Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 3425/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 4208/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.6.2007 insoweit aufgehoben, als der Beklagte dazu verurteilt wurde, den von der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 (Beschluss vom 18.9.2002) eingelegten Widerspruch zurückzuweisen.
Im übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte über den genannten Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden hat.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird auf 200.970 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Sonderbedarfszulassung (lokaler Sonderbedarf) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Der 1967 geborene Kläger, Facharzt für Urologie, beantragte am 24.6.2002 beim Zulassungsausschuss im Regierungsbezirk Freiburg (ZA) die Zulassung als Urologe in O. (Landkreis R.). Zur Begründung führte er aus, wegen der ungünstigen geografischen Verhältnisse des großräumigen Landkreises R. stünden niedergelassene Urologen nur in R. und Sch. zur Verfügung. Für die meist älteren Patienten sei die fachurologische Abklärung von Beschwerden bei schlechter Infrastruktur im Personennahverkehr und Anfahrtswegen von 20 bis 35 Kilometer schwierig. Nach dem Ausscheiden des Dr. B. liege der Versorgungsgrad nur geringfügig über der für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen maßgeblichen Marke. Durch die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung (§ 101 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) könnte man die geschilderten Versorgungsdisparitäten beseitigen. Außerdem könnten durch Hausbesuche Transporte und damit verbundene Kosten eingespart werden. Da sich die nächsten urologischen Kliniken in Sch., N. und T. befänden, wäre die Qualität der Patientenversorgung durch das Angebot ambulanter urologischer Operationen zu verbessern (Verwaltungsakte S. 3).
Unter dem 6.9.2002 führte der Kläger ergänzend aus (Verwaltungsakte S. 24), im Planungsbereich Landkreis R. hätten sich drei Urologen, Dr. M. in Sch., Dr. Ba. und Dr. Rö. in R., niedergelassen. Der Gemeinschaftspraxispartner des Dr. Ba., Dr. B., sei (ohne Nachfolger) ausgeschieden. Gem. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte könne ein Arzt auch bei Zulassungsbeschränkungen zugelassen werden, wenn in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises ein lokaler Versorgungsbedarf bestehe (vgl. etwa BSG, Urt. v. 10.5.2000, - B 6 KA 9/99 R –); da auch ambulante Operationen angeboten werden sollten, müsse außerdem Nr. 24 Satz 1 Buchstabe d der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte berücksichtigt werden. Der Landkreis R. sei bei einer Fläche von 769 qkm als großräumiger Landkreis in diesem Sinne einzustufen, weshalb ihm, dem Kläger, eine Sonderbedarfszulassung zu erteilen sei, zumal die genannten Vorschriften im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht eng ausgelegt werden dürften. Der nördliche Teil des Planungsbereichs Landkreis R. sei urologisch unterversorgt. Dort wohnende Versicherte müssten weite Wege (von Do. aus 36 km, von Su. aus 32 km) auf sich nehmen, wenn sie einen niedergelassenen Urologen aufsuchen wollten. Der öffentliche Personennahverkehr sei unzureichend. Die meist älteren Patienten könnten vielfach nicht mit dem PKW anreisen. Sein Niederlassungsvorhaben werde von anderen Ärzten und vom Bürgermeister der Gemeinde O. unterstützt.
In ihrer Stellungnahme vom 31.7.2002 (Verwaltungsakte S. 14) führte die Kassenärztliche Vereinigung Südbaden (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Nr. 1) aus, die Sonderbedarfszulassung werde nicht befürwortet. Die Bedarfslage lasse eine wirtschaftliche Praxisführung nicht zu. Das werde dadurch verdeutlicht, dass der Vertragsarztsitz des ausgeschiedenen Dr. B. (in R.) nicht mehr besetzt worden sei, und der Gemeinschaftspraxispartner, Herrn Ba., die Patienten mit übernommen habe; dieser könne sie nach eigenen Angaben problemlos alleine versorgen. Im Planungsbereich Landkreis R. bestünden bei einem Versorgungsgrad von 111,7 % Zulassungsbeschränkungen für Urologen. Der Arzt Ba. habe mitgeteilt, er lehne einen Sonderbedarf für O. ab. Auch Dr. Rö., Urologe in R., sehe einen Bedarf für einen weiteren Urologen in O. nicht. Dr. M., niedergelassener Urologe in Sch., habe angegeben, die weitere Zulassung eines Urologen, etwa in O., würde die Existenz seiner Praxis bedrohen; außerdem betrügen die Entfernungen von R. nach O. bzw. von Sch. nach O. nur 18 bzw. 19 Kilometer. Diese Wegstrecken könnten den Patienten bei speziellen urologischen Erkrankungen zugemutet werden.
In der Sitzung des Zulassungsausschusses (ZA) vom 18.9.2002 machte der Kläger geltend, die Urologen des Planungsbereichs hätten sich wegen des hohen Anteils von Privatpatienten in R. und Sch. niedergelassen. Für die (reguläre) Zulassung eines weiteren Urologen fehlten nur 4.000 Einwohner (Verwaltungsakte S. 52).
Mit Bescheid vom 4.10.2002 (Beschluss vom 18.9.2002, Verwaltungsakte S. 56) ließ der ZA den Kläger zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ab 1.1.2003 in O. zu. Hierfür bestehe ein lokaler Versorgungsbedarf, da die urologische Versorgung in der Raumschaft O. des großräumigen Landkreises R. unbefriedigend sei. Die Verkehrsanbindung der Raumschaft an die Standortgemeinden der niedergelassenen Urologen (R. und Sch.) sei schlecht. Entgegen der Annahme der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Nr. 1 umfasse der Einzugsbereich von O. nicht nur 22.000, sondern 44.000 Einwohner; das hätten die Krankenkassen bestätigt.
Gegen den ihr am 7.10.2002 zugestellten Bescheid des ZA legte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Nr. 1 am 6.11.2002 Widerspruch ein. Sie trug vor, ein lokaler Sonderbedarf für die Zulassung des Klägers bestehe nicht. Die vertragsärztliche Versorgung sei auch im nördlichen Teil des Landkreises R. durch die beiden Urologen in R. sichergestellt. Die entsprechenden Wegstrecken könnten den Versicherten zugemutet werden; das Straßennetz sei gut ausgebaut. Außerdem stünden niedergelassene Urologen in den Nachbarkreisen (Zollern-Alb-Kreis und Landkreis Freudenstadt - Versorgungsgrad mit Urologen 136,1 % bzw. 114,6 %; Stand Januar 2003 – Verwaltungsakte S. 111) zur Verfügung, etwa in H. und Bal ... Lege man für den Einzugsbereich der Gemeinde O. die Angaben des Klägers zugrunde, ergebe sich eine Einwohnerzahl von 44.036, wobei ca. die Hälfte auf weibliche Einwohner entfalle. Der Versorgungsbedarf sei gedeckt, da die maßgebliche Verhältniszahl (Einwohner/Urologe) um 16% unterschritten werde. Die Versicherten hätten die Urologen in R. und Sch. angenommen, zumal sie sich bei der fachärztlichen Versorgung zu den Städten hin orientierten. Ambulante Operationen würden schließlich auch von den bereits niedergelassenen Urologen angeboten.
Nachdem der Kläger sein bisheriges Vorbringen weiter bekräftigt und vertieft hatte (Schriftsatz vom 8.1.2003, Verwaltungsakte S. 90) gab er in der Sitzung des Beklagten vom 15.1.2003 (Verwaltungsakte S. 110) an, er wolle im Krankenhaus in O. Praxisräume anmieten.
Mit Bescheid vom 13.3.2003 (Beschluss vom 15.1.2003) hob der Beklagte den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 auf und lehnte den Zulassungsantrag des Klägers ab (Verwaltungsakte S. 114). Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung nach Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte seien nicht erfüllt. Beim Landkreis R. handele es sich – im Unterschied etwa zum Landkreis B.-H. – nicht um einen großflächigen Landkreis im Sinne des Bedarfsplanungsrechts. Die vertragsärztliche Versorgung sei durch die niedergelassenen Urologen in R. und Sch. sicher gestellt. Insgesamt bestehe Überversorgung, was zur Anordnung einer Zulassungssperre geführt habe. Die Entfernungen zwischen O. und R. bzw. Sch. lägen jeweils unter 20 km; die Wegstrecke von Do. als nördlichster Kreisgemeinde nach R. betrage 25 km, von Su. nach Sch. oder R. müssten ebenfalls nicht mehr als 30 km zurückgelegt werden. Die Gemeinde O. werde hinsichtlich der urologischen Versorgung dem Einzugsbereich der großen Kreisstadt R. zugeordnet. Die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln verdeutliche dies. Vor Anordnung der Zulassungsbeschränkungen (1993) habe sich kein Urologe in O. niederlassen wollen. Das Straßennetz sei gut ausgebaut, die Gemeinden seien teilweise über die Autobahn (A 81) zu erreichen. Von der weiter entfernten Gemeinde Su. aus betrage die Fahrzeit mit der Bahn (ohne Umsteigen) 20 Minuten; insbesondere in den Morgen- und Abendstunden sei ein regelmäßiger Bahnverkehr eingerichtet. Damit sei die Erreichbarkeit der urologischen Praxen in R. ausreichend gesichert. Im Hinblick darauf könnten insgesamt etwa 26.000 Kreiseinwohner zum Einzugsbereich von O. gerechnet werden, weshalb die bedarfsplanungsrechtlich maßgebliche Verhältniszahl nur etwa zur Hälfte erreicht werde. Außerdem müssten die in den Nachbarkreisen niedergelassenen Urologen berücksichtigt werden. Die notwendigen Fahrwege hätten die Versicherten mittlerweile auch akzeptiert. Insgesamt bestehe damit für die Zulassung des Klägers kein Bedarf.
Auf den ihm am 19.4.2003 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 5.5.2003 Klage beim Sozialgericht Freiburg, das sich mit Beschluss vom 12.11.2004 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen verwies. Der Kläger nahm auf das Urteil des BSG vom 10.5.1999 (- B 6 KA 9/99 R -) Bezug; das BSG habe im Schwarzwald (Landkreis W.) bereits eine Wegstrecke von 15 km für nicht mehr zumutbar erachtet.
In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 23.3.2005 erklärte der Vorsitzende des Beklagten, bei den durchgeführten Prüfungen sei man davon ausgegangen, dass Wegstrecken von 20 km zum Aufsuchen einer Facharztpraxis zumutbar seien. Dies habe man auch dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt und um Sch. und R. jeweils entsprechende Kreise gezogen. O. liege innerhalb eines solchen Kreises. Hinsichtlich einiger Gemeinden nördlich von O. hätten sich zwar längere Wegstrecken als 20 km ergeben, die man auch für nicht mehr zumutbar erachte. Das betroffene Gebiet sei aber zu klein, um eine Sonderbedarfszulassung zu rechtfertigen.
Mit Urteil vom 23.3.2005 hob das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 13.3.2003 (Beschluss vom 15.1.2003) auf und verurteilte ihn, über den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung führte es aus, entgegen der Auffassung des Beklagten, dem insoweit ein die Gerichtskontrolle einschränkender Beurteilungsspielraum nicht zustehe, sei der Landkreis R. im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne als großräumig einzustufen, obgleich er eher zu den kleineren Landkreisen des Regierungsbezirks Südbaden zähle. Das folge schon aus der Nord-Süd-Ausdehnung des Landkreises von Luftlinie etwa 40 km. Hinzukämen die ländliche Struktur des Kreises und die erschwerten Verkehrsverhältnisse im Schwarzwald, in den der Kreis hineinrage. Versicherte im Randbereich des Landkreises müssten deshalb u.U. nicht mehr zumutbare Wegstrecken zur nächstgelegenen Vertragsarztpraxis zurücklegen. Der Beklagte habe außerdem den für die Beurteilung der Bedarfsfrage maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und seine Einschätzung nicht widerspruchsfrei und nicht sachgemäß begründet. So habe er die Fallzahlen der niedergelassenen Urologen nicht hinreichend eruiert; dies werde nachzuholen sein. Außerdem müssten die Behandlungskapazitäten der Urologen in den Nachbarkreisen objektiv festgestellt werden. Schließlich habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert, er halte Wegstrecken zu Facharztpraxen von über 20 km für zu weit und unzumutbar. Solche Wege müssten aber Versicherte aus Gemeinden nördlich von O., etwa aus Su., bis R. bewältigen. Auch die Wege zu Urologen in den Nachbarkreisen seien weiter. Damit habe der Beklagte nach seinen eigenen Maßstäben ein Versorgungsdefizit festgestellt. Ob der Kläger eine Praxis wirtschaftlich betreiben könnte, sei nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens. Fragwürdig erscheine auch die Annahme, die Patienten hätten die bestehende Versorgungslage angenommen und die notwendigen Fahrstrecken akzeptiert.
Auf das ihm am 3.5.2005 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 24.5.2005 Berufung ein (Verfahren L 5 KA 2223/05); ihm stehe auch für die Einstufung eines Landkreises als im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne "großräumig" ein Beurteilungsspielraum zu. Der Landkreis R. sei ein flächenmäßig kleiner Landkreis. Bei einer Ausdehnung von 40 km in Nord-Süd -Richtung und von 20 km in Ost-West-Richtung könne jede Kreisgemeinde mit einer Fahrzeit von 30 bis 40 Minuten erreicht werden.
Mit Schriftsatz vom 20.3.2006 nahm der Beklagte die Berufung wieder zurück; die Rücknahme werde im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG erklärt.
Während des Berufungsverfahrens L 5 KA 2223/05 hatte der Beklagte weitere Ermittlungen angestellt. Er hatte Leistungs- und Fallzahlstatistiken der niedergelassenen Urologen in den Planungsbereichen (Landkreisen) R. (zwei Praxen in R., eine Praxis in Sch.), Fr. (eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten in Fr. zzgl. Zweigpraxis in Ho.) und Zollernalb (eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten in Bal., eine Praxis in He., zwei Praxen in A.) erhoben. Von den in R. bzw. Sch. niedergelassenen Urologen hatten Dr. Ba. und Dr. M. keine Engpässe oder Wartezeiten angegeben; ihre Praxen seien nicht ausgelastet. Dr. Rö. hatte bei ausgelasteter Praxis mit geringen freien Kapazitäten Wartezeiten von 1 bis 4 Wochen gemeldet, ausgenommen dringliche Indikationen (Verwaltungsakte S. 6). Dres. Ba. und M. hatten die Zulassung des Klägers, anders als Dr. Rö., nicht befürwortet. Die Beigeladene Nr. 1 hatte für die im Zollern-Alb-Kreis niedergelassenen Urologen Fallzahlen der Quartale 3/04 und 4/04 mitgeteilt (Dres. Hem./Mu., Bal.: 1.941/2.104; Dr. L., He.: 1.166/1.367; Dr. P., A. – wegen Übergabe an Nachfolger Leistungsausweitung zu erwarten -: 946/1.051; Dr. Bu., A.: 1.361/1.714; Verwaltungsakte S. 160).
Am 20.7.2005 führte der Beklagte eine erste mündliche Verhandlung durch. Seiner Ansicht nach gebe es im urologischen Bereich meist keine Notfälle; die Untersuchungen seien planbar. Der Kläger gab an, in O. und Su. sei ein Rettungswagen stationiert, um die Notfallversorgung zu gewährleisten; dies unterstreiche die schlechte lokale Versorgungslage (Sitzungsniederschrift Verwaltungsakte S. 162). Eine weitere mündliche Verhandlung fand am 7.6.2006 statt. Es wurde festgestellt, dass die Fallzahlen der Dres. Ba. und Rö. (Landkreis R.) und der niedergelassenen Urologen in Freudenstadt und Bal. (teils um 20 %) über dem Fachgruppendurchschnitt lägen. Dr. M. (Landkreis R.) liege im Durchschnitt. Mittlerweile betrage der Versorgungsgrad bei Urologen im Planungsbereich Landkreis R. 110,9 % (Stand 22.2.2006).
Mit Bescheid vom 31.8.2006 (Beschluss vom 7.6.2006) hob der Beklagte den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 auf den Widerspruch der (Rechtsvorgängerin der) Beigeladenen Nr. 1 (erneut) auf und lehnte den Zulassungsantrag des Klägers (erneut) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Landkreis R. werde nunmehr – anders als im vorausgegangenen Verfahren - als großräumig im Sinne des Bedarfsplanungsrechts eingestuft. Deshalb habe das Vorliegen eines lokalen Versorgungsbedarfs in Teilen des Landkreises geprüft werden müssen. Dabei müsse es um einen Bedarf gehen, der überhaupt nur an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Region bestehe und denkbar sei, sich also aus Besonderheiten ergebe, die in der Ortslage oder in besonderen örtlichen Krankheitshäufungen begründet seien. Hier sei eine besondere Krankheitshäufung aber weder ersichtlich nicht vorgetragen worden. Den Patienten, die einen Urologen aufsuchen wollten, könnten Wegstrecken bis zu 30 km zugemutet werden; insoweit habe man die bisherige Auffassung (Zumutbarkeitsgrenze 20 km) geändert. Die Entfernungen von O. oder Su. bis R. betrügen ca. 20 bzw. ca. 30 km. Bei diesen Entfernungen könne ein Versorgungsdefizit nicht festgestellt werden, zumal es im urologischen Bereich regelmäßig keine Notfälle gebe und die anstehenden Untersuchungen planbar seien. Außerdem könnten Patienten aus dem nördlichen Kreisgebiet Urologen in den Nachbarkreisen Freudenstadt und Zollern-Alb aufsuchen; die Wegstrecken betrügen jeweils höchstens 30 km. Bei diesen Verhältnissen liege ein lokales Versorgungsdefizit nicht vor. Zwar hätten die im Anschluss an das sozialgerichtliche Verfahren durchgeführten Erhebungen ergeben, dass die Urologen in den Landkreisen R., Freudenstadt und Zollern-Alb gut ausgelastet seien und teilweise um 20 % über dem Fachgruppendurchschnitt liegende Fallzahlen aufwiesen. Das begründe jedoch keinen Sonderbedarf, zeige vielmehr, dass auch nach dem ersatzlosen Ausscheiden des Dr. B. ein Versorgungsdefizit nicht aufgetreten sei. Nach wie vor gebe es bei zwei im Landkreis R. niedergelassenen Urologen freie Kapazitäten. Sinke der Versorgungsgrad von derzeit 110,9 % auf unter 110 % ab, fielen die bestehenden Zulassungsbeschränkungen gänzlich weg; ggf. möge der Kläger sodann einen Neuantrag stellen.
Am 18.9.2006 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Er bekräftigte sein bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor, ein lokaler Sonderbedarf könne nicht im Sinne besonderer örtlicher Krankheitshäufungen verstanden werden. Der Beklagte habe die einschlägigen Rechtsvorschriften daher fehlerhaft ausgelegt. Es komme auf räumliche Einheiten und nicht auf die Morbiditätsverteilung an. Die Planungsbereiche seien räumliche und keine krankheitsbezogenen Einheiten; auch für die der Bedarfsplanung zugrunde liegenden Verhältniszahlen (Einwohner/Ärzte) spiele die Morbidität keine Rolle. Nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung sei es nicht zulässig, die den Versicherten zumutbaren Wegstrecken einmal mit 20 km, ein andermal mit 30 km zu bemessen; letzteres widerspreche im Übrigen der langjährigen Verwaltungspraxis. Er werde dadurch in seinem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Es gebe keine tragfähigen Gründe für den Sinneswandel des Beklagten. Offenbar wolle man mit der Veränderung der Zumutbarkeitsmaßstäbe nur die Sonderbedarfszulassung unterlaufen. Zumindest hätte der Beklagte Gründe für die Änderung seiner Maßstäbe angeben müssen.
Der Beklagte trug vor, hinsichtlich der den Versicherten zumutbaren Wegstrecken habe man die bisherige Auffassung geändert; dies sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit Urteil vom 27.6.2007 hob das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 31.8.2006 (Beschluss vom 7.6.2006) auf und verurteilte ihn, den von der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 (Beschluss vom 18.9.2002) eingelegten Widerspruch zurückzuweisen. Zur Begründung führte es aus, der angefochtene Bescheid sei ermessensfehlerhaft; außerdem könne der Zulassungsantrag des Klägers rechtsfehlerfrei nicht mehr abgelehnt werden.
Der Beklagte habe bei seiner erneuten Entscheidung nicht darauf abstellen dürfen, dass den Versicherten Wegstrecken zu urologischen Praxen von bis zu 30 km zumutbar seien. Die zuvor befürwortete 20-km-Grenze möge zu knapp bemessen sein. Jedoch habe der Beklagte mit der 4 Jahre nach dem Zulassungsantrag vollzogenen Änderung der Beurteilungsmaßstäbe gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Im Verfahren S 1 KA 3637/04 habe der Vorsitzende des Beklagten (in der mündlichen Verhandlung vom 23.3.2005) noch die Auffassung vertreten, Versicherten könnten Wegstrecken von (nur) 20 km zugemutet werden; davon sei man bei der seinerzeit getroffenen Entscheidung ausgegangen. Der Beklagte habe die 20-km-Grenze nicht nur in den bislang behandelten Zulassungsverfahren, sondern auch im Verfahren des Klägers angewendet und seine Entscheidung auch auf diese Erwägung gestützt. Dass er den Landkreis R. außerdem nicht als im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne großräumig angesehen habe, ändere daran nichts. Damit sei für den Kläger ein schützenswertes Vertrauen auf die Beibehaltung des angewandten Beurteilungsmaßstabs begründet worden. Für eine Maßstabsänderung bedürfte es sachlicher Gründe, die indessen nicht vorlägen. Außerdem dürfte die 20-km-Grenze wegen ihrer Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 23.3.2005 Bestandteil der für die Beteiligten verbindlichen Rechtsauffassung des Gerichts geworden sein, auch wenn dies in den Entscheidungsgründen des (rechtskräftigen) Urteils vom 23.3.2005 (S 1 KA 3637/04) so nicht festgehalten worden sei. Schließlich sei die Annahme des Beklagten zweifelhaft, im urologischen Bereich gebe es regelmäßig keine Notfälle und die Untersuchungen seien planbar.
Lege man für die Zumutbarkeit von Wegstrecken die bislang angewandte 20-km-Grenze zugrunde, könne die Sonderbedarfszulassung nicht verweigert werden. Dafür gäben auch die vom Beklagten ermittelten Fallzahlen nichts her. Sie belegten eine mindestens durchschnittliche, teilweise deutlich überdurchschnittliche Auslastung der niedergelassenen Urologen.
Auf das ihm am 2.8.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28.8.2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, für die Festlegung der den Versicherten zumutbaren Wegstrecken sei ihm ebenfalls ein Beurteilungsspielraum eröffnet. Die anfangs praktizierte 20-km-Grenze sei zu knapp bemessen gewesen. Vielmehr seien Wegstrecken zu urologischen Praxen von bis zu 30 km durchaus zumutbar. Die Änderung dieser Einschätzung beruhe darauf, dass es im urologischen Bereich regelmäßig keine Notfälle gebe und anstehende Untersuchungen planbar seien. Darin liege eine sachliche Änderung, die es rechtfertige, von der bisherigen 20-km-Grenze abzurücken. Diese sei auch nicht Bestandteil der Rechtsauffassung des Sozialgerichts im (rechtskräftigen) Urteil vom 23.3.2005 (S 1 KA 3637/04) geworden.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1.) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.6.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Sonderbedarfszulassung für den Vertragsarztsitz U.str. 2, O. zu erteilen.
Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt er vor, der Beklagte habe seine Beurteilungsmaßstäbe hinsichtlich der den Versicherten zumutbaren Wegstrecken im vorliegenden Verfahren willkürlich geändert. Offenbar habe er damit nur auf das ihm ungünstige Urteil des Sozialgerichts vom 23.3.2005 (S 1 KA 3637/04) reagiert. Die in der Berufungsbegründung angegeben Motive seien jedenfalls nicht nachvollziehbar. Die Sachlage habe sich weder hinsichtlich des Notfallgeschehens im urologischen Bereich noch hinsichtlich der Planbarkeit urologischer Behandlungen verändert. Davon abgesehen träten auch bei den Urologen Notfälle auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 31.8.2006 (Beschluss vom 7.6.2006) zu Recht aufgehoben, da er auf einem rechtlich beachtlichen Beurteilungsfehler beruht. Allerdings kann der Senat nicht feststellen, dass dem Kläger ein Rechtsanspruch auf die begehrte Sonderbedarfszulassung zustünde, diese also vom Beklagten rechtsfehlerfrei nicht mehr versagt werden kann. Insoweit hat die Berufung des Beklagten Erfolg. Er wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über den Zulassungsantrag des Klägers bzw. den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 erneut zu befinden haben.
Die Beteiligten streiten mit Recht nicht darüber, dass dem Kläger die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nur im Wege der Sonderbedarfszulassung (wegen lokalen Sonderbedarfs) nach Maßgabe des § 101 Nr. 3 SGB V i.V. m. Nr. 24 Satz 1 Buschstabe a der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte (BedarfsplRL-Ä i.d.F. vom 9.3.1993, zuletzt geändert am 18.10.2005, BAnz v. 12.1.2006, S. 107) ermöglicht werden kann, da der Planungsbereich Landkreis R. für Urologen infolge der vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen angeordneten Zulassungsbeschränkung gesperrt ist (vgl. zuletzt Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 4.4.2007, Ärzteblatt Baden-Württemberg 2007, 287).
Gem. § 101 Satz 1 Nr. 3 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien Bestimmungen über Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze, soweit diese zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind. Nach Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä darf der ZA dem Zulassungsantrag eines Vertragsarztes der betroffenen Arztgruppe unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss entsprechen, wenn ein nachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises vorliegt. Die Zulassung setzt voraus, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint; bei vorübergehendem Bedarf ist von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch zu machen.
Für die Beantwortung der Frage, ob ein lokaler Versorgungsbedarf i. S. d. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i. V. m. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä vorliegt, ist der Behörde ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der die gerichtliche Rechtskontrolle beschränkt. Das Gericht prüft, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt und ob die Behörde die (äußeren und inneren) Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten und ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 12.9.2001, - - B 6 KA 86/00 R -). Die äußeren Grenzen des Beurteilungsspielraums werden durch die jeweils anzuwendende Rechtsvorschrift (Beurteilungsermächtigung) und außerdem durch höherrangiges Recht bzw. übergeordnete Rechtsgrundsätze, wie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, festgelegt.
Bei Auslegung und Anwendung der zur Festlegung der äußeren Grenzen des Beurteilungsspielraums verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe steht der Behörde ein autonomer Entscheidungsspielraum grundsätzlich nicht zu. Hier ist dem Beklagten bei der Subsumtion des unbestimmten Rechtsbegriffs "großräumiger Landkreis" i. S. d. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä daher ebenfalls (nur) eine nachvollziehende Abwägung aufgetragen, die voller gerichtlicher Rechtskontrolle unterliegt. Für die Großräumigkeitsfrage ist ausschlaggebend nämlich auf die räumliche - flächenhafte - Ausdehnung des Landkreises abzustellen. Ein Landkreis (Planungsbereich) ist im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne "großräumig", wenn die an sich in ausreichender Zahl vorhandenen niedergelassenen Ärzte von Teilbereichen des Landkreises aus wegen zu großer Entfernungen zumutbar nicht erreicht werden können. Damit hängt die Entscheidung der Großräumigkeitsfrage anders als die daran anknüpfende Prüfung eines (Sonder-)Bedarfs aber nicht von einer Vielzahl sich gegenseitig beeinflussender, für sich selbst und in ihrem Verhältnis zueinander weitgehend unbestimmter Faktoren, wie Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen oder ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur oder Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage auf Grund vorhandener Verkehrsverbindungen, ab, deren Bewertung den ortsnahen und sachkundigen, paritätisch besetzten Zulassungsgremien anheim gegeben ist (vgl. dazu auch Senatsurteile vom 13.11.2002, - L 5 KA 1247/02 -, und vom 17.5.2006, - L 5 KA 5224/05 -).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend hat der Senat bspw. den Landkreis Bodenseekreis als großräumig eingestuft und hierfür maßgeblich auf dessen Längsachse von über 40 km abgestellt; bei dieser Längenausdehnung besteht für Versicherte, die am oberen oder unteren Ende des Landkreises wohnen durchaus die Möglichkeit, dass niedergelassene Ärzte in zumutbarer Entfernung nicht erreicht werden können. Dem Landkreis L. hat der Senat demgegenüber die Großräumigkeit bei einer Längenausdehnung in nord-südlicher Richtung von unter 40 km und einer Breitenausdehnung in ost-westlicher Richtung von etwa 20 bis 30 km und wegen der nicht auf Weite ausgerichteten Infrastruktur und Verkehrsverbindungen abgesprochen (Senatsurteil vom 17.5.2006, - L 5 KA 5224/05 -). Im Hinblick darauf erscheint es fraglich, ob der Landkreis R. als großräumig qualifiziert werden kann, nachdem sich das Kreisgebiet in Nord-Süd-Richtung 37,2 km und in Ost-West-Richtung 31,6 km ausdehnt (Quelle: www.landkreis-R ...de). Die räumlichen und verkehrlichen Verhältnisse dürften sich nicht grundlegend von denjenigen des Landkreises L. unterscheiden; beiden Landkreisen ist auch gemein, dass sie mit Teilen des Kreisgebiets in den Schwarzwald ragen, woraus besondere verkehrliche Erschwernisse folgen können.
Der Senat darf hierüber aber nicht mehr abschließend entscheiden. Er ist zwar nicht an die Einschätzung des Beklagten gebunden, der dem Landkreis R. im Bescheid vom 31.8.2006 (anders noch im Bescheid vom 13.3.2003) nunmehr Großräumigkeit im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne zuschreibt; nach dem Gesagten steht ihm hierfür ein voller Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum nicht zu. Allerdings hat das Sozialgericht in seinem - unter den Beteiligten ergangenen und nach Rücknahme der Berufung im Verfahren L 5 KA 2223/05 rechtskräftigen - Urteil vom 23.3.2005 (- S 1 KA 3637/04 -) die Auffassung vertreten, beim Landkreis R. handele es sich um einen großräumigen Landkreis i. S. d. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä und es hat den Beklagten ausgehend davon unter Aufhebung des Bescheids vom 13.3.2003 (Beschluss vom 15.1.2003) dazu verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 (gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die materielle Rechtskraft (§ 141 SGG) dieses Bescheidungsurteils erstreckt sich auch auf die Großräumigkeitsfrage. Der Beklagte kann diese im vorliegenden Fall nicht mehr anders beurteilen als das Sozialgericht; auch der Senat ist hieran gebunden. Durch das Bescheidungsurteil ist nämlich mit Rechtskraftwirkung festgestellt, dass die - im Bescheid des Beklagten als alleinigem Verfahrensgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens (vgl. nur etwa BSG SozR 3-2500 § 96 Nr. 1) - liegende Ablehnung der Sonderbedarfszulassung den Kläger in seinen Rechten verletzt, und er Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat. Die Rechtskraft des Bescheidungsurteils umfasst damit nicht nur die Verpflichtung der Behörde, neu zu entscheiden. Sie ist auch an die im Urteil ausgesprochene Rechtsauffassung des Gerichts, die sich aus den (tragenden) Entscheidungsgründen des Urteils ergibt, gebunden. Damit erwachsen einzelne Begründungselemente in materieller Rechtskraft (vgl. dazu etwa Kilian, in NK-VwGO § 113 Rdnr. 448 sowie § 121 Rdnr. 86; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.10.2000, - 11 S 43/00 - m. w. N.). Dies gilt hier vorliegend für die Rechtsauffassung des Sozialgerichts zur Großräumigkeit des Landkreises R ... Nur auf der Grundlage dieser Feststellung kann die Neubescheidung des Zulassungsantrags überhaupt erfolgen. Die im Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten hierzu ginge ins Leere, wäre er an die Rechtsauffassung des Sozialgerichts nur hinsichtlich der Maßgaben zum "Wie", nicht aber zum "Ob" der Beurteilungsentscheidung gebunden. Er darf daher über die Rechtsvoraussetzungen der ihm aufgegebenen erneuten Beurteilungsentscheidung nicht abweichend von der hierzu geäußerten Rechtsauffassung des Sozialgerichts befinden. Letzteres gilt damit auch für den Senat. Von den zwei in Nr. 24 Satz 1 Buchst. a BedarfsplRL-Ä genannten Voraussetzungen (lokaler Versorgungsbedarf in einem großräumigen Landkreis) steht somit in diesem Verfahren verbindlich fest, dass ein großräumiger Landkreis vorliegt.
Der Beklagte musste deshalb im Bescheid vom 31.8.2006 (nur noch) darüber entschieden, ob im Landkreis R. bzw. im Raum O. ein die Zulassung des Klägers rechtfertigender lokaler Sonderbedarf für die Niederlassung eines Urologen nach Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä besteht. Dabei hat er nach Auffassung des Senats aber die äußeren Grenzen seines Beurteilungsspielraums verletzt, weshalb sein Bescheid keinen Bestand haben kann.
Tragende Erwägung für die Beurteilungsentscheidung des Beklagten, wonach die Versorgung der Versicherten mit Urologen im Planungsbereich Landkreis R. auch im Raum O. gewährleistet sei, war die klar formulierte Einschätzung, dass den Versicherten Wegstrecken zu urologischen Praxen von bis zu 30 km zuzumuten sind. Nur mit dieser Maßgabe können aus dem Raum O. zumutbar auch Urologen in R. oder in den Nachbarkreisen Freudenstadt und Zollern-Alb aufgesucht werden. Der Beklagte hat damit den bislang offenbar in vergleichbaren Fällen praktizierten Beurteilungsmaßstab geändert. Der Vorsitzende des Beklagten hat die Obergrenze der zumutbaren Entfernung mit 20 km noch in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 23.3.2005 klar bekundet.
Der Änderung des Beurteilungsmaßstabs wird der Kläger Gründe des Vertrauensschutzes nicht entgegen halten können. Ein auf nachvollziehbar dargelegten und als solche rechtlich nicht zu beanstandenden Sachgründen beruhender Meinungswandel kann der Behörde solange nicht verwehrt werden, wie sie nicht an ihre ursprüngliche Auffassung rechtlich gebunden ist. Das gilt auch für Entscheidungen in Ausübung eines Beurteilungsspielraums.
Die Maßgeblichkeit der "20-km-Grenze" ist in der Begründung des Bescheids vom 13.3.2003 nicht hervortreten, weil schon der "großräumige Landkreis" als weitere Voraussetzungen vor der Prüfung eines "lokalen Versorgungsbedarfs" verneint worden war. Hinsichtlich der "20-km-Grenze" fehlen Ausführungen; hierauf kam es ausschlaggebend nicht an. Ein rechtlich geschütztes Vertrauen auf die Beibehaltung dieses Maßstabs konnte sich beim Kläger jedenfalls aus diesem Grund nicht bilden.
Auch im Urteil des Sozialgerichts vom 23.3.2005 (a. a. O.) ist nicht rechtskräftig festgelegt worden, dass der Beklagte bei künftigen Entscheidungen den "20-km-Maßstab" anzuwenden hat. Das Sozialgericht hat ihn nicht mit hinreichender Klarheit zum Bestandteil der Rechtsauffassung gemacht, die Teil an der materiellen Rechtskraft des Bescheidungsurteils haben soll. In den Entscheidungsgründen des Urteils ist hierzu lediglich ausgeführt, der Vertreter des Beklagten habe erläutert, er halte Wegstrecken zu Facharztpraxen von über 20 km für zu weit und unzumutbar, weshalb der Beklagte - so das Sozialgericht - nach seinen eigenen Maßstäben ein Versorgungsdefizit festgestellt habe. Damit hat das Sozialgericht aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass es die als Auffassung des Beklagten referierte und als solche gekennzeichnete Rechtsansicht als eigene (gerichtliche) Rechtsauffassung übernehmen will, und dass diese Rechtsauffassung außerdem der dem Beklagten aufgegebenen erneuten Entscheidung verbindlich zugrunde gelegt werden muss. Das Sozialgericht hat die 20 km Grenze seinerseits somit nicht in den Gründen seiner Entscheidung festgeschrieben; es hat vielmehr zum lokalen Versorgungsbedarf lediglich eine Art Plausibilitätsprüfung durchgeführt. Bei verbindlicher Zugrundelegung der 20 km-Grenze hätte das SG sonst sogleich in der Sache für den Kläger positiv entscheiden und nicht zur Neubescheidung verurteilen dürfen, ohne hinreichende Plausibilität hätte es die Klage andererseits abweisen müssen. Eine Bindung des Beklagten ist also weder durch Bescheid vom 13.3.2003 noch durch das Urteil des SG vom 23.3.2005 begründet worden.
Für eine Selbstbindung genügt es auch nicht, dass der Vorsitzende der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 23.3.2005 eine andere Auffassung vertreten hatte. Er konnte mit seinen Rechtsausführungen vor dem SG den Beklagten, einen Ausschuss mit insgesamt 7 stimmberechtigten Mitgliedern, nicht binden, zumal das Gremium diese Frage bisher bescheidmäßig noch nicht abschließend beantwortet, möglicherweise sogar zuvor noch nicht beraten hatte. Dem trägt die ohne weitere Einschränkungen oder Auflagen erfolgte Verpflichtung zur Neubescheidung im Urteil des SG vom 23.3.2005 Rechnung, die damit nur zur Folge haben kann, dass der Beklagte den lokalen Versorgungsbedarf erneut überprüft. Bei dieser Ausgangslage ist es der Behörde aus Rechtsgründen somit nicht von vornherein verwehrt, ihre Beurteilungspraxis bzw. die ihren Beurteilungsentscheidungen zugrunde liegenden Erwägungen und Maßstäbe zu ändern.
Allerdings dürfen sowohl das Ergebnis der Beurteilungsänderung, die neue Beurteilungspraxis bzw. die neuen Beurteilungserwägungen, wie der Vorgang der Beurteilungsänderung Rechtsfehler nicht aufweisen. Das ist hier nach Auffassung des Senats aber der Fall.
Die vom Beklagten im Laufe des mehrjährigen Verfahrens vorgenommene Änderung des Beurteilungsmaßstabs - Verlängerung der zumutbaren Wegstrecke zu Facharztpraxen von 20 km auf 30 km - genügt in dieser Form den Anforderungen an eine hinreichende Begründung der Beurteilungsentscheidung nicht. Die Maßstabsänderung wird im Bescheid vom 31.8.2006 nur behauptet, nicht aber begründet. Das wäre freilich schon im Hinblick darauf geboten gewesen, dass zuvor dezidiert eine andere Auffassung vertreten worden war, und die Entscheidung über das Zulassungsbegehren des Klägers ausschlaggebend (u.a.) von der Bemessung der zumutbaren Wegstrecken abhängt. Die der Änderung des Beurteilungsmaßstabs zugrunde liegenden Erwägungen des Beklagten gehören daher zu den Subsumtionserwägungen, die der Beklagte im Bescheid so verdeutlichen muss, dass die rechtsfehlerfreie Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe für das Gericht erkennbar und nachvollziehbar ist. Das ist hier nicht geschehen, weshalb sich der Beklagte den Vorwurf willkürlichen Verhaltens zuziehen muss. Auch im Gerichtsverfahren sind nachvollziehbare Gründe für den Meinungswandel des Beklagten nicht vorgetragen worden. Die Notfallhäufigkeit oder die Planbarkeit urologischer Untersuchungen, auf die der Beklagte abgestellt hat, taugen dafür nicht, da in diesen Umständen seit dem Jahr 2003 schwerlich signifikante Veränderungen eingetreten sind.
Der Beklagte wird daher erneut über den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 zu entscheiden haben. Welche zurückzulegenden Wege innerhalb des Planungsbereichs für fachärztliche Behandlungen zumutbar sind, entzieht sich grundsätzlich allgemeiner Festlegung. Ausgangspunkt der Überlegungen sind die typischen bzw. häufigen, jedenfalls nicht vernachlässigbaren Beschwerden des betroffenen Patientenklientels bei einer eventuellen Fahrt zum Urologen; hiervon hängt ab, für welche Zeitdauer die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Zu berücksichtigen ist weiterhin das Alter der Patienten, wobei im vorliegenden Fall zu würdigen ist, dass die bereits niedergelassenen Urologen einen Rentneranteil von 55 % ihrer Patienten aufweisen. Schließlich fällt auf, dass der Zulassungsausschuss die Verkehrsverhältnisse als sehr schlecht bezeichnet hat; eine andere Einschätzung bedarf dann einer sich damit konkret auseinandersetzenden Begründung. Dass aus besonderen Gründen allerdings weiteres zu beachten wäre, ist - etwa im Hinblick auf Lage und Topographie bzw. klimatische Verhältnisse des Landkreises R. (vgl. dazu BSG, Urt. v. 10.5.1999, - B 6 KA 9/99 R - zu besonderen Verhältnissen im Hochschwarzwald) - andererseits nicht substantiiert dargetan und auch nicht ersichtlich.
Bei seiner neuen Entscheidung wird der Beklagte schließlich die Bedarfsfrage insoweit ergänzend zu überprüfen haben, als die Angaben der im Planungsbereich Landkreis R. und in den benachbarten Planungsbereichen niedergelassenen Urologen zu freien Behandlungskapazitäten zu objektivieren sind. In diesem Zusammenhang wird sich der Beklagte auch damit auseinandersetzen müssen, dass die Fallzahlen dieser Ärzte teils dem Fachgruppendurchschnitt entsprechen und diesen teils um bis zu 20 % überschreiten. Ob im Falle einer Sonderbedarfszulassung eine Praxis wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden könnte, ist demgegenüber rechtlich unerheblich.
Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ist der Beklagte somit aus Rechtsgründen nicht darauf festgelegt, den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 zurückzuweisen. Aus dem Gesagten folgt, dass sein Beurteilungsspielraum bei der Prüfung eines etwaigen lokalen Sonderbedarfs für die Niederlassung des Klägers als Vertragsarzt nicht auf diese Entscheidungsalternative reduziert ist. Insoweit hat die Berufung des Beklagten daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. §§ 155 Abs. 1 Satz 3 und 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nr. C IX 16.4 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit). Der Senat hat seiner Entscheidung die neueren, in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Zahlen der Beigeladenen Nr. 1 über die Umsätze der Urologen im Bezirk Südbaden im Jahre 2006 (die früheren Streitwertfestsetzungenlagen beruhten auf Umsätzen des Jahres 1999) zu Grunde gelegt.
Im übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte über den genannten Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden hat.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird auf 200.970 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Sonderbedarfszulassung (lokaler Sonderbedarf) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Der 1967 geborene Kläger, Facharzt für Urologie, beantragte am 24.6.2002 beim Zulassungsausschuss im Regierungsbezirk Freiburg (ZA) die Zulassung als Urologe in O. (Landkreis R.). Zur Begründung führte er aus, wegen der ungünstigen geografischen Verhältnisse des großräumigen Landkreises R. stünden niedergelassene Urologen nur in R. und Sch. zur Verfügung. Für die meist älteren Patienten sei die fachurologische Abklärung von Beschwerden bei schlechter Infrastruktur im Personennahverkehr und Anfahrtswegen von 20 bis 35 Kilometer schwierig. Nach dem Ausscheiden des Dr. B. liege der Versorgungsgrad nur geringfügig über der für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen maßgeblichen Marke. Durch die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung (§ 101 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) könnte man die geschilderten Versorgungsdisparitäten beseitigen. Außerdem könnten durch Hausbesuche Transporte und damit verbundene Kosten eingespart werden. Da sich die nächsten urologischen Kliniken in Sch., N. und T. befänden, wäre die Qualität der Patientenversorgung durch das Angebot ambulanter urologischer Operationen zu verbessern (Verwaltungsakte S. 3).
Unter dem 6.9.2002 führte der Kläger ergänzend aus (Verwaltungsakte S. 24), im Planungsbereich Landkreis R. hätten sich drei Urologen, Dr. M. in Sch., Dr. Ba. und Dr. Rö. in R., niedergelassen. Der Gemeinschaftspraxispartner des Dr. Ba., Dr. B., sei (ohne Nachfolger) ausgeschieden. Gem. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte könne ein Arzt auch bei Zulassungsbeschränkungen zugelassen werden, wenn in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises ein lokaler Versorgungsbedarf bestehe (vgl. etwa BSG, Urt. v. 10.5.2000, - B 6 KA 9/99 R –); da auch ambulante Operationen angeboten werden sollten, müsse außerdem Nr. 24 Satz 1 Buchstabe d der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte berücksichtigt werden. Der Landkreis R. sei bei einer Fläche von 769 qkm als großräumiger Landkreis in diesem Sinne einzustufen, weshalb ihm, dem Kläger, eine Sonderbedarfszulassung zu erteilen sei, zumal die genannten Vorschriften im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht eng ausgelegt werden dürften. Der nördliche Teil des Planungsbereichs Landkreis R. sei urologisch unterversorgt. Dort wohnende Versicherte müssten weite Wege (von Do. aus 36 km, von Su. aus 32 km) auf sich nehmen, wenn sie einen niedergelassenen Urologen aufsuchen wollten. Der öffentliche Personennahverkehr sei unzureichend. Die meist älteren Patienten könnten vielfach nicht mit dem PKW anreisen. Sein Niederlassungsvorhaben werde von anderen Ärzten und vom Bürgermeister der Gemeinde O. unterstützt.
In ihrer Stellungnahme vom 31.7.2002 (Verwaltungsakte S. 14) führte die Kassenärztliche Vereinigung Südbaden (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Nr. 1) aus, die Sonderbedarfszulassung werde nicht befürwortet. Die Bedarfslage lasse eine wirtschaftliche Praxisführung nicht zu. Das werde dadurch verdeutlicht, dass der Vertragsarztsitz des ausgeschiedenen Dr. B. (in R.) nicht mehr besetzt worden sei, und der Gemeinschaftspraxispartner, Herrn Ba., die Patienten mit übernommen habe; dieser könne sie nach eigenen Angaben problemlos alleine versorgen. Im Planungsbereich Landkreis R. bestünden bei einem Versorgungsgrad von 111,7 % Zulassungsbeschränkungen für Urologen. Der Arzt Ba. habe mitgeteilt, er lehne einen Sonderbedarf für O. ab. Auch Dr. Rö., Urologe in R., sehe einen Bedarf für einen weiteren Urologen in O. nicht. Dr. M., niedergelassener Urologe in Sch., habe angegeben, die weitere Zulassung eines Urologen, etwa in O., würde die Existenz seiner Praxis bedrohen; außerdem betrügen die Entfernungen von R. nach O. bzw. von Sch. nach O. nur 18 bzw. 19 Kilometer. Diese Wegstrecken könnten den Patienten bei speziellen urologischen Erkrankungen zugemutet werden.
In der Sitzung des Zulassungsausschusses (ZA) vom 18.9.2002 machte der Kläger geltend, die Urologen des Planungsbereichs hätten sich wegen des hohen Anteils von Privatpatienten in R. und Sch. niedergelassen. Für die (reguläre) Zulassung eines weiteren Urologen fehlten nur 4.000 Einwohner (Verwaltungsakte S. 52).
Mit Bescheid vom 4.10.2002 (Beschluss vom 18.9.2002, Verwaltungsakte S. 56) ließ der ZA den Kläger zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ab 1.1.2003 in O. zu. Hierfür bestehe ein lokaler Versorgungsbedarf, da die urologische Versorgung in der Raumschaft O. des großräumigen Landkreises R. unbefriedigend sei. Die Verkehrsanbindung der Raumschaft an die Standortgemeinden der niedergelassenen Urologen (R. und Sch.) sei schlecht. Entgegen der Annahme der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Nr. 1 umfasse der Einzugsbereich von O. nicht nur 22.000, sondern 44.000 Einwohner; das hätten die Krankenkassen bestätigt.
Gegen den ihr am 7.10.2002 zugestellten Bescheid des ZA legte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Nr. 1 am 6.11.2002 Widerspruch ein. Sie trug vor, ein lokaler Sonderbedarf für die Zulassung des Klägers bestehe nicht. Die vertragsärztliche Versorgung sei auch im nördlichen Teil des Landkreises R. durch die beiden Urologen in R. sichergestellt. Die entsprechenden Wegstrecken könnten den Versicherten zugemutet werden; das Straßennetz sei gut ausgebaut. Außerdem stünden niedergelassene Urologen in den Nachbarkreisen (Zollern-Alb-Kreis und Landkreis Freudenstadt - Versorgungsgrad mit Urologen 136,1 % bzw. 114,6 %; Stand Januar 2003 – Verwaltungsakte S. 111) zur Verfügung, etwa in H. und Bal ... Lege man für den Einzugsbereich der Gemeinde O. die Angaben des Klägers zugrunde, ergebe sich eine Einwohnerzahl von 44.036, wobei ca. die Hälfte auf weibliche Einwohner entfalle. Der Versorgungsbedarf sei gedeckt, da die maßgebliche Verhältniszahl (Einwohner/Urologe) um 16% unterschritten werde. Die Versicherten hätten die Urologen in R. und Sch. angenommen, zumal sie sich bei der fachärztlichen Versorgung zu den Städten hin orientierten. Ambulante Operationen würden schließlich auch von den bereits niedergelassenen Urologen angeboten.
Nachdem der Kläger sein bisheriges Vorbringen weiter bekräftigt und vertieft hatte (Schriftsatz vom 8.1.2003, Verwaltungsakte S. 90) gab er in der Sitzung des Beklagten vom 15.1.2003 (Verwaltungsakte S. 110) an, er wolle im Krankenhaus in O. Praxisräume anmieten.
Mit Bescheid vom 13.3.2003 (Beschluss vom 15.1.2003) hob der Beklagte den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 auf und lehnte den Zulassungsantrag des Klägers ab (Verwaltungsakte S. 114). Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung nach Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte seien nicht erfüllt. Beim Landkreis R. handele es sich – im Unterschied etwa zum Landkreis B.-H. – nicht um einen großflächigen Landkreis im Sinne des Bedarfsplanungsrechts. Die vertragsärztliche Versorgung sei durch die niedergelassenen Urologen in R. und Sch. sicher gestellt. Insgesamt bestehe Überversorgung, was zur Anordnung einer Zulassungssperre geführt habe. Die Entfernungen zwischen O. und R. bzw. Sch. lägen jeweils unter 20 km; die Wegstrecke von Do. als nördlichster Kreisgemeinde nach R. betrage 25 km, von Su. nach Sch. oder R. müssten ebenfalls nicht mehr als 30 km zurückgelegt werden. Die Gemeinde O. werde hinsichtlich der urologischen Versorgung dem Einzugsbereich der großen Kreisstadt R. zugeordnet. Die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln verdeutliche dies. Vor Anordnung der Zulassungsbeschränkungen (1993) habe sich kein Urologe in O. niederlassen wollen. Das Straßennetz sei gut ausgebaut, die Gemeinden seien teilweise über die Autobahn (A 81) zu erreichen. Von der weiter entfernten Gemeinde Su. aus betrage die Fahrzeit mit der Bahn (ohne Umsteigen) 20 Minuten; insbesondere in den Morgen- und Abendstunden sei ein regelmäßiger Bahnverkehr eingerichtet. Damit sei die Erreichbarkeit der urologischen Praxen in R. ausreichend gesichert. Im Hinblick darauf könnten insgesamt etwa 26.000 Kreiseinwohner zum Einzugsbereich von O. gerechnet werden, weshalb die bedarfsplanungsrechtlich maßgebliche Verhältniszahl nur etwa zur Hälfte erreicht werde. Außerdem müssten die in den Nachbarkreisen niedergelassenen Urologen berücksichtigt werden. Die notwendigen Fahrwege hätten die Versicherten mittlerweile auch akzeptiert. Insgesamt bestehe damit für die Zulassung des Klägers kein Bedarf.
Auf den ihm am 19.4.2003 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 5.5.2003 Klage beim Sozialgericht Freiburg, das sich mit Beschluss vom 12.11.2004 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen verwies. Der Kläger nahm auf das Urteil des BSG vom 10.5.1999 (- B 6 KA 9/99 R -) Bezug; das BSG habe im Schwarzwald (Landkreis W.) bereits eine Wegstrecke von 15 km für nicht mehr zumutbar erachtet.
In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 23.3.2005 erklärte der Vorsitzende des Beklagten, bei den durchgeführten Prüfungen sei man davon ausgegangen, dass Wegstrecken von 20 km zum Aufsuchen einer Facharztpraxis zumutbar seien. Dies habe man auch dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt und um Sch. und R. jeweils entsprechende Kreise gezogen. O. liege innerhalb eines solchen Kreises. Hinsichtlich einiger Gemeinden nördlich von O. hätten sich zwar längere Wegstrecken als 20 km ergeben, die man auch für nicht mehr zumutbar erachte. Das betroffene Gebiet sei aber zu klein, um eine Sonderbedarfszulassung zu rechtfertigen.
Mit Urteil vom 23.3.2005 hob das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 13.3.2003 (Beschluss vom 15.1.2003) auf und verurteilte ihn, über den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung führte es aus, entgegen der Auffassung des Beklagten, dem insoweit ein die Gerichtskontrolle einschränkender Beurteilungsspielraum nicht zustehe, sei der Landkreis R. im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne als großräumig einzustufen, obgleich er eher zu den kleineren Landkreisen des Regierungsbezirks Südbaden zähle. Das folge schon aus der Nord-Süd-Ausdehnung des Landkreises von Luftlinie etwa 40 km. Hinzukämen die ländliche Struktur des Kreises und die erschwerten Verkehrsverhältnisse im Schwarzwald, in den der Kreis hineinrage. Versicherte im Randbereich des Landkreises müssten deshalb u.U. nicht mehr zumutbare Wegstrecken zur nächstgelegenen Vertragsarztpraxis zurücklegen. Der Beklagte habe außerdem den für die Beurteilung der Bedarfsfrage maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und seine Einschätzung nicht widerspruchsfrei und nicht sachgemäß begründet. So habe er die Fallzahlen der niedergelassenen Urologen nicht hinreichend eruiert; dies werde nachzuholen sein. Außerdem müssten die Behandlungskapazitäten der Urologen in den Nachbarkreisen objektiv festgestellt werden. Schließlich habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert, er halte Wegstrecken zu Facharztpraxen von über 20 km für zu weit und unzumutbar. Solche Wege müssten aber Versicherte aus Gemeinden nördlich von O., etwa aus Su., bis R. bewältigen. Auch die Wege zu Urologen in den Nachbarkreisen seien weiter. Damit habe der Beklagte nach seinen eigenen Maßstäben ein Versorgungsdefizit festgestellt. Ob der Kläger eine Praxis wirtschaftlich betreiben könnte, sei nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens. Fragwürdig erscheine auch die Annahme, die Patienten hätten die bestehende Versorgungslage angenommen und die notwendigen Fahrstrecken akzeptiert.
Auf das ihm am 3.5.2005 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 24.5.2005 Berufung ein (Verfahren L 5 KA 2223/05); ihm stehe auch für die Einstufung eines Landkreises als im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne "großräumig" ein Beurteilungsspielraum zu. Der Landkreis R. sei ein flächenmäßig kleiner Landkreis. Bei einer Ausdehnung von 40 km in Nord-Süd -Richtung und von 20 km in Ost-West-Richtung könne jede Kreisgemeinde mit einer Fahrzeit von 30 bis 40 Minuten erreicht werden.
Mit Schriftsatz vom 20.3.2006 nahm der Beklagte die Berufung wieder zurück; die Rücknahme werde im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG erklärt.
Während des Berufungsverfahrens L 5 KA 2223/05 hatte der Beklagte weitere Ermittlungen angestellt. Er hatte Leistungs- und Fallzahlstatistiken der niedergelassenen Urologen in den Planungsbereichen (Landkreisen) R. (zwei Praxen in R., eine Praxis in Sch.), Fr. (eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten in Fr. zzgl. Zweigpraxis in Ho.) und Zollernalb (eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten in Bal., eine Praxis in He., zwei Praxen in A.) erhoben. Von den in R. bzw. Sch. niedergelassenen Urologen hatten Dr. Ba. und Dr. M. keine Engpässe oder Wartezeiten angegeben; ihre Praxen seien nicht ausgelastet. Dr. Rö. hatte bei ausgelasteter Praxis mit geringen freien Kapazitäten Wartezeiten von 1 bis 4 Wochen gemeldet, ausgenommen dringliche Indikationen (Verwaltungsakte S. 6). Dres. Ba. und M. hatten die Zulassung des Klägers, anders als Dr. Rö., nicht befürwortet. Die Beigeladene Nr. 1 hatte für die im Zollern-Alb-Kreis niedergelassenen Urologen Fallzahlen der Quartale 3/04 und 4/04 mitgeteilt (Dres. Hem./Mu., Bal.: 1.941/2.104; Dr. L., He.: 1.166/1.367; Dr. P., A. – wegen Übergabe an Nachfolger Leistungsausweitung zu erwarten -: 946/1.051; Dr. Bu., A.: 1.361/1.714; Verwaltungsakte S. 160).
Am 20.7.2005 führte der Beklagte eine erste mündliche Verhandlung durch. Seiner Ansicht nach gebe es im urologischen Bereich meist keine Notfälle; die Untersuchungen seien planbar. Der Kläger gab an, in O. und Su. sei ein Rettungswagen stationiert, um die Notfallversorgung zu gewährleisten; dies unterstreiche die schlechte lokale Versorgungslage (Sitzungsniederschrift Verwaltungsakte S. 162). Eine weitere mündliche Verhandlung fand am 7.6.2006 statt. Es wurde festgestellt, dass die Fallzahlen der Dres. Ba. und Rö. (Landkreis R.) und der niedergelassenen Urologen in Freudenstadt und Bal. (teils um 20 %) über dem Fachgruppendurchschnitt lägen. Dr. M. (Landkreis R.) liege im Durchschnitt. Mittlerweile betrage der Versorgungsgrad bei Urologen im Planungsbereich Landkreis R. 110,9 % (Stand 22.2.2006).
Mit Bescheid vom 31.8.2006 (Beschluss vom 7.6.2006) hob der Beklagte den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 auf den Widerspruch der (Rechtsvorgängerin der) Beigeladenen Nr. 1 (erneut) auf und lehnte den Zulassungsantrag des Klägers (erneut) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Landkreis R. werde nunmehr – anders als im vorausgegangenen Verfahren - als großräumig im Sinne des Bedarfsplanungsrechts eingestuft. Deshalb habe das Vorliegen eines lokalen Versorgungsbedarfs in Teilen des Landkreises geprüft werden müssen. Dabei müsse es um einen Bedarf gehen, der überhaupt nur an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Region bestehe und denkbar sei, sich also aus Besonderheiten ergebe, die in der Ortslage oder in besonderen örtlichen Krankheitshäufungen begründet seien. Hier sei eine besondere Krankheitshäufung aber weder ersichtlich nicht vorgetragen worden. Den Patienten, die einen Urologen aufsuchen wollten, könnten Wegstrecken bis zu 30 km zugemutet werden; insoweit habe man die bisherige Auffassung (Zumutbarkeitsgrenze 20 km) geändert. Die Entfernungen von O. oder Su. bis R. betrügen ca. 20 bzw. ca. 30 km. Bei diesen Entfernungen könne ein Versorgungsdefizit nicht festgestellt werden, zumal es im urologischen Bereich regelmäßig keine Notfälle gebe und die anstehenden Untersuchungen planbar seien. Außerdem könnten Patienten aus dem nördlichen Kreisgebiet Urologen in den Nachbarkreisen Freudenstadt und Zollern-Alb aufsuchen; die Wegstrecken betrügen jeweils höchstens 30 km. Bei diesen Verhältnissen liege ein lokales Versorgungsdefizit nicht vor. Zwar hätten die im Anschluss an das sozialgerichtliche Verfahren durchgeführten Erhebungen ergeben, dass die Urologen in den Landkreisen R., Freudenstadt und Zollern-Alb gut ausgelastet seien und teilweise um 20 % über dem Fachgruppendurchschnitt liegende Fallzahlen aufwiesen. Das begründe jedoch keinen Sonderbedarf, zeige vielmehr, dass auch nach dem ersatzlosen Ausscheiden des Dr. B. ein Versorgungsdefizit nicht aufgetreten sei. Nach wie vor gebe es bei zwei im Landkreis R. niedergelassenen Urologen freie Kapazitäten. Sinke der Versorgungsgrad von derzeit 110,9 % auf unter 110 % ab, fielen die bestehenden Zulassungsbeschränkungen gänzlich weg; ggf. möge der Kläger sodann einen Neuantrag stellen.
Am 18.9.2006 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Er bekräftigte sein bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor, ein lokaler Sonderbedarf könne nicht im Sinne besonderer örtlicher Krankheitshäufungen verstanden werden. Der Beklagte habe die einschlägigen Rechtsvorschriften daher fehlerhaft ausgelegt. Es komme auf räumliche Einheiten und nicht auf die Morbiditätsverteilung an. Die Planungsbereiche seien räumliche und keine krankheitsbezogenen Einheiten; auch für die der Bedarfsplanung zugrunde liegenden Verhältniszahlen (Einwohner/Ärzte) spiele die Morbidität keine Rolle. Nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung sei es nicht zulässig, die den Versicherten zumutbaren Wegstrecken einmal mit 20 km, ein andermal mit 30 km zu bemessen; letzteres widerspreche im Übrigen der langjährigen Verwaltungspraxis. Er werde dadurch in seinem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Es gebe keine tragfähigen Gründe für den Sinneswandel des Beklagten. Offenbar wolle man mit der Veränderung der Zumutbarkeitsmaßstäbe nur die Sonderbedarfszulassung unterlaufen. Zumindest hätte der Beklagte Gründe für die Änderung seiner Maßstäbe angeben müssen.
Der Beklagte trug vor, hinsichtlich der den Versicherten zumutbaren Wegstrecken habe man die bisherige Auffassung geändert; dies sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit Urteil vom 27.6.2007 hob das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 31.8.2006 (Beschluss vom 7.6.2006) auf und verurteilte ihn, den von der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 (Beschluss vom 18.9.2002) eingelegten Widerspruch zurückzuweisen. Zur Begründung führte es aus, der angefochtene Bescheid sei ermessensfehlerhaft; außerdem könne der Zulassungsantrag des Klägers rechtsfehlerfrei nicht mehr abgelehnt werden.
Der Beklagte habe bei seiner erneuten Entscheidung nicht darauf abstellen dürfen, dass den Versicherten Wegstrecken zu urologischen Praxen von bis zu 30 km zumutbar seien. Die zuvor befürwortete 20-km-Grenze möge zu knapp bemessen sein. Jedoch habe der Beklagte mit der 4 Jahre nach dem Zulassungsantrag vollzogenen Änderung der Beurteilungsmaßstäbe gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Im Verfahren S 1 KA 3637/04 habe der Vorsitzende des Beklagten (in der mündlichen Verhandlung vom 23.3.2005) noch die Auffassung vertreten, Versicherten könnten Wegstrecken von (nur) 20 km zugemutet werden; davon sei man bei der seinerzeit getroffenen Entscheidung ausgegangen. Der Beklagte habe die 20-km-Grenze nicht nur in den bislang behandelten Zulassungsverfahren, sondern auch im Verfahren des Klägers angewendet und seine Entscheidung auch auf diese Erwägung gestützt. Dass er den Landkreis R. außerdem nicht als im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne großräumig angesehen habe, ändere daran nichts. Damit sei für den Kläger ein schützenswertes Vertrauen auf die Beibehaltung des angewandten Beurteilungsmaßstabs begründet worden. Für eine Maßstabsänderung bedürfte es sachlicher Gründe, die indessen nicht vorlägen. Außerdem dürfte die 20-km-Grenze wegen ihrer Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 23.3.2005 Bestandteil der für die Beteiligten verbindlichen Rechtsauffassung des Gerichts geworden sein, auch wenn dies in den Entscheidungsgründen des (rechtskräftigen) Urteils vom 23.3.2005 (S 1 KA 3637/04) so nicht festgehalten worden sei. Schließlich sei die Annahme des Beklagten zweifelhaft, im urologischen Bereich gebe es regelmäßig keine Notfälle und die Untersuchungen seien planbar.
Lege man für die Zumutbarkeit von Wegstrecken die bislang angewandte 20-km-Grenze zugrunde, könne die Sonderbedarfszulassung nicht verweigert werden. Dafür gäben auch die vom Beklagten ermittelten Fallzahlen nichts her. Sie belegten eine mindestens durchschnittliche, teilweise deutlich überdurchschnittliche Auslastung der niedergelassenen Urologen.
Auf das ihm am 2.8.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28.8.2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, für die Festlegung der den Versicherten zumutbaren Wegstrecken sei ihm ebenfalls ein Beurteilungsspielraum eröffnet. Die anfangs praktizierte 20-km-Grenze sei zu knapp bemessen gewesen. Vielmehr seien Wegstrecken zu urologischen Praxen von bis zu 30 km durchaus zumutbar. Die Änderung dieser Einschätzung beruhe darauf, dass es im urologischen Bereich regelmäßig keine Notfälle gebe und anstehende Untersuchungen planbar seien. Darin liege eine sachliche Änderung, die es rechtfertige, von der bisherigen 20-km-Grenze abzurücken. Diese sei auch nicht Bestandteil der Rechtsauffassung des Sozialgerichts im (rechtskräftigen) Urteil vom 23.3.2005 (S 1 KA 3637/04) geworden.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1.) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.6.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Sonderbedarfszulassung für den Vertragsarztsitz U.str. 2, O. zu erteilen.
Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt er vor, der Beklagte habe seine Beurteilungsmaßstäbe hinsichtlich der den Versicherten zumutbaren Wegstrecken im vorliegenden Verfahren willkürlich geändert. Offenbar habe er damit nur auf das ihm ungünstige Urteil des Sozialgerichts vom 23.3.2005 (S 1 KA 3637/04) reagiert. Die in der Berufungsbegründung angegeben Motive seien jedenfalls nicht nachvollziehbar. Die Sachlage habe sich weder hinsichtlich des Notfallgeschehens im urologischen Bereich noch hinsichtlich der Planbarkeit urologischer Behandlungen verändert. Davon abgesehen träten auch bei den Urologen Notfälle auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 31.8.2006 (Beschluss vom 7.6.2006) zu Recht aufgehoben, da er auf einem rechtlich beachtlichen Beurteilungsfehler beruht. Allerdings kann der Senat nicht feststellen, dass dem Kläger ein Rechtsanspruch auf die begehrte Sonderbedarfszulassung zustünde, diese also vom Beklagten rechtsfehlerfrei nicht mehr versagt werden kann. Insoweit hat die Berufung des Beklagten Erfolg. Er wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über den Zulassungsantrag des Klägers bzw. den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 erneut zu befinden haben.
Die Beteiligten streiten mit Recht nicht darüber, dass dem Kläger die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nur im Wege der Sonderbedarfszulassung (wegen lokalen Sonderbedarfs) nach Maßgabe des § 101 Nr. 3 SGB V i.V. m. Nr. 24 Satz 1 Buschstabe a der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte (BedarfsplRL-Ä i.d.F. vom 9.3.1993, zuletzt geändert am 18.10.2005, BAnz v. 12.1.2006, S. 107) ermöglicht werden kann, da der Planungsbereich Landkreis R. für Urologen infolge der vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen angeordneten Zulassungsbeschränkung gesperrt ist (vgl. zuletzt Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 4.4.2007, Ärzteblatt Baden-Württemberg 2007, 287).
Gem. § 101 Satz 1 Nr. 3 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien Bestimmungen über Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze, soweit diese zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind. Nach Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä darf der ZA dem Zulassungsantrag eines Vertragsarztes der betroffenen Arztgruppe unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss entsprechen, wenn ein nachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises vorliegt. Die Zulassung setzt voraus, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint; bei vorübergehendem Bedarf ist von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch zu machen.
Für die Beantwortung der Frage, ob ein lokaler Versorgungsbedarf i. S. d. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i. V. m. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä vorliegt, ist der Behörde ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der die gerichtliche Rechtskontrolle beschränkt. Das Gericht prüft, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt und ob die Behörde die (äußeren und inneren) Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten und ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 12.9.2001, - - B 6 KA 86/00 R -). Die äußeren Grenzen des Beurteilungsspielraums werden durch die jeweils anzuwendende Rechtsvorschrift (Beurteilungsermächtigung) und außerdem durch höherrangiges Recht bzw. übergeordnete Rechtsgrundsätze, wie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, festgelegt.
Bei Auslegung und Anwendung der zur Festlegung der äußeren Grenzen des Beurteilungsspielraums verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe steht der Behörde ein autonomer Entscheidungsspielraum grundsätzlich nicht zu. Hier ist dem Beklagten bei der Subsumtion des unbestimmten Rechtsbegriffs "großräumiger Landkreis" i. S. d. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä daher ebenfalls (nur) eine nachvollziehende Abwägung aufgetragen, die voller gerichtlicher Rechtskontrolle unterliegt. Für die Großräumigkeitsfrage ist ausschlaggebend nämlich auf die räumliche - flächenhafte - Ausdehnung des Landkreises abzustellen. Ein Landkreis (Planungsbereich) ist im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne "großräumig", wenn die an sich in ausreichender Zahl vorhandenen niedergelassenen Ärzte von Teilbereichen des Landkreises aus wegen zu großer Entfernungen zumutbar nicht erreicht werden können. Damit hängt die Entscheidung der Großräumigkeitsfrage anders als die daran anknüpfende Prüfung eines (Sonder-)Bedarfs aber nicht von einer Vielzahl sich gegenseitig beeinflussender, für sich selbst und in ihrem Verhältnis zueinander weitgehend unbestimmter Faktoren, wie Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen oder ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur oder Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage auf Grund vorhandener Verkehrsverbindungen, ab, deren Bewertung den ortsnahen und sachkundigen, paritätisch besetzten Zulassungsgremien anheim gegeben ist (vgl. dazu auch Senatsurteile vom 13.11.2002, - L 5 KA 1247/02 -, und vom 17.5.2006, - L 5 KA 5224/05 -).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend hat der Senat bspw. den Landkreis Bodenseekreis als großräumig eingestuft und hierfür maßgeblich auf dessen Längsachse von über 40 km abgestellt; bei dieser Längenausdehnung besteht für Versicherte, die am oberen oder unteren Ende des Landkreises wohnen durchaus die Möglichkeit, dass niedergelassene Ärzte in zumutbarer Entfernung nicht erreicht werden können. Dem Landkreis L. hat der Senat demgegenüber die Großräumigkeit bei einer Längenausdehnung in nord-südlicher Richtung von unter 40 km und einer Breitenausdehnung in ost-westlicher Richtung von etwa 20 bis 30 km und wegen der nicht auf Weite ausgerichteten Infrastruktur und Verkehrsverbindungen abgesprochen (Senatsurteil vom 17.5.2006, - L 5 KA 5224/05 -). Im Hinblick darauf erscheint es fraglich, ob der Landkreis R. als großräumig qualifiziert werden kann, nachdem sich das Kreisgebiet in Nord-Süd-Richtung 37,2 km und in Ost-West-Richtung 31,6 km ausdehnt (Quelle: www.landkreis-R ...de). Die räumlichen und verkehrlichen Verhältnisse dürften sich nicht grundlegend von denjenigen des Landkreises L. unterscheiden; beiden Landkreisen ist auch gemein, dass sie mit Teilen des Kreisgebiets in den Schwarzwald ragen, woraus besondere verkehrliche Erschwernisse folgen können.
Der Senat darf hierüber aber nicht mehr abschließend entscheiden. Er ist zwar nicht an die Einschätzung des Beklagten gebunden, der dem Landkreis R. im Bescheid vom 31.8.2006 (anders noch im Bescheid vom 13.3.2003) nunmehr Großräumigkeit im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne zuschreibt; nach dem Gesagten steht ihm hierfür ein voller Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum nicht zu. Allerdings hat das Sozialgericht in seinem - unter den Beteiligten ergangenen und nach Rücknahme der Berufung im Verfahren L 5 KA 2223/05 rechtskräftigen - Urteil vom 23.3.2005 (- S 1 KA 3637/04 -) die Auffassung vertreten, beim Landkreis R. handele es sich um einen großräumigen Landkreis i. S. d. Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä und es hat den Beklagten ausgehend davon unter Aufhebung des Bescheids vom 13.3.2003 (Beschluss vom 15.1.2003) dazu verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 (gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die materielle Rechtskraft (§ 141 SGG) dieses Bescheidungsurteils erstreckt sich auch auf die Großräumigkeitsfrage. Der Beklagte kann diese im vorliegenden Fall nicht mehr anders beurteilen als das Sozialgericht; auch der Senat ist hieran gebunden. Durch das Bescheidungsurteil ist nämlich mit Rechtskraftwirkung festgestellt, dass die - im Bescheid des Beklagten als alleinigem Verfahrensgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens (vgl. nur etwa BSG SozR 3-2500 § 96 Nr. 1) - liegende Ablehnung der Sonderbedarfszulassung den Kläger in seinen Rechten verletzt, und er Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat. Die Rechtskraft des Bescheidungsurteils umfasst damit nicht nur die Verpflichtung der Behörde, neu zu entscheiden. Sie ist auch an die im Urteil ausgesprochene Rechtsauffassung des Gerichts, die sich aus den (tragenden) Entscheidungsgründen des Urteils ergibt, gebunden. Damit erwachsen einzelne Begründungselemente in materieller Rechtskraft (vgl. dazu etwa Kilian, in NK-VwGO § 113 Rdnr. 448 sowie § 121 Rdnr. 86; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.10.2000, - 11 S 43/00 - m. w. N.). Dies gilt hier vorliegend für die Rechtsauffassung des Sozialgerichts zur Großräumigkeit des Landkreises R ... Nur auf der Grundlage dieser Feststellung kann die Neubescheidung des Zulassungsantrags überhaupt erfolgen. Die im Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten hierzu ginge ins Leere, wäre er an die Rechtsauffassung des Sozialgerichts nur hinsichtlich der Maßgaben zum "Wie", nicht aber zum "Ob" der Beurteilungsentscheidung gebunden. Er darf daher über die Rechtsvoraussetzungen der ihm aufgegebenen erneuten Beurteilungsentscheidung nicht abweichend von der hierzu geäußerten Rechtsauffassung des Sozialgerichts befinden. Letzteres gilt damit auch für den Senat. Von den zwei in Nr. 24 Satz 1 Buchst. a BedarfsplRL-Ä genannten Voraussetzungen (lokaler Versorgungsbedarf in einem großräumigen Landkreis) steht somit in diesem Verfahren verbindlich fest, dass ein großräumiger Landkreis vorliegt.
Der Beklagte musste deshalb im Bescheid vom 31.8.2006 (nur noch) darüber entschieden, ob im Landkreis R. bzw. im Raum O. ein die Zulassung des Klägers rechtfertigender lokaler Sonderbedarf für die Niederlassung eines Urologen nach Nr. 24 Satz 1 Buchstabe a BedarfsplRL-Ä besteht. Dabei hat er nach Auffassung des Senats aber die äußeren Grenzen seines Beurteilungsspielraums verletzt, weshalb sein Bescheid keinen Bestand haben kann.
Tragende Erwägung für die Beurteilungsentscheidung des Beklagten, wonach die Versorgung der Versicherten mit Urologen im Planungsbereich Landkreis R. auch im Raum O. gewährleistet sei, war die klar formulierte Einschätzung, dass den Versicherten Wegstrecken zu urologischen Praxen von bis zu 30 km zuzumuten sind. Nur mit dieser Maßgabe können aus dem Raum O. zumutbar auch Urologen in R. oder in den Nachbarkreisen Freudenstadt und Zollern-Alb aufgesucht werden. Der Beklagte hat damit den bislang offenbar in vergleichbaren Fällen praktizierten Beurteilungsmaßstab geändert. Der Vorsitzende des Beklagten hat die Obergrenze der zumutbaren Entfernung mit 20 km noch in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 23.3.2005 klar bekundet.
Der Änderung des Beurteilungsmaßstabs wird der Kläger Gründe des Vertrauensschutzes nicht entgegen halten können. Ein auf nachvollziehbar dargelegten und als solche rechtlich nicht zu beanstandenden Sachgründen beruhender Meinungswandel kann der Behörde solange nicht verwehrt werden, wie sie nicht an ihre ursprüngliche Auffassung rechtlich gebunden ist. Das gilt auch für Entscheidungen in Ausübung eines Beurteilungsspielraums.
Die Maßgeblichkeit der "20-km-Grenze" ist in der Begründung des Bescheids vom 13.3.2003 nicht hervortreten, weil schon der "großräumige Landkreis" als weitere Voraussetzungen vor der Prüfung eines "lokalen Versorgungsbedarfs" verneint worden war. Hinsichtlich der "20-km-Grenze" fehlen Ausführungen; hierauf kam es ausschlaggebend nicht an. Ein rechtlich geschütztes Vertrauen auf die Beibehaltung dieses Maßstabs konnte sich beim Kläger jedenfalls aus diesem Grund nicht bilden.
Auch im Urteil des Sozialgerichts vom 23.3.2005 (a. a. O.) ist nicht rechtskräftig festgelegt worden, dass der Beklagte bei künftigen Entscheidungen den "20-km-Maßstab" anzuwenden hat. Das Sozialgericht hat ihn nicht mit hinreichender Klarheit zum Bestandteil der Rechtsauffassung gemacht, die Teil an der materiellen Rechtskraft des Bescheidungsurteils haben soll. In den Entscheidungsgründen des Urteils ist hierzu lediglich ausgeführt, der Vertreter des Beklagten habe erläutert, er halte Wegstrecken zu Facharztpraxen von über 20 km für zu weit und unzumutbar, weshalb der Beklagte - so das Sozialgericht - nach seinen eigenen Maßstäben ein Versorgungsdefizit festgestellt habe. Damit hat das Sozialgericht aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass es die als Auffassung des Beklagten referierte und als solche gekennzeichnete Rechtsansicht als eigene (gerichtliche) Rechtsauffassung übernehmen will, und dass diese Rechtsauffassung außerdem der dem Beklagten aufgegebenen erneuten Entscheidung verbindlich zugrunde gelegt werden muss. Das Sozialgericht hat die 20 km Grenze seinerseits somit nicht in den Gründen seiner Entscheidung festgeschrieben; es hat vielmehr zum lokalen Versorgungsbedarf lediglich eine Art Plausibilitätsprüfung durchgeführt. Bei verbindlicher Zugrundelegung der 20 km-Grenze hätte das SG sonst sogleich in der Sache für den Kläger positiv entscheiden und nicht zur Neubescheidung verurteilen dürfen, ohne hinreichende Plausibilität hätte es die Klage andererseits abweisen müssen. Eine Bindung des Beklagten ist also weder durch Bescheid vom 13.3.2003 noch durch das Urteil des SG vom 23.3.2005 begründet worden.
Für eine Selbstbindung genügt es auch nicht, dass der Vorsitzende der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 23.3.2005 eine andere Auffassung vertreten hatte. Er konnte mit seinen Rechtsausführungen vor dem SG den Beklagten, einen Ausschuss mit insgesamt 7 stimmberechtigten Mitgliedern, nicht binden, zumal das Gremium diese Frage bisher bescheidmäßig noch nicht abschließend beantwortet, möglicherweise sogar zuvor noch nicht beraten hatte. Dem trägt die ohne weitere Einschränkungen oder Auflagen erfolgte Verpflichtung zur Neubescheidung im Urteil des SG vom 23.3.2005 Rechnung, die damit nur zur Folge haben kann, dass der Beklagte den lokalen Versorgungsbedarf erneut überprüft. Bei dieser Ausgangslage ist es der Behörde aus Rechtsgründen somit nicht von vornherein verwehrt, ihre Beurteilungspraxis bzw. die ihren Beurteilungsentscheidungen zugrunde liegenden Erwägungen und Maßstäbe zu ändern.
Allerdings dürfen sowohl das Ergebnis der Beurteilungsänderung, die neue Beurteilungspraxis bzw. die neuen Beurteilungserwägungen, wie der Vorgang der Beurteilungsänderung Rechtsfehler nicht aufweisen. Das ist hier nach Auffassung des Senats aber der Fall.
Die vom Beklagten im Laufe des mehrjährigen Verfahrens vorgenommene Änderung des Beurteilungsmaßstabs - Verlängerung der zumutbaren Wegstrecke zu Facharztpraxen von 20 km auf 30 km - genügt in dieser Form den Anforderungen an eine hinreichende Begründung der Beurteilungsentscheidung nicht. Die Maßstabsänderung wird im Bescheid vom 31.8.2006 nur behauptet, nicht aber begründet. Das wäre freilich schon im Hinblick darauf geboten gewesen, dass zuvor dezidiert eine andere Auffassung vertreten worden war, und die Entscheidung über das Zulassungsbegehren des Klägers ausschlaggebend (u.a.) von der Bemessung der zumutbaren Wegstrecken abhängt. Die der Änderung des Beurteilungsmaßstabs zugrunde liegenden Erwägungen des Beklagten gehören daher zu den Subsumtionserwägungen, die der Beklagte im Bescheid so verdeutlichen muss, dass die rechtsfehlerfreie Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe für das Gericht erkennbar und nachvollziehbar ist. Das ist hier nicht geschehen, weshalb sich der Beklagte den Vorwurf willkürlichen Verhaltens zuziehen muss. Auch im Gerichtsverfahren sind nachvollziehbare Gründe für den Meinungswandel des Beklagten nicht vorgetragen worden. Die Notfallhäufigkeit oder die Planbarkeit urologischer Untersuchungen, auf die der Beklagte abgestellt hat, taugen dafür nicht, da in diesen Umständen seit dem Jahr 2003 schwerlich signifikante Veränderungen eingetreten sind.
Der Beklagte wird daher erneut über den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 zu entscheiden haben. Welche zurückzulegenden Wege innerhalb des Planungsbereichs für fachärztliche Behandlungen zumutbar sind, entzieht sich grundsätzlich allgemeiner Festlegung. Ausgangspunkt der Überlegungen sind die typischen bzw. häufigen, jedenfalls nicht vernachlässigbaren Beschwerden des betroffenen Patientenklientels bei einer eventuellen Fahrt zum Urologen; hiervon hängt ab, für welche Zeitdauer die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Zu berücksichtigen ist weiterhin das Alter der Patienten, wobei im vorliegenden Fall zu würdigen ist, dass die bereits niedergelassenen Urologen einen Rentneranteil von 55 % ihrer Patienten aufweisen. Schließlich fällt auf, dass der Zulassungsausschuss die Verkehrsverhältnisse als sehr schlecht bezeichnet hat; eine andere Einschätzung bedarf dann einer sich damit konkret auseinandersetzenden Begründung. Dass aus besonderen Gründen allerdings weiteres zu beachten wäre, ist - etwa im Hinblick auf Lage und Topographie bzw. klimatische Verhältnisse des Landkreises R. (vgl. dazu BSG, Urt. v. 10.5.1999, - B 6 KA 9/99 R - zu besonderen Verhältnissen im Hochschwarzwald) - andererseits nicht substantiiert dargetan und auch nicht ersichtlich.
Bei seiner neuen Entscheidung wird der Beklagte schließlich die Bedarfsfrage insoweit ergänzend zu überprüfen haben, als die Angaben der im Planungsbereich Landkreis R. und in den benachbarten Planungsbereichen niedergelassenen Urologen zu freien Behandlungskapazitäten zu objektivieren sind. In diesem Zusammenhang wird sich der Beklagte auch damit auseinandersetzen müssen, dass die Fallzahlen dieser Ärzte teils dem Fachgruppendurchschnitt entsprechen und diesen teils um bis zu 20 % überschreiten. Ob im Falle einer Sonderbedarfszulassung eine Praxis wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden könnte, ist demgegenüber rechtlich unerheblich.
Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ist der Beklagte somit aus Rechtsgründen nicht darauf festgelegt, den Widerspruch der Beigeladenen Nr. 1 gegen den Bescheid des ZA vom 4.10.2002 zurückzuweisen. Aus dem Gesagten folgt, dass sein Beurteilungsspielraum bei der Prüfung eines etwaigen lokalen Sonderbedarfs für die Niederlassung des Klägers als Vertragsarzt nicht auf diese Entscheidungsalternative reduziert ist. Insoweit hat die Berufung des Beklagten daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. §§ 155 Abs. 1 Satz 3 und 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nr. C IX 16.4 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit). Der Senat hat seiner Entscheidung die neueren, in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Zahlen der Beigeladenen Nr. 1 über die Umsätze der Urologen im Bezirk Südbaden im Jahre 2006 (die früheren Streitwertfestsetzungenlagen beruhten auf Umsätzen des Jahres 1999) zu Grunde gelegt.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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