L 7 R 201/06

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 1 343/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 201/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1950 geborene Kläger war nach eigenen Angaben nach Abbruch einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker u. a. als Heizungshelfer, Hausmeistergehilfe, Hilfsarbeiter und seit 2000 als Wachmann beschäftigt; seit Juli 2003 war er arbeitsunfähig.

1995 erhielt der Kläger eine Totalendoprothese des rechten Hüftgelenkes. Wegen seit Mitte 2003 zunehmender Hüftschmerzen und Funktionseinschränkungen erfolgte im Januar 2004 ein Hüftpfannenwechsel. Bereits seit den 70er Jahren bestanden bei dem Kläger nach dessen eigenen Angaben Alkoholprobleme, wegen derer auch wiederholt Entgiftungen durchgeführt wurden (nach Angaben des Klägers 1970 sowie zweimal im Jahr 2004). Im Mai 2004 erfolgte eine weitere stationäre Entgiftung in der Fachklinik F. Eine im Anschluss daran begonnene ambulante Entwöhnungsmaßnahme brach der Kläger von sich aus ab. In einer ärztlichen Stellungnahme im Auftrag der Agentur für Arbeit Kiel aus November 2004 vertrat der begutachtende Arzt Dr. S die Auffassung, aus arbeitsamtsärztlicher Sicht sei der Kläger aufgrund der Suchterkrankung weiterhin behandlungsbedürftig erkrankt und voraussichtlich länger als sechs Monate vermindert oder nicht leistungsfähig. Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen stünden bei dem Kläger eine Alkoholkrankheit sowie Hinweise für Tablettenmissbrauch nach zuletzt durchgeführter Entgiftung im Mai 2004 mit Konsum von ca. sechs Bier pro Tag. Auch am Untersuchungstag sei auf Befragen morgens Alkohol konsumiert worden. Im Untersuchungsgespräch habe der Kläger verlangsamt, depressiv gewirkt und Wortfindungsstörungen gehabt.

Im September 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Entlassungsberichte, insbesondere über die Hüftoperation im Januar 2004 und über die stationäre Entgiftungsmaßnahme im Mai 2004, und das genannte Gutachten der Arbeitsverwaltung sowie einen Arztbrief der Fachärztin für Nervenheilkunde/Psychotherapie Dr. K (7/03; Diagnose: Alkoholabhängigkeit) bei, veranlasste die gutachterliche Untersuchung des Klägers durch den Chirurgen Dr. Ka (12/04) und lehnte den Rentenantrag durch Bescheid vom 14. Januar 2005 ab. Das Leistungsvermögen des Klägers werde beeinträchtigt durch eine durchlaufene Hüftgelenksimplantation rechts mit verbliebener schmerzhafter Bewegungseinschränkung, wiederholten Alkoholmissbrauch sowie fortgesetzten Nikotingebrauch mit klinischen und laborchemischen Zeichen sowie beginnenden Verschleiß der unteren Lendenwirbelsäule mit belastungsabhängigen Schmerzen. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor. Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage, eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres ärztlichen Prüfdienstes ein und hörte in der Sitzung des Widerspruchsausschusses einen medizinischen Sachverständigen an. Durch Widerspruchsbescheid vom 21. September 2005 wies sie den Widerspruch zurück. Auch nach nochmaliger Durchsicht der vorhandenen Befundunterlagen sowie des umfangreichen sozialmedizinischen Gutachtens verbleibe es bei dem festgestellten Leistungsvermögen. Bei der Begutachtung im Dezember 2004 hätten die durchlaufene Hüftgelenksimplantation rechts mit verbliebener schmerzhafter Bewegungseinschränkung, der wiederholte Alkoholmissbrauch sowie beginnende Verschleißerscheinungen mit belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule im Vordergrund gestanden. Die Hals- und Stammwirbelsäule seien lediglich endgradig bewegungseingeschränkt gewesen. Nach Hüftgelenksimplantation habe eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Hüftgelenks bestanden. Der übrige Bewegungsapparat sei unauffällig gewesen. Bezüglich des Alkoholmissbrauchs hätten sich zum Zeitpunkt der Begutachtung keine eindeutigen Folgeschäden gezeigt. Das Leistungsbild sei festgelegt worden auf leichte Tätigkeiten, die noch sechs Stunden und mehr verrichtet werden könnten, mit Funktionseinschränkungen betreffend den Bewegungsapparat sowie den fortgesetzten Alkoholmissbrauch. Mit diesem Leistungsvermögen sei der Kläger nicht teilweise und damit erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Er habe keine Berufsausbildung abgeschlossen und sei zuletzt als Wachmann tätig gewesen. Damit sei er nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Stufenschema zur Beurteilung von Berufsunfähigkeit als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs einzuordnen und damit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Zur Begründung seiner hiergegen am 13. Oktober 2005 bei dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes fühle er sich außerstande, einer normal geregelten Arbeit nachzugehen. Wegen der von dem beschädigten Lendenwirbel ausgehenden Schmerzen sei er in seinem Bewegungsablauf eingeschränkt. Er könne weder lange gehen noch lange sitzen. Da die Schmerzen auch bei längerem Liegen bestünden, ergebe sich auch nachts keine Linderung. Nach zwei Hüftoperationen sei sein rechter Oberschenkel wesentlich dünner als der linke, was längeres Gehen ohne Einknicken nach rechts und ohne Schmerzen unmöglich mache. Außerdem sei der Bewegungsablauf durch eine verminderte Beugefähigkeit der rechten Hüfte stark eingeschränkt. Auch das rechte Kniegelenk sei infolge eines früheren Bruchs nicht ganz schmerzfrei. Zudem sei er in diesem Jahr an der Prostata operiert worden. Er leide deshalb unter häufigem, nicht kontrolliertem Harndrang und müsse dann sofort eine Toilette aufsuchen. Die mit seinem Gesundheitszustand verbundene physische und psychische Belastung zeige sich u. a. auch durch Alkoholexzesse. Zwar gelinge es ihm durch Einnahme von Antidepressiva, über mehrere Monate keinen Alkohol zu trinken. Dennoch komme es immer wieder zu unkontrollierten Rückfällen. Der Amtsarzt habe auch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko diagnostiziert.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Oktober 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide bezogen. Aus den im Klageverfahren beigezogenen ärztlichen Unterlagen ergäben sich keine Änderungen hinsichtlich des quantitativen Leistungsvermögens. Die Funktionseinschränkungen sollten jedoch ergänzt werden um "ohne Arbeiten im Knien und Hocken".

Das Sozialgericht hat Befundberichte des Chirurgen Dr. Kb , des Arztes für innere Medizin Dr. Kc , des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J (jeweils 5/06) und des Facharztes für Urologie Sa (6/06) beigezogen und in der mündlichen Verhandlung am 5. Juli 2006 Dr. G , Arzt für Orthopädie und Chirurgie, Dr. Ga , Arzt für innere Medizin und Gastroenterologie, und Dr. P , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen und den Verwaltungsbeamten Manfred L zu der beruflichen Verweisbarkeit des Klägers vernommen.

Durch Urteil vom 5. Juli 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen dargelegt: Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens könne der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten im Umfang von arbeitstäglich 6 Stunden und mehr in wechselnder Körperhaltung zwischen Sitzen, Gehen und Stehen bzw. überwiegend im Sitzen mit gelegentlichen Geh- und Stehphasen verrichten. Zu vermeiden seien Arbeit in Zwangshaltung vorn übergebeugt, Heben, Tragen und Bewegen von mittelschweren und schweren Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Steigen auf Leitern und Gerüste, Arbeit im Knien bzw. in der Hocke, Arbeit in Zugluft, Kälte und Nässe, Arbeit mit besonderer Anforderung an die Wegefähigkeit, z.B. häufiges Gehen auf unebenem Gelände und Tätigkeiten mit Erschütterung bzw. Vibrationen, Exposition zu Atemwegsreizstoffen, Tätigkeiten mit Fremd- und Eigengefährdung, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck oder besonderer nervlicher Belastung, mit Verantwortung für Personen und Maschinen, Arbeiten die zu Verletzungen führen können, sowie Kontakt zu Suchtmitteln. Bei der Arbeit dürfe der Kläger keine Waffen tragen. Auf chirurgisch/orthopädischem Fachgebiet bestünden eine Funktionsstörung des rechten Hüftgelenks nach kindlicher Coxitis (Hüftgelenkentzündung), Zustand nach Implantation eines Kunstgelenkes 1995 mit Pfannenlockerung und Pfannenwechsel im Januar 2004 mit weiterhin bestehender Beinverkürzung, Muskelminderung mit deutlicher Einschränkung der Beweglichkeit. Aktuell bestünden nach den Angaben des Klägers zwar keine Schmerzen, jedoch bestehe eine spürbare muskuläre Schwäche des gesamten rechten Beines sowie weiterhin eine Funktionsstörung des rechten Kniegelenkes bei Zustand nach vermutlich lateraler Schienbeinkopffraktur, Zustand nach operativer Therapie mit posttraumatischer Verschleißerscheinung, gegenwärtig ohne Einschränkung der Beweglichkeit und ohne Hinweis auf eine akut entzündliche Reizsymptomatik. Klinisch habe sich eine Verschleißumformung der Kniescheibengleitbahn gezeigt. Das rechte Kniegelenk sei passiv aktuell frei beweglich ohne Hinweis auf einen entzündlichen Reizzustand. Der Kläger sei an die Muskelminderung am rechten Bein angepasst, typische Versagenshaltungen würden nicht beschrieben. Dagegen sei die hüftübergreifende Muskulatur einschließlich der Gesäßmuskulatur rechts unter Berücksichtigung der langen Krankheitsanamnese und der wiederholt durchgeführten Operationen nachvollziehbar gemindert. Die Hüftbeugemöglichkeit rechts sei auf 90 Grad begrenzt, insofern sei das Sitzen auf einem normalen Stuhl möglich. Gegenwärtig bestünden keine Hinweise für eine Prothesenlockerung. Schließlich bestehe eine Funktionsstörung der Wirbelsäule bei leichter Wirbelsäulenfehlstatik mit Schwäche der rumpfstabilisierenden Muskulatur, ohne Einschränkung der Beweglichkeit mit wiederholt auftretenden myostatischen, pseudoradikulären Beschwerden. Die Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. G habe eine leichte Wirbelsäulenfehlstatik mit Beinverkürzung rechts gezeigt. Die Beweglichkeit der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte sei nicht gravierend eingeschränkt. Die rumpfstabilisierende Muskulatur sei eher schwach ausgeprägt. Klinische Hinweise für eine Nervenwurzelstörung gebe es nicht. Aus diesen Gesundheitsstörungen resultierten die Einschränkung des Leistungsvermögens auf grundsätzlich leichte Tätigkeiten und die qualitativen Leistungseinschränkungen betreffend die körperliche Leistungsfähigkeit. Auf dem internistischen Fachgebiet bestehe bei erheblichem Nikotinabusus eine Neigung zu Bronchitis mit dann auftretendem Gefühl der Luftknappheit bei stärkerer körperlicher Belastung (3 Etagen Treppensteigen). Eine höhergradige Einschränkung der Lungenfunktion sei bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. Ga klinisch nicht festgestellt worden. Folgeerkrankungen auf dem internistischen Fachgebiet bei seit langem bestehendem Alkoholabusus im Sinne eines Alkoholabhängigkeitssyndroms könnten nicht nachgewiesen werden, insbesondere keine alkoholtoxische Kardiomyopatie. Die Leber stelle sich sonographisch verdichtet wie bei einer Fettleber dar, Zeichen einer Leberfunktionsstörung gebe es jedoch nicht. Allein aufgrund dieser Gesundheitsstörungen seien Arbeiten in Kälte, Nässe, Zugluft und mit Exposition zu Atemwegsreizstoffen nicht zumutbar. Außerdem dürfe der Kläger keine Tätigkeit mit Fremd- und Eigengefährdung verrichten. Auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet sei die Alkoholabhängigkeit mit wiederkehrenden Rückfällen bei Abstinenzphasen von 3 bis 8 Monaten mit letzter Entgiftung vor einem Jahr festzustellen, die sich auf dem Boden einer dissozialen Persönlichkeitsstörung entwickelt habe. Wesentliche Alkohol-Folgeerkrankungen seien auch auf dem neurologischen Fachgebiet nicht fassbar. Auf dem psychiatrischen Fachgebiet habe die klinische Untersuchung durch die Sachverständige Dr. P eine vollständige Orientierung zu Person, Ort, Zeit und zur Situation ergeben. Der Kläger sei im Gespräch freundlich zugewandt und offen gewesen bei ausgeglichener Stimmung, schwingungsfähig, der Antrieb sei erhalten, es bestehe kein Hinweis auf eine Vitalschwankung. Der Kläger schildere, dass er seit dem 16. Lebensjahr trinke, bereits in den 70er Jahren habe er eine Entwöhnungsbehandlung in Bad H gemacht, vor einem Jahr erneut eine Entgiftung in R. Auch vor ein paar Monaten habe er wieder für 3 Wochen durchgetrunken, dann habe er zu Hause ein Delir gehabt, er sei orientierungslos gewesen und habe Fliegen gesehen. Längstens sei er 8 Monate trocken gewesen. Auslöser für die Rückfälle seien seelische Belastungen, vor 2 1/2 Jahren habe er sich von seiner Ehefrau getrennt nach 30 Jahren Ehe. Die Trennung sei von ihm ausgegangen, es sei eine andere Frau im Spiel gewesen. Die Störungen des Klägers seien auf dem Boden einer dissozialen Persönlichkeitsstörung entstanden mit aggressivem und auch gegen sich selbst rücksichtslosem Verhalten mit diesbezüglich reduzierter Selbstkritik und deutlich reduzierter Frustrationstoleranz. Mit dem festgestellten - zwar eingeschränkten - Leistungsvermögen liege weder eine volle, noch eine teilweise Erwerbsminderung vor. Eine volle Erwerbsminderung bestehe deshalb nicht, weil das Leistungsvermögen des Klägers noch grundsätzlich 6 Stunden und mehr arbeitstäglich umfasse. Ihm sei auch nicht aufgrund der zahlreichen qualitativen Leistungseinschränkungen der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen. Hier seien ihm insbesondere leichte Pack- oder einfache Sortierarbeiten in der Form eines Versandfertigmachers zuzumuten. Dabei bestehe die Aufgabe darin, Fertigerzeugnisse zur Verschönerung oder Aufbesserung des Aussehens aufzumachen oder zu kennzeichnen. Die körperliche Belastung sei abhängig von den zu verrichtenden Detailaufgaben. In nennenswerter Anzahl seien in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren- oder Hobbybereich Tätigkeiten vorhanden, die nur "leicht" belasteten und bei denen wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen nicht vorkämen. Auch würden das Arbeitstempo nicht durch Maschinen oder Anlagen vorgegeben und der Lohn nicht nach Akkordrichtsätzen errechnet. Bei diesen Tätigkeiten spielten die qualitativen Leistungseinschränkungen keine Rolle. Mit den Feststellungen zu Einsetzbarkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schließe sich die Kammer den Darlegungen des berufskundigen Sachverständigen L an. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. In Anwendung des (im Einzelnen erläuterten) in der Rechtsprechung zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit entwickelten Stufenschemas habe die Beklagte den Kläger (zutreffend) als Angelernten eingestuft mit der Folge der grundsätzlichen Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Auf diesem könne der Kläger, wie bereits dargestellt, leichte Einpack- und Sortierarbeiten verrichten.

Gegen das am 2. August 2006 an ihn abgesendete Urteil hat der Kläger am 21. August 2006 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei er nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein; jedenfalls könne er nicht mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Im Vordergrund der orthopädischen Beeinträchtigungen stehe jetzt die Funktionsstörung der Wirbelsäule. Die Beweglichkeit sei erheblich eingeschränkt, und schon bei geringsten Belastungen träten Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich auf. Die Schmerzen strahlten rechts in das Gesäß aus. Bereits nach einer Wegstrecke von 200 m bis 300 m trete der Schmerz auf. Wegstrecken von 500 m könne er deshalb allenfalls unter außerordentlich starken Schmerzen zurücklegen. Er könne auch nicht länger als 30 Minuten sitzen. Vornüber gebeugtes Sitzen sei ihm ebenfalls aufgrund der eingeschränkten Beugefähigkeit des rechten Hüftgelenkes nicht möglich. Auch nachts habe er wegen der Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule erhebliche Probleme. Wegen der Funktionsstörung des rechten Hüftgelenkes sei sein rechtes Bein muskulär verkümmert. Es könne auch nicht durch Training in einen verbesserten Zustand gebracht werden. Eine jahrelang durchgeführte Physiotherapie sei insoweit erfolglos gewesen. Daneben bestünden Reizzustände im rechten Kniegelenk bei Belastung, weshalb ihm ein Stützverband verschrieben worden sei. Insbesondere sei aber die Alkoholkrankheit/psychische Erkrankung derart ausgeprägt, dass er insgesamt nicht mehr nennenswert arbeiten könne. Die Alkoholerkrankung habe sich in letzter Zeit weiter verstärkt. Er habe schwere Rückfälle erlitten. Im Juli 2006, nach dem Gerichtstermin, habe er drei Wochen durchgetrunken. Die tägliche Dosis liege dann bei einem Kasten Bier, hinzukämen noch einige Schnäpse. Zusätzlich nehme er ein Antidepressivum ein. In diesen Phasen wisse er nicht, was er tue. Er könne sich dann an nichts erinnern. Einen weiteren schweren Rückfall habe es Anfang August/September 2006 für etwa 1 ½ Wochen gegeben. Auch insoweit wisse er nicht, was er getan habe. In diesen Phasen komme es auch zu erheblichen körperlichen Ausfallerscheinungen. Trotz der Behandlung mit dem Antidepressivum Doxepin, das auch dazu diene, ihn ruhiger zu stellen, müsse er immer wieder seiner Alkoholsucht nachgeben. Kleinste Belastungen führten bei ihm dazu, dass er wieder mit dem Trinken beginne. Er sei nicht in der Lage, sich in einen Arbeitsalltag einzugliedern. Es lägen entgegen der Aussage der Dr. P auch Folgeerkrankungen auf dem neurologischen Fachgebiet vor. So leide er unter erheblichen Konzentrationsstörungen. Sein Kurzzeitgedächtnis sei stark eingeschränkt. Manchmal könne er überhaupt keinen Satz bilden, auch dann, wenn er nichts getrunken habe. Zu weiteren seelischen Belastungen habe die Prostataoperation beigetragen, die teilweise auch zu Inkontinenz geführt habe. In letzter Zeit habe er es nicht geschafft, einmal mehrere Monate am Stück nichts zu trinken. Die ständigen Entgiftungen stellten ein erhebliches gesundheitliches Risiko für ihn dar, weil es dabei zu Krämpfen und zu Kreislaufversagen kommen könne. Die ihm mehrfach nahegelegte Therapie in einer Einrichtung lehne er ab, weil er der Auffassung sei, dass er dies nicht durchhalten könne. Er habe Angst davor, in eine Anstalt eingesperrt zu werden. Dies rühre noch daher, dass er einmal über vier Jahre freiheitsentziehende Maßnahmen habe erdulden müssen. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu dem durch den Senat eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Kd den von diesem bereits ausgewerteten Arztbrief des Orthopäden Dr. T , das Ergebnis einer Knochendichtemessung sowie ein Attest des Dr. J (jeweils 1/08) übersandt. Es ergäben sich daraus erneut die fortbestehende Alkoholproblematik sowie eine erheblich reduzierte Knochendichte mit entsprechender Frakturgefahr. Beide Gesundheitsstörungen erlaubten keine Erwerbstätigkeit mehr.

In der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2008 hat der Kläger klargestellt, dass das Klage- und Berufungsbegehren nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gerichtet sei. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Juli 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat einen Verlaufsbericht des Dr. J (6/07) und die von Dr. Kc übersandten Arztbriefe und Entlassungsberichte (insbesondere über stationäre Behandlungen in der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein [UKSH] im März 2007 wegen Schädelhirntraumas und im Mai 2007 wegen eines Leistenbruchs) beigezogen und in der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2008 Dr. Kd Arzt für Neurologie und Psychiatrie, zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen des Klägers vernommen. Wegen des Ergebnisses des Gutachtens wird auf die vorab übersandte schriftliche Zusammenfassung Bl. 137 bis 157 der Akte sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Nach der Vertagung des Rechtsstreits am 19. Februar 2008 haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten - 26 290950 R 003 - Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die im Berufungsverfahren nur noch geltend gemachte Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sind in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung scheitert daran, dass der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist zunächst festzustellen, dass der Kläger durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen nicht gehindert ist, eine Arbeitsleistung von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu erbringen. Eine dahingehende quantitative Einschränkung seines Leistungsvermögens ist aus keiner der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen abzuleiten. Hinsichtlich der einzelnen Gesundheitsstörungen auf dem orthopädischen, dem internistischen und dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils, in dem die wesentlichen Feststellungen der Sachverständigen Dr. G , Dr. Ga und Dr. P wiedergegeben und gewürdigt worden sind. Die Erkrankungen auf dem orthopädischen Fachgebiet sind danach mit qualitativen Einschränkungen verbunden, nicht jedoch mit einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Auch wenn der Kläger glaubhaft Schmerzen schildert, so wird aus seinen Schilderungen im Einzelnen deutlich, dass die Schmerzzustände vor allem durch Belastungen hervorgerufen werden. Auch bei der Untersuchung durch Dr. G ergab sich kein Anhalt dafür, dass die Funktionsstörungen des rechten Hüftgelenkes, der Lendenwirbelsäule und des rechten Kniegelenks so ausgeprägt sein könnten, dass sie mit auch mit Schmerzmitteln nicht beeinflussbaren, dauerhaften belastungsunabhängigen Schmerzzuständen verbunden wären. Nach dem Gutachten des Internisten Dr. Ga bestehen auf seinem Fachgebiet bisher – auch infolge des langjährigen Alkoholmissbrauchs - keine Erkrankungen, die sich erheblich auf das Leistungsvermögen auswirken könnten, wie insbesondere eine Herzmuskelerkrankung oder eine bedeutsame Leberfunktionsstörung. Die Alkoholproblematik, auf die noch einzugehen sein wird, berührt nicht vorrangig das arbeitstägliche zeitliche Leistungsvermögen des Klägers.

Der Senat hält die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten für in sich schlüssig und macht sich die insoweit vorgenommene Würdigung des Leistungsvermögens des Klägers durch das Sozialgericht nach eigener Überprüfung zueigen, soweit darin eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers im Rahmen des § 43 Abs. 3 SGB VI verneint und angenommen wird, dass den Funktionsstörungen durch sog. qualitative Einschränkungen der Arbeitsbelastung ausreichend Rechnung getragen werden kann. Entsprechend den Feststellungen des Sozialgerichts bedeutet dies, dass der Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen mit gelegentlichen Geh- und Stehphasen, aber auch in wechselnder Körperhaltung verrichten kann, ohne Zwangshaltungen vornüber gebeugt, Heben, Tragen und Bewegen mittelschwerer oder schwerer Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Steigen auf Leitern und Gerüste, Arbeiten im Knien bzw. in der Hocke, ohne Arbeiten in Zugluft, Kälte und Nässe, Exposition zu Atemwegsreizstoffen, Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Wegefähigkeit, z. B. häufiges Gehen auf unebenem Gelände, Arbeit mit Erschütterung und bzw. Vibrationen, keine Arbeiten unter besonderem Zeitdruck (Akkord), mit besonderer nervlicher Belastung, besonderer Verantwortung für Personen und Maschinen und mit erleichtertem Kontakt zu Suchtmitteln. Soweit die Sachverständige Dr. P außerdem das Tragen von Waffen ausgeschlossen hat, dürfte dies auf die von dem Kläger verrichtete Tätigkeit als Wachmann abzielen, wobei der Senat davon ausgeht, dass letztlich der Ausschluss von Arbeiten mit Fremd- und/oder Eigengefährdung dies umfassender und zutreffender bezeichnen dürfte. Er hält diese Einschränkung für nachvollziehbar, auch wenn der im Berufungsverfahren vernommene Sachverständige Dr. Kd diese Einschränkung nicht ausdrücklich genannt hat.

Bedeutsame Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers lassen sich aus den im Berufungsverfahren beigezogenen weiteren Befundunterlagen nicht ableiten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der nach der Untersuchung durch Dr. Kd von dem Kläger nachgereichten Befundunterlagen. Dr. Kd hat in der ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass er den Bericht des Orthopäden Dr. T aus Januar 2008 bereits auf Seite 11 seines Gutachtens berücksichtigt habe. Ebenfalls sei auf Seite 19 des Gutachtens die Diagnose einer Osteoporose aufgelistet. Es folgten daraus entsprechend den Darlegungen in seinem Gutachten keine Einschränkungen des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht, sondern qualitative Einschränkungen, die er in seinem Gutachten bereits berücksichtigt habe. Hinsichtlich der Funktionsstörung der Wirbelsäule ergäben sich im Übrigen keine neuen Erkennt nisse gegenüber der Begutachtung durch den Orthopäden Dr. G.

Der Kläger kann auch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten, d.h. der Arbeitsmarkt ist ihm nicht krankheitsbedingt verschlossen.

Dieser Annahme stehen zunächst die genannten qualitativen Einschränkungen nicht entgegen. Es handelt sich weder um eine ungewöhnliche Summierung derartiger Einschränkungen noch um eine schwere spezifische qualitative Einschränkung. Der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes bedarf es in einem solchen Fall nicht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschl. des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95, BSGE 80, 24 ff). Allerdings hat das Sozialgericht gleichwohl einen berufskundigen Sachverständigen vernommen und auf dieser Grundlage leichte Pack- und einfache Sortierarbeiten benannt. Hiergegen bestehen nach der eigenen Kenntnis des Senats aus zahlreichen Verfahren mit berufskundigen Beweisaufnahmen bei den im Falle des Klägers zu beachtenden qualitativen Einschränkungen keine Bedenken.

Auch aus einer Einschränkung der Wegefähigkeit ergibt sich hier nicht die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes. Nach der Aktenlage, insbesondere nach dem Ergebnis der Begutachtung durch Dr. G , ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, eine Wegstrecke von mehr als 500 m täglich viermal innerhalb von etwa zwanzig Minuten zu Fuß zurückzulegen und zwei Mal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (zu diesem Maßstab vgl. BSG, Urt. v. 28. August 2002 - B 5 RJ 12/02 R m.w.N., veröffentlicht in juris; std. Rspr.) Zwar hat die schwere Hüfterkrankung des Klägers mit Implantation einer Totalendoprothese 1995 und Prothesenwechsel im Januar 2004 zweifellos zu einer Funktionsstörung im Bereich des rechten Beines geführt. Ausdruck dieser Funktionsstörung ist eine deutliche Umfangsverminderung der rechten Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur, die in allen medizinischen Gutachten beschrieben wird. Die passiv geführte Hüftgelenksbeweglichkeit war bei der Untersuchung durch Dr. G mit rechts 0/0/90 für die Streckung/Beugung, 20/0/10 gegenüber 35/0/20 für die Außen/Innenrotation links und für die Abduktion/Adduktion mit 15/0/20° gegenüber links 30/0/30° stärkergradig eingeschränkt. Das Gangbild beschreibt Dr. G dahingehend, dass sich ein angedeutetes Trendelenburg-Hinken rechts und im Barfußgang rechtsseitig ein Hinken mit verkürztem Abrollvorgang und ungebremstem Fersenauftritt sowie leichter Ausgleichsbewegung im Oberkörper gezeigt habe. Eine Gehhilfe benutzte der Kläger zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht. Das rechte Kniegelenk war zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. G im Wesentlichen unauffällig. Bei der Untersuchung durch Dr. Kd trug der Kläger die ihm von Dr. Kb verordnete Kniegelenksbandage. Insgesamt sind damit keine Befunde erhoben worden, die hinreichend belegen könnten, dass der Kläger die - sehr kurze - Wegstrecke von 500 m, ggf. unter Zuhilfenahme einer Gehhilfe und mit Pausen, nicht bzw. nicht ohne unzumutbare Schmerzen bewältigen könnte. Seine eigene Angabe, nach ca. 200 bis 300 m träten Schmerzen auf, belegt nicht, dass er nicht nach einer kurzen Pause weitere etwa 300 m zurücklegen könnte, dies innerhalb des auf ein sehr langsames Gehtempo zugeschnittenen Zeitraumes von 20 Minuten. Dies entspricht auch der übereinstimmenden Beurteilung durch die Sachverständigen Dr. G und Dr. Kd.

Soweit im Berufungsverfahren Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf die Alkoholproblematik des Klägers bestand, kann aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch den Senat nicht festgestellt werden, dass der Alkoholkonsum des Klägers einer Tätigkeit unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen entgegensteht. Nach der gesamten Aktenlage ist allerdings davon auszugehen, dass die Alkoholkrankheit des Klägers weiterhin aktuell, d.h. er nicht stabil alkoholabstinent ist. Dies ergibt sich bereits aus den eigenen Darstellungen des Klägers sowohl gegenüber den Sachverständigen als auch bei der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung des Senats, bei der er ohne Beschönigungen und auch ohne Hinweis auf bewusste Übertreibungen seinen Alkoholkonsum innerhalb der letzten Jahre geschildert hat. Neben Phasen, in denen er gar nicht trinkt, gab und gibt es Phasen, in denen er Alkohol exzessiv konsumiert. Diese Phasen seien, so die eigene Einschätzung des Klägers, in den letzten Jahren häufiger geworden. Die Schilderung wiederholten exzessiven Alkoholkonsums entspricht auch insbesondere den Befundberichten des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. J , zuletzt aus Januar 2008, und sie wird auch bestätigt durch Krankenhausentlassungsberichte, insbesondere die Entlassungsberichte der Fachklinik F aus Mai 2004 über die dort durchgeführte Entgiftungsmaßnahme und der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie des UKSH über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 14. bis 16. März 2007 wegen eines Schädelhirntraumas. In dem Bericht ist u.a. auch beschrieben, dass der Kläger im stationären Verlauf ein Alkoholentzugsdelir gezeigt habe. Vor diesem Hintergrund ist es ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn der durch den Senat vernommene Sachverständige Dr. Kd darlegt, es sei aufgrund der Alkoholkrankheit damit zu rechnen, dass es phasenweise zu Rückfällen komme, die jeweils eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit begründeten. Die ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung haben aber zu der Überzeugung des Senats geführt, dass unter Berücksichtigung des für die rentenrechtliche Beurteilung entscheidenden Gesichtspunktes der willentlichen Steuerbarkeit des Alkoholkonsums durch den Kläger nicht an Sicherheit grenzender bzw. auch nur hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass Arbeitsunfähigkeitszeiten in einem einer Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entgegenstehenden Umfang auftreten werden. Entscheidender Gesichtspunkt ist dabei die von dem Sachverständigen Dr. Kd dargelegte Beurteilung, dass der Kläger unter den Bedingungen einer geregelten Arbeitstätigkeit den Alkoholgebrauch voraussichtlich deutlich besser steuern könnte, als dies in den letzten Jahren der Arbeitslosigkeit der Fall gewesen sei, in denen der Kläger zudem mit zahlreichen persönlichen Problemen wie insbesondere Ehescheidung und aktuellen gesundheitlichen Probleme konfrontiert gewesen sei. Für die insoweit erhaltene willentliche Steuerbarkeit des Alkoholkonsums durch den Kläger spricht auch, dass er in der Vergangenheit über längere Zeiträume beruflich eingegliedert war, obwohl die Alkoholproblematik nach den eigenen glaubhaften Angaben des Klägers bereits seit früher Jugend bestand. So gab der Kläger im Rahmen der Entgiftungsmaßnahme in der Fachklinik F -R im Mai 2004 an, der Alkohol-Erstkontakt sei im 16. Lebensjahr erfolgt. In dem Verhandlungstermin am 19. Februar 2008 gab er an, er sei "mit dem Alkohol aufgewachsen". Gleichwohl war er auch in der jüngeren Vergangenheit in der Lage, über längere Zeit ein Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten, so dasjenige als Hausmeistergehilfe von 1991 bis 1998 und anschließend als Wachmann von 2000 bis 2003. Arbeitsunfähigkeit trat Im Rahmen des letzten Beschäftigungsverhältnisses des Klägers Mitte 2003 nicht wegen Alkoholmissbrauchs ein, sondern wegen akuter Hüftbeschwerden, die einen Hüftpfannenwechsel erforderlich machten. Zu der Tätigkeit als Hausmeistergehilfe bei der Stadt K von 1991 bis 1998 hat der Kläger geschildert, dass er in dieser Zeit nie durch den Genuss von Alkohol bei der Arbeit ausgefallen sei, sondern an Wochenenden Alkohol getrunken habe. Während der Tätigkeit als Wachmann sei er nur einmal durch den Gebrauch von Alkohol für eine Schicht ausgefallen, im Übrigen auch "´mal" mit Restalkohol zum Dienst gegangen. Diese eigenen Schilderungen des Klägers sprechen für die Einschätzung des Sachverständigen Dr. Kd , wonach der Kläger jedenfalls in der Vergangenheit durchaus in der Lage war, seinen Alkoholkonsum so zu steuern, dass er ein Beschäftigungsverhältnis nicht durch alkoholbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten gefährdete und auch im Wesentlichen während der Arbeitszeit abstinent war. Nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. Kd ist die willentliche Steuerungsfähigkeit des Klägers auch durch die genannten belastenden biographischen Faktoren der jüngeren Vergangenheit wie Ehescheidung und Hinzutreten weiterer gesundheitlicher Probleme nicht abhanden gekommen. Der Sachverständige Dr. Kd ist dem Senat aus einer großen Zahl von Verfahren als mit sozialmedizinischen Fragestellungen umfassend vertrauter, kompetenter Sachverständiger bekannt. Bei der Einschätzung, ob und inwieweit Alkoholkonsum durch einen Versicherten willentlich noch steuerbar ist, muss der Senat sich mangels eigener Fachkompetenz auf die Einschätzung erfahrener Sachverständiger verlassen. Da die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Kd durch die dargelegten Umstände gestützt wird, sieht der Senat keinen Anlass, von der Einschätzung durch den Sachverständigen abzuweichen.

Soweit damit als Ergebnis der Beweisaufnahme zugleich feststeht, dass der Kläger auch künftig auch unter zumutbarer Willensanstrengung nicht vollständig abstinent zu leben in der Lage sein wird - hierfür wäre eine Entwöhnungstherapie erforderlich, zu der der Kläger nicht bereit ist -, kann im Ergebnis nicht die hinreichend gesicherte Prognose gestellt werden, dass Arbeitsunfähigkeitszeiten in einem die Einsatzfähigkeit des Klägers unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aufhebenden bzw. auch nur ernsthaft in Frage stellenden Umfang auftreten werden. Eine genauere Eingrenzung ist insoweit nicht möglich, dies auch deshalb nicht, weil für die Vergangenheit alkoholbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten und Behandlungen in diesem Zusammenhang nicht dokumentiert sind. Letzteres entspricht auch den bereits angesprochenen Schilderungen des Klägers, wonach er im Rahmen länger bestehender Beschäftigungsverhältnisse so gut wie gar nicht wegen der Alkoholprobleme arbeitsunfähig war und zudem stets versucht hat, Entgiftungen und erst recht Entwöhnungsmaßnahmen zu vermeiden und die Alkoholkrankheit für sich allein in den Griff zu bekommen. Soweit in der Sitzungsniederschrift die Aussage des Sachverständigen Dr. Kd dahingehend protokolliert ist, dass der Kläger sein Verhalten soweit steuern könnte, "dass er nicht mehr als 30 Tage im Jahr arbeitsunfähig sein werde", beinhaltet dies nicht die Feststellung, dass 30 Tage Arbeitsunfähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vielmehr wiederholt dargelegt, dass ihm eine Einschätzung hinsichtlich der jährlichen Gesamtdauer der zu erwartenden alkoholbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers nicht möglich sei. Die Festlegung auf den Zeitraum von nicht mehr als 30 Tagen im Jahr folgt aus den Hinweisen des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, wonach bei krankheitsbedingten Ausfällen von sechs Wochen im Jahr die Berechtigung zur Kündigung bestehe, und dass nach seinem Eindruck bei dem Kläger mit deutlich mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeitszeiten im Jahr zu rechnen sei. Da eine Festlegung des Umfanges zu erwartender Arbeitsunfähigkeitszeiten aus den genannten Gründen nicht möglich ist, gibt der Rechtsstreit keinen Anlass zur näheren Erörterung der Frage, bei welchem Umfang mit an Sicherheit grenzender bzw. hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwartender Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht mehr davon ausgegangen werden könnte, dass der Versicherte unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen einsatzfähig ist, mithin ihm der Arbeitsmarkt verschlossen wäre. Eine Situation, wie sie dem Urteil des BSG vom 31. März 1993 ( 13 RJ 65/91, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14) zugrunde lag, kann hier jedenfalls nicht angenommen werden. Der Kläger in jenem Verfahren litt unter durchschnittlich einmal wöchentlich auftretenden und über mehrere Tage anhaltenden Fieberschüben, während derer er arbeitsunfähig war.

Für eine zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch bezogen auf die bereits genannten einfachen Tätigkeiten wie Pack- und Sortierarbeiten führende gravierende Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Alkoholproblematik haben sich im gesamten Verfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben. So bestehen bedeutsame hirnorganische Veränderungen infolge des fortlaufenden Alkoholmissbrauchs weder nach dem Gutachten der Dr. P noch nach dem Gutachten des Dr. Kd. Auch die von dem Kläger in der Berufungsbegründung geschilderten ausgeprägten Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen hat Dr. Kd im Rahmen seiner Untersuchung nicht festgestellt. Er spricht lediglich von nicht sehr ausgeprägten Zeitgitterstörungen und stellt im Übrigen fest, sozialmedizinisch relevante Einschränkungen der hirnorganischen Leistungsfähigkeit seien nicht erkennbar. Auch unter Berücksichtigung der psychischen Minderbelastbarkeit ist nach den Erläuterungen des Sachverständigen Dr. Kd bei dem Kläger nicht von einer bedeutsamen Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bzw. der Gefahr einer Dekompensation der psychischen Situation für den Fall der Arbeitsaufnahme auszugehen. Vielmehr ließe sich, wie bereits dargelegt, nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen Dr. Kd durch eine dem Leistungsvermögen angepasste Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar eine Stabilisierung der psychischen Situation insgesamt erzielen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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