dieses Rollfiets durchaus plausible und sachgerechte Gründe (zunehmendes Gewicht der Klägerin, Knieprobleme des Vaters, überwiegende Verwendung in einer bergigen Umgebung) geltend gemacht werden. Denn auch bei der Beschaffung von Zusatzgeräten für ein Hilfsmittel müssen wie bei einer Erstausstattung sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 SGB V erfüllt sein (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 21 und BSG-Urteil vom 24.5.2006 - B 3 KR 12/05 R = SozR 4 - 2500 § 33 Nr. 11). Weiterhin müssen die Kriterien von Eignung, Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit auch im Zeitpunkt der Gewährung von Zusatzgeräten vorliegen und sind deshalb neu zu prüfen. Irgendeine schriftliche Zusage zur späteren Förderung eines Elektroantriebs hat die Beklagte nicht abgegeben; dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Geh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der GKV auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).
Der inzwischen selbst angeschaffte Elektroantrieb für das Rollfiets, ist kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern eine Sonderanfertigung, die nur für Kranke und Behinderte in Betracht kommen kann; er ist auch nicht durch Rechtsverordnung ausgeschlossen. Der Anspruch der Klägerin scheitert aber an der fehlenden Erforderlichkeit im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Das BSG hat für ein Therapie-Tandem entschieden, dass dieses nicht erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, weil eine regelmäßige Krankengymnastik nicht nur ausreicht, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines Behinderten erreichen kann, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl (BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R - sowie Beschluss vom 27.7.2006 - B 3 KR 11/06 B - ). Nichts anderes gilt hier für die vorgetragenen therapeutischen Effekte des Rollfiets. Zum Einen handelt es sich bei der Stärkung von Kopfkoordination und Balancegefühl um reine Nebeneffekte des Transports auf dem Rollfiets, zum Anderen beruhen die von Orthopäde Dr. W. angesprochenen therapeutischen Aspekte allein auf den Beobachtungen der Eltern, nicht aber auf Feststellungen von orthopädischen oder krankengymnastischen Fachkräften. Die therapeutische Wirkung der Fahrt mit einem Rollfiets wurde von den Eltern zuletzt selbst nicht mehr in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellt.
Hinsichtlich des Behinderungsausgleichs gilt nach Auffassung des Senates für das Rollfiets bzw. das elektrische Rollfiets nichts anderes als für ein Therapie-Tandem. Zu diesem Hilfsmittel hat das BSG (Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R folgendes entschieden:
Tenor:
"Um eine Behinderung auszugleichen" ist das Therapie-Tandem ebenfalls nicht erforderlich (vgl zum Folgenden BSG aaO; Urteil des Senats vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike - sowie zuletzt Urteil des Senats vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Dieser in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels bedeutet nicht, dass nicht nur die Behinderung als solche, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach stRspr (vgl die oben genannten Urteile des Senats) gehören zu den Grundbedürfnisses des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Auch das hier in Betracht kommende Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung nur iS eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht iS des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden verstanden. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1994 (3/1 RK 13/93 = SozR 3-2500 § 33 Nr 7 - Rollstuhlboy -) zwar die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis bejaht, aber dabei nur auf diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt. Später (Urteil vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31) hat der Senat das auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind bisher immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden: So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 16. April 1998 (B 3 KR 9/97 R - Rollstuhl-Bike für Jugendliche - SozR 3-2500 § 33 Nr 27) zwar diejenigen Entfernungen als Maßstab genommen, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklegt; das Hilfsmittel ist aber nicht wegen dieser - rein quantitativen Erweiterung - sondern wegen der dadurch geförderten Integration des behinderten Klägers in seiner jugendlichen Entwicklungsphase zugesprochen worden (vgl dazu neuerdings auch Urteil des Senats vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Ganz ähnlich war schon in der Entscheidung vom 2. August 1979 (11 RK 7/78 = SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl -) nicht die angesprochene "Fortbewegung auch in Orten außerhalb seines Wohnortes", sondern die Ermöglichung des Schulbesuchs der maßgebliche Gesichtspunkt gewesen. Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass er zu Fuß nur Strecken von höchstens 100 Metern und auch nur unter Aufsicht zurücklegen sowie einen Rollstuhl selbstständig überhaupt nicht benutzen kann; dieser schwerwiegenden Einschränkung seiner Fähigkeit zum selbstständigen Fortbewegen kann aber auch ein Therapie-Tandem nicht abhelfen. Unselbstständig, dh mit Hilfe Dritter, wie mit dem Therapie-Tandem, kann der Kläger aber bereits mit dem von der Beklagten gewährten Schieberollstuhl die für die medizinische Rehabilitation iS von § 33 SGB V maßgeblichen Entfernungen, "die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt" (vgl oben), bewältigen. Das gilt auch für diejenigen Stellen, an denen Alltagsgeschäfte erledigt werden, dh üblicherweise im Nahbereich; dazu gehört das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1 - Shoprider -); auf Besonderheiten des Wohnortes und -gebietes kommt es dabei nicht an (vgl bereits BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31). Zwar könnte das Tandem den Radius unselbstständiger Fortbewegung deutlich erweitern. Sein Einsatzbereich beginnt auch nicht, wie das LSG formuliert hat, "im Grunde erst dort", wo das Grundbedürfnis auf Fortbewegung bereits endet; denn das Tandem ist auch im Nahbereich einsetzbar, zB beim Einkaufen. Überlegen wird es gegenüber einem Schieberollstuhl aber erst jenseits dieser Grenze, und damit außerhalb des räumlichen Anspruchsbereichs iS von § 33 SGB V. Bereits in seinem Urteil vom 16. September 1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32) hat der erkennende Senat in Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des 8. Senats des Bundessozialgerichts zu Therapie-Tandems (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 und Nr 28) ausgeführt, dass dem Grundbedürfnis auf Fortbewegung Genüge getan ist, wenn ein Selbstfahrerrollstuhl im Nahbereich bewegt werden kann, selbst wenn das im Straßenverkehr nur unter Aufsicht möglich ist, und dass eine weitere "Kompensation" durch Ausflüge mit einem Therapie-Tandem nicht erforderlich ist. Das Radfahren, mag es in der Bevölkerung auch weit verbreitet sein, gehört nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens und führt daher ebenfalls nicht zu einem Anspruch eines Behinderten auf ein Hilfsmittel, mit dem es "in etwa" kompensiert werden kann, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat. Dasselbe gilt für Freizeitbeschäftigungen, wie Wandern, Dauerlauf, Ausflüge uä, die das "Stimulieren aller Sinne", die "Erfahrung von Geschwindigkeit und Raum", das "Erleben physischen und psychischen Durchhaltens" sowie das "Gewinnen von Sicherheit und Selbstbewusstsein" - nicht "Selbstständigkeit", wie vorgetragen worden ist, denn diese gewinnt der Kläger mit dem Therapie-Tandem gerade nicht - mit sich bringen (vgl zum Ganzen Urteile vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R und B 3 KR 9/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31 und Nr 32). Zur Teilnahme an Aktivitäten anderer Jugendlicher und damit zur Integration in Gruppen Gleichaltriger als einem anzuerkennenden Grundbedürfnis Jugendlicher ist das Therapie-Tandem nicht geeignet. Denn die Anwesenheit einer Begleitperson, dh eines Erwachsenen, wird von Jugendlichen bei ihren Aktivitäten, mit denen sie gerade Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Erwachsenen beweisen wollen, üblicherweise nicht akzeptiert. Im Übrigen sind für die Begleitung durch Elternteile sowie die ältere Schwester vom Kläger nur Einkaufsfahrten und Ausflüge vorgetragen worden.
Als zusätzliches qualitatives Moment kommt im vorliegenden Fall der vom BSG in der Entscheidung vom 13.5.1998 - B 8 KN 13/97 R = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 28 und vom 29.9.1997 - B 8 Kn 27/96 = SozR 3 -2500 § 33 Nr. 25 hervorgehobene Aspekt der sozialen Integration innerhalb der Familie in Betracht. Der 8. Senat des BSG hat Familienausflüge mit einem Therapie-tandem dann als wesentlich angesehen, wenn eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorgelegen und "in der konkreten Familiensituation des Klägers den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung" zukam. Dem Kläger jenes Falles stand seine Behinderung der bei gesunden Kindern selbstverständlichen sozialen Einbindung in eine Gruppe gleichaltriger Kinder entgegen, sodass für ihn als Teilnahme am gesellschaftlichen Leben die möglichst vollständige Einbindung in das familiäre Leben in Vordergrund stand. Gleiches gilt hier für die Klägerin. Rein tatsächlich dürfte sie zudem noch erheblich stärker behindert sein, als die Kläger der vom 8. Senat des BSG entschiedenen Fälle. Denn ihre Bewegungsmöglichkeiten sind nicht nur stark eingeschränkt, sie sind vielmehr aus eigener Kraft überhaupt nicht vorhanden; die Klägerin braucht für jede Ortsveränderung die Hilfe einer Betreuungsperson. Bei dieser extremen Behinderung ist die Wahrnehmung sonstiger Grundbedürfnisse außerordentlich erschwert. Eine Beschränkung der Leistungspflicht der Beklagten auf die üblichen Grundbedürfnisse wirkt sich bei der Schwere ihrer Behinderung deutlich stärker als in anderen Fällen aus, weil die wenigen überhaupt möglichen Lebensgestaltungen noch eine weitere Einschränkung erfahren.
Die genannte Rechtsprechung des 8. Senats des BSG ist von den anderen, ausschließlich für die Krankenversicherung zuständigen Senaten nicht weiter verfolgt und übernommen worden. Bereits mit Urteil vom 16.9.1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32) hat sich der 3. Senat davon distanziert und darauf hingewiesen, dass der Wunsch, sich mit Hilfe des Tandems wie ein Radfahrer zu bewegen und zum Beispiel Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen, die damit verbundene Raumerfahrung, das Umwelterlebnis, Geschwindigkeitsempfinden, Gleichgewichtsgefühl oder sonstiges positives Erleben, nicht mehr zu den Grundbedürfnissen zählt, wenn die Fortbewegung im Nahbereich anderweitig sichergestellt ist. Letzteres ist bei der Klägerin durch Ausrüstung mit einem Schieberollstuhl sowie durch die Ausrüstung des Kraftfahrzeugs der Eltern mit einer Hebevorrichtung gesichert.
An anderer Stelle hat das BSG darauf abgestellt, dass zu den maßgeblichen vitalen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens nur die Fähigkeit gehört, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegende Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Ein darüber hinausgehendes Bedürfnis könne nicht als Grundbedürfnis anerkannt werden, auch wenn im Einzelfall die benötigten Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich der Wohnung vorgenommen werden könnten und der Rollstuhlfahrer dafür längere Strecke zurückzulegen hat, die seine Kräfte möglicherweise übersteigen (BSG Beschluss vom 11.1.2006 - B 3 KR 44/05 B-). In der Folge hat die Rechtsprechung diese Grundsätze bei Rollstuhlfahrern strikt umgesetzt, auch wenn diesen dadurch eine soziale Integration unmöglich gemacht wurde (vgl. etwa Urteil vom 19.4.2007 - B 3 KR 9/06 R -).
Basierend auf der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vermag der Senat die Aufrüstung des vorhandenen Rollfiets mit einem Elektroantrieb nicht als erforderlich im Sinne des Leistungskatalogs der GKV anzusehen. Der Einsatz des Rollfiets und seine Ausstattung überschreitet die Grenzen der medizinischen Rehabilitation und ist dem Bereich der sozialen Rehabilitation zuzuordnen. Das Grundbedürfnis der Klägerin nach Kommunikation und Bewegung wird durch die Ausfahrten mit dem Fahrradrollfiets nur im geringem Maße befriedigt, worauf die Beklagte zu Recht sehr umfangreich im Berufungsverfahren hingewiesen hat. Den wesentlichen Teil ihrer Kommunikation erlebt die Klägerin in der Schule für Körperbehinderte in Langensteinbach, wo sie sich an 160 Tagen im Jahr aufhält und danach in den Wohnräumen der Familie durch die anwesenden Familienmitglieder bzw. die Gäste der Familie. Ein Nutzen des Rollfiets kann nur für die warme Jahreszeit und dann auch nur für Wochenenden angenommen werden, an denen günstiges Wetter herrscht. Dabei erweist sich der Rollfiets für die Klägerin nur mittelbar als nützlich. Der Hauptnutzen liegt bei der Familie, die Ausflüge unternehmen und dabei ihre schwerstbehinderte Tochter mitnehmen kann. Gesellschaftliche Kontakte kann die vollständig sprachbehinderte Klägerin ohnedies nicht während der Fahrt, sondern nur am Anfang und am Ende der Fahrt bzw. bei Zwischenpausen aufnehmen. Das Naturerleben, andere optische Eindrücke und auch Kommunikation mit anderen Menschen können genauso gut aber bei Einsatz des vorhandenen Schieberollstuhls in Verbindung mit Ausflügen mit dem Pkw (mit Hebevorrichtung) gewonnen werden. Der Klägerin ist genauso gut gedient, wenn sie im Rollstuhl durch die Natur geschoben wird bzw. wenn sie mit dem Kraftfahrzeug an Orte gebracht wird, wo sie neue Eindrücke gewinnen kann. Auch aus diesem Grund ist die Umrüstung des Rollfiets auf Elektroantrieb nicht erforderlich.
Nach alle dem erweisen sich die angefochtene Bescheide als rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den zwischenzeitlich eingebauten Elektroantrieb. Das Urteil des SG kann daher keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Umrüstung des vorhandenen Rollfiets von manuellem Antrieb auf Elektrobetrieb hat bzw. ob die Klägerin für den zwischenzeitlich auf eigene Kosten erfolgten Einbau Anspruch auf Erstattung von 3.857,- EUR hat.
Die am 08.03.1990 geborene Klägerin wohnt in N. im N.Schw ... Sie leidet an einer psychomotorischen Entwicklungsverzögerung bei infantiler Cerebralparese mit gemischt spastisch/athetotischer linksbetonter Tetraparese und Hüftluxation rechts bei Zustand nach Aduktorentenotomie und Obturartoriusneurotomie beiderseits. Sie kann weder laufen, stehen, sitzen oder sprechen, nicht einmal eine Fernbedienung bedienen und ist in Pflegestufe III eingestuft. Sie kann aktiv nur über Wimpernschläge ihrer Augen kommunizieren. Trotz dieser körperlich schweren Behinderungen hat die Klägerin keine geistigen Defizite.
Die Klägerin verfügt (vgl. Aufstellung Bl. 33 SG-Akte) über einen Rollstuhl für zu Hause und einen Rollstuhl für die Schule bzw. für Spaziergänge. Der letztgenannte Rollstuhl ist im Gegensatz zu dem Rollstuhl für zu Hause luftbereift. Über einen Elektroantrieb verfügen diese Rollstühle nicht. Die Beklagte hat darüber hinaus sich an den Kosten für eine Hebebühne für den Transport des Rollstuhls mit einem Pkw beteiligt. Gezahlt wurden von ihr weiterhin (für den Außenbereich) ein Reha-Buggy mit Winterschlupfsack und Fixationsweste mit für Waldwege geeigneten Lenkrollen sowie ein Rollfiets mit passendem Sitz; die Sitzschalen für Rollstühle wurden regelmäßig nach Maß angefertigt und mit fortschreitendem Wachstum der Klägerin erneuert.
Bei einem Rollfiets handelt es sich um eine Rollstuhl-Fahrrad-Kombination. Diese Kombination besteht aus einem Selbstfahrerrollstuhl mit Kunststoffsitzschale und verstellbaren Nacken- und Beinstützen sowie einem ankoppelbaren Fahrradhinterteil. Das Fahrradhinterteil ist mit dem Rollstuhl verbunden, der dann als lenkbarer Vorderteil fungiert. Das Kind sitzt im Rollstuhl, der Vater oder die Mutter auf dem Fahrradteil (vgl. auch Prospekte Bl. 24 SG-Akte bzw. 22 bis 25 LSG-Akte - L 5 KR 2013/07 -).
Die Klägerin beantragte am 25.11.2003 durch ihre Eltern die Elektrifizierung des vorhandenen Rollfiets und legte den Kostenvoranschlag der Firma Schai. GmbH-Reha-Team vom 6.11.2003 über 3.857,- EUR für die Umrüstung des Rollfiets auf E-Bike mit Bewegungssensor und Tempogriff, Heinzmannschiebeantrieb und Kreuzrahmen ohne Strebe. Nachdem Dr. K. vom MDK in dem Sozialmedizinischen Gutachten vom 11.12.2003 die Auffassung vertreten hatte, das Rollfiets, ob mit oder ohne Elektroantrieb, diene nur dem passiven Transport des Kindes durch die Familie per Rad, was aber weder ein Grundbedürfnis sei noch der Integration in die Gruppe Altersgleicher diene, weswegen die Sicherstellung des Passivtransports zur längeren Wegstreckenbewältigung nicht mehr zu den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung gehöre, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 7.1.2004 ab. Hiergegen erhob der Vater der Klägerin unter Vorlage eines Attests des Orthopäden Dr. W. vom 19.1.2004 (durch die Benutzung des Hilfsmittels werde ein größerer Aktionskreis erschlossen, die Sinne würden durch Wahrnehmen der Umgebung, Balancesicherheit und das Training der Stütz- und Gleichgewichtsreaktion stimuliert) Widerspruch und machte geltend, das Rollfiets werde im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt und trage entscheidend zu einer besseren Rumpf- und Kopfkontrolle der Klägerin bei. Wegen der schweren Behinderung der Klägerin seien ihre Freizeitmöglichkeiten und sozialen Kontakte sehr begrenzt. Es verblieben der Familie allein Ausflüge mit dem Auto, die oft am Ausflugsziel durch Treppen oder unebene Wege schnell beendet seien, Spaziergänge am Wohnort und die Ausflüge mit dem Rollfiets. Diese Ausflüge seien die einzige Möglichkeit, gemeinsam mit Freunden oder Verwandten etwas zu unternehmen ohne "behindert" zu sein. In der Vergangenheit seien oft schon Tagestouren mit 30 bis 40 km durchgeführt worden. Der Transport der Klägerin auf dem Rollfiets werde jedoch zunehmend schwieriger, sie nehme an Gewicht zu, während er, der Vater, wegen eines Innenmeniskusschadens zunehmend Schwierigkeiten habe, die bei Steigungen verbundenen Extrembelastungen ohne Elektroantrieb zu bewältigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2004, zugestellt am 04.06.2004, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der beantragte Elektroantrieb für das Rollfiets ermögliche zwar der Klägerin im Kreise der Familie sonntägliche Ausflüge mit dem Fahrrad zu unternehmen, dies sei jedoch eindeutig dem Freizeitbereich zuzuordnen und demzufolge kein elementares Grundbedürfnis der Behinderten. Es handele sich deshalb nicht um eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Unabhängig davon habe die Kasse ihre Leistungspflicht durch die Übernahme der Kosten für zwei Rollstühle in vollem Umfange bereits erfüllt.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21.6.2004 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe. Die Klägerin benötige das Gerät zur Integration in den Kreis der etwa gleichaltrigen Kinder und Jugendlichen, wozu der ältere, nicht behinderte Bruder sowie insbesondere auch die beiden Cousins zählten. Gemeinsame Familienunternehmungen außer Hauses seien außer bei Spaziergängen ansonsten nicht möglich. Der Elektroantrieb ermögliche es nicht nur dem Vater, sondern auch dem Bruder und der Mutter mit der Klägerin Ausfahrten zu unternehmen. Darüber hinaus habe das Rollfiets auch therapeutischen Nutzen, die Klägerin müsse mit ihrem Kopf aktiv einen Ausgleich vornehmen und Gleichgewicht halten. Die Rumpfkontrolle der Klägerin sei jedenfalls deutlich besser geworden, nach einer Fahrt mit dem Rollfiets sei die Muskulatur gelockert, besser als dies durch eine (passive) Krankengymnastik erreicht werden könne.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass das Rollfiets nicht der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unter Jugendlichen und der Kommunikation unter Gleichaltrigen diene. Die Kommunikation mit dem Bruder, der im gleichen Hause wie die Klägerin wohne, sei gesichert, außerhalb der Schule habe die Klägerin aber keinerlei Kontakte zu Gleichaltrigen innerhalb des Ortes. Die Ausflüge fänden nicht regelmäßig statt sondern nur ab und zu mit befreundeten Familien.
In der mündlichen Verhandlung des SG gab der Vater der Klägerin an, die Klägerin sei pro Jahr ca. 160 Schultage in der körperbehinderten Schule in Langensteinbach. An den Wochenenden und während der Ferien sei die Tochter zu Hause. Sie könne allerdings nicht länger als 10 Min. allein gelassen werden, weswegen bei der gegebenen Situation ein Wochenende mit Rundumbetreuung sehr lang sei. Man sehne deshalb bessere Witterungen herbei, um zusätzlich etwas mit der Tochter unternehmen zu können.
Mit Urteil vom 14.4.2005 hob das SG den Bescheid vom 7.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.6.2004 auf und verurteilte die Beklagte, die Kosten für den beantragten Elektroantrieb für das Rollfiets zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG könne ein Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Therapietandem für den Fall zugesprochen werden, dass eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorliege und in der konkreten Familiensituation den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung zukomme. Ein solcher Einzelfall liege hier vor, die in ihrer Kommunikationsfähigkeit erheblichst eingeschränkte Klägerin könne sich einen eigenständigen Umgang mit gleichaltrigen Jugendlichen nicht selbst erschließen. Der erheblich eingeschränkte körperliche Freiraum erfahre eine entscheidende Erweiterung dadurch, dass sie an den für die Familien wichtigen Fahrradausflügen mitgenommen werden könne. Ohne Elektroantrieb seien wegen des zwischenzeitlichen Gewichtes der Klägerin Fahrradausflüge aber nicht mehr möglich. Die Möglichkeit der Fortbewegung mit dem Fahrrad und damit die Möglichkeit der Teilnahme an Unternehmungen diene der Befriedigung eines Grundbedürfnisses.
Gegen das ihr am 27.4.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.5.2005 Berufung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, das Rollfiets diene nicht dem Kontakt mit Gleichaltrigen, weil es im Vergleich zu den Kontakten der Klägerin in der Schule zu Gleichaltrigen im Rahmen der gelegentlichen Sonntagsausflüge eine nur untergeordnete Rolle spiele. Gemeinsamen Fahrradausflügen komme nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich keine überragende Bedeutung für die soziale Integration und Kommunikation zu, da sie nur einen geringen Ausschnitt familiärer Aktivitäten darstellten. Mit den Hilfsmitteln Rollstuhl für den Außenbereich, der Hebebühne für den Transport des Rollstuhls und dem Pkw könne die Klägerin jederzeit in dem gleichen Umfang wie mit einem elektrobetriebenen Rollfiets zusammen mit ihrer Familie Kontakt zu Gleichaltrigen, Freunden und Verwandten aufnehmen und pflegen. Bei der durch ein elektrobetriebenes Rollfiets zusätzlich geschaffenen Möglichkeit würde es sich um eine Doppelausstattung von Hilfsmitteln handeln, die jedes für sich gesehen den gleichen Zweck erfüllen würden; dies würde gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstoßen. Entgegen der Auffassung des SG erfahre der erheblich eingeschränkte körperliche Freiraum keine entscheidende Erweiterung durch die witterungsabhängigen sonntäglichen Ausflüge von begrenzter zeitlicher Dauer.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.4.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie sieht die Wichtigkeit des Rollfiets gerade darin, dass sie wegen ihrer erheblich eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten keine Gelegenheit habe, sich einen gewissen Freiraum zu erschließen, der ihr die Kommunikation mit Gleichaltrigen ermögliche. Selbst wenn in anderen Fällen gemeinsamen Fahrradausflügen im Familienkreis keine Bedeutung für die soziale Integration und Kommunikation zukomme, sei dies angesichts ihrer Behinderung gerade anders. Zu den durch ein Hilfsmittel auszugleichenden Grundbedürfnissen gehöre auch die Lebensgestaltung durch aktive Fortbewegung außer Haus. Sie müsse den Behinderten ebenfalls zur Verfügung gestellt werden (Hinweis auf BSG vom 29.9.1997 - 8 RKn 27/96 - ). Die Beklagte habe dies in der Vergangenheit ebenso gesehen, denn sie habe der Klägerin ein Rollfiets bewilligt. Konsequenter Weise müsse sie deshalb die Umrüstung auf Elektroantrieb ebenfalls bewilligen. Nach dem Urteil des SG habe sie sich inzwischen den Elektroantrieb für das Rollfiets auf eigene Kosten angeschafft.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch statthaft. Berufungsausschlussgründe im Sinne des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor, da der Rechtsstreit um die Erstattung von 3.857, - EUR geht.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Sie hat zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom 7.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.5.2004 die Übernahme der Kosten für die Umrüstung des vorhandenen Rollfiets auf elektrischen Antrieb abgelehnt. Die Klägerin kann diese Leistung nicht beanspruchen.
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V besteht Anspruch auf Erstattung der Kosten für vom Versicherten selbst beschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der nach dieser Vorschrift in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtssprechung, vgl. z.B. BSG 79,125,126 oder BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R -). Die Umrüstung des vorhandenen Rollfiets auf elektrischen Antrieb muss die Krankenkasse im Falle der Klägerin nicht erbringen. Die Leistungsvoraussetzung einer vorherigen "Ablehnung des Antrags zu Unrecht" liegt hier nicht vor. Der Klägerin steht deshalb auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für den erst nach positiver sozialgerichtlicher Entscheidung privat beschafften Elektroantrieb zu.
Die Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass der Klägerin von der Beklagten im Jahre 1996 ein Rollfiets bewilligt worden war und für die Nachrüstung dieses Rollfiets durchaus plausible und sachgerechte Gründe (zunehmendes Gewicht der Klägerin, Knieprobleme des Vaters, überwiegende Verwendung in einer bergigen Umgebung) geltend gemacht werden. Denn auch bei der Beschaffung von Zusatzgeräten für ein Hilfsmittel müssen wie bei einer Erstausstattung sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 SGB V erfüllt sein (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 21 und BSG-Urteil vom 24.5.2006 - B 3 KR 12/05 R = SozR 4 - 2500 § 33 Nr. 11). Weiterhin müssen die Kriterien von Eignung, Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit auch im Zeitpunkt der Gewährung von Zusatzgeräten vorliegen und sind deshalb neu zu prüfen. Irgendeine schriftliche Zusage zur späteren Förderung eines Elektroantriebs hat die Beklagte nicht abgegeben; dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Geh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der GKV auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).
Der inzwischen selbst angeschaffte Elektroantrieb für das Rollfiets, ist kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern eine Sonderanfertigung, die nur für Kranke und Behinderte in Betracht kommen kann; er ist auch nicht durch Rechtsverordnung ausgeschlossen. Der Anspruch der Klägerin scheitert aber an der fehlenden Erforderlichkeit im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Das BSG hat für ein Therapie-Tandem entschieden, dass dieses nicht erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, weil eine regelmäßige Krankengymnastik nicht nur ausreicht, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines Behinderten erreichen kann, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl (BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R - sowie Beschluss vom 27.7.2006 - B 3 KR 11/06 B - ). Nichts anderes gilt hier für die vorgetragenen therapeutischen Effekte des Rollfiets. Zum Einen handelt es sich bei der Stärkung von Kopfkoordination und Balancegefühl um reine Nebeneffekte des Transports auf dem Rollfiets, zum Anderen beruhen die von Orthopäde Dr. W. angesprochenen therapeutischen Aspekte allein auf den Beobachtungen der Eltern, nicht aber auf Feststellungen von orthopädischen oder krankengymnastischen Fachkräften. Die therapeutische Wirkung der Fahrt mit einem Rollfiets wurde von den Eltern zuletzt selbst nicht mehr in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellt.
Hinsichtlich des Behinderungsausgleichs gilt nach Auffassung des Senates für das Rollfiets bzw. das elektrische Rollfiets nichts anderes als für ein Therapie-Tandem. Zu diesem Hilfsmittel hat das BSG (Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R folgendes entschieden:
Tenor:
"Um eine Behinderung auszugleichen" ist das Therapie-Tandem ebenfalls nicht erforderlich (vgl zum Folgenden BSG aaO; Urteil des Senats vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike - sowie zuletzt Urteil des Senats vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Dieser in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels bedeutet nicht, dass nicht nur die Behinderung als solche, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach stRspr (vgl die oben genannten Urteile des Senats) gehören zu den Grundbedürfnisses des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Auch das hier in Betracht kommende Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung nur iS eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht iS des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden verstanden. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1994 (3/1 RK 13/93 = SozR 3-2500 § 33 Nr 7 - Rollstuhlboy -) zwar die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis bejaht, aber dabei nur auf diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt. Später (Urteil vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31) hat der Senat das auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind bisher immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden: So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 16. April 1998 (B 3 KR 9/97 R - Rollstuhl-Bike für Jugendliche - SozR 3-2500 § 33 Nr 27) zwar diejenigen Entfernungen als Maßstab genommen, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklegt; das Hilfsmittel ist aber nicht wegen dieser - rein quantitativen Erweiterung - sondern wegen der dadurch geförderten Integration des behinderten Klägers in seiner jugendlichen Entwicklungsphase zugesprochen worden (vgl dazu neuerdings auch Urteil des Senats vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R - Dreirad - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Ganz ähnlich war schon in der Entscheidung vom 2. August 1979 (11 RK 7/78 = SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl -) nicht die angesprochene "Fortbewegung auch in Orten außerhalb seines Wohnortes", sondern die Ermöglichung des Schulbesuchs der maßgebliche Gesichtspunkt gewesen. Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass er zu Fuß nur Strecken von höchstens 100 Metern und auch nur unter Aufsicht zurücklegen sowie einen Rollstuhl selbstständig überhaupt nicht benutzen kann; dieser schwerwiegenden Einschränkung seiner Fähigkeit zum selbstständigen Fortbewegen kann aber auch ein Therapie-Tandem nicht abhelfen. Unselbstständig, dh mit Hilfe Dritter, wie mit dem Therapie-Tandem, kann der Kläger aber bereits mit dem von der Beklagten gewährten Schieberollstuhl die für die medizinische Rehabilitation iS von § 33 SGB V maßgeblichen Entfernungen, "die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt" (vgl oben), bewältigen. Das gilt auch für diejenigen Stellen, an denen Alltagsgeschäfte erledigt werden, dh üblicherweise im Nahbereich; dazu gehört das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1 - Shoprider -); auf Besonderheiten des Wohnortes und -gebietes kommt es dabei nicht an (vgl bereits BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31). Zwar könnte das Tandem den Radius unselbstständiger Fortbewegung deutlich erweitern. Sein Einsatzbereich beginnt auch nicht, wie das LSG formuliert hat, "im Grunde erst dort", wo das Grundbedürfnis auf Fortbewegung bereits endet; denn das Tandem ist auch im Nahbereich einsetzbar, zB beim Einkaufen. Überlegen wird es gegenüber einem Schieberollstuhl aber erst jenseits dieser Grenze, und damit außerhalb des räumlichen Anspruchsbereichs iS von § 33 SGB V. Bereits in seinem Urteil vom 16. September 1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32) hat der erkennende Senat in Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des 8. Senats des Bundessozialgerichts zu Therapie-Tandems (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 und Nr 28) ausgeführt, dass dem Grundbedürfnis auf Fortbewegung Genüge getan ist, wenn ein Selbstfahrerrollstuhl im Nahbereich bewegt werden kann, selbst wenn das im Straßenverkehr nur unter Aufsicht möglich ist, und dass eine weitere "Kompensation" durch Ausflüge mit einem Therapie-Tandem nicht erforderlich ist. Das Radfahren, mag es in der Bevölkerung auch weit verbreitet sein, gehört nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens und führt daher ebenfalls nicht zu einem Anspruch eines Behinderten auf ein Hilfsmittel, mit dem es "in etwa" kompensiert werden kann, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat. Dasselbe gilt für Freizeitbeschäftigungen, wie Wandern, Dauerlauf, Ausflüge uä, die das "Stimulieren aller Sinne", die "Erfahrung von Geschwindigkeit und Raum", das "Erleben physischen und psychischen Durchhaltens" sowie das "Gewinnen von Sicherheit und Selbstbewusstsein" - nicht "Selbstständigkeit", wie vorgetragen worden ist, denn diese gewinnt der Kläger mit dem Therapie-Tandem gerade nicht - mit sich bringen (vgl zum Ganzen Urteile vom 16. September 1999, B 3 KR 8/98 R und B 3 KR 9/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31 und Nr 32). Zur Teilnahme an Aktivitäten anderer Jugendlicher und damit zur Integration in Gruppen Gleichaltriger als einem anzuerkennenden Grundbedürfnis Jugendlicher ist das Therapie-Tandem nicht geeignet. Denn die Anwesenheit einer Begleitperson, dh eines Erwachsenen, wird von Jugendlichen bei ihren Aktivitäten, mit denen sie gerade Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Erwachsenen beweisen wollen, üblicherweise nicht akzeptiert. Im Übrigen sind für die Begleitung durch Elternteile sowie die ältere Schwester vom Kläger nur Einkaufsfahrten und Ausflüge vorgetragen worden.
Als zusätzliches qualitatives Moment kommt im vorliegenden Fall der vom BSG in der Entscheidung vom 13.5.1998 - B 8 KN 13/97 R = SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 28 und vom 29.9.1997 - B 8 Kn 27/96 = SozR 3 -2500 § 33 Nr. 25 hervorgehobene Aspekt der sozialen Integration innerhalb der Familie in Betracht. Der 8. Senat des BSG hat Familienausflüge mit einem Therapie-tandem dann als wesentlich angesehen, wenn eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorgelegen und "in der konkreten Familiensituation des Klägers den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung" zukam. Dem Kläger jenes Falles stand seine Behinderung der bei gesunden Kindern selbstverständlichen sozialen Einbindung in eine Gruppe gleichaltriger Kinder entgegen, sodass für ihn als Teilnahme am gesellschaftlichen Leben die möglichst vollständige Einbindung in das familiäre Leben in Vordergrund stand. Gleiches gilt hier für die Klägerin. Rein tatsächlich dürfte sie zudem noch erheblich stärker behindert sein, als die Kläger der vom 8. Senat des BSG entschiedenen Fälle. Denn ihre Bewegungsmöglichkeiten sind nicht nur stark eingeschränkt, sie sind vielmehr aus eigener Kraft überhaupt nicht vorhanden; die Klägerin braucht für jede Ortsveränderung die Hilfe einer Betreuungsperson. Bei dieser extremen Behinderung ist die Wahrnehmung sonstiger Grundbedürfnisse außerordentlich erschwert. Eine Beschränkung der Leistungspflicht der Beklagten auf die üblichen Grundbedürfnisse wirkt sich bei der Schwere ihrer Behinderung deutlich stärker als in anderen Fällen aus, weil die wenigen überhaupt möglichen Lebensgestaltungen noch eine weitere Einschränkung erfahren.
Die genannte Rechtsprechung des 8. Senats des BSG ist von den anderen, ausschließlich für die Krankenversicherung zuständigen Senaten nicht weiter verfolgt und übernommen worden. Bereits mit Urteil vom 16.9.1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32) hat sich der 3. Senat davon distanziert und darauf hingewiesen, dass der Wunsch, sich mit Hilfe des Tandems wie ein Radfahrer zu bewegen und zum Beispiel Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen, die damit verbundene Raumerfahrung, das Umwelterlebnis, Geschwindigkeitsempfinden, Gleichgewichtsgefühl oder sonstiges positives Erleben, nicht mehr zu den Grundbedürfnissen zählt, wenn die Fortbewegung im Nahbereich anderweitig sichergestellt ist. Letzteres ist bei der Klägerin durch Ausrüstung mit einem Schieberollstuhl sowie durch die Ausrüstung des Kraftfahrzeugs der Eltern mit einer Hebevorrichtung gesichert.
An anderer Stelle hat das BSG darauf abgestellt, dass zu den maßgeblichen vitalen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens nur die Fähigkeit gehört, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegende Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Ein darüber hinausgehendes Bedürfnis könne nicht als Grundbedürfnis anerkannt werden, auch wenn im Einzelfall die benötigten Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich der Wohnung vorgenommen werden könnten und der Rollstuhlfahrer dafür längere Strecke zurückzulegen hat, die seine Kräfte möglicherweise übersteigen (BSG Beschluss vom 11.1.2006 - B 3 KR 44/05 B-). In der Folge hat die Rechtsprechung diese Grundsätze bei Rollstuhlfahrern strikt umgesetzt, auch wenn diesen dadurch eine soziale Integration unmöglich gemacht wurde (vgl. etwa Urteil vom 19.4.2007 - B 3 KR 9/06 R -).
Basierend auf der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vermag der Senat die Aufrüstung des vorhandenen Rollfiets mit einem Elektroantrieb nicht als erforderlich im Sinne des Leistungskatalogs der GKV anzusehen. Der Einsatz des Rollfiets und seine Ausstattung überschreitet die Grenzen der medizinischen Rehabilitation und ist dem Bereich der sozialen Rehabilitation zuzuordnen. Das Grundbedürfnis der Klägerin nach Kommunikation und Bewegung wird durch die Ausfahrten mit dem Fahrradrollfiets nur im geringem Maße befriedigt, worauf die Beklagte zu Recht sehr umfangreich im Berufungsverfahren hingewiesen hat. Den wesentlichen Teil ihrer Kommunikation erlebt die Klägerin in der Schule für Körperbehinderte in Langensteinbach, wo sie sich an 160 Tagen im Jahr aufhält und danach in den Wohnräumen der Familie durch die anwesenden Familienmitglieder bzw. die Gäste der Familie. Ein Nutzen des Rollfiets kann nur für die warme Jahreszeit und dann auch nur für Wochenenden angenommen werden, an denen günstiges Wetter herrscht. Dabei erweist sich der Rollfiets für die Klägerin nur mittelbar als nützlich. Der Hauptnutzen liegt bei der Familie, die Ausflüge unternehmen und dabei ihre schwerstbehinderte Tochter mitnehmen kann. Gesellschaftliche Kontakte kann die vollständig sprachbehinderte Klägerin ohnedies nicht während der Fahrt, sondern nur am Anfang und am Ende der Fahrt bzw. bei Zwischenpausen aufnehmen. Das Naturerleben, andere optische Eindrücke und auch Kommunikation mit anderen Menschen können genauso gut aber bei Einsatz des vorhandenen Schieberollstuhls in Verbindung mit Ausflügen mit dem Pkw (mit Hebevorrichtung) gewonnen werden. Der Klägerin ist genauso gut gedient, wenn sie im Rollstuhl durch die Natur geschoben wird bzw. wenn sie mit dem Kraftfahrzeug an Orte gebracht wird, wo sie neue Eindrücke gewinnen kann. Auch aus diesem Grund ist die Umrüstung des Rollfiets auf Elektroantrieb nicht erforderlich.
Nach alle dem erweisen sich die angefochtene Bescheide als rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den zwischenzeitlich eingebauten Elektroantrieb. Das Urteil des SG kann daher keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.
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