L 12 AL 926/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 559/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 926/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.01.2008 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist eine freie Förderung nach § 10 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) im Streit. Der 1954 geborene Kläger hat eine Schreinerlehre und anschließend ein Studium für Innenarchitektur mit dem Abschluss als Diplomdesigner (FH) absolviert. Zuletzt arbeitete er von 1987 bis 1993 als Verkaufsleiter im Objektvertrieb der Firma F ... Seit dem war er arbeitslos und bezog in der Zeit vom 01.11.1993 bis zum 29.06.1996 Arbeitslosengeld sowie anschließend ab dem 01.07.1996 bis zuletzt zum 04.10.1999 Arbeitslosenhilfe.

Am 29.03.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine freie Förderung nach § 10 SGB III. Dabei ging es um eine fotographische Dokumentation der Weltausstellung in L. 1998. Mit Bescheid vom 20.04.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Reisekostenpauschale für einen Flug hin und zurück nach L. in Höhe von 550 EUR und lehnte eine weitergehende Förderung unter Hinweis auf eine angemessene Eigenbeteiligung des Klägers und den gesetzlich festgelegten Vermittlungsvorrang (§ 7 Abs. 1 SGB III) ab.

Den gegen die Höhe der Bewilligung gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.1999 als unbegründet zurück. Die Leistungshöhe sei ohne Ermessensfehler und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit auf 550 EUR begrenzt worden, weil der Kläger weiterhin Langzeitarbeitsloser sei und keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass durch eine Reise nach L. eine Erwerbstätigkeit des Klägers gefördert werde.

Mit weiterem Bescheid vom 11.02.2000 widerrief die Beklagte die Leistungsbewilligung und verlangte vom Kläger die Erstattung von 550 DM, nachdem der Kläger die Reise nach L. nicht angetreten hatte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2001 wurde der Widerspruch gegen diese Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Nach einem dreistufigen Instanzenzug wegen dieser Entscheidung (Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.05.2001 - S 7/9 AL 980/99 -; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 02.09.2002 - L 5 AL 3492/01 -; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 30.04.2003 - B 11 AL 203/02 B -) wurde nach der Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 5 AL 207/03 am 03.12.2003 ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte sich verpflichtete, die Bescheide vom 20.04.1999 (Widerspruchsbescheid vom 15.06.1999) und vom 11.02.2000 (Widerspruchsbescheid vom 22.01.2001) nochmals zu überprüfen und einen neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen. Der Kläger erklärte sich im Gegenzug bereit, sämtliche Unterlagen über die behauptete Reise nach L. im Oktober 1999 vorzulegen.

Der Kläger erklärte gegenüber Mitarbeitern der Beklagten, dass er vom 04.10. bis 09.11.1999 auf einer Reise in Zusammenhang mit der Weltausstellung 1998 in S. und L. gewesen sei. Die Reise habe ihn insgesamt ca. 4000,00 DM gekostet, wozu Materialkosten hinzuzurechnen seien. Der Kläger legte anschließend einen detaillierten Tätigkeitsbericht vor, der seine Kontakte und Aktivitäten an den beiden Expo-Standorten enthielt. Insgesamt machte der Kläger Verpflegungskosten, Materialkosten und Reisekosten in Höhe von 3190,00 DM (1631,03 EUR) geltend.

Die Beklagte hörte den Kläger anschließend mit Schreiben vom 26.05.2004 dazu an, dass er während seiner Expo-Projektaufenthalte in S. vom 25.08.1999 durchgehend bis zum 21.01.2000 arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei, weswegen Zweifel bestünden, ob die angestrebte Verbesserung der Erfolgsaussichten eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt überhaupt habe erreicht werden können. Hinzu komme, dass dem Kläger in dieser Zeit der Arbeitsunfähigkeit die Teilnahme einer beruflichen Reha-Maßnahme nicht möglich gewesen sei.

Der Kläger legte eine Bescheinigung der Allgemeinmedizinerin E. vom 13.07.2004 vor, wonach er vom August bis November 1999 wegen einer komplizierten Pneumonie in ihrer Behandlung gestanden habe. Zum Zeitpunkt des Reiseantritts am 04.10.1999 sei er jedoch wieder soweit hergestellt gewesen, dass er die Reise ohne Gefährdung der weiteren Genesung habe durchführen können. Wegen des Klimawechsels und der Seeluft sei der Ortswechsel ärztlicherseits anzuraten gewesen.

Mit dem nunmehr noch streitgegenständlichen "Neubescheid" der Beklagten vom 05.10.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger in Ausführung des Vergleichs vom 03.12.2003 gemäß § 10 SGB III erneut einen einmaligen Förderbetrag in Höhe von 281,20 EUR, was der zuvor gewährten Kostenpauschale in Höhe von 550 EUR entspreche. Der Aufhebungsbescheid vom 11.02.2000 werde zurückgenommen. Die weitergehenden Aktivitäten des Klägers über den Expo-Besuch hinaus zur Selbständigmachung/Existenzgründung/Arbeitsaufnahme seien nicht Gegenstand des ursprünglichen Förderantrags nach § 10 SGB III und der nachfolgenden Entscheidung gewesen. Der bewilligte Betrag entspreche den Durchschnittskosten für eine Flugreise von S. nach L. und zurück im April 1999. Da außerdem die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung weiterhin maßgebend seien, sei davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt durch Arbeitslosenhilfe bzw. anderen Ersatzleistungen sichergestellt gewesen sei. Die Förderung setze außerdem eine angemessene Eigenbeteiligung an den Projektkosten voraus.

Der Kläger legte am 05.01.2004 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2005 als unbegründet zurückwies. Der Widerspruchsbescheid wurde per Einschreiben zugestellt, wobei dem Kläger eine schriftliche Nachricht über die Niederlegung des Widerspruchsbescheides hinterlassen wurde. Der Kläger holte den Widerspruchsbescheid jedoch nicht ab. Mit Schreiben vom 24.01.2005 übersandte die Beklagte dem Kläger den Widerspruchsbescheid erneut; der Kläger teilte mit, den Widerspruchsbescheid erst am 26.02.2005 erhalten zu haben.

Allerdings erhob der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid mit einem am 23.02.2005 datierten Schreiben bereits am 25.02.2005 per Telefax beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage, mit der er einen höhere Förderung begehrte. Der neue Bescheid wiederhole lediglich die bereits damals bekannten und bereits monierten Argumente der Beklagten, obwohl zwischenzeitlich ein detaillierter neuer Vortrag erfolgt sei.

Mit Urteil vom 24.01.2008 hat die Beklagte die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klage sei zulässig, da die Zustellung per Einschreiben und Benachrichtigung im Briefkasten des Klägers nicht wirksam gewesen sei. Allerdings habe der Kläger den mit einfacher Post am 24.01.2005 abgesandten Widerspruchspruchsbescheid vom 05.01.2005 am 26.02.2005 erhalten, weswegen dieser also am 27.01.2005 zugestellt gelte. Die Klage sei als Verpflichtungsklage statthaft, jedoch nicht begründet. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III seien auch Projektförderungen zulässig. Es handele sich jedoch um eine Ermessensleistung, welche nach § 54 Abs. 2 Satz 2 und § 131 Abs. 3 SGG nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sei. Der damalige Förderantrag des Klägers sei noch so unkonkret und diffus gewesen, dass ein höherer Erstattungsbetrag zum entscheidenden Zeitpunkt vor Antritt der Reise abgesehen von den Reisekosten selbst noch gar nicht zur Diskussion gestanden habe. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger seinerzeit auch noch Arbeitslosenhilfe bezogen und daher von der Beklagten zulässigerweise darauf habe verwiesen werden können, dass er mit dieser Sozialleistung seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Schließlich habe die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung auch die seinerzeitige besondere Situation des Klägers berücksichtigen können. Dieser sei damals häufig arbeitsunfähig krank gewesen sowie psychisch angeschlagen und "verstrickt in vielerlei Bezüge", so dass die Erfolgsaussichten für eine berufliche Eingliederung nicht als positiv hätten eingeschätzt werden können. Eine Verpflichtung zur abermaligen Neubescheidung des Antrags vom 29.03.1999 komme daher nicht in Betracht. Das Urteil des SG wurde dem Kläger am 02.02.2008 zugestellt.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 26.02.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.01.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2005 zu verurteilen, ihm die insgesamt beantragten Projektkosten von 1631,03 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Im Anhörungsverfahren (vgl. Hinweis vom 27.03.2008; Antwort des Klägerbevollmächtigten vom 21.05.2008) haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.

Nach § 10 SGB III können die Arbeitsämter bis zu 10 % der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung einsetzen, um die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten Arbeitsförderungsleistungen durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu erweitern. Die freien Leistungen müssen den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen und dürfen nicht gesetzliche Leistungen aufstocken.

Mit der Förderung nach § 10 SGB III soll den einzelnen Arbeitsagenturen dezentral die Befugnis eingeräumt werden, vor Ort im Hinblick auf die konkrete Arbeitsmarktlage im Rahmen der aktiven Arbeitsförderung innovative Ansätze zu verfolgen (BT-Drucksache 13/4941 S. 141, 154). Für die einzelnen Arbeitsagenturen sollen die Einsatzmöglichkeiten des vorhanden Instrumentariums verbessert werden, indem auf bestimmte Zugangsvoraussetzungen (z.B. arbeitsmarktpolitische Beurteilung) verzichtet und der flexible Einsatz von Mitteln entsprechend den örtlichen und aktuellen Erfordernissen ermöglicht wird.

Auf die pflichtgemäße Ausübung des der Beklagten in § 10 SGB III eingeräumten Ermessens hat der Kläger nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch I (SGB I) einen Anspruch. Rechtswidrig ist deren Entscheidung mit der Folge der Aufhebung und Neubescheidung (§ 131 Abs. 2 SGG), wenn die Grenzen des der Beklagten eingeräumten Ermessensüberschriften worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Vorliegend ist jedoch weder eine Ermessensüberschreitung noch ein Ermessensfehlgebrauch gegeben.

Das SG und die Beklagte haben zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger zum damaligen Antragszeitpunkt nur sehr allgemeine Angaben zu seinem Fotoprojekt vorgelegt hatte und nach der bereits bestehenden Langzeitarbeitslosigkeit des Klägers die vollständige Förderung eines derart vagen Projektes im Ausland nicht verlangt werden konnte, wobei die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, der gleichmäßigen Verwendung der Mittel und der Erforderlichkeit einer angemessenen Eigenbeteiligung des Klägers die Sichtweise der Beklagten stützen. Im Ergebnis hat die Förderung der Beklagten auch dazu geführt, dass der Kläger das von ihm angestrebte Projekt durchgeführt hat, was ebenfalls gegen eine höhere Subvention seiner Veranstaltung spricht.

Hinzukommt, dass den Arbeitsagenturen im Rahmen der freien Förderung nach § 10 SGB III ein besonders weites Ermessen eingeräumt wurde. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist daher nur zulässig, wenn nach klägerseitigem Vorbringen eine "Ermessensreduzierung auf Null" als möglich erscheint (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 14.02.2001 - L 6 AL 926/00 -). Dies erscheint nach dem vorliegenden Sachverhalt angesichts des vagen Förderantrags des Klägers indes als ausgeschlossen.

Eine Verpflichtung zur Förderung entsteht auch nicht dadurch, dass andere Agenturen für Arbeit möglicherweise andere Kriterien im Hinblick auf die Ablegung externer Prüfungen anlegen. § 10 SGB III ist gerade darauf angelegt, dass die jeweils regional zuständige Agentur für Arbeit solche zusätzlichen Maßnahmen im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages selbst festlegen bzw. gestalten kann (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21.04.2004 - L 6 AL 660/01 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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