L 12 R 1406/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 RJ 434/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 R 1406/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Juni 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 31. August 2000.

Der am 1957 geborene Kläger ist Maurer von Beruf. Durch Bescheid vom 16. Dezember 1994 gewährte die Beklagte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Mai 1992, längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Der Zahlbetrag der Rente betrug im Februar 1995 1.334,11 DM.

Im Januar 1998 leitete die Beklagte ein Überprüfungsverfahren ein, ob die Voraussetzungen für den Rentenbezug noch vorliegen. Als Ergebnis "entzog" sie durch Bescheid vom 30. April 1998 mit Wirkung ab dem 1. Juni 1998 die gewährte Rente. Die körperliche Leistungsfähigkeit habe sich gebessert, so dass die Voraussetzungen für eine Rentenbewilligung nicht mehr vorlägen. Der Kläger legte Widerspruch ein, der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 1998 zurückgewiesen wurde. Im Rahmen des dagegen eingeleiteten Klagever-fahrens vor dem Sozialgericht Potsdam zum Az S 14 RJ 673/98 erkannte die Beklagte - nach Einholung eines Gutachtens durch das Gericht - durch Schreiben vom 30. Juni 2000 das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab dem 1. Februar 2000 an und verpflichtete sich, dem Kläger vom 1. September 2000 an (sechs Monate nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit) bis zum 31. August 2003 die gesetzlich zustehenden Leistungen zu gewähren. Für den Zeitraum von der Entziehung der Erwerbsunfähigkeitsrente bis zum Eintritt des neuerlichen Leistungsfalles sei von einem nicht eingeschränkten Leistungsvermögen auszugehen. Der Kläger erklärte durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Juli 2000 im Hinblick auf dieses Anerkenntnis den Rechtsstreit für erledigt. Die Rente wurde durch Rentenbescheid vom 25. Juli 2000 bewilligt.

Am 4. Oktober 2001 wandte sich der Kläger an die Beklagte und begehrte die Auszahlung der Rente für die Monate Februar 2000 bis August 2000, für die er "laut Rentenbescheid" vom 25. Juli 2000 "eine Zusage erhalten habe". Durch Schreiben vom 6. Mai 2002 wies die Beklagte darauf hin, dass für diese Zeit kein Anspruch auf Rentenzahlung bestehe. Den dagegen
erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. April 2003). Der Widerspruch sei unzulässig, weil das Schreiben vom 6. Mai 2002 keinen Verwaltungsakt darstelle. Bereits vorher hatte sie durch Bescheid vom 2. Oktober 2002 den in dem Schreiben vom 4. Oktober 2001 liegenden Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 25. Juli 2000 zurückgewiesen. Bei einer befristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei frühestmöglicher Rentenbeginn der siebte Monat nach Eintritt der Erwerbsminderung. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte ebenfalls zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. April 2003).

Mit der vorliegenden, am 8. Mai 2003 zum Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2003 und die Gewährung einer Rente für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 31. August 2000. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. Juni 2005). Als isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 23. April 2003 sei die Klage zulässig, aber nicht begründet. Der Widerspruchsbescheid sei rechtmäßig, weil das Schreiben vom 6. Mai 2002 kein Verwaltungsakt sei. Die Beklagte habe mit ihm keine Rechtsfolgen setzen wollen. Das ergebe sich auch nicht aus dem vom Kläger besonders in Bezug genommenen letzten Satz des Schreibens: "Ein Anspruch auf Rentenzahlung für die Zeit vom 01.02.2000 bis zum 31.08.2000 besteht nicht". Soweit der Kläger auch die Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2002 und die Verurteilung der Beklagten zur Rentenzahlung begehre, sei die Klage unzulässig, da es an einem Verwaltungsakt als Voraussetzung für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage fehle. Für die Umdeutung in einen Feststellungsantrag sei kein Raum.

Gegen das ihm am 4. August 2005 zugestellte Urteil des Sozialgerichts richtet sich die am 7. September 2005 eingegangene Berufung. Der Senat hat dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungsfrist durch Beschluss vom 17. Juli 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. In der Sache lässt der Kläger vortragen, dass die Klage nicht aus formalen Gründen scheitern dürfe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Juni 2005 sowie den Bescheid vom 6. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. August 2000 Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts jedenfalls im Ergebnis für zutreffend.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes werden auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dazu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage ist unzulässig.

Der Kläger hält ausweislich des Schriftsatzes seines Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2005 auch im Berufungsverfahren an dem Antrag fest, den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. August 2000 Rente zu gewähren. Nach § 54 Abs. 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden; wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht, kann nach § 54 Abs. 4 SGG mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine solche kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist, dass tatsächlich ein Verwaltungsakt vorliegt, es reicht dagegen nicht aus, dass das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nur behauptet wird (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 54 Rdnr. 8).

Die erhobene Klage ist unzulässig, weil das Schreiben der Beklagten vom 6. Mai 2002 – ent-gegen der Rechtsansicht des Klägers – kein Verwaltungsakt ist. Ein Verwaltungsakt ist legal-definiert in § 31 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch – SGB X -. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob ein bestimmtes behördliches Handeln als Verwaltungsakt anzusehen ist, bestimmt sich nach seinem Erklärungsinhalt, der gegebenenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.

Das Schreiben der Beklagten vom 6. Mai 2002 ist kein Verwaltungsakt, weil die Beklagte mit ihm keine (neue) Regelung treffen, sondern auf eine bereits anderweitig getroffene Regelung hinweisen wollte. Bereits nach seinem Eingangssatz sollte das Schreiben nur die Funktion haben, die Sach- und Rechtslage zu erläutern (und nicht etwa, sie zu gestalten), außerdem nimmt es auf einen anderen Bescheid Bezug. Das Schreiben vom 6. Mai 2002 verweist auf den Bescheid vom 25. Juli 2000 und erklärt, aus diesem Bescheid ergebe sich, dass für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. August 2000 kein Rentenanspruch bestehe. Die wiederholende Bezugnahme auf eine bereits anderweitig getroffene Regelung ist aber nicht selbst als Verwaltungsakt anzusehen (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., § 31 Rdnr. 32). Soweit der Kläger auf den letzten Satz des Schreibens abstellt, wonach ein Rentenanspruch in dem streitigen Zeitraum nicht bestehe, vernachlässigt er den inhaltlichen Zusammenhang dieses Satzes mit den vorhergehenden Sätzen, die an den Bescheid vom 25. Juli 2000 anknüpfen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich nicht nur aus dem Bescheid vom 25. Juli 2000, der den 1. September 2000 als Rentenbeginn festlegt, sondern auch aus dem Bescheid vom 30. April 1998, der die ursprünglich auf Dauer erfolgte Rentenbewilligung vom 16. Dezember 1994 ab 1. Juni 1998 aufgehoben hat, ergibt, dass der Kläger (auch) in der Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. August 2000 keinen Anspruch auf Rente hat. Dieser Bescheid (vom 30. April 1998) ist bestandskräftig geworden, nachdem seitens des Klägers die zunächst erhobene Anfechtungsklage durch Schreiben vom 28. Juli 2000 für erledigt erklärt worden ist, soweit die Beklagte nicht mit Schriftsatz vom 30. Juni 2000 einen Rentenanspruch vom 1. September 2000 bis zum 31. August 2003 anerkannt hat. Falls der Kläger davon ausgegangen sein sollte, die Erledigungserklärung erfasse nicht den Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis 31. August 2000, würde die Abgabe der Erledigungserklärung auf einer allein seinem Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnenden Verkennung der Rechtslage beruhen. Rechtsirrig ist jedenfalls die von diesem mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2003 vorgetragene Ansicht, dass Gegenstand des Verfahrens S 14 RJ 673/98 nicht (auch) der Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis zum 31. August 2000 gewesen sei. Verfahrensgegenstand dort war die Aufhebung der Rentenbewilligung durch den Bescheid vom 30. April 1998 und somit die Frage, ob der Kläger – wie ursprünglich bewilligt – auch über den 31. Mai 1998 hinaus Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres hatte.

Die gegen das Schreiben vom 6. Mai 2002 erhobene Anfechtungsklage ist auch nicht deswegen zulässig, weil die Beklagte auf den gegen das Schreiben erhobenen Widerspruch hin am 23. April 2003 einen Widerspruchsbescheid erlassen hat, da sie in diesem den Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen hat.

Ob eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid zumindest zulässig gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, da ein solcher Klageantrag nicht gestellt worden ist und die Klage jedenfalls unbegründet gewesen wäre, weil der Widerspruch zutreffend als unzulässig zurückgewiesen wurde. Im Übrigen hat die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, die Frage einer Rentengewährung für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. August 2000 nochmals gerichtlich überprüfen zu lassen, indem sie sein Schreiben vom 4. Oktober 2001 auch als Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 SGB X gedeutet und über diesen mit Überprü-fungsbescheid vom 2. Oktober 2002 entschieden hat. Indessen kann die Klage dann nur gegen diesen Bescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2003) gerichtet werden und nicht gegen das Informationsschreiben vom 6. Mai 2002.

Die erhobene Klage ist auch nicht zulässig, soweit der Kläger die Gewährung einer Rente für die Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2000 beantragt hat. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung nur begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Über die Gewährung einer Rente wäre aber durch Verwaltungsakt zu entscheiden gewesen, eine isolierte Leistungsklage war demnach nicht zulässig.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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