L 9 R 5340/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 836/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5340/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. November 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin die Gewährung von Rente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes bis zu dessen Tod.

Die Klägerin ist Witwe des am 1940 geborenen und am 2007 verstorbenen Versicherten, ihrem Ehegatten, mit dem sie zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte.

Der Versicherte war nach seinem Zuzug aus der Türkei in Deutschland von August 1973 bis Dezember 1993 mit Unterbrechungen rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Januar 1994 bis 10. März 1997 war er selbstständig tätig ohne Beitragsentrichtung. Er war dann vom 11. März 1997 bis 26. Juli 1998 - ohne Leistungsbezug - arbeitslos gemeldet und vom 29. Juli 1998 bis 28. Februar 1999 wiederum rentenversicherungspflichtig tätig. Vom 2. März 1999 bis 24. Februar 2000 war er arbeitslos, vom 25. Februar 2000 bis 6. August 2001 bezog er Sozialleistungen und ab 8. August 2001 bis 9. Mai 2002 war er wiederum arbeitslos, wobei die Bewilligung von Leistungen mit Bescheid vom 7. Mai 2002 ab 10. Mai 2002 ganz aufgehoben wurde, weil er keine Beschäftigung zu arbeitsmarktüblichen Bedingungen mehr ausüben könne. Wegen des Leistungsbezugs sind ab 2. März 1999 Pflichtbeiträge entrichtet. Bezüglich der Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 5. Januar 2007 verwiesen.

Der Versicherte erlitt am 23. April 2000 einen Hinterwandinfarkt bei coronarer Ein-Gefäßerkrankung mit 60 %iger RCA-Stenose. Außerdem litt er unter einer arteriellen Verschlusskrankheit Grad I bis II ohne Ruheschmerzen oder trophische Störung, einem großen bullösen Lungenemphysem mit mehrfach bis vier cm großen subpleuralen Bullae, in deren Folge mehrere Bronchitiden und auch eine Pneumonie auftraten, einem LWS-Syndrom mit Bandscheiben(BS)-Protrusionen und einer Hyperlipidämie. Im Juli 2002 wurde dann ein Adenokarzinom des rechten Lungenoberlappens mit Brustwandinfiltration diagnostiziert, das operativ und mit Strahlentherapie behandelt wurde. Am 15. September 2007 ist der Versicherte verstorben.

Ab 7. Februar 2000 war der Versicherte - zunächst wegen Pneumonie, dann wegen COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und dann wegen des am 23. April 2000 erlittenen Hinterwandinfarkts - arbeitsunfähig. Vom 24. Mai 2000 bis 28. Juni 2000 erfolgte eine stationäre Heilbehandlung in der Klinik am Südpark, B. N., (Diagnosen: Hinterwandinfarkt, coronare Herzkrankheit, Ein-Gefäßerkrankung mit maximal 50 %iger RCA-Stenose bei noch guter linksventrikulärer Pumpfunktion, Hyperlipidämie, fortgesetzter Nikotinabusus, belastungsabhängiges lumbosakrales Schmerz-Syndrom bei pseudoradikulärer Ausstrahlung und BS-Protrusion). Bei der Entlassung wurde das Leistungsvermögen "bei weiter unauffälligem Verlauf und nach ausreichender Rekonvaleszens ab August 2000" für ausschließlich leichte Tätigkeiten mit zeitweisem Stehen sowie überwiegendem Gehen und Sitzen in Tages-, Früh- oder Spätschicht - ohne einseitige Belastungen der WS, häufiges Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten - auf vollschichtig eingeschätzt (Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 7. Juli 2000). Demgegenüber vertrat der Praktische Arzt Dr. H. im Attest vom 29. Juni 2000 die Auffassung, aus hausärztlicher Sicht sei eine Berentung anzustreben, da der Versicherte auf Grund seiner Erkrankung keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr ausführen könne.

Einen Rentenantrag vom 5. Mai 2000, mit welchem der Versicherte geltend machte, er sei seit Juni 2000 erwerbs- bzw. berufsunfähig, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2000 ab, weil, ausgehend von einem Versicherungsfall am 7. Februar 2000 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit), die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht erfüllt seien. In dem dem Versicherungsfall vorausgehenden Fünf-Jahres-Zeitraum seien nur ein Jahr und acht Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Widerspruch und Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG), S 4 RJ 1237/01, blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2001 [Widerspruch verspätet], Rücknahme der Klage am 8. April 2002).

Dem lag im Wesentlichen ein Gutachten des Dr. S, Facharzt für Innere Medizin, Sozialmedizin vom 14. September 2000 zu Grunde. Dieser diagnostizierte nach einer Untersuchung vom vom 13. September 2000 ein chronisches pseudoradikuläres Lumbalsyndrom mit erheblichem Muskelhartspann und Bewegungseinschränkungen der LWS, rezidivierende Lumboischialgien bei degenerativ bedingter Nervenwurzelkompression S1 links, eine coronare Ein-Gefäßerkrankung bei Hinterwandinfarkt im April 2000, eine Hypokinesie bei verminderter Ejektionsfraktion und noch ausreichender ventrikulärer Pumpfunktion, eine gut behandelte arterielle Hypertonie, ein fortgeschrittenes großbullöses Lungenemphysem, eine bislang asymptomatische aneurysmatische Dilatation der thoracalen Aorta descendens und eine 80 %ige Stenosierung der Aorta iliaca rechts bei guter Kollateralisierung sowie eine normozytäre Anämie unklarer Genese. In Zusammenschau der gesamten Symptomatik und der Befunde sei die Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien nur noch bis unter halbschichtig seit Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit möglich.

Einen zweiten Rentenantrag vom 18. bzw. 24. April 2001, zu welchem der Versicherte auf seine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit seit 2000 hinwies, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. August 2001 ab, weil der Versicherte zwar in rentenberechtigendem Ausmaß in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert sei, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit jedoch nicht erfüllt seien. Bei Eintritt des Versicherungsfalls im Antragsmonat April 2001 seien im maßgebenden vorausgehenden Fünf-Jahres-Zeitraum nur 34 Monate Pflichtbeiträge zurückgelegt. Den dagegen am 23. August 2001 erhobenen Widerspruch, mit welchem sich der Versicherte gegen die Ablehnung der Rentengewährung wegen fehlender zwei Monate wandte und geltend machte, er bekomme auf Grund seines Gesundheitszustandes keine Arbeit, nahm er am 29. Oktober 2001 wieder zurück.

Dem lagen weitere ärztlicher Unterlagen, u. a. ein Bericht des Orthopäden Dr. M. vom 29. Mai 2001 und ein weiteres Gutachten des Dr. S vom 11. Juni 2001 zu Grunde, der nach einer Untersuchung vom 11. Juni 2001 bei gegenüber seinem vorherigen Gutachten unveränderten Diagnosen aber "mittlerweile verschlechtertem Bild" zum Ergebnis gelangte, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien seit dem Rentenantrag weniger als drei Stunden möglich.

Einen dritten Rentenantrag vom 20. November 2001, zu welchem der Versicherte auf die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit verwies, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2002 und - nach Widerspruch mit der Begründung, zum Zeitpunkt der Antragstellung am 20. November 2001 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt - Widerspruchsbescheid vom 20. September 2002 ab, weil seit 24. April 2001 zwar volle Erwerbsminderung bestehe, in den vorangegangenen fünf Kalenderjahren jedoch lediglich 34 Monate Pflichtbeitragszeiten vorlägen und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt seien.

Grundlage waren die Stellungnahmen des Dr. S vom 14. Januar und 22. Juli 2002, der ausführte, der Versicherte sei schon zweimal begutachtet worden. Seine Leistungsfähigkeit sei aufgehoben und erneute Begutachtung sinnlos. Das "Versicherungsfalldatum" liege im Zeitraum zwischen 13. September 2000 und 11. Juni 2001.

Auf die am 8. November 2002 beantragte Überprüfung der Entscheidung, zu der der Versicherte geltend machte, nach April 2001 seien Pflichtbeiträge entrichtet, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 2002 die Rücknahme des Bescheids vom 2. Mai 2002 und des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2002 ab, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Sie verwies auf die Lücke im Versicherungsverlauf.

Am 28. November 2002 stellte der Versicherte einen erneuten Rentenantrag und machte geltend, er sei seit 2000 wegen eines Herzinfarkts, eines Bandscheibenvorfalls (BSV), eines Lungenkarzinoms und einer Magenoperation erwerbsgemindert.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, da der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung seit 24. April 2001 eingetreten und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Mit seinem Widerspruch vom 12. Dezember 2002 machte der Versicherte geltend, für die Entscheidung, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, seien weitere Pflichtbeitragszeiten zu berücksichtigen. Es sei vom Rentenantragsdatum 28. November 2002 auszugehen. Ansonsten hätte er die Beiträge gezahlt, ohne in den Genuss von Rentenleistungen kommen zu können, was gröblich dem Äquivalenzprinzip widerspräche. Eine "ermessensgerechte Auslegung" sei erforderlich.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2003 zurück. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da im maßgeblichen Zeitraum vom 24. April 1996 bis 23. April 2001 lediglich 34 Monate Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorlägen und auch die Monate ab 1. Januar 1984 bis zum Monat vor der Rentenantragstellung nicht lückenlos mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt seien bzw. eine Beitragszahlung für diesen Zeitraum nicht mehr möglich sei und im Übrigen auch kein Tatbestand des § 53 SGB VI vorliege.

Deswegen hat der Versicherte am 4. April 2003 Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe unberechtigterweise den Versicherungsfall vorverlegt. Es sei ausschließlich auf den Zeitpunkt der letzten Antragstellung abzustellen. Erwerbsunfähigkeit habe nicht schon im April 2001 vorgelegen. Wie sich aus dem Bescheid des Versorgungsamts Heilbronn ergebe, betrage der Grad der Behinderung (GdB) seit 27. August 2002 100. Auch Dr. H. nehme eine Minderung der Leistungsfähigkeit in dem von ihm bezeichneten starken Ausmaß erst seit der Lungenoperation im August 2002 an. Wenn er von einer erheblichen Reduktion des Leistungsvermögens bereits seit dem Herzinfarkt im April 2000 ausgehe, rechtfertige dies nicht die Annahme des Eintritts des Versicherungsfalls am 23. April 2001. Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld durch das Arbeitsamt Tauberbischofsheim sei erst zum 10. Mai 2002 erfolgt. Damit sei die Bundesanstalt für Arbeit jedenfalls bis Mai 2002 von einem noch ausreichenden Leistungsvermögen ausgegangen. Auch wenn er im April 2001 schon einen Rentenantrag gestellt habe, sei dies durch seine Tochter erfolgt und habe eine Beratung durch die Beklagte vorher nicht stattgefunden. Hätte er einen entsprechenden Hinweis auf das Fehlen von zwei Monaten Pflichtbeiträgen erhalten, hätte er den Rentenantrag zu diesem Zeitpunkt zurückgenommen bzw. wäre zu diesem Zeitpunkt einen Antrag nicht gestellt worden. Es sei unbillig, auf den Zeitpunkt des ersten Rentenantrags abzustellen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. H. hat die von ihm erhobenen Befunde mitgeteilt und Arztbriefe aus dem Jahr 2003 beigefügt. Er hat die Auffassung vertreten, ein vernünftiges Restleistungsvermögen sei nicht mehr vorhanden. Der Versicherte habe unter geringster Belastung Luftnot, die begründet sei durch die bösartige Lungenerkrankung mit Operation, andererseits auch durch die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung und die eingeschränkte kardiale Funktion nach Herzinfarkt, wobei die Symptomatik verstärkt werde durch eine persistierende chronische Anämie. Die wesentlichen Leiden für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit lägen auf lungen- und herzmedizinischem Fachgebiet. Die Minderung der Leistungsfähigkeit in diesem starken Ausmaß sei gesichert seit der Lungenoperation im August 2002, eine erhebliche Reduktion des Leistungsvermögens habe bereits seit dem Herzinfarkt im April 2000 vorgelegen. Der Chefarzt der Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses Wertheim Dr. S. hat am 29. Juli 2003 über die erhobenen Befunde berichtet und die Diagnosen mitgeteilt.

Die Beklagte hat vorgetragen, weder die Anerkennung als Schwerbehinderter noch die Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ließen Schlüsse auf das Vorliegen von Erwerbsminderung (und auch nicht auf das Nichtvorliegen von Erwerbsminderung) zu. Außerdem hat sie eine Stellungnahme von Dr. G. vom 16. September 2003 vorgelegt. Er ist zum Ergebnis gelangt, die vorgelegten Befundberichte bestätigten das aufgehobene Leistungsvermögen. Dass der Versicherte erst ab dem Begutachtungsdatum 11. Juni 2001 nicht mehr in der Lage gewesen sei, eine körperliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, sei schwerlich zu begründen, da bereits bei der ersten Begutachtung im Jahr 2000 kein vollschichtiges Leistungsvermögen mehr vorhanden gewesen sei und seit diesem Zeitpunkt eine laufende Verschlechterungsentwicklung zu beobachten sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. November 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Eintritt des Leistungsfalls erst nach April 2001 sei nicht begründbar, da schon im Jahr 2000 im Zusammenhang mit dem Herzinfarkt ein nicht mehr vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden habe. Danach habe sich der Gesundheitszustand ständig verschlechtert, zu einer Besserung sei es nie mehr gekommen. Ein Leistungsfall, wie vom Kläger begehrt, sei nicht begründbar. Damit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente nicht erfüllt und habe die Beklagte zu Recht die Gewährung von Rente abgelehnt.

Gegen den am 14. November 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Versicherte am 13. Dezember 2005 Berufung eingelegt. Nachdem er am 15. September 2007 verstorben ist, hat seine Ehefrau als Klägerin den Rechtsstreit aufgenommen und führt ihn fort.

Der Senat hat die Schwerbehindertenakten vom Versorgungsamt (mit dem versorgungsärztlichen Gutachten der Dr. E. vom 10. April 2001 nach einer Untersuchung vom 5. April 2001) beigezogen und Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 22. Dezember 2006 über die seit Juni 1998 erhobenen Befunde, angegebenen Beschwerden und gestellten Diagnosen sowie eine kontinuierliche Verschlechterung berichtet. Von Behandlungsbeginn bis April 2001 sei eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustands eingetreten, insbesondere seit 2000 und 2001 sei keinerlei positives Leistungsbild mehr gegeben gewesen. Haushaltsführung und Erledigung von Besorgungen seien selbstverständlich zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr möglich gewesen.

Außerdem hat der Senat ein Sachverständigengutachten des Dott. B. vom 27. März 2007 eingeholt. Er ist nach Aktenlage im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, die Beurteilung des Leistungsvermögens sei besonders schwer, da nur wenige belastbare Daten vorlägen. Eine Beurteilung und Differenzierung zwischen April, Juni und August 2001 sei nicht möglich, da der letzte verwertbare Befund vor April 2001 das Datum Februar 2001 trage und der nächste aus dem August 2002 stamme. Streng genommen datierten die einzigen "harten Daten" auf Testungen im Heilverfahren im Jahr 2000. Alle anderen Begutachtungen basierten nicht auf Testungen, z.B. Ergometrie, und seien lediglich Schätzungen, die abgegeben worden seien, ohne den Versicherten gesehen oder untersucht zu haben. Sie seien zum Teil nicht nachvollziehbar und gäben keine belastbare Grundlage für eine fundierte Aussage. Leichte körperliche Arbeiten seien bis August 2001 insgesamt für jede Diagnose einzeln gesehen zumutbar gewesen. Es bleibe die Tatsache einer Belastbarkeit von 100 Watt im stationären Heilverfahren (Juni 2000). Ob bei einer schmerzfreien Gehstrecke von 150 m 500 m in maximal 20 Minuten zurückgelegt werden konnten, könne nach den Akten nicht beurteilt werden. Da zwischen dem Bericht über das Heilverfahren vom Juli 2000 und den Zeiträumen bis August 2001 keine genauere Leistungsbefundung stattgefunden habe und die Ergometrie-Untersuchung während des Heilverfahrens relativ zeitnah zum April, Juni und August 2001 liege, könne angenommen werden, dass auf jeden Fall bis August 2001 leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zumutbar gewesen seien.

Außerdem hat der Senat den Orthopäden M. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat am 26. Juli 2007 die am 12. Oktober und 3. November 2000 erhobenen Befunde mitgeteilt und geäußert, der Versicherte sei in der Ausübung körperlicher Arbeiten und Arbeiten in Zwangshaltungen eingeschränkt gewesen. Hierzu hat er ein MRT vom 8. November 2000 und einen Bericht des Neurochirurgen Prof. Dr. D. vom 21. November 2000 übersandt.

Die Klägerseite macht geltend, der Leistungsfall sei nach April 2001 eingetreten. Die pauschale Annahme einer Reduktion des Leistungsvermögens nach dem Herzinfarkt sei nicht ausreichend belegt. Es könne keinesfalls angenommen werden, dass es seit dem Jahr 2000 zu keiner Besserung gekommen sei. Hierzu hat sie einen "ärztlichen Bericht" des Dr. H. vom 7. Dezember 2006 vorgelegt, der Diagnosen enthält und in dem Dr. H. zum Ergebnis kommt, es bestehe ein äußerst komplexes und lebensbedrohliches Krankheitsbild, insbesondere seit 2002 sei der Versicherte praktisch überhaupt nicht mehr belastbar gwesen. Er sei "die ganze Zeit überhaupt nicht in der Lage, irgendeine Arbeit von wirtschaftlichem Wert zu verrichten".

Die Klägerin beantragt zum Teil sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. November 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2003 zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin des am 15. September 2007 verstorbenen Versicherten vom 28. November 2002 bis zum 30. September 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Soweit im Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 5. Juli 2000 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angegeben sei, habe es sich um eine prospektive Beurteilung gehandelt. Nach dem Bericht des Hausarztes Dr. H. vom 22. Dezember 2006 habe seit 2000 und 2001 keinerlei positives Leistungsbild mehr vorgelegen, was sich auch aus seinem am 15. September 2000 ausgestellten ärztlichen Attest zur Begründung des bei der AOK erhobenen Widerspruchs ergebe. Der Versicherte habe z.B. am 24. Oktober 2000 über Erschöpfung und Luftnot bei geringster Belastung geklagt habe und sei in Rentenanträgen vom 17. Juli 2000 und 28. November 2002 selbst von einer Erwerbsminderung seit 2000 ausgegangen. Hierzu hat sie ärztliche Stellungnahmen von MDir L. vom 25. August und 24 Oktober 2006 sowie 21. Mai 2007 vorgelegt. Er hat ausgeführt, er stimme Dr. S zu, der nach der Untersuchung im September 2000 das Leistungsvermögen aus internistischer und ganzheitlicher Sicht unter Mitberücksichtigung des Lumbalsyndroms mit Nervenkompression und anderer Befunde auf bis unter halbschichtig und am 11. Juni 2001 bei nahezu identischem Befund, aber weiter verschlechtertem Bild selbst für leichte Arbeiten auf nur unter dreistündig geschätzt hat. Es verbleibe trotz der Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens im MDK-Gutachten von Dr. Sch. vom 7. September 2000 bei der Einschätzung analog der Beurteilung im Rentengutachten vom 13. September 2000. Dott. B. könne er nicht folgen. Auch wenn Dr. S im ersten Gutachten keine harten Fakten aufgeführt habe, folge er diesem. Schließlich habe Dr. S auch eine erhebliche Funktionsminderung der LWS und das muskuläre Reizsyndrom beschrieben, ebenso den nicht ganz unkomplizierten Verlauf des Herzinfarkts. Dies passe im Übrigen auch zu den subjektiven Angaben des Versicherten bezüglich einer hochgradigen Bewegungsbehinderung und Minderung der Gehfähigkeit mit Angabe einer möglichen Gehstrecke von höchstens 150 Metern. Außerdem hat die Beklagte eine Stellungnahme von Dr. Sch. vom 23. November 2007 vorgelegt. Er hat ausgeführt, der Versicherte sei bereits 2000 multimorbid gewesen. Dies sei erst durch den Herzinfarkt offenkundig geworden. Es hätten gravierende Veränderungen des Gefäßsystems bestanden und eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit Komplikation einer Lungenentzündung vorgelegen. Auch die Rückenschmerzproblematik und der Reizhusten, die Blutarmut (Anämie) und Entzündungszeichen seien Ausdruck eines damals noch unbekannten, aber gleichwohl schwächenden Krankheitsprozesses gewesen, der sich dann in dem 2002 festgestellten Bronchialkarzinom dargestellt, aber den Versicherten davor bereits geschwächt habe. In Zusammenschau aller Befunde sei die Einschätzung des Dr. S unabhängig von der Belastbarkeit bis 100 Watt nachvollziehbar. Auch Dr. H. habe dies so gesehen und keineswegs ausschließlich auf die Herzinfarktfolgen abgestellt, sondern die gesamten Einschränkungen und sie bedingenden Erkrankungen. Die Knochenmarkstanze habe reaktive Veränderungen ergeben. Zu diesem Zeitpunkt sei der Versicherte schon ein schwerkranker Mensch gewesen, weswegen Dr. H. im MDK-Gutachten vom 5. März 2001 in der Gesamtschau der Symptomatik von einer Leistungsfähigkeit von unter zwei Stunden ausgegangen sei. Dem entspreche das geänderte Leistungsbild im Gutachten von Dr. S vom 11. Juni 2001. Dieses Gutachten sei zwanglos nachvollziehbar.

Die Beteiligten hatten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch als Rechtsnachfolgerin des Versicherten auf Rente wegen Erwerbsminderung bis zu dessen Tod.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten nacheinander 1. dem Ehegatten, 1 a. dem Lebenspartner, 2. den Kindern, 3. den Eltern, 4. dem Haushaltsführer zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben und von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Mehrere Personen einer Gruppe stehen die Ansprüche zu gleichen Teilen zu (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Da die Klägerin Ehefrau des verstorbenen Versicherten war und mit diesem zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, stehen ihr die Rentenansprüche des Versicherten, soweit er solche hatte, bis zu dessen Tod zu. Die Klägerin kann demnach etwaige Rentenansprüche geltend machen und ist befugt, den Rechtsstreit, den sie als Rechtsnachfolgerin aufgenommen hat, fortzuführen. Ein Anspruch auf Rente besteht jedoch nicht.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich nach § 43 Abs. 4 Satz 1 um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr.1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§ 43 Abs. 5 SGB VI).

Da der Versicherte vom 1. Januar 1994 bis 10. März 1997 wegen der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit keine rentenrechtlich berücksichtigungsfähige Zeiten hat, müsste zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Versicherungsfall in einem Zeitpunkt eingetreten sein, zu dem im ihm vorangegangenen Fünf-Jahres-Zeitraum wiederum wenigstens 36 Monate berücksichtigungsfähige Pflichtbeitragszeiten (Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, auch Pflichtbeiträge wegen Bezugs von Arbeitslosengeld oder Sozialleistungen [vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI und § 3 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 3 SGB VI]) vorliegen. Unter Berücksichtigung dessen hat der Versicherte im maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum die erforderlichen 36 Pflichtbeiträge (wobei nur teilweise belegte Monate nach § 122 Abs. 1 SGBVI auch voll zählen) dann vorzuweisen, wenn der Versicherungsfall am 2. Juni 2001 oder später eingetreten ist. Bei Eintritt des Versicherungsfalles am 2. Juni 2001 wären in dem vorhergehenden Fünf-Jahres-Zeitraum vom 2. Juni 1996 bis zum 1. Juni 2001 (zur Berechnung der Frist vgl. § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch) - da auch die Belegung des 1. Juni 2001 als voller Monat gezählt - 36 Monate enthalten. Bei Eintritt des Versicherungsfalls am 1. Juni 2001 würde sich die Zahl der Pflichtbeitragmonate um einen Monat verringern. Ist der Versicherungsfall also vor dem 2. Juni 2001 eingetreten, sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, da der Kläger dann keine 36 Monate Pflichtbeitragszeiten vorweisen kann (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung kommt es bei der Prüfung, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, nicht an. Vielmehr ist auf den tatsächlichen Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen.

Unter Zugrundelegung der vorstehend aufgeführten Voraussetzungen hatte der Versicherte bis zu seinem Tod keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, denn die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Versicherungsfall nicht erst nach dem 1. Juni 2001, sondern bereits davor eingetreten ist.

Der Versicherte war zur Überzeugung des Senats spätestens seit seinem zweiten Rentenantrag vom 18. bzw. 24. April 2001 voll erwerbsgemindert. Nach dem Gutachten von Dr. S vom 11. Juni 2001 bestand seit diesem Rentenantrag ein Restleistungsvermögen von unter drei Stunden. Hiervon ist auch der Senat überzeugt.

Der Versicherte selbst hat zunächst mit den Rentenanträgen vom 11. Juli 2000 und 18. April 2001 zum Ausdruck gebracht, dass er sich bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für hinreichend leistungsfähig bzw. in rentenberechtigendem Ausmaß für erwerbsgemindert erachtet hat. Wenn er, nachdem diese Anträge wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt worden waren, danach die weiteren Rentenanträge vom 20. November 2001, 28. November 2002 gestellt hat, bedeutet dies nicht, dass er von seiner früheren eigene Einschätzung seines Leistungsvermögens abgerückt ist, sondern nur, dass er der Tatsache, dass die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren, Rechnung getragen hat. Er hat immer auf die seit Anfang 2000 bestehende Arbeitsunfähigkeit hingewiesen.

Der Versicherte litt bereits zum Zeitpunkt der ersten Begutachtung durch Dr. S (Untersuchung vom 13. September 2000) unter einem chronischen pseudoradikulären Lumbalsyndrom mit erheblichem Muskelhartspann und Bewegungseinschränkungen der LWS, rezidivierenden Lumboischialgien bei degenerativ bedingter Nervenwurzelkompression S1 links, einer coronaren Ein-Gefäßerkrankung, einem Zustand nach Hinterwandinfarkt im April 2000, einer beschriebenen Hypokinesie, einer verminderten Ejektionsfraktion bei noch ausreichender ventrikulärer Pumpfunktion, einem fortgeschrittenen großbullösen Lungenemphysem, einer zunächst asymptomatischen aneurysmatischen Dilatation der thorakalen Aorta descendens und einer 80 %igen Stenosierung der Aorta illiaca rechts bei guter Colateralisierung. Außerdem war schon zu diesem Zeitpunkt eine normozytäre Anämie von zunächst unklarer Genese festgestellt, wobei sich im späteren Krankheitsverlauf ein Lungenkarzinom zeigte, das im August 2002 schließlich zur Operation und nachfolgend einer Strahlentherapie führte.

Auf Grund dieser Erkrankungen ist Dr. S bereits im Gutachten vom 14. September 2000 zum Ergebnis gelangt, der Versicherte könne auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen nur bis unter halbschichtig verrichten. Dieses Gutachten beruht auf einer ausführlichen Anamnese sowohl hinsichtlich der Beschwerden, wie auch der Medikation und auf ausführlichen Untersuchungen, weswegen der Senat keinen Zweifel hat, dass die von Dr. S zu diesem Zeitpunkt vorgenommene Leistungsbeurteilung zutreffend ist. Soweit hiervon abweichend in den sozialmedizinischen Gutachten für die AOK Dr. Sch. am 7. September 2000 und auch noch im Aktengutachten vom 6. Dezember 2000 zum Ergebnis gelangt ist, der Versicherte sei mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig leistungsfähig, erscheint dem Senat das Gutachten von Dr. S überzeugender, insbesondere im Hinblick auf die ausführlichen Untersuchungen und die Anamnese sowie seine weiteren Erhebungen. Einen wesentlichen Widerspruch, zumindest für die Zeit ab der Untersuchung durch Dr. S am 13. September 2000 gegenüber dem Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 7. Juli 2000 vermag der Senat nicht zu erkennen. Die dort getroffene Leistungseinschätzung für die Zeit ab August 2000 beruht auf einer Prognose. Im Zeitpunkt der Abfassung des Heilverfahren-Entlassungsberichtes (7. Juli 2000) wurde der Versicherte auch noch als unter dreistündig leistungsfähig angesehen. Angesichts dessen besteht keine Veranlassung, die Einschätzung von Dr. S vom 14. September 2000, der auch die weitere Entwicklung des gesamten Gesundheitszustandes berücksichtigt hat, in Zweifel zu ziehen. Zwar ist nach der im stationären Heilverfahren durchgeführten Ergometrie eine weitere Belastungsmessung nicht erfolgt, doch schließt dies die Annahme eines Leistungsvermögens, wie es von Dr. S dargestellt wurde, nicht aus. Im Übrigen hat auch der behandelnde Dr. H. das Leistungsvermögen des Versicherten als durchgängig aufgehoben eingeschätzt. Demzufolge erscheint dem Senat die Bewertung des Dr. S vom 14. September 2000 schlüssig und überzeugend.

Im weiteren Verlauf hat sich das Leistungsvermögen des Versicherten weiter verschlechtert. Insbesondere wurden reaktive Veränderungen bei der Knochenmarkuntersuchung wie bei einer entzündlichen neoplastischen Erkrankung (Prof. Dr. M.-H. am 14. Februar 2001) festgestellt und hat der Internist Dr. H. am 17. Februar 2001 bezüglich der chronisch entzündlichen Laborparameter schon differenzialdiagnostisch ein Malignom mit entzündlich-toxischer Anämie erwähnt. Auf Grund dieser nicht abgeklärten chronischen Anämie ist Dr. H. im MDK-Gutachten vom 5. März 2001 nach Aktenlage schließlich auch zum Ergebnis gelangt, es liege eine weitergehende Leistungsminderung vor. Hinzu kommt eine Verschlimmerung der Lungenfunktion, die Dr. E. im versorgungsärztlichen Gutachten vom 10. April 2001 anlässlich einer Untersuchung vom 5. April 2001 (mit Atemwegsmessungen) durchgeführt hat. Dies zeigt eine kontinuierliche weitere Verschlechterung. So ist dann auch Dr. S nach einer weiteren Untersuchung vom 11. Juni 2001 schließlich zum Ergebnis gelangt, dass sich das Erkrankungsbild weiter verschlechtert hatte und das Leistungsvermögen ab dem (zweiten) Rentenantrag vom 18. bzw. 24. April 2001 auf weniger als drei Stunden abgesunken war. Unter Berücksichtigung der gesamten Entwicklung und auch der Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. H., die insofern in Übereinstimmung steht mit den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen des Dr. Sch. und des Dr. G. sowie des MDir L. ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass das Leistungsvermögen des Versicherten jedenfalls seit dem zweiten Rentenantrag, dem 18. bzw. 24. April 2001, auf weniger als drei Stunden abgesunken war. Eine Bestätigung dieser Einschätzung ergibt sich auch aus den von Dr. H. vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Aufzeichnungen über Befunde und Diagnosen von Juni 1998 bis April 2001, die auf eine kontinuierliche Verschlimmerung hinweisen.

Soweit Dr. S in seinen Stellungnahmen vom 14. Januar und 22. Juli 2002 geäußert hat, das "Versicherungsfalldatum" (der vollen Erwerbsminderung) liege im Zeitraum "zwischen 13. September 2000 und 11. Juni 2001", stellt dies weder ein ausdrückliches und klares Abrücken von seiner früheren Einschätzung mit Annahme eines unter dreistündigen Leistungsvermögens seit dem Rentenantrag vom 18. bzw. 24. April 2001 dar, noch ergibt sich daraus für den Senat eine andere Einschätzung.

Soweit hiervon abweichend Dott. B. mit Blick auf Einzelbefunde auch im Zeitraum von April bis August 2001 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen annimmt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen und ist diese Beurteilung nicht geeignet, die Einschätzungen des Dr. S vom 14. September 2000 und 11. Juni 2001 zu widerlegen oder dagegen ernste Zweifel zu begründen. Seine isolierte Betrachtung und Bewertung der ihm bekannten einzelnen Diagnosen mag zwar - wie auch MDir L. einräumt - noch zutreffend sein, doch bedarf es hier einer Gesamtbetrachtung, die Dr. S schlüssig vorgenommen hat. Dieser hat im übrigen - entgegen den Ausführungen des Dott. B. und anders als dieser - den Versicherten körperlich untersucht und eine sorgfältige Anamnese vorgenommen. Auch hat er nicht lediglich zwei "Kurzgutachten", sondern ausführliche sozialmedizinische Gutachten erstellt. Soweit Dott. B. auf die unveränderten Diagnosen in dem Gutachten von Dr. S hinweist, verkennt er, dass nicht allein die Diagnosen maßgeblich sind, sondern die aus den Erkrankungen resultierenden funktionellen Einschränkungen und ihre Auswirkungen auf die Fähigkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen, und dass Dr. S auf Grund seiner Untersuchungen insofern sehr wohl eine Verschlechterung festgestellt hat. Da dieser den Versicherten zweimal persönlich untersucht hat, konnte er sich hiervon ein gutes Bild machen. Des weiteren hat Dott. B. nicht hinreichend gewürdigt, dass der Pulmologe im November 2000 einen persistierenden produktiven Reizhusten mit Auswurf und in den Röntgenthoraxaufnahmen Veränderungen, die nicht eindeutig einem akuten Krankheitsgeschehen zuzuordnen waren, festgestellt hat. Im übrigen hat Dott. B. das Ergebnis der Untersuchung der Dr. E. vom 5. April 2001 nicht hinreichend gewürdigt. Bei dieser Untersuchung wurden insbesondere Atemwegmessungen durchgeführt. Auch Dr. E. hat im Gutachten vom 10. April 2001 aus eigenem Augenschein und nach Untersuchung den Versicherten als deutlich schmerzgeplagten Mann mit Leidensdruck, Antriebsminderung und glaubhafter Leistungseinschränkung beschrieben. Der Versicherte hatte bereits an Gewicht abgenommen. Auch wenn sich die ganz harten Parameter nicht wesentlich verändert hatten und sich noch kein kachektischer Einruck gezeigt hat, ist doch offensichtlich bereits ein rasch progredienter Verlauf mit bei der Untersuchung deutlich wahrnehmbarer Einschränkung sichtbar gewesen.

Der Senat schließt sich deshalb Dott. B. nicht an und folgt den ihn überzeugenden Ausführungen des Dr. S, dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertbar sind, den von der Beklagten vorgelegten gutachterlichen Äußerungen des Dr. G., des MDir L. sowie des Dr. Sch., die als qualifizierter Beteiligtenvortrag zu berücksichtigen sind, und letztlich auch der Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. H ...

Unerheblich ist entgegen dem Vorbringen der Klägerseite, dass vom Arbeitsamt erst ab 10. Mai 2002 Leistungen versagt wurden und ab wann vom Versorgungsamt ein GdB von 100 festgestellt wurde, zumal die Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) bereits ab Mai 2000 anerkannt war. Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren kommt es allein darauf an, ab wann der Versicherte zu Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr mindestens drei Stunden arbeitstäglich in der Lage war.

Damit steht zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung aller ärztlicher Äußerungen fest, dass der Versicherte spätestens zur Zeit des zweiten Rentenantrags am 18. bzw. 24. April 2001 voll erwerbsgemindert war. Hiervon ausgehend sind in dem vorangegangenen maßgeblichen Fünfjahreszeitraum lediglich 34 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente sind nicht erfüllt.

Die nach Eintritt dieses Versicherungsfalles noch zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Sozialleistungen sind nicht zu berücksichtigen, da nach Eintritt des Versicherungsfalles zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten für diesen Versicherungsfall keine Auswirkungen mehr haben können, sondern nur für einen gegebenenfalls später eintretenden Versicherungsfall.

Dafür, dass der Versicherungsfall zu einem (noch) früheren Zeitpunkt eingetreten war, auf Grund dessen auch Pflichtbeiträge vor dem 1. Januar 1994 berücksichtigt werden könnten, besteht keinerlei Anhaltspunkt. Im Übrigen ist das Vorliegen einer Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit auch nicht nach § 43 Abs. 5 SGB VI entbehrlich, weil die Erwerbsminderung nicht aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Dies wäre nur der Fall bei Eintritt der Erwerbsminderung auf Grund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, einer Wehr- oder Zivildienstbeschädigung oder eines Gewahrsams im Sinne des § 1 Häftlingshilfegesetz (§ 53Abs. 1 SGB VI) oder innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung (§ 53 Abs. 2 SGB VI).

Da die Beklagte zu Recht die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat und das SG im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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